AG Hannover, Az.: 553 C 1163/16, Urteil vom 26.09.2016
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 27.2.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.200,00 €.
Tatbestand
Die Kläger haben bei der Beklagten einen Flug von Sal über Las Palmas (Gran Canaria) nach Hannover für den 4.12.2015 gebucht. Die Entfernung (Luftlinie) zwischen Abflug- und Ankunftsort beträgt 9.411,58 Kilometer. Geplant war eine Ankunftszeit um 02.05 Uhr, tatsächlich erreichten die Kläger Hannover jedoch erst am 5.12.2015 um 06.40 Uhr, mithin mit über drei Stunden Verspätung.
Der gebuchte Flug X3 2263 für oben genannte Teilstrecke sollte ursprünglich mit der Maschine D-ASUN durchgeführt werden, wurde dann jedoch von der Maschine D-ATUI geflogen. Die Maschine D-ASUN flog stattdessen die Strecke von Las Palmas nach Nürnberg, für die ursprünglich die Maschine D-ATUP vorgesehen war.
Die Kläger bestreiten einen außergewöhnlichen Umstand und meinen, ihnen würden Ausgleichsansprüche zustehen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf außergewöhnliche Umstände, die zur Flugverspätung geführt hätten. Die Beklagte behauptet, die Maschinen D-ATUP und D-ATUO hätten auf Grund schlechter Wetterbedingungen auf den kapverdischen Inseln diese nicht verlassen und die geplanten Umläufe deshalb nicht fliegen können. Den Flug von Las Palmas nach Nürnberg habe aus diesem Grunde die für den ursprünglich klägerischen Flug bereitstehende Maschine D-ASUN nach Hannover durchgeführt. Im Gegensatz zum Flughafen in Hannover bestehe am Nürnberger Flughafen ein Nachtflugverbot, was insoweit unstreitig ist. Die den Flug des Klägers durchführende Maschine D-ATUI -was ebenfalls unstreitig ist- habe erst um 16:00 Uhr in Hannover bereitgestanden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf insgesamt 1.200,00 € aus Artikel 7 Abs. 1 c der EG Verordnung Nr. 261/2004 i. V. m. §§ 398 ff. BGB.
Der von den Klägern gebuchte Flug startete um 12:45 Uhr von der kapverdischen Insel Sal und erreichte den Zielflughafen Hannover mit mehr als 3 Stunden Verspätung. Auf Grund der Entfernung von Abflug- und Ankunftsort (9.411,58 Km) stehen dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 € zu, wobei die Ehefrau Martina Mock ihren Anspruch wirksam mit Erklärung vom 5.12.2016 gemäß §§ 398 ff. BGB an den Kläger abgetreten hat.
Es handelte sich unstreitig um einen bei der Beklagten gebuchten einheitlichen Flug, der sich aus zwei Teilstrecken zusammensetzte. Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt (§ 7 Abs. 1, S. 2), hier also Hannover.
Die Beklagte kann sich nicht gemäß § 5 Abs. 3 EG-Verordnung Nr. 261/2004 entlasten, da außergewöhnliche Umstände, die zu der Flugverspätung geführt haben, nicht vorgelegen haben.
Die für den Weiterflug von Las Palmas nach Hannover vorgesehene Maschine D-ASUN stand rechtzeitig zur Verfügung und hätte eingesetzt werden können. Ausschließlich auf Grund einer Organisationsentscheidung der Beklagten wurde besagte Maschine für den Flug von Las Palmas nach Nürnberg eingesetzt, während der Kläger und seine Frau auf die Maschine D-ATUI gewartet haben, die sie sodann verspätet nach Hannover weiterbefördert hat.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch die vorgenommene Umorganisation eine Annullierung anderer Flüge vermeiden konnte und ob es auf den kapverdischen Inseln zu witterungsbedingten Ausfällen von Flügen gekommen ist. Die vorgesehene Maschine für den Flug des Klägers und seiner Ehefrau war von diesen Wetterverhältnissen nicht betroffen und hätte rechtzeitig eingesetzt werden können.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind der Erwägungsgrund Nr. 15 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 und die Entlastungsmöglichkeiten für das Luftfahrtunternehmen eng auszulegen. Wenn ein Luftfahrtunternehmen auf Grund außergewöhnlicher Umstände Flüge umorganisiert, so ist die Verspätung nachfolgender Flüge dadurch nicht gem. Artikel 5 Abs. 3 EG-Verordnung Nr. 261/2004 gerechtfertigt. Die Fluggäste würden völlig schutzlos stehen, wenn es einem Luftfahrtunternehmen erlaubt wäre, einem Fluggast eine fristgerechte Beförderung unter Hinweis auf die Interessen anderer Fluggäste zu verweigern. Außergewöhnliche Umstände beziehen sich auf das betreffende Flugzeug an einem bestimmten Tag, jedoch nicht auf eine andere Maschine.
Vor diesem Hintergrund steht dem Kläger ein Ausgleichsanspruch zu, denn die für seinen Flug vorgesehene Maschine hätte rechtzeitig eingesetzt werden können.
Der Klage war nach alledem stattzugeben.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 291, 288, 247 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.