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Auseinandersetzung von Nacherben mit Vorerben

BGH

Az.: V ZR 451/ 98

Urteil vom 13. 10. 2000

Vorinstanz: OLG Brandenburg; LG Neuruppin


Leitsatz:

Sind Erben hinsichtlich eines Gesamthandanteils zusätzlich Nacherben, so kann bei einer Erbauseinandersetzung zwischen ihnen und dem Vorerben, der auf den Vorerben übertragene Nachlaßgegenstand mit Mitteln der Erbschaft im Sinne des § 2111 Abs. 1 BGB erworben worden sein (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urt. v. 3. Dezember 1958, V ZR 98/ 57, LM § 242 [Ca] Nr. 13; BGHZ 40, 115, 122 f).

Norm: § 2111 Abs. 1 BGB


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2000 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Oktober 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

F. T. war Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks in O.. Er war in zweiter Ehe mit M. T. verheiratet und hatte aus erster Ehe drei Kinder, G., I. und H. H. wurde 1943 für tot erklärt; nach einem handschriftlichen Testament waren seine Geschwister Erben zu je 1/ 2. I. verstarb 1988 und wurde von ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1 beerbt. G. verstarb 1997 und wurde von seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern, den Klägerinnen zu 2 bis 4 beerbt.

F. T. war am 26. Dezember 1939 verstorben. Sein Testament enthielt u. a. folgende Verfügung: „Hiermit bestimme ich, daß meine Frau M. … nach meinem Tode bis zu ihrem Tode alleinige Nutznießerin aus meinem Grundstück an der H. 20 (das streitbefangene Grundstück)… bleibt. … Von der Erbmasse soll dieses Grundstück bis zu ihrem Tod ausscheiden, erst dann sollen meine Kinder Erben sein. … Meinen Anteil am Grundstück K. straße Nr. 28 sollen meine Kinder G. …, I. … und H. … zu je drei gleichen Teilen erben. …“

In einer notariellen Erbscheinsverhandlung vom 20. Januar 1940 legten M. T. und die Kinder I. und H. – G. war nicht beteiligt – das Testament dahin aus, daß M. T. in Höhe eines Drittels des Nachlasses Vorerbin und die drei Kinder Nacherben geworden seien und daß zwei Drittel des Nachlasses die Kinder zu gleichen Teilen geerbt hätten. Dementsprechend erteilte das Staatliche Notariat am 17. Dezember 1959 einen Erbschein. Hintergrund dessen war, daß der Wert des streitbefangenen Grundstücks (zusammen mit anderen Gegenständen) etwa ein Drittel des Nachlaßwertes ausmachte.

Am 16. März 1960 wurden M. T. sowie die Kinder G. und I. (H. war 1943 für tot erklärt worden) in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer des streitbefangenen Grundstück in das Grundbuch eingetragen. In Abt. II wurde am selben Tag der Vermerk aufgenommen, daß M. zu 1/ 3 des Nachlasses Vorerbin und G. und I. Nacherben seien.

Am 19. Januar 1961 schlossen die Erben einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, und zwar unter Bestätigung der Auslegungsvereinbarung vom 20. Januar 1940. Nach diesem Vertrag sollte M. T. das streitbefangene Grundstück bis zu ihrem Tode zu Alleineigentum erhalten, die Kinder den Anteil an dem Grundstück K. straße. Dementsprechend wurde die Auflassung hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks erklärt. Der notarielle Vertrag enthält – im Zusammenhang mit der Regelung der Belastungen – den Hinweis, daß der Nacherbenvermerk der Erwerberin bekannt sei. Am 17. Oktober 1961 wurde M. T. als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen; der Nacherbenvermerk blieb bestehen.

