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Ausgleichsanspruch bei Flugannullierung – Ausführendes Luftfahrtunternehmen

AG Bremen – Az.: 9 C 86/18 – Urteil vom 18.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.09.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung geltend.

Der Kläger buchte für den 11.12.2018 einen Flug von Zürich nach Bremen. Von der Firma … business travel erhielt der Kläger eine Bestätigung, u.a. mit folgenden „Travel Details“:

„Airline Booking Ref OPO9TI

Airline Lufthansa

Flight LH352

[…]

Operated By Lufthansa Cityline“ (Bl. 6, 7 d.A.).

Dieser Flug setzte sich aus zwei getrennten Flügen zusammen, wobei der zweite Flug mit der Bezeichnung „LH 352“ von Frankfurt nach Bremen annulliert wurde. Der Kläger forderte die Beklagte am 30.01.2018 vorgerichtlich zur Ausgleichszahlung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2018 unter Hinweis auf die schlechte Wettersituation abwies. Außerdem bat der Kläger am 30.01.2018 um einen Hinweis der Beklagten, falls sie nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Fluggastrechteverordnung sei.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen und damit passivlegitimiert sei, was sich aus dem IATA-Code LH in der Buchungsbestätigung ergebe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass nicht sie, sondern die Fluggesellschaft Lufthansa City Line GmbH passivlegitimiert sei, weil der Flug von dieser mit deren Maschine des Typs Embraer 190 (Registrierung: D-AECI) hätte ausgeführt werden sollen und somit das operationelle Risiko des Fluges bei der Fa. Lufthansa City Line gelegen hätte. Die Ausführung des Fluges durch dieses Luftfahrtunternehmen sei gegenüber den Behörden auch angemeldet worden.

Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 14.12.2018 einen Hinweis erteilt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Beklagte passivlegitimiert. Denn sie ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom 11. Februar 2004 (VO (EG) Nr. 261/2004, FluggastrechteVO):

Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs ist nach Art. 5 Abs. 1 lit. c FluggastrechteVO das ausführende Luftfahrtunternehmen. Das ist nach der Legaldefinition in Art. 2 lit. b FluggastrechteVO das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit dem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.

Vorliegend hätte der Kläger mit dem Flug LH 352 befördert werden sollen. Der IATA-Code LH steht für die Deutsche Lufthansa AG. Dies wurde in der dem Kläger zur Verfügung stehenden Buchungsbestätigung auch kenntlich gemacht, durch Fettdruck sogar hervorgehoben. Aus der maßgeblichen Verbraucherperspektive durfte der Kläger damit davon ausgehen, dass die Deutsche Lufthansa AG und damit die Beklagte den betreffenden Flug durchführen sollte. Anderenfalls hätte es einer Klarstellung durch Angabe des IATA-Codes „CL“ der Lufthansa Cityline GmbH bedurft. Die Buchungsbestätigung eines Reisevermittlers ist eine Buchungsbestätigung im Sinne des Art. 2 a FluggastrechteVO.

Der lediglich in der Buchungsbestätigung eingefügte Zusatz „Operated By Lufthansa Cityline“ lässt nicht eindeutig darauf schließen, dass es sich bei dieser Fluggesellschaft um eine eigene juristische Person handelt, die in eigener Verantwortung den streitgegenständlichen Flug durchführen sollte, zumal der Zusatz „GmbH“ fehlt. Hierauf wird in der Buchungsbestätigung auch nicht weiter hingewiesen.

Der dadurch erweckte Anschein, dass die Beklagte ausführendes Luftfahrtunternehmen war, muss sich die Beklagte zurechnen lassen. Dies zumal deswegen, weil sie es unterließ, den Kläger hierauf hinzuweisen, nachdem dieser sich am 30.01.2018 mit der Bitte eines Hinweises, falls die Beklagte nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen i.S.d. FluggastrechteVO sei, wandte. Die Zahlungsforderung des Klägers wurde zudem nicht mit Hinweis auf eine etwaige mangelnde Passivlegitimation abgelehnt, sondern aufgrund der schlechten Wetterlage in Frankfurt am Main. Die Beklagte, die sich im hiesigen Verfahren dagegen ausschließlich mit der fehlenden Passivlegitimation verteidigt, handelte insofern auch wider Treu und Glauben.

