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Ausgleichsleistungsanspruch eines Fluggastes – Nichterreichen eines Anschlussfluges

AG Hamburg – Az.: 31a C 55/16 – Urteil vom 11.12.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils einen Betrag in Höhe von 250,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Danach hat die zulässige Klage auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Amtsgericht Hamburg ist gemäß Art. 7 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 örtlich und international zuständig. Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, kann hiernach, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, an dem die Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt worden ist oder zu erfüllen gewesen wäre. Erfüllungsorte in diesem Sinne sind anerkanntermaßen sowohl der Abflug- als auch der Ankunftsort, somit auch Hamburg. Bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlung handelt es sich zwar nicht um einen originär vertraglichen Anspruch aber um einen solchen, dem jedenfalls ein Vertragsverhältnis zugrunde liegt.

II.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 250,00 € Euro aus Art. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 a) der Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu.

1. Der im Streit befangene Flug ist zwar nicht im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 annulliert worden. Eine Ankunftsverspätung von mindestens 3 Stunden steht einer Annullierung jedoch insofern gleich, wobei es auf das Maß der Ankunftsverspätung am Endziel ankommt (EuGH, Urt. v. 19. November 2009, Az.: C-402/07 und C-432/07). Die Ankunftsverspätung in Nantes hat mehr als 3 Stunden betragen.

Ausgleichsleistungsanspruch eines Fluggastes - Nichterreichen eines Anschlussfluges
(Symbolfoto: MEDIAIMAG/Shutterstock.com)

2. An der Haftung der Beklagten ändert es nichts, dass diese nur den mit „kleiner“ Verspätung durchgeführten Zubringerflug nach Amsterdam durchgeführt hat während der sodann verpasste Anschlussflug durch die Fluggesellschaft Air France unter deren eigener Flugnummer durchgeführt worden ist. Und zwar obwohl die beiden Flüge auch nicht über die Beklagte, sondern über ein Reisebüro zusammengestellt und gebucht worden sind. Die Frage, ob in einem solchen Fall die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 im Hinblick auf die Haftung des den Zubringerflug durchführenden Luftfahrtunternehmens gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a) überhaupt Anwendung findet, ob nämlich von einer bestätigten Buchung im Sinne der Verordnung auszugehen sei, hat der BGH zuletzt dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, EuGH-Vorlage v. 19.07.2016, Az. X ZR 138/15). Der BGH hat darin zugleich dargetan, selbst dazu zu neigen, in dieser Konstellation von einer bestätigten Buchung auszugehen, jedenfalls aber einen Ausgleichsanspruch anzunehmen. Dies begründet der BGH zum einen mit dem in den Erwägungsgründen 1 bis 4 zur Verordnung definierten Ziel, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes Rechnung zu tragen und zum anderen damit, dass jedenfalls aus Sicht des Fluggastes eine vergleichbare Situation vorliege, wenn das Luftfahrtunternehmen die Flugscheine für aufeinanderfolgende Flüge zwar nicht selbst ausgegeben oder genehmigt habe, einem Reiseunternehmen aber die Möglichkeit eingeräumt habe, solche Flugscheine auszustellen und hierbei auch Flüge zusammenzustellen, die von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden. Diese Erwägungen hält auch das Gericht für grundsätzlich überzeugend. Zweifel bestehen lediglich insoweit, als nicht gesichert erscheint, dass die Fluggesellschaften, die an das betreffende Buchungssystem angebunden sind, und damit auch die Beklagte, Einfluss darauf nehmen können, welche Flüge die ihrerseits an das Buchungssystem angebundenen Reisebüros und Reiseveranstalter miteinander kombinieren können, um so etwa zu vermeiden, dass es zu Buchungen von Flugreisen mit zu kurzen Umsteigezeiten kommt. Sollte dies nicht der Fall sein, bestünden aus Sicht des Gerichts zumindest Zweifel, ob eine grenzenlose Zurechnung der über das Buchungssystem erfolgten Buchungen zu der Fluggesellschaft zu rechtfertigen wäre.

