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Ausführung einer nicht autorisierten Überweisung – Erstattungsanspruch gegen Bank

LG Düsseldorf – Az.: 6 O 72/17 – Urteil vom 26.10.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 745.410,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.154,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung wegen eines von der Beklagten zu Lasten des Kontos der Klägerin ausgeführten Überweisungsauftrags in Anspruch.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten ein Girokonto. Dem Zahlungsdienstevertrag zwischen den Parteien liegen die Bedingungen für den Überweisungsverkehr zugrunde (Anl. B3). Diese enthalten u.a. folgende Regelungen:

„3.3.1. (1) im Falle einer nicht autorisierten Überweisung (siehe Nr. 1.3 Abs. 2) die Bank gegen den Kunden keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen. Ist verpflichtet, dem Kunden den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Konto des Kunden belastet worden ist, dieses Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem er sich ohne die Belastung durch die nicht autorisierten Überweisung befunden hätte. ( … )

3.3.3. (3) Ansprüche des Kunden sind ausgeschlossen, wenn die einen Anspruch begründenden Umstände

auf einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis beruhen, auf das die Bank keinen Einfluss hat und dessen Folge trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, oder von der Bank aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung herbeigeführt wurden.“

Die Beklagte tätigt einen kleinen Teil des Zahlungsverkehrs der Klägerin und ist umfänglich für den Zahlungsverkehr der Vertriebs GmbH der Klägerin zuständig. Standardgemäß erfolgen autorisierte Anweisungen der Klägerin über das electronic Banking. Eine Auftragserteilung per Fax (Anl. B2) war von den Parteien im Vorfeld des streitgegenständlichen Ereignisses nicht unterzeichnet worden. Zwischen den Parteien bestand keine Vereinbarung, wie eine Autorisierung bei Faxüberweisungen zu erfolgen habe. Es erfolgten zudem auch postalische Überweisungen. Eine vertragliche Verpflichtung der Klägern, dass die mittels Telefax übermittelten Aufträge im Original gemäß den in den Kontounterlagen getroffenen Verfügung Vollmachten vor der Absendung unterzeichnet werden bestand nicht. Auch fehlte es an einer Vereinbarung dahingehend, welche Personen zur telefonischen Bestätigung des Auftrages und einer vertraglichen Haftungsfreistellung autorisiert sind. Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses waren allein die damaligen Geschäftsführer der Klägerin, die Zeugen X, Y und Z zeichnungsberechtigt (Anl. K3).

Die Zeugin T ist bei der Klägerin als Leiterin der Finanzbuchhaltung beschäftigt und war im System der Beklagten als auskunftsbefugte Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung hinterlegt. Sie ist im Rahmen ihrer Funktion nicht dazu berechtigt, mit der Beklagten Vereinbarungen über Zahlungsmodalitäten zu treffen. Sie erhielt am 8. Februar 2017 eine Mail, in der sie, vermeintlich von dem Zeugen X, der sich an diesem Tag im Ausland aufhielt, darum gebeten wurde, die Bankverbindung der Klägerin an einen Rechtsanwalt der Kanzlei D, die von der Klägerin tatsächlich mandatiert wird, was der Zeugin auch bekannt war, weiterzuleiten, um eine „streng vertrauliche Transaktion“ einzuleiten. Als Emailadresse des Anwalts wurde „xx“ genannt. Eine Kontaktaufnahme – so die Anweisung in der Email – sollte zu dem Absender aus Diskretionsgründen und zur Sicherstellung einer ausreichenden Dokumentation für die BAFin ausschließlich per Mail erfolgen (Anl. K4). Als Absender der Mail war die Firmen-Emailadresse des Zeugen X angegeben und zusätzlich die Adresse „Erwerb2017.BaFin@europe.com“. Der vermeintliche Rechtsanwalt C erhielt die Email in CC. Nachdem die Zeugin T in einer Antwortmail angab, eine Zahlung aufnehmen zu können (Anl. K5), wurde sie in einer weiteren Mail erneut auf die Vertraulichkeit eingeschworen und nach der Möglichkeit einer am selben Tag erfolgenden Anweisung von 1.490.770,00 EUR im Außenwirtschaftsverkehr gefragt (Anl. K6). Im weiteren Mailverkehr bat der vermeintliche Zeuge X die Zeugin T darum, ein Überweisungsformular für den Außenwirtschaftsverkehr zu organisieren, das per Fax an die Beklagte gesendet werden sollte (Anl. K8).

Die Zeugin trat telefonisch in Kontakt mit Mitarbeitern der Beklagten und erhielt die Auskunft, man werde ausnahmsweise eine Anweisung per Fax akzeptieren. So sendete die Zeugin einen Vordruck an den vermeintlichen Zeugen X (Anl. K 9, 9a), welches sie mit einer Unterschrift, vermeintlich von dem Zeugen X, per Email zurückerhielt (Anl. K11) und schließlich nach Einfügung von ergänzenden Angaben an die Beklagte von dem Faxgerät, welches der Abteilung Payment Operations zugeordnet ist, faxte (Anl. K12). Seitens der Beklagten erfolgte zu keinem Zeitpunkt eine Anfrage bei der Zeugin, ob ihr das Fax im Original vorliege.

Von der Zeugin B, Mitarbeiterin der Beklagten, erhielt die Zeugin T jedenfalls die Auskunft, dass das Fax seitens der Beklagten überprüft werde. Mangels durch Mitarbeiter der Beklagten erkannter Auffälligkeiten bei Prüfung der eingegangenen „Unterschrift“ erfolgte die Anweisung der streitgegenständlichen Summe an ein in China geführtes Konto.

Am 10. Februar 2017 entdeckte der Zeuge X den Vorgang, rief bei der Beklagten an und stornierte die Überweisung telefonisch und per Email (Anl. K 26).

Ausführung einer nicht autorisierten Überweisung - Erstattungsanspruch gegen Bank
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Nach weiterem Kontakt zwischen den Parteien forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 14. Februar 2017 auf, den überwiesenen Betrag zurück zu buchen, was die Beklagte mit Schreiben vom 16. Februar 2017 ablehnte (Anl. K 29, 30). Mit anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 23. Februar 2017 forderte sie die Beklagte erneut auf, die Rückbuchung des Betrages bis zum 15. März 2017 vorzunehmen (Anl. K30). Mit Schreiben vom 24. März 2017 lehnte die Beklagte eine Rückbuchung endgültig ab, da die Anweisung nicht mehr hat storniert werden können (Anl. K33).

Die Klägerin behauptet, der Zeugin T habe nicht an der Seriosität des ihr per Email erteilten Auftrags gezweifelt. Sie habe zudem den angegebenen Zahlungsempfänger im Internet recherchiert und die vermeintliche Unterschrift des Zeugen X sei ihr nicht auffällig vorgekommen. Sie ist der Ansicht, Gegenforderungen der Beklagten seien aufgrund der Ausgestaltung der AGB ausgeschlossen.

Die Klägerin bestreitet, dass das Anweisungsformular, durch das die streitgegenständliche Überweisung erfolgte, von dem Zeugen X unterzeichnet worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.490.820,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.114,01 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet eine fehlende Autorisierung der streitgegenständlichen Anweisung und behauptet, dass eine Fälschung der Unterschrift auch nach eingängiger Prüfung nicht erkennbar gewesen sei. Dies obwohl eine ausführliche Prüfung des Faxes stattgefunden.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin trage die Beweislast hinsichtlich der fehlenden Autorisierung der Überweisung. Jedenfalls müsse sich die Klägerin die Unterschrift auf dem Anweisungsfax unter Rechtsscheingesichtspunkten nach § 675e Abs. 2 Satz 2 BGB zurechnen lassen aufgrund der Anrufe, die die Zeugin T. bei der Beklagten getätigt habe und dem Umstand, dass das streitgegenständliche Fax aus dem Hause der Klägerin versandt worden sei.

Sie ist ferner der Ansicht, sie könne hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aufrechnen, da sie ihre Sorgfaltspflichten aus dem Girovertrag verletzt habe. Die Zeugin T habe Auffälligkeiten, anhand derer ihr Zweifel hätten kommen müssen, – wie beispielsweise, dass es ihr übertragen war, das blanko unterschriebene Formular auszufüllen, es sich laut Google-Recherche bei der Zahlungsempfängerin um eine Offshore Gesellschaft handele, die Unterschrift auffällig anders gewesen sei, Auffälligkeiten in der Emailadresse des vermeintlichen Rechtsanwalts bestanden und auch die Absenderadresse des vermeintlichen Betrügers auffällig gewesen sei – übersehen und sie habe sich an einem „Komplott“ gegen die weiteren Geschäftsführer beteiligt. Das Verhalten der Zeugin T sei insgesamt fahrlässig gewesen und dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Eine Sperrwirkung entfalte der § 675v BGB nicht, da sein Anwendungsbereich nicht eröffnet sei. Ein etwaiges Mitverschulden seitens der Beklagten sei durch § 675 o BGB gesperrt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen und auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen war sie abzuweisen.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch nach § 675 u S. 2 BGB und Ziff. 3.3.3 (1) Bedingungen Überweisungsverkehr.

Die Beklagte hat eine nichtautorisierte Überweisung durchgeführt. Die Klägerin muss sich die Überweisung nicht unter Rechtsscheingesichtspunkten zurechnen lassen und der Anspruch ist nicht nach § 676c Nr. 1 BGB bzw. Ziff. 3.3.3. (3) Bedingungen Überweisungsverkehr ausgeschlossen. Der Anspruch besteht jedoch aufgrund teilweise unzulässiger Rechtsausübung hälftig nicht.

Zwar ist der Anspruch aus § 675u Satz 2 BGB bei Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet. Der Zahler hat jedoch dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist oder das Konto auch ohne Rückbuchung einen Habensaldo aufweist oder eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2017, 1 U 224/15, zitiert nach juris, m.w.N.). Nachdem die Beklagte den Zahlungsantrag der Klägerin nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Auszahlungsanspruchs der Klägerin gegeben sind.

Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§ 676c Abs. 1, 670, 670u Satz 1 BGB zu, weil davon auszugehen ist, dass ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorlag. Im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs schuldet der Zahlungsdienstleister, weil er die Belastung eines Kontos zu Unrecht vorgenommen hat, gemäß § 675u Satz 2 BGB die unverzügliche Erstattung des Zahlungsbetrages.

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Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, es handele sich bei der Unterschrift des ihr vorgelegten Faxes um die Unterschrift des zeichnungsberechtigten Geschäftsführers. Die Klägerin bestreitet eben dies.

Die Beklagte trägt für das Vorliegend der Autorisierung die Beweislast. Dies ergibt sich zwar richtigerweise nicht aus § 675w BGB, da dieser nach richtlinienkonformer Auslegung wohl nur Zahlungsvorgänge erfasst, die unter Anwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments ausgelöst wurden, was vorliegend nach § 675j BGB nicht gegeben ist. Dennoch bleibt es auch in diesen Fällen bei der allgemeinen Beweislastverteilung, wonach der Kunde die Erteilung des Zahlungsauftrags und der Dienstleister seine Erfüllung und Autorisierung beweisen muss (vgl. Zetzsche/MüKo, BGB, § 675w Rn. 3; Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018 , § 675w Rn. 5). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall bezüglich der Echtheit der Unterschrift auf einem nur in einem Faxschreiben vorliegenden Überweisungsauftrag (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2000 – 17 U 225/98, OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2017 – 1 U 224/5). Eine tatsächlich vorliegende Autorisierung, mithin eine Unterzeichnung durch den Zeugen X ist von der Beklagten nicht substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen worden.

