AG Düsseldorf – Az.: 50 C 11/18 – Urteil vom 22.11.2018
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16.08.2018 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.
Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau, seine Pflegetochter und deren Freundin bei der U GmbH eine Pauschalreise für die Zeit vom 04. bis zum 14.10.2017 nach Griechenland gebucht. Den Rückflug vom 14.10.2017 von Heraklion nach Düsseldorf sollte die Beklagte in der Zeit von 15:00 Uhr bis 17:30 Uhr durchführen. Der Flug verzögerte sich. Das Flugzeug landete erst um 22:20 Uhr, wegen des in Düsseldorf geltenden Nachtflugverbotes in Köln/Bonn. Die Reisenden ließen sich mit einem Taxi zu einem Kostenaufwand von 32,40 EUR zum Hauptbahnhof Köln fahren, wo sie sich zu einem weiteren Kostenaufwand von 270,60 EUR ein Hotel nahmen.
Mit Schreiben vom 24.10.2017 wandte sich der Kläger, dem die Mitreisenden ihre Ansprüche abgetreten haben, an die Beklagte und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 30.11.2017 vergeblich zur Zahlung einer Ausgleichsleistung von insgesamt 1.600,00 EUR sowie zur Erstattung der entstandenen Taxi- und Hotelkosten auf.
Der Kläger macht geltend, er könne wegen der eingetretenen Flugverspätung neben der Ausgleichszahlung auch die materiellen Schäden ersetzt verlangen, da wegen der verspäteten Ankunft die beabsichtigte sofortige Zug-Weiterreise nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sei.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.903,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2017 zu zahlen.
Nach Klageeinreichung hat die Beklagte einen Betrag von 1.600,00 EUR gezahlt, der am 11.04.2018 dem Kläger gutgeschrieben worden ist.
Der Kläger hat den Rechtsstreit hinsichtlich des am 11.04.2018 gezahlten Betrages von 1.600,00 EUR in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigung innerhalb der ihr mit Schriftsatz vom 19.05.2018 gesetzten zweiwöchigen Notfrist nicht widersprochen.
Auf Antrag des Klägers ist am 16.08.2018 ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 1.903,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2017 abzüglich am 11.04.2018 gezahlter 1.600,00 EUR zu zahlen. Gegen dieses ihr am 21.08.2018 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 04.09.2018 eingegangenem Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil vom 16.08.2018 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, den Fluggästen sei ein Transfer vom Flughafen Köln/Bonn zum Flughafen Düsseldorf zur Verfügung gestellt worden, den die Reisenden hätten nutzen können. Eine Hotelübernachtung sei nicht erforderlich gewesen, da die Reisenden in der Nacht vom 14. auf den 15.10.2017 – wie beabsichtigt – mit dem Zug von Köln nach Minden hätten weiterreisen können. Jedenfalls seien die dem Kläger entstandenen Kosten auf die bereits geleistete Ausgleichszahlung anzurechnen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Parteien in deren wechselseitigen Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Aufgrund des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 16.08.2018 ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden – § 342 ZPO. Der Einspruch ist zulässig; er ist insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff ZPO eingelegt worden.
Soweit die Beklagte die Ausgleichszahlung von 1.600,00 EUR geleistet hat, ist gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO der Rechtsstreit als übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt anzusehen, da die Beklagte innerhalb der ihr dazu gesetzten Notfrist von zwei Wochen der Teilerledigungserklärung des Klägers nicht widersprochen hat.
Die Klage hat in der Sache Erfolg. Die verbleibende Hauptforderung von 303,00 EUR kann der Kläger gemäß Art. 6 Abs. 1 c) ii) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 b) der EG-VO 261/2004 verlangen.
Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 c) ii) der EG-VO 263/2004, der auf Unterstützungsleistungen gemäß Art. 9 Abs. 1 b) und c) der Verordnung verweist, liegen vor. Der streitbefangene Flug war um mehr als 4 Stunden verspätet und es war absehbar, dass er am 14.10.2017 wegen des in Düsseldorf herrschenden Nachtflugverbotes dort nicht mehr landen konnte, was durch die Umleitung auf den Flughafen Köln/Bonn belegt wird. Ein Abflug für den geschuldeten Flug von Heraklion nach Düsseldorf war damit erst für den Folgetag des 15.10.2017 zu erwarten.
