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Ausgleichszahlung – Abflugverspätung von 3 Stunden – Ankunftsverspätung unter 3 Stunden

AG Leipzig – Az.: 164 C 10213/13 – Urteil vom 15.07.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger machen gegenüber der Beklagten Ausgleichsansprüche wegen verspäteter Flugbeförderung geltend.

Ausgleichszahlung - Abflugverspätung von 3 Stunden - Ankunftsverspätung unter 3 Stunden
Symbolfoto: Von Alina Rosanova /Shutterstock.com

Die Kläger buchten eine Pauschalreise nach Antalya. Die Hin- und Rückflugbeförderung wurde durch die Beklagte vorgenommen. Der planmäßige Rückflug am 23.07.2013 von Antalya nach Leipzig sollte um 10.45 Uhr starten. Die Abflugzeit des Fluges DE 2909 verzögerte sich um 3 Stunden und startete erst um 13.45 Uhr. Die Ankunftsverspätung belief sich auf 2 Stunden und 56 Minuten. Die mit der Großkreismethode berechnete Entfernung zwischen beiden Orten beträgt 2.181 km. Mit Schreiben vom 08.08.2013 forderten die Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Ausgleichsansprüchen in Höhe von insgesamt 1.600,00 EUR auf. Mit Schreiben vom 22.10.2013 forderte die nunmehr beauftragte Klägervertreterin die Beklagte erneut zur Zahlung der Ausgleichsansprüche sowie der nunmehr entstandenen Rechtsanwaltsgebühren auf. Auch darauf erfolgte keine Reaktion der Beklagten.

Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stehe eine Ausgleichszahlung nach der sogenannten EU-Fluggastrechte-Verordnung zu, da der Flug mit einer Verspätung von 3 Stunden gestartet ist. Artikel 6 der Verordnung formuliere ausdrücklich, dass es auf die Abflugverspätung ankomme. Es habe keine Möglichkeit bestanden, die Wartezeiten sinnvoll zu nutzen. Auch das Umbuchen in eine Ersatzmaschine sei mangels Verfügbarkeit nicht möglich gewesen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2013 zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 309,40 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass es auf die Abflugsverspätung zur Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung nicht ankomme. Vielmehr sei die Ankunftsverspätung maßgeblich.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.600,00 EUR. Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch kommt allein Art. 6 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 5 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 S. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (sog. Fluggastrechte-Verordnung) in Betracht.

Diese findet ausdrücklich auch auf Pauschalreisen Anwendung (siehe Erwägungsgrund 5 der VO/EG 261/2004).

Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 Kilometer und allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km um 3 Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden gem. Art. 6 der VO/EG 261/2004 den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen die Unterstützungsleistungen gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 angeboten. Wird auf Art. 9 Abs. 1 lit a der VO/EG 261/2004 Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten: Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit. Gemäß Abs. 2 wird den Fluggästen außerdem angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c der VO/EG 261/2004 wird bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der VO/EG 261/2004 erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in Höhe von 400,00 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über einen Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km, soweit auf diesen Artikel Bezug genommen wird. Diese Voraussetzungen sind hier vorliegend nicht erfüllt.

Ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen besteht ausdrücklich nur dann, wenn auf Art. 7 VO/EG 261/2004 Bezug genommen wird. Dies ist in Art. 6 VO/EG 261/2004 gerade nicht der Fall. Auch die Berücksichtigung der Auslegung des Art. 7 VO/EG 261/2004, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2009 vorgenommen hat, (Rs. C-402/07 und C-432/07 – Sturgeon u. a. /Condor und Böck u. a. /Air France, NJW 2010, 43, seit dem st. Rspr., vgl. zuletzt Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-11/11 – Air France/Folckerts -, NJW 2013, 1291) führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach besteht ein Anspruch von Flugpassagieren auf eine Ausgleichszahlung in der je nach Flugentfernung gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 VO/EG 261/2004 zu bestimmenden Höhe, wenn die Flugpassagiere wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Maßgeblich für das Bestehen des Anspruchs ist insoweit allein die tatsächliche Ankunftsverspätung von drei Stunden oder mehr, wohingegen eine Abflugsverspätung von drei Stunden oder mehr im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. b der Verordnung dann nicht zu einem Anspruch auf Ausgleichszahlung führt, wenn die Ankunftsverspätung des Fluges unter drei Stunden liegt (EuGH, NJW 2013, 1291, 1292). Die tatsächliche Ankunftsverspätung betrug vorliegend nur 2 Stunden und 56 Minuten.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann ihnen der Verweis auf den Wortlaut des Art. 6 der Verordnung nicht zum Erfolg der Klage verhelfen. Art. 6 enthält keine Verweisung auf Art. 7, sodass es unerheblich ist, dass Art. 6 auf die Abflugzeit abstellt. Der Flugpassagier soll gemäß der Verordnung bei Verspätung nach Art. 6 grundsätzlich nur Anspruch auf Betreuungsleistungen nach Art. 9 und soweit die Voraussetzungen vorliegen, Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung nach Art. 8 haben. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Ausgleichsleistungen bei Verspätung eines Fluges haben Flugpassagiere ausnahmsweise nur dann, wenn die oben dargelegten Voraussetzungen, die der EUGH aufgestellt hat, erfüllt sind. Demzufolge ist nur die Ankunftsverspätung maßgeblich. Eine Ausweitung der EuGH-Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt ist nicht geboten. Eine Anwendung von Art. 7 der Verordnung auf verspätete Flüge entgegen seines Wortlautes folgt allein daraus, dass andernfalls das im Europarecht geltende Gleichbehandlungsgebot verletzt wird (EUGH, NJW 2010, 43, 45; Urt. v. 10. Januar 2006 C-344/04 -, Slg. 2006, I-403, Rn. 95). Dieses verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. Eine Ankunftsverspätung eines Fluges über 3 Stunden muss einem Passagier, dessen Flug annulliert worden ist, gleichgestellt werden. Letzterer hat nämlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c, Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. b der Verordnung wegen des entstandenen irreversiblen Zeitverlustes (EUGH, NJW 2010, 43, 45). Deshalb kommt es bei der Anwendung von Artt. 5, 7 der Verordnung für große Verspätungen nur auf die Ankunftsverspätung an. Eine vergleichbare Interessenlage unter Einbeziehung der Erwägungsgründe dieser Verordnung besteht für die Abflugsverspätung ohne Berücksichtigung der Ankunftsverspätung nicht.

Da die Hauptforderung nicht besteht, haben die Kläger auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

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