AG Rüsselsheim – Az.: 3 C 136/14 (40) – Urteil vom 10.10.2014
1.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
2.
Der Streitwert wird auf EUR 3.200,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache um Ausgleichsansprüche gemäß der VO 261/2004 vom 11.02.2004 wegen zweier Flugverspätungen.
1.
Die Kläger waren Passagiere auf einem Flug von Antalya nach Frankfurt, welcher von der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen unter der Flugnummer … durchgeführt wurde. Der Flug sollte planmäßig am 31.07.2012 um 20:05 Uhr starten. Tatsächlich erfolgte der Start mit mehr als 2 Stunden Verspätung. Die Landung war für 22:45 Uhr vorgesehen. Der Flug landete in Köln um 1:54 Uhr. Die Passagiere wurden mit Bussen nach Frankfurt befördert. Sie erreichten Frankfurt am 01.08.2013 um 03:30 Uhr, also mit etwa 4:45 Stunden Verspätung. Die Flugstrecke beträgt etwa 3.000 km.
Die Kläger forderten mit Schreiben vom 02.08.2012 eine Entschädigung. Dies wies die Beklagte zurück. Daraufhin schalteten die Kläger ihren jetzigen Prozessbevollmächtigen ein, der mit Schreiben vom 16.09.2013 erneut eine Entschädigung forderte.
2.
Die Kläger waren Passagiere auf einem Flug von Antalya nach Frankfurt, welcher von der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen unter der Flugnummer … durchgeführt wurde. Der Flug startete mit Verspätung. Der Flug sollte planmäßig am 11.08.2013 um 22:35 Uhr in Frankfurt landen. Tatsächlich landete auch dieser Flug nicht in Frankfurt, sondern in Köln. Die Kläger erreichten Frankfurt mit einem Bustransfer um 03:45 Uhr und mit einer Verspätung von etwa fünf Stunden.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 26.08.2013 an die Beklagte und forderte eine Ausgleichszahlung.
Die Kläger behaupten technische Defekte seien für die Verspätung kausal gewesen. Sie sind der Ansicht, dass Nachtlandeverbote die Beklagte nicht (jedenfalls nicht vorliegend) entlasten könnten. Die Kläger behaupten, Ursache für die große Verspätung seien technische Defekte gewesen.
Die Kläger beantragen nach teilweiser Klagerücknahme sinngemäß,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1-4 jeweils EUR 400,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 09.11.2013 zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger zu 1-4 von der Forderung der Kanzlei … in Höhe von insgesamt EUR 255,85 freizustellen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1-4 jeweils EUR 400,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 02.11.2013 zu bezahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger zu 1-4 von der Forderung der Kanzlei … in Höhe von insgesamt EUR 255,85 freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erklärt die Anrechnung nach Art. 12 VO 261/2004.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Flüge seien aufgrund außergewöhnlicher Umstände verspätet. Sie behauptet, Grund für die Verspätungen sei das in Frankfurt geltende Nachtflugverbot. Dieses sei für beide Verspätungen kausal geworden. Ohne das Nachflugverbot hätten beide Flüge lediglich Verspätungen von weniger als 3 Stunden. Die Beklagte beantragte bei beiden Flügen Ausnahmegenehmigungen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen insbesondere Ausgleichsansprüche wegen einer Flugverspätung/Annullierung gemäß der VO 261/2004 vom 11.02.2004 nicht zu.
Ein Zahlungsanspruch des Klägers ist nach Art. 5 Abs. 3 VO 261/2004 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass eine Annullierung (hier: Verspätung) auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dies ist der Fall:
Dass am Flughafen Frankfurt ab 23:00 Uhr ein Nachtflugverbot gilt und die zuständigen Stellen den Antrag der Beklagten auf die Erteilung einer Ausnahmelandegenehmigung zurückgewiesen haben, ist im Sinne der VO 261/2004 außergewöhnlich. Denn das Nachtflugverbot liegt außerhalb der von der Beklagten zu beherrschenden Sphäre. Es ist wirkt von außen auf die Tätigkeit von Luftfahrtunternehmen ein und ist nicht in deren Verantwortungsbereich. Aus Erwägungsgrund 14 der VO wird deutlich, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich dessen Beherrschung entziehen. Dies ist bei Eintritt des Nachtflugverbots der Fall. Die Beklagte hat auf das Nachtflugverbot und auf Entscheidungen der beliehenen Fluglotsen keinerlei Einfluss (vgl. z.B. LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013 – Az. 7 S 90/13; AG Rüsselsheim Urteil vom 13.11.2012 – Az. 3 C 2442/13; AG Rüsselsheim, Urteil vom 25.04.2013 – Az.3 C 2282/12; AG Rüsselsheim Az.: 3 C 298/14).
Unerheblich ist, dass das Nachtflugverbot jede Nacht gilt. Die Häufigkeit, in der ein Umstand auftritt ist gerade nicht entscheidend, ob der Umstand im Sinne der VO 261/2004 „außergewöhnlich“ oder „nicht außergewöhnlich“ ist (vgl. BGH X ZR 160/12, Rn 16; zudem bereits: EUGH C-549/07 – Wallentin-Hermann).
Auch aus Gründen des Verbraucherschutzes ist es nicht angezeigt, die Beklagte einseitig mit den Folgen des Nachtflugverbots zu belasten. Denn gerade die Randstunden am Morgen und am späten Abend sind für einige Fluggäste besonders attraktiv. Denn oft sparen sich Fluggäste durch einen späten Abflug oder eine späte Ankunft einen vollen (Urlaubs- oder Arbeits-) Tag. Verbrauchern wäre nicht gedient, wenn gerade diese Flüge wegen drohender Ausgleichsleistungen von Luftverkehrsunternehmen teurer angeboten werden müssten oder Luftverkehrsunternehmen sogar in den Randstunden vor Eintritt des Nachtflugverbotes keine Flüge anböten. Hinzu kommt, dass auch Fluggästen das Nachtflugverbot nicht unbekannt sein dürfte. Dem mündigen Verbraucher steht es offen, seine Flugzeit frei zu wählen. Wer späte Flugzeiten bevorzugt, setzt sich dem Risiko, dass ein Flug wegen des Nachtflugverbotes behindert wird, aus. Dabei ist die Wertung der VO 261/2004 zu berücksichtigen, dass kleine Verspätungen entschädigungslos hinzunehmen sind. Dies wäre konterkariert, wenn Flüge in den Abendstunden bereits bei kleinen Störungen zu Ausgleichpflichten der Luftfahrtunternehmen führten.
Vorliegend war das Nachflugverbot kausal für die großen Verspätungen. Dies steht aufgrund der Beweisaufnahme durch die Aussage des Zeugen … zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 286 ZPO):
Der Zeuge hat hinsichtlich beider Flüge ausgesagt, dass sie mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden in Frankfurt hätten landen können. Beide Flüge sind mit weniger als drei Stunden Verspätung in Köln gelandet. Etwa zu gleicher Zeit wäre auch theoretisch eine Landung in Frankfurt möglich gewesen. Wegen des Nachtflugverbotes in Frankfurt musste die Beklagte jeweils jedoch nach Köln ausweichen.
Die Aussage des glaubwürdigen Zeugen … ist glaubhaft. Der Zeuge hat sich durch die entsprechenden Unterlagen und Rücksprachen mit der konkreten Situation an den Abflugtagen vertraut gemacht. Er hat die Vorfälle nachvollziehbar und vollständig geschildert. Er hat sich kein Wissen angemaßt, dass er nicht haben kann.
Unerheblich ist der Vortrag der Klägerseite, an den Fluggeräten der Beklagten sei es vor dem Abflug zu technischen Defekten gekommen. Denn nach der Beweisaufnahme steht eben fest, dass die große Verspätung nur entstehen konnte, weil das Nachtflugverbot eintrat. Kleine Verspätungen von weniger als drei Stunden sind nach der VO 261/2004 entschädigungslos hinzunehmen.
Die Beklagte hat bei beiden Flügen alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Verspätung zu verhindern. Die Beklagte hat eine ausreichende Reserve eingeplant. Dabei ist unerheblich, dass die Landung planmäßig 15 bzw. 25 Minuten vor Eintritt des Nachtflugverbotes erfolgen sollte. Es bestand dennoch eine ausreichende Reserve von 75 Minuten, bzw. 85 Minuten. Denn Flüge, die in Frankfurt planmäßig bis 23:00 Uhr erreichen, dürfen stets bis 24:00 Uhr landen – auch ohne Ausnahmegenehmigung. Ohnehin hätte den Klägern – genauso wie der Beklagten – bekannt sein müssen, dass bei den gewählten Flugzeiten bereits kleine Störungen im Flugbetrieb zu Konflikten mit dem Nachtflugverbot führen können (s.o).
Die Beklagte hat, nachdem erkennbar war, dass es zu einer Verspätung kommt, alles Notwendige getan um die weitere Verspätung zu verhindern, bzw. um sie gering zu halten. Denn die Beklagte hat während des Fluges eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Der Einsatz eines Subcharters/Ersatzflugzeuges hätte die Verspätung nicht verringert. Es kann dahinstehen, ob die Klägerseite dies ausreichend qualifiziert bestritten hat. Jedenfalls hat der Zeuge … die Angaben der Beklagten zur vollen Überzeugung des Gerichts bestätigt (s.o.).
Die Kläger haben hinsichtlich beider Flüge keinen Anspruch wegen einer faktischen Annullierung. Die Flüge landeten zwar in Köln und nicht in Frankfurt. Allerdings beförderte die Beklagte die Kläger dennoch per Bus bis Frankfurt, sodass sie ihr Ziel erreichten. Ohnehin erfolgte dies nur wegen dem eingetretenen Nachtflugverbot.
Zinsen und Rechtsanwaltskosten sind mangels Hauptforderung nicht zu zahlen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.