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Auskunftsanspruch nach Abfindungszahlung bei KG

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az.: 9 U 34/06

Urteil vom 12.10.2006

Vorinstanz: Landgericht Freiburg, Az.: 10 O 88/04 und Revision, Az.: II ZR 255/06


In dem Rechtsstreit wegen Auskunft und Abfindungszahlung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2006 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Landgerichts Freiburg vom 20.01.2006 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Abfindungsanspruch nach Kündigung seiner Kommanditbeteiligung geltend. Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Beklagen verurteilt, dem Kläger Auskunft über den zum 31.12.2002 entstandenen Abfindungsanspruch gemäß Ziffer 20 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu erteilen. Im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Beklagten tragen zur Begründung ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung vor, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts Nr. 16.3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages, wonach bei Ausscheiden des Klägers die Abfindungsklausel nicht anwendbar sei, sondern der Kläger nach Wahl seiner (ehemaligen) Ehegattin verpflichtet sei, seinen Gesellschaftsanteil auf diese bzw. auf ihre Kinder zu übertragen, wirksam sei. Gemeinschaftlicher Zweck der Einbringung des Familienvermögens in die Beklagte Ziffer 1 sei nämlich gewesen, den familiären Grundbesitz gesamthänderisch zu binden und zu verwalten und dieses Immobilienvermögen als Familienbesitz ungeschmälert auf die nachfolgenden Generationen zu übertragen. Der Kläger habe seinen bereits gekündigten Gesellschaftsanteil einen Tag vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils auf seine damals 20-jährige Tochter Lilian übertragen. Mit diesem Übertragungsakt habe er das Ziel verfolgt, das beschriebene Wahlrecht seiner ehemaligen Ehefrau zu vereiteln.

Ohnehin habe Lilian F. an den Kläger lediglich ihren eigenen Abfindungsanspruch zum 31.12.2003 abgetreten, nicht aber den streitgegenständlichen aus der Kündigung der klägerischen Beteiligung resultierenden Anspruch. Dieser Anspruch sei durch die spätere einvernehmliche Rückgängigmachung der Kündigung in Wegfall geraten. Der bereits erstinstanzlich als Zeuge benannte Verfahrensbevollmächtigte der Lilian F. , Rechtsanwalt K.-R. habe die Kündigung insgesamt, also auch diejenige des klägerischen Anteils rückgängig machen wollen. Diesen Beweisantritt habe das Landgericht zu Unrecht übergangen.

Die Beklagten stellen folgenden Antrag:

Unter Abänderung des Teil-Urteils des Landgerichts Freiburg vom 20.01.2006 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Grund für die Einbringung der Grundstücke in die Gesellschaft sei das Bestreben der fünf Geschwister gewesen, komplizierte erbrechtliche Auseinandersetzungen durch die Einbringung der Immobilien in die Gesellschaft zu vermeiden. Ein ungeschmälerter Erhalt der Immobilien habe gar nicht Zweck der Gesellschaft sein können, da den Gesellschaftern nicht verboten gewesen sei, ihre Anteile zu kündigen. Im übrigen habe die Gesellschaft schon mehrfach Grundstücke und Wohnanlagen verkauft. Dem Kläger sei es nicht darum gegangen, das Wahlrecht seiner ehemaligen Ehefrau zu vereiteln. Dieses Recht bestehe wegen Nichtigkeit der entsprechenden Satzungsklausel nicht. Die Satzung der Gesellschaft sehe nicht vor, dass der Abfindungsanspruch eines Gesellschafters wieder untergehe, wenn nach erfolgter Kündigung seine Ehe mit dem anderen Gesellschafter rechtskräftig geschieden werde. Es hätte den Gesellschaftern frei gestanden, die Verfügung über Gesellschaftsanteile schon dann nicht mehr zuzulassen, wenn ein Gesellschafter die Scheidung von seinem Ehegatten vor Gericht beantragt habe. Dies sei jedoch nicht gewollt gewesen, vielmehr habe man klar und deutlich Verfügungen über den Gesellschaftsanteil bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils zugelassen. Die Formulierung in der Vereinbarung vom 08.09.2002, wonach der Abfindungsanspruch der Käuferin, d. h. der Lilian F. zum 31.12.2003 abgetreten werde, sei offensichtlich unrichtig. Zwischen den Vertragsparteien habe Einverständnis darüber bestanden, dass Lilian F. nicht mehr bezahlen solle, als sie von der Gesellschaft für den gekündigten Anteil erhalte. In § 4 Abs. 2 S. 2 der Vereinbarung vom 08.09.2002 sei geregelt worden, dass diese Abtretung der Gesellschaft gegenüber nicht offen gelegt werde, um Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft zu vermeiden, die bei Bekanntwerden der Vereinbarung zu befürchten gewesen seien. Deshalb habe Lilian F. die Abwicklung vornehmen sollen. Lilian F. habe, wie vom Landgericht zutreffend gewürdigt, gar nicht die Absicht gehabt, die Kündigung des klägerischen Geschäftsanteils rückgängig zu machen. Ohnehin habe sie insoweit keine Verfügungsbefugnis mehr gehabt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. und Michael D.-B.. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Die Akten OLG Karlsruhe 19 U 77/03 waren einschließlich der erstinstanzlichen Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auch hierauf wird Bezug genommen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Die angefochtene Entscheidung beschwert die Beklagten in einer Höhe, die weit über den nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Wert hinausgeht. Das Landgericht geht von erforderlichen Gutachtenskosten in Höhe von € 10 000 aus. Der Senat teilt diese Auffassung. Die Parteien haben insoweit auch keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung vorgetragen.