Ausgleichsanspruch bei Flugannullierung - Ausführendes Luftfahrtunternehmen
(Symbolfoto: Von DimaBerlin/Shutterstock.com)

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann nicht allein durch die Angabe in einer Buchungsbestätigung, dass ein Flug von einem Luftfahrtunternehmen „ausgeführt“ wird, auf die Identifizierung des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ i.S.d. FluggastrechteVO geschlossen werden. Maßgeblich sei vielmehr die operationelle Verantwortung (vgl. EuGH , Urteil vom 04. Juli 2018 – C-532/17- Rn. 25,25, juris).

Vorliegend kam es überhaupt nicht zu einer (verspäteten) – Ausführung des Fluges; es gibt also kein den Flug tatsächlich ausgeführt habendes Luftfahrtunternehmen. Die Ausführung des Fluges durch ein Drittunternehmen war lediglich beabsichtigt, wobei offen bleibt, ob der Flug ohne Annullierung in letzter Minute möglicherweise durch ein anderes Drittunternehmen oder die Beklagte selbst ausgeführt worden wäre. Nur wenn der Fluggast tatsächlich mit einer Maschine eines erkennbar anderen Unternehmens befördert wurde, mag sich für den Fluggast die Frage nach der Passivlegitimation stellen.

Wer letztlich das operationelle Risiko getragen hätte, war für den Kläger aber nicht erkennbar. Der operationellen Verantwortung liegt die Überlegung zugrunde, dass das die Leistung tatsächlich erbringende Unternehmen auf Grund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am Besten in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen. Hierbei muss beachtet werden, dass die Lufthansa CityLine GmbH eine hundertprozentige Konzerngesellschaft der Beklagten ist, die Beklagte somit also einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Lufthansa City Line GmbH hat (vgl. AG Bremen, Urteil vom 10. Oktober 2011 – 16 C 89/11 – Rn. 3, juris). Ohnehin wäre die Lufthansa Cityline GmbH also dem „Unternehmen“ der Beklagten zuzurechnen, sodass sich hieraus, als auch aus der Nichterkennbarkeit der tatsächlichen operationellen Verantwortung, ergibt, dass es sich bei der Beklagten um das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der FluggastrechteVO handelt. Dass die Beklagte selbst zwischen sich und ihrer Tochtergesellschaft nicht trennscharf differenziert, zeigen auch die von der Beklagten aus anderer Sache zur Akte gereichten Bording Pässe (Bl. 49 ff. d.A.). Der Flug „LH“, „durchgeführt von Lufthansa Cityline“ der „Fluggesellschaft LUFTHANSA“ soll über den „Lufthansa Check-in Schalter“ abgewickelt werden.

Die verschachtelte Konzernstruktur eines Unternehmens darf im Ergebnis aber nicht dazu führen, dass die Durchsetzung der Rechte des Kunden faktisch erschwert wird; vielmehr gilt das Transparenzgebot.

Zudem haben der BGH (NJW 2018, 1251) und der EuGH (NJW 2018, 2381) aktuell entschieden, dass im Falle des sog. „wet lease“ das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht passivlegitimiert ist. Ein solcher Fall dürfte vorliegend gegeben sein. Die Beklagte, welche insofern die sekundäre Darlegungslast trägt (vgl. AG Rüsselsheim, RRa 2018, 41), hat zumindest nicht vorgetragen, dass sie die eingeplante Maschine ihrer Tochtergesellschaft nebst Besatzung nicht angemietet hätte bzw. nicht hätte anmieten wollen. Zu ihrer internen Verbindung zum ausführenden Unternehmen schweigt sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 04.12.2018 aus. Der Kläger kann zu Umständen innerhalb der Geschäftssphäre der Beklagten naturgemäß aber nicht substantiiert vortragen. Die Beklagte hat daher ihrer sekundären Darlegungslast betreffend dem wet-lease Vorhalt des Klägers nicht Genüge getan.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 7 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO in Höhe von 250,00 €. Unstreitig wurde der Kläger mit dem Flug LH 352 (Frankfurt nach Bremen) wegen dessen Annullierung nicht befördert. Der Anspruch ist auch nicht gem. Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO ausgeschlossen. Diesbezügliche Umstände wurden von der insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Art. 5 Abs. 4 VO) zumindest im Verfahren nicht vorgetragen.

Der Zinsanspruch ist gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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