Am 20. Dezember 1976 starb M. T.. Testamentarische Erben waren H. und G. H., die am 8. Juli 1977 in ungeteilter Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen wurden. Am 11. April 1984 wurde der Nacherbenvermerk auf Antrag von H. H. gelöscht. Am 20. August 1985 wurde Eigentum des Volkes in das Grundbuch eingetragen, nachdem H. und G. H. auf das Eigentum verzichtet hatten. Rechtsträger wurde der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung O., dessen Rechtsnachfolger die Beklagte ist. Sie ist seit dem 6. August 1997 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Kläger sind der Ansicht, daß ihnen nach dem Tode von M. T. das Eigentum an dem Grundstück aufgrund der angeordneten Nacherbschaft zugefallen sei, so daß sie von der Beklagten Grundbuchberichtigung verlangen könnten mit dem Ziel, in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer eingetragen zu werden. Das Landgericht hat die – zunächst auf Auflassung gerichtete – Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr – nach Umstellung der Klage auf Grundbuchberichtigung – stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Eigentum an dem Grundstück sei von F. T. auf dessen Kinder H., G. und I. übergegangen, die ihrerseits von den Klägern beerbt worden seien. Die zwischenzeitliche Übertragung des Grundstücks durch Vertrag vom 19. Januar 1961 auf M. T. habe daran nichts ändern können. Sie sei entweder unwirksam, weil sie mit einer auflösenden Bedingung, dem Tode von M. T., verknüpft worden sei, oder sie sei wirksam, jedoch mit der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft „belastet“ gewesen, so daß G. und I. das Grundstück mit dem Tode von M. T. wieder zugefallen sei.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

1. Ohne Erfolg macht die Revision zunächst geltend, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei nicht eröffnet. Eine dahingehende Prüfung ist dem Senat nach § 17 a Abs. 5 GVG verwehrt. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs nicht gerügt. Die Auffassung der Revision, in dem Hinweis auf den zugunsten der Beklagten ergangenen Vermögenszuordnungsbescheid liege eine konkludente Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs, teilt der Senat nicht.

2. Nicht begründet ist auch die Rüge der Revision, mit der sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten der Erbfolge nach H. T. als unbeachtlich gewertet hat. Ihr ist zwar zuzugeben, daß sich die Beklagte hinsichtlich solcher Umstände, die sich ihrer Kenntnis entziehen, grundsätzlich auf bloßes Bestreiten beschränken kann. Die Beklagte hat hier aber keine konkreten Tatsachen bestritten, sondern ist lediglich dem rechtlichen Schluß entgegengetreten, den die Kläger aus dem Vorliegen einer Reihe von Tatsachen gezogen haben. Angesichts dessen ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht das bloße, sich auf die Rechtsfolge beschränkte „Bestreiten“ als unbeachtlich angesehen und die von den Klägern vorgetragenen Indiztatsachen als unstreitig behandelt hat. Aus diesen Indizien hat es den – möglichen – Schluß gezogen, daß G. und I. testamentarische Erben von H. T. geworden sind.

3. Entgegen der Meinung der Revision hat auch die Auffassung des Berufungsgerichts Bestand, die Übertragung des Grundstücks mit Vertrag vom 19. Januar 1961 auf M. T. habe einem erbrechtlichen Erwerb durch G. und I. – die wiederum von den Klägern beerbt wurden – nicht entgegengestanden. Infolgedessen ist der geltend gemachte Grundbuchberichtigungsanspruch begründet.

a) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die am 19. Januar 1961 zugunsten von M. T. erklärte Auflassung unter einer auflösenden Bedingung stand und damit unwirksam war (§ 925 Abs. 2 BGB). Der Senat kann daher, da weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, den Inhalt der Auflassung durch Auslegung selbst ermitteln. Das Ergebnis dieser Auslegung ist, daß eine unbedingte Auflassung erklärt wurde. Das folgt schon daraus, daß ohne konkret entgegenstehende Anhaltspunkte nicht angenommen werden kann, daß Vertragsparteien eine Regelung treffen, der keine Bedeutung zukommt, die vielmehr sogar unwirksam ist (vgl. Senatsurt. v. 1. Oktober 1999, V ZR 168/ 98, NJW 1999, 3704, 3705 m. w. N.). Im vorliegenden Fall gilt das um so mehr, als die Auflassung von der Erwerberin zugleich im Namen und in Vertretung der Veräußerer erklärt wurde. Es ist auszuschließen, daß sie, zumal in einem notariell beurkundeten Vertrag, ein unwirksames Geschäft vornehmen, also nicht Eigentümerin werden wollte. Ob und inwieweit sie vorher schon Eigentumsrechte an dem Grundstück hatte, spielt dabei keine Rolle, da an der Auflassung alle in Betracht kommenden Berechtigten beteiligt waren.

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, bei – unterstellter – wirksamer Auflassung habe die angeordnete Nacherbschaft dazu geführt, daß das Grundstück nach dem Tode von M. T. wieder den Kindern G. und I. zugefallen sei, ist im Ergebnis zutreffend.

Die Revision geht zu Recht davon aus, daß eine Vor- und Nacherbschaft nur durch letztwillige Verfügung angeordnet werden kann (§ 2100 BGB). Sie war daher dem ursprünglichen Erblasser F. T. durch Testament möglich, nicht aber den sich auseinandersetzenden Erben durch Verfügung unter Lebenden.