2.

Die Beklagten haben im Senatstermin den in der Berufungsschrift vom 23.02.2006 angekündigten Berufungsantrag neu formuliert und insgesamt Abweisung der Klage beantragt. Diese Neuformulierung war zulässig, da die angekündigten Anträge in der Berufungsschrift nicht endgültig sind, sondern innerhalb der Beschwer bis zum Ablauf der Begründungsfrist erweitert werden dürfen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler ZPO 25. Aufl. § 520 Rdnr. 31), was vorliegend erfolgt ist. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich nämlich, dass Ziel der Berufung die (vollständige) Klagabweisung ist.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, weil dem Kläger ein Abfindungsanspruch nicht zusteht. Nr. 16.3 des Gesellschaftsvertrages ist wirksam und greift im vorliegenden Fall ein.

3.

Allerdings ist der Einwand der Beklagten, die streitgegenständlichen Ansprüche seien gar nicht an ihn abgetreten, nicht begründet. Lilian F. hat nämlich in dem Kaufvertrag über die Veräußerung einer Kommanditbeteiligung vom 08.09.2002 in § 4 Nr. 2 den ihr nach der Kündigung des Gesellschaftsanteils zustehenden Abfindungsanspruch im voraus an den Kläger abgetreten. Die Abtretung bezieht sich nach dem gesamten Zusammenhang des Vertragswerkes zumindest auch auf den Abfindungsanspruch, der nach Auffassung des Klägers durch die Kündigung seines Gesellschaftsanteils vom 27.12.2001 zum 31.12.2002 entstanden ist.

4.

Aus dem genannten Kaufvertrag ergibt sich, dass die am selben Tag abgeschlossene Übertragung der Kommanditbeteiligung treuhänderisch erfolgt ist. Nach § 4 Nr. 2 des Kaufvertrages sollte Lilian F. nämlich die Abwicklung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung – gemeint ist der Beteiligung des Klägers – zwischen der Käuferin und der Beklagten Ziffer 1 vornehmen, ohne Offenlegung der Abtretung des Abfindungsanspruchs.

Hiermit übereinstimmend trägt der Kläger vor, dass Zweck der Verträge die Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen des Klägers mit den Beklagten gewesen sei. Deshalb sei Lilian F. auch nicht zu Verfügungen über den klägerischen Geschäftsanteil befugt gewesen. Zwar haben die Vertragsparteien den Vertrag als „Kaufvertrag“ bezeichnet und in § 2 des Vertrages einen Kaufpreis bestimmt.

Dieser sollte jedoch der Höhe nach dem Abfindungsanspruch aus der gekündigten klägerischen Beteiligung entsprechen und erst zur Zahlung fällig werden, nachdem die Gesellschaft Lilian F. die Abfindung gezahlt hatte. Dies alles sind für Treuhandverhältnisse typische Vereinbarungen. Dass die Parteien nicht auch für die Zeit bis zum Erlöschen der klägerischen Beteiligung ausdrücklich treuhandähnliche Regelungen vereinbart haben, ist unschädlich, weil für den Kläger und seine Tochter das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft im Vordergrund gestanden hat und regelungsbedürftig war. Nach dem wahren Willen der Vertragsparteien sollte und ist Lilian F. somit zugunsten des Klägers in fremdnütziger Treuhand tätig geworden.

5.

Nach Sinn und Zweck des Gesellschaftsvertrages der Beklagten Ziffer 1 sind im Falle einer fremdnützigen Treuhand die vertraglichen Regelungen weiterhin anwendbar, ohne dass der nur formale Rechtsübergang auf den Treuhänder zu beachten wäre.