Die eingetretene Flugverspätung führte dazu, dass für die Reisenden eine zusätzliche Hotelübernachtung notwendig geworden ist, deren Kosten die Beklagte gemäß Art. 9 Abs. 1 d) der EG-VO 261/2004 ebenso zu übernehmen hat wie gemäß Art. 9 Abs. 1 c) der Verordnung die für den Transfer zum Hotel entstandenen Taxikosten.
Die Hotelübernachtung in Köln war erforderlich. Dass die Beklagte etwa ihrer aus Art. 8 Abs. 3 EG-VO 261/2004 resultierenden Verpflichtung, die Reisenden zumindest mit einem Transferbus vom Flughafen Köln/Bonn zum Flughafen Düsseldorf zu bringen, nachgekommen wäre mit der Folge, dass ein Hotelaufenthalt in Köln entbehrlich geworden wäre, ist nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte persönlich zunächst noch pauschal darauf berufen hat, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert. Es fehlt an konkreten Angaben dazu, wo und wann ein Transferbus den Reisenden zur Verfügung gestellt worden ist und wie die Information darüber erfolgt sein soll. Ungeachtet dessen hätte ein Bustransfer zum Flughafen Düsseldorf auch ohnehin nur dazu geführt, dass die Reisenden sich dann in Düsseldorf ein Hotel hätten suchen müssen.
Gegenüber der Notwendigkeit der Hotelübernachtung kann auch nicht erfolgreich eingewandt werden, dass die Reisenden noch in der Nacht die für nach Ankunft geplante Bahnfahrt von Düsseldorf (dann von Köln aus) nach Minden hätten vornehmen können. Die Beklagte selbst verweist insoweit selbst nur auf einen Zug, der um 02:10 Uhr in der Nacht gefahren wäre. Da die Reisenden aber bereits um 22:20 Uhr in Köln/Bonn gelandet sind, hätte dies bedeutet, dass sie mitten in der Nacht noch ca. 3 Stunden auf den Zug hätten warten müssen. Dies war nicht zumutbar.
Schließlich kann die Beklagte auch nicht erfolgreich geltend machen, die von ihr bereits gewährte Ausgleichszahlung sei gemäß Art. 12 Abs. 1 der EG-VO 261/2004 auf den noch streitigen Schadensersatzanspruch anzurechnen. Eine Anrechnung kommt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts nur in Betracht, wenn anderweitig genau für die mit einer Flugverspätung oder -annullierung eingetretenen Beeinträchtigungen Leistungen erbracht worden sind. Die Beeinträchtigungen bestehen in erster Linie darin, dass unnütz Zeit aufgewendet wird. Soweit dafür anderweitig eine Entschädigung geleistet wird, etwa eine Reisepreisminderung oder Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude, kommt eine Anrechnung in Betracht. Nicht jedoch, wenn dem Reisenden neben dem zusätzlichen Zeitaufwand auch noch Folgekosten entstanden sind. Würde man für solche Kosten eine Anrechnung zulassen, würden die Reisenden besser gestellt, die neben dem bloßen Zeitverlust keinen zusätzlichen materiellen Schaden erleiden. Bei einem entsprechend hohen zusätzlichen Kostenaufwand könnte dies unter Umständen sogar dazu führen, dass mit der Ausgleichszahlung nur der materielle Schaden ersetzt werden würde, nicht jedoch der immaterielle, der durch die Ausgleichszahlung gerade abgegolten werden soll. Bei einer anderen Beurteilung würde zudem für die Fluggesellschaften nur wenig Anreiz bestehen, ihren Verpflichtungen aus Art. 9 der EG-VO 261/2004 nachzukommen. Denn dann könnten sie ausschließlich dem Fluggast die Initiative in Bezug auf Versorgungs- und Unterbringungsleistungen überlassen und gegenüber den dafür entstandenen Kosten die Anrechnung erklären.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. § 344 ZPO ist vorliegend nicht einschlägig mit der Folge, dass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte möglicherweise zum Termin vom 16.08.2018 nicht ordnungsgemäß geladen wurde und das Versäumnisurteil vom 16.08.2018 etwa nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist. Es braucht daher an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, dass eine Ladung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erst zwingend an diese hätte erfolgen müssen, nachdem sie sich im Prozess bestellt haben, während sie zuvor lediglich zustellungsbevollmächtigt waren mit der Folge, dass auch noch an die Beklagte persönlich zugestellt werden konnte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
bis zum 15.04.2018: 1.903,00 EUR
seit dem 16.04.2018: bis 1.000,00 EUR.