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Der Erbauseinandersetzungsvertrag vom 19. Januar 1961 führte aber nicht dazu, daß das M. T. übertragene Grundstück aus dem Nachlaß ausschied. Vielmehr trat es nach § 2111 Abs. 1 BGB an die Stelle des der Vorerbin zuvor zustehenden Gesamthandanteils in Höhe von einem Drittel des Nachlasses.

a) Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß mit Mitteln der Erbschaft im Sinne des § 2111 Abs. 1 BGB auch diejenigen Gegenstände erworben sind, die der Vorerbe im Wege der vereinbarten Erbauseinandersetzung aufgrund seiner Miterbenstellung erhält (RGZ 89, 53, 58 ff; Senat, Urt. v. 3. Dezember 1958, V ZR 98/ 57, LM § 242 [Ca] Nr. 13; BGHZ 40, 115, 122 f; Soergel/ Harder, BGB, 12. Aufl., § 2111 Rdn. 5; MünchKomm-BGB/ Grunsky, § 2111 Rdn. 9 m. w. N.). Dies dient dem Schutz des Nacherben, dessen Anwartschaft im Falle einer Auseinandersetzung der Miterben ohne Anordnung einer Surrogation erlöschen würde.

b) Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, daß an der Erbauseinandersetzung die Nacherben beteiligt waren. Die Kinder G. und I. waren nämlich nicht nur zusammen mit M. T. Miterben (in Höhe eines Gesamthandanteils von zusammen zwei Dritteln), sondern sie waren hinsichtlich des Ein-Drittel-Gesamthandanteils von M. T. auch deren Nacherben. Bei einer solchen Erbauseinandersetzung, an der die Nacherben mitwirken, ist es möglich, daß eine endgültige Auseinandersetzung vorgenommen wird mit der Folge, daß die dem Vorerben übertragenen Gegenstände aus dem Nachlaß ausscheiden und damit von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfaßt werden. Denn auseinandersetzen können sich auch Vor- und Nacherben (Palandt/ Edenhofer, BGB, 59. Aufl., § 2100 Rdn. 11).

Hiervon ist im konkreten Fall aber nicht auszugehen. Dagegen spricht, daß der Nacherbenvermerk nicht gelöscht wurde, sondern daß in dem Vertrag hierauf vielmehr ausdrücklich hingewiesen wurde. Ferner sollte das Eigentum an dem Grundstück auf M. T. nur bis zu deren Tode übergehen. Hieraus wird deutlich, daß es nach dem Willen der Vertragschließenden Nachlaßbestandteil bleiben sollte (so wie dies § 2111 BGB vorsieht). Für diese Sicht spricht schließlich, daß die Erbauseinandersetzung ausdrücklich dem Zweck diente, die nach Auffassung der Vertragschließenden nicht dem Willen des Erblassers entsprechende steuerliche Behandlung der Grundstücke zu ändern (sämtliche Erben wurden steuerlich für beide Grundstücke herangezogen). Es gibt demgegenüber keinen Hinweis, daß sie das durch Vor- und Nacherbschaft festgelegte Ergebnis ändern wollten, daß nämlich nach dem Tode von M. T. der gesamte Nachlaß den Kindern (bzw. deren Erben, § 2108 Abs. 2 BGB) zustehen sollte.

4. Infolgedessen haben H. und G. H. das Grundstück nicht geerbt. Ihr Verzicht auf das Eigentum zugunsten des Volkes ging ins Leere. Entgegen der Auffassung der Revision ist Volkseigentum auch nicht kraft guten Glaubens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GDO entstanden. Diese Norm greift nur ein, wenn das Eigentum an einem Grundstück durch Vertrag erworben wird. Daran fehlt es bei einem Verzicht nach § 310 ZGB. Die zur Wirksamkeit des Verzichts erforderliche staatliche Genehmigung stellt keine vertragliche Erklärung dar, was schon dadurch deutlich wird, daß die Versagung der Genehmigung einer Begründung bedurfte und von dem Grundstückseigentümer mit der Beschwerde angefochten werden konnte (§§ 16 ff GVVO; vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben v. Ministerium der Justiz, § 310 Anm. 1).

Ein Bestandsschutz nach Art. 237 § 1 EGBGB scheidet ebenfalls aus (Senatsurt. v. 19. Juni 1998, V ZR 356/ 96, WM 1998, 1832).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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