Letztlich kommt es auf diese Fragen im Ergebnis vorliegend nicht an. Es liegt nämlich jedenfalls in Gestalt des Boarding Passes (Anlage K1) eine der Beklagten zuzurechnende, weil von ihr ausgestellte Bestätigung der einheitlichen Buchung des von der Beklagten selbst durchgeführten Fluges sowie des Anschlussfluges AF1893 vor. Mit der Ausgabe dieses Boarding Passes hat die Beklagte spätestens gebilligt, dass sie nicht nur für die Beförderung der Kläger von Hamburg nach Amsterdam verantwortlich zeichnet, sondern zugleich die (Mit-)Verantwortung für die Beförderung der Kläger zu deren Endziel übernimmt. Insofern liegt eine Bestätigung der Buchung im Sinne des Art. 2 lit. g) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 hinsichtlich der gesamten Flugreise vor.

3. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 berufen. Der Vortrag der Beklagten ist insofern nicht erheblich. Der von ihr behauptete Umstand, dass der Beklagten erst mit einer Verspätung von 13 Minuten die Startfreigabe für den Abflug in Hamburg erteilt worden sei, was auf ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zurückzuführen gewesen sei und sodann, insoweit unstreitig, zu einer Ankunftsverspätung in Amsterdam von 7 Minuten geführt habe, ist nicht geeignet, die Haftung der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 entfallen zu lassen. Zwar ist anerkannt, dass etwa die Nichterteilung oder verspätete Erteilung einer Landeerlaubnis einen außergewöhnlichen Umstand darstellen können und das Gericht geht davon aus, dass dies umgekehrt auch für eine verspätete Startfreigabe zu gelten hat. Der Beklagten ist es aber jedenfalls verwehrt, die Umstände, die letztlich zu einer Ankunftsverspätung von lediglich 7 Minuten in Amsterdam geführt haben, als außergewöhnliche Umstände anzuführen. Denn jedenfalls muss sich die Beklagte entgegenhalten lassen, eine Bestätigung für eine zusammengesetzte Flugreise erteilt zu haben, bei der die für das Erreichen des Anschlussfluges erforderliche Zeit nicht ausgereicht hat (vgl. EuGH, Urteil v. 04.10.2012, Az. C-321/11; -juris- Rn. 34). Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen, dass die planmäßige Umsteigezeit ausgereicht hätte, um den Anschlussflug zu erreichen und auch die von dem Flughafen vorgegebene Mindestumsteigezeit bei der Planung eingehalten worden sei. Dabei geht das Gericht davon aus, dass bei der Planung der Umsteigezeiten geringfügige Verspätungen des Zubringerfluges einzukalkulieren sind und insoweit einen zeitlichen Puffer vorzusehen. Es reicht nicht aus, die Umsteigezeit so zu bemessen, dass der Anschlussflug tatsächlich nur dann erreicht werden kann, wenn auf dem Zubringerflug alles planmäßig verläuft. Dafür sind die möglichen Gründe für eine zwischenzeitliche Verzögerung, insbesondere vor und bei dem Start eines Flugzeuges, zu zahlreich. Insofern geht das Gericht auch davon aus, dass die Vorgabe der Flughäfen zu den bei ihnen vorherrschenden Mindestumsteigezeiten die Fluggesellschaften nicht von einer eigenen Einschätzung entbindet und insbesondere die Mindestumsteigezeiten den Zeitraum zwischen der tatsächlichen Ankunft des Zubringerfluges und dem Antreten des Anschlussfluges betreffen, also keinen Raum für einen verspäteten Zubringerflug lassen.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

III.

Die Prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (Kosten) und §§ 708 Nr. 11, 713 der Zivilprozessordnung (vorläufige Vollstreckbarkeit).

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