Ansonsten hätte es nämlich der Treugeber, der wirtschaftlich nach wie vor Rechtsinhaber ist, in der Hand, die Anwendbarkeit etwaiger beschränkender Regelungen durch Vereinbarung eines Treuhandgeschäftes zu umgehen, ohne wirtschaftlich das Eigentum an dem Gesellschaftsanteil aufzugeben. Der Kläger wollte wirtschaftlich nach wie vor Rechtsinhaber sein, was sich daraus ergibt, dass das Abfindungsguthaben zwar von der Tochter Lilian eingezogen, aber an ihn ausgezahlt werden sollte.

Dementsprechend hat der Kläger trotz Übertragung des Gesellschaftsanteils an seine Tochter im Rechtsstreit die Auffassung vertreten, dass sie nicht befugt gewesen sei, die Kündigung rückgängig zu machen.

Die Rechtsprechung behandelt in vergleichbaren Treuhandverhältnissen den wirtschaftlich Berechtigten als Rechtsinhaber und richtet nach seiner Person die jeweiligen Rechtsfolgen aus (vgl. BGH NJW 2006, 1662; WM 1995 608; NJW-RR 1995, 1272; vgl. auch MünchKomm/H.P.Westermann BGB 4. Aufl. § 162 Rdnr. 19 zur entsprechenden Anwendung von § 162 BGB für den Provisionsanspruch eines Maklers für den Fall, dass der Auftraggeber zwecks Ersparnis der Provision einen wirtschaftlich gleichwertigen Vertrag schließt oder einen Strohmann vorschiebt). Folglich ist der Kläger im Verhältnis der Parteien so zu behandeln, als sei er auch bei Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 9.9.2002 noch Gesellschafter der Beklagten Ziffer 1 gewesen.

6.

Der Anspruch eines Gesellschafters auf Abfindung bei Ausscheiden entsteht im Zeitpunkt des Ausscheidens (vgl. MünchKomm/Ulmer aaO. § 738 BGB Rdnr. 19), das ist, nachdem die Kündigung unstreitig zum 31.12.2002 ausgesprochen worden ist und nach den vertraglichen Vereinbarungen zu jenem Termin erst wirksam werden konnte, der 31.12.2002. Hiervon abweichende Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten Ziffer 1 sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

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Ende 2002 war der Kläger jedoch nicht mehr Gesellschafter. Deshalb kommt es auf die Vorausabtretung des Abfindungsanspruches durch Lilian F. an den Kläger nicht an. Maßgeblich sind vielmehr die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Ausscheidens.

Nach Nr. 16.3 des Gesellschaftsvertrages schied der Kläger mit Rechtskraft des Scheidungsurteils aus der Gesellschaft aus und hatte seine Gesellschaftsanteile nach Wahl seines Ehegatten unentgeltlich diesem oder den zu den dem jeweiligen Gesellschafterstamm gehörenden Kindern zu übertragen. Nr. 16.3 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, dass Ziffern 20 und 21 dieses Vertrages auf diesen Fall keine Anwendung finden.

Der aus der Kündigungserklärung vom 27.12.2001 resultierende künftige Abfindungsanspruch des Klägers nach Nr. 20 und 21 des Gesellschaftsvertrages konnte somit nicht mehr zur Entstehung gelangen.

7.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung in Nr. 16.3. des Gesellschaftsvertrages sind nicht begründet.

Nr. 3.6 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, dass bis zu einem Betrag von DM 500.000,- die Pflichteinlagen der Gesellschafter Michael D.-B. , Dr. Frank D.-B. , Dr. Rainer D.-B. , Prof. Dr. Thomas D.-B. und Marion F. (Gründungsgesellschafter) durch Einbringung von Grundvermögen, die Pflichteinlagen der übrigen Gesellschafter durch Einbringung der ihnen von den Gründungsgesellschaftern geschenkten und in 3.2 und 3.3 im einzelnen bezeichneten Gesellschaftsanteile erbracht werden. Vorliegend kann offen bleiben, ob die Zuwendung eines Gesellschaftsanteils an einer Kommanditgesellschaft auch dann als Schenkung zu bezeichnen ist, wenn der Beschenkte wie hier persönlich haftender Gesellschafter werden soll (hierzu vgl. MünchKomm/Kollhosser aaO. § 516 Rdnr. 88; Staudinger/Wimmer-Leonhardt [2005] § 516 BGB Rdnr. 65). Hierfür mag sprechen, dass die ehemalige Ehefrau des Klägers diesem eine Beteiligung in Höhe von 6,4 % unentgeltlich zugewandt hat an einer Gesellschaft, deren Vermögen von den Parteien derzeit als zwischen 15 und 20.000.000,- € liegend angegeben wird. Für eine Schenkung spricht auch der Umstand, dass nach Nr. 4.3 des Vertrages dem Kläger für die persönliche Haftung und die geschäftsleitende Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft eine monatlich mit je 1/12 fällige Jahresvergütung von DM 24.000,- zustand, also der „geschenkte“ Gesellschaftsanteil nicht notwendig als Gegenleistung für die Übernahme der Haftung und Geschäftsführungstätigkeit zu deuten ist.