Zudem beweist das als Anlage eingereichte Faxschreiben nicht die Abgabe der unterzeichneten Erklärung, denn bei diesem handelt es sich nicht um eine Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO, sondern nur um eine Abschrift derselben. Auch die Voraussetzungen des § 427 Satz 1 ZPO, wonach die Abschrift einer Urkunde unter den dort genannten Voraussetzungen von dem Gericht als richtig angesehen werden kann, liegen hier nicht vor. Darüber hinaus hat die Klägerin auch die Echtheit der Unterschrift bestritten und die Beklagte hat den Beweis der Echtheit nicht geführt. Dies geht zu ihren Lasten.

Ein Haftungsausschluss nach § 676c Nr. 1 BGB, Ziff. 3.3.3 (3) Bedingungen für den Überweisungsverkehr ist nicht gegeben. Dies setzte voraus, dass die einen Anspruch begründenden Umstände auf einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis beruhen, auf das die Beklagte keinen Einfluss hat und dessen Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können.

Die Fälschung des Auftrags stellte für die Beklagte kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis dar, denn sie war sich des Fälschungsrisikos bei Aufträgen mittels Telefaxschreiben bewusst, wie sich aus ihrem Vordruck Anl. B2 ergibt. Zudem ist der Erstattungsanspruch bei nicht autorisierter Zahlung verschuldensunabhängig ausgestaltet, so dass es auf eine Erkennbarkeit der Fälschung nicht ankommt. Es verbietet sich daher, über die Regelung des § 676c Nr. 1 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zu unterlaufen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11. März 2017 – 1 U 224/15, zitiert nach juris). Auch ein etwaiger Ausschluss des Anspruchs der Klägerin aus Rechtsscheingesichtspunkten scheidet aus diesem Grunde aus.

Dem Anspruch der Klägerin ist keine etwaige Verletzung von Sorgfaltspflichten entgegenzuhalten, wegen einer zu spät erfolgten Unterrichtung der Beklagten über die fehlende Autorisierung. Zwar hat der Zahlungsdienstnutzer nach Feststellung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs den Zahlungsdienstleister unverzüglich davon zu unterrichten. Eine etwaige Pflichtverletzung der Klägerin aufgrund der umstrittenen Umstände, wie der Zeuge X und die Zeugin T letztlich erfuhren, dass die Klägerin betrogen worden sein könnte, bzw. wann genau dies war, führt vorliegend nicht zum Untergang des Erstattungsanspruchs der Klägerin. Denn die Beklagte hat nicht dargelegt, dass bei unverzüglicher Unterrichtung die Zahlung noch hätte korrigiert werden können, so dass der Einwand des Mitverschuldens nicht schlüssig ist. Aufgrund der extrem kurzen Ausführungsfristen im nicht beleggebundenen Zahlungsverkehr (§ 675s Abs. 1 Satz 1 BGB) ist regelmäßig umgehend der Schaden der Überweisungsbank irreversibel eingetreten.

2.

Der Erstattungsanspruch der Klägerin besteht nach § 242 BGB aufgrund des Einwandes unzulässiger Rechtsausübung nur in der tenorierten Höhe, da der Beklagten ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 675f BGB zusteht (vgl. RG, Urteil vom 10. Februar 1904 – I 415/03 – RGZ 56, 410, 413; BGH, Beschluss vom 25. Januar 1985 – III ZR 138/84, WM 1985, 511), der jedoch aufgrund eigenen Mitverschuldens nach § 254 BGB nicht in voller Höhe durchgreift.

Der Schadensersatzanspruch der Beklagten ist nicht nach § 675u Satz 1 BGB oder aufgrund der Bedingungen für den Überweisungsverkehr ausgeschlossen. Demnach sind ausschließlich Aufwendungsersatzansprüche ausgeschlossen, nicht jedoch Schadensersatzansprüche (vgl. Palandt/ Sprau, a.a.O., § 675u Rn. 3).

Die Zeugin T hat durch ihr Verhalten schuldhaft, nämlich fahrlässig nach § 276 Abs. 2 BGB, gegen die girovertragliche Pflicht verstoßen, die Gefahr einer Fälschung soweit wie möglich auszuschalten. Der beschränkte Verschuldensmaßstab des § 675v BGB ist vorliegend nicht anwendbar, da kein Zahlungsinstrument benutzt wurde und eine tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit nicht gegeben ist. Es besteht kein Raum für eine analoge Anwendung, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Der Gesetzgeber hat die Haftung des Zahlers nur für den Fall der Nutzung eines Zahlungsinstruments beschränkt in dem Wissen, dass es auch Fälle von Zahlungsanweisungen ohne Nutzung eines solchen Instruments gibt. Dennoch wurde der beschränkte Verschuldensmaßstab ausschließlich auf andere Sachverhalte beschränkt.

Die Zeugin T hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und damit fahrlässig gehandelt, indem sie – außer ihrer Google-Recherche – keine weiteren Nachprüfungen anstellte bevor sie die Beklagte aufforderte, die von ihr übersandte Anweisung auszuführen. Eine sorgfältig handelnde Buchhalterin, der der vermeintliche Auftrag erteilt wird, eine Anweisung über die streitgegenständliche Summe zu veranlassen, hätte nach der gebotenen Sorgfalt auf die Emails die sie vom vermeintlichen Zeugen X erhielt, jedenfalls einmal antworten müssen, ohne dabei die „Antwortfunktion“ des Emailprogramms zu nutzen. Denn hier handelte es sich um einen vermeintlichen Arbeitsauftrag, der für die Zeugin T so nicht zum täglichen Geschäft gehörte. Auch der Umstand dies alles so streng vertraulich zu behandeln, dass die weiteren Geschäftsführer nicht informiert werden sollten, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung absolut fernliegend und hätte eine sorgfältig agierende Buchhalterin zu weiterer Vorsicht und Achtsamkeit veranlassen müssen. Eine weitere Nachforschungspflicht im Hinblick auf die wahre Identität ihres Emailkommunikationspartners begründete überdies jedenfalls auch der Umstand, dass in der Absenderzeile Erwerb2017.BaFin@europe.com neben der Emailadresse des Zeugen Stern stand. Denn dies ist völlig lebensfremd auch unter Berücksichtigung der Angabe gegenüber der Zeugin T, dass nur per Mail kommuniziert werden solle, um der Bafin eine lückenlose Kommunikation zu bieten. Unterstellt diese Angabe hätte der Wahrheit entsprochen, so kann „die Bafin“ in diesem Fall nicht als Absender der Mail sondern allenfalls als CC-Empfängerin angegeben sein. Auch die Emailadresse – als Adresse der Bafin – ist lebensfremd, da mittlerweile hinlänglich bekannt ist, dass Firmen- oder Behördenbezeichnungen stets auf das @-Zeichen folgen und nicht vor dem @-Zeichen genannt werden. Zudem handelt es sich bei der Bafin um eine deutsche und nicht um eine europäische Behörde, so dass auch die Kennung „@europe.com“, statt bspw. „@bafin.de“ Misstrauen bei einer sorgfältig agierenden Buchhalterin hätte erregen müssen und zu weiteren Vorsichtsmaßnahmen hätte führen müssen, die die Zeugin jedoch nicht getroffen hat. Genauso die angegebene Emailadresse des vermeintlichen Rechtsanwalts C. Die Zeugin T hat trotz all dieser Umstände, die die Aufmerksamkeit einer sorgfältig agierenden Buchhalterin hätten erregen müssen, ohne weitere Nachforschungen zu betreiben die Ausführung der Anweisung vorangetrieben und hat nicht einmal nachgefragt, warum der vermeintliche Zeuge Stern den Vordruck zwecks Anweisung nicht selber vollständig ausfüllte und an die Beklagte faxte.

Das schuldhafte Verhalten der Zeugin T ist der Beklagten nach § 278 BGB auch zuzurechnen. Nach § 278 Satz 1 BGB hat ein Schuldner für schuldhaftes Verhalten einer Hilfsperson einzustehen, soweit es in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Zugewiesen war der Zeugin T. unter anderem als Leiterin der Finanzbuchhaltung die Auskunftsbefugnis gegenüber der Beklagten. Mangels anderweitigen Vortrags ist in diesem Zusammenhang auch anzunehmen, dass es unter anderem ihre Aufgabe war, Zahlungsanweisungen an die Beklagte weiterzuleiten. Insofern gehörte die pflichtverletzende Handlung auch zu dem ihr zugewiesenen Aufgabenkreis. Unschädlich ist dabei, dass die Klägerin im Übrigen keine Zahlungsanweisungen per Fax erteilte.

Die Beklagte trifft nach § 254 BGB jedoch ein hälftiges Mitverschulden. Ein Mitverschulden der Beklagten ist nicht nach § 675o BGB ausgeschlossen, da es sich hier vorliegend um eine unautorisierte Anweisung handelte und folglich die Pflicht zur Überweisung gerade nicht eingegriffen hat. Nach § 254 BGB ist der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Demnach trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rn. 8)

Der Beklagten oblag es, die Autorisierung der Anweisung zu überprüfen. Zwar hat sie – nach umstrittenen Vortrag – die eingegangene Unterschrift des vermeintlichen Zeugen Stern mit der von dem Zeugen X bei ihr hinterlegten Unterschrift verglichen und ihren weiteren Prüfvorgang durchgeführt, doch, dies unterstellt, oblag es der Beklagten aufgrund der gegebenen Umstände (hohe Summe, Anweisung sollte entgegen dem üblichen Vorgehen aufgrund eines Faxes erfolgen) weitere Maßnahmen zu treffen, um die gebotene Sorgfalt einzuhalten. So hätte sie jedenfalls den Zeugen X per Mail kontaktieren müssen, um sich der Ordnungsgemäßheit der Überweisung zu vergewissern. Ferner oblag es ihr, aufgrund der bereits angezeigten Umstände, weitere Rückfragen bei der Zeugin T bezüglich der Hintergründe der Überweisung zu stellen, die nach unstreitigem Parteivortrag für das Geschäftsverhältnis der Parteien unüblich waren. Auch sind die Mitarbeiter der Beklagten besonders geschult hinsichtlich solcher Betrugsszenarien, wie ein solches auch vorliegend angewendet wurde. Insoweit handelte die Beklagte im eigenen Pflichtenkreis in nicht unerheblichem Maße sorgfaltspflichtwidrig, so dass sie ein hälftiges Mitverschulden trifft.

Der Zahlungsanspruch ist auch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288, 291 BGB in der von der Klägerin beantragten Höhe ab dem 17. Februar 2017 zu verzinsen.

Der Anspruch der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehen in der tenorierten Höhe nach §§ 280, 286 BGB. Die Beklagte befand sich infolge ihres ablehnenden Schreibens vom 16. Februar 2017 in Verzug, so dass die ausgelösten Rechtsverfolgungskosten Teil des Verzugsschadens sind, jedoch nur in der berechtigterweise geltend gemachten Höhe.

Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 21. September 2018 und der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 12. Oktober 2018 gaben weder Anlass zu einer abweichenden Entscheidung noch zur Wiedereröffnung der mündlichen Hauptverhandlung nach § 156 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.490.820,00 EUR festgesetzt.

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