Auf die rechtliche Qualifizierung der von der ehemaligen Ehegattin des Klägers vorgenommenen Zuwendung kommt es im Ergebnis nicht an. Marion D.-B. hat, wie sich Nr. 16.3 des Vertrages entnehmen lässt, dem Kläger die Gesellschafterstellung mit dem dort vereinbarten Vorbehalt zugewandt. Selbst im Schenkungsrecht sind Rückforderungsvorbehalte für den Fall der Scheidung allgemein anerkannt und für statthaft erachtet (vgl. Staudinger/Wimmer-Leonhardt aaO. § 516 BGB Rdnr. 63; dieselbe aaO. § 530 BGB Rdnr. 41; MünchKomm/Kollhosser aaO. § 517 BGB Rdnr. 6).

Um einen vergleichbaren „Rück“forderungsvorbehalt geht es vorliegend.

8.

Dieser „Rück“forderungsanspruch ist unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu sehen (vgl. BGH NJW 1990, 2616). Es ist nämlich zwischen den Rechtsbeziehungen aus dem Zuwendungsverhältnis und dem Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander zu unterscheiden. Dies gilt selbst dann, wenn wie im vorliegenden Fall beide Rechtsbeziehungen in ein und derselben Vertragsurkunde geregelt sind.

Aus der Verpflichtung zur unentgeltlichen, entschädigungslosen Übertragung des Gesellschaftsanteils nach Nr. 16.3 des Vertrages folgt, dass es vorliegend nicht um den Ausschluss eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft geht mit der sich anschließenden Fragestellung eines Abfindungsanspruchs, sondern um die Verpflichtung eines Gesellschafters, seinen Gesellschaftsanteil an einen Rechtnachfolger zu übertragen aus Gründen, die in dem Rechtsverhältnis zu seinem ehemaligen Ehegatten liegen. Vorliegend ist also nicht eine vertragliche Regelung zu beurteilen, die dazu führt, dass die Beteiligung des „Ausgeschlossenen“ den anderen Gesellschaftern ohne Gegenleistung „anwächst“. Auch wird der Kläger durch die Klausel nicht in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, ob er seinen Gesellschaftsanteil kündigen will oder nicht. Tatsächlich hat er hiervon ja auch Gebrauch gemacht, ohne sich durch die streitige Klausel, die an die Kündigung keinerlei Konsequenzen in Bezug auf seinen Abfindungsanspruch knüpft, beeinträchtigen zu lassen. Mangels Ausschließungsvorganges liegt ein Fall, der nach den §§ 738, 138 BGB zu beurteilen wäre, nicht vor.

9.

Andere, also nicht gesellschaftsrechtliche, Gründe weshalb diese Übertragungsklausel gegen die guten Sitten verstieße sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.

Ebensowenig sind Gründe dafür vorgetragen, weshalb die Geltendmachung des Rechts im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

10.

Die Übertragungsverpflichtung ist in der Gesellschaftsvertragsurkunde begründet, entsteht mit Rechtskraft des Scheidungsurteils und wird zu diesem Zeitpunkt fällig.

Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die ehemalige Ehefrau des Klägers diesem den Gesellschaftsanteil in einem gesonderten schriftlichen Schenkungsvertrag zugewandt hat, der keinen Widerrufsvorbehalt enthielt. Nach den im vorliegenden Fall getroffenen Vereinbarungen entsteht der „Rück“forderungsanspruch mit dem in derselben Bestimmung angeordneten Ausscheiden des ehemaligen Ehegatten. Eines Widerrufsvorbehalts in einer zusätzlich zum Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarung bedarf es hierfür nicht, weil in dem Gesellschaftsvertrag – insoweit nur das Verhältnis des Klägers zu seiner damaligen Ehefrau betreffend – der „Rück“fall der Zuwendung für diesen Fall bereits ausgesprochen ist. In die Rechtsmacht des Ehegatten ist in diesem Vertrag die Entscheidung gestellt, an wen die Gesellschaftsanteile des Ausscheidenden gehen sollen, nämlich an den Ehegatten selbst oder an die zu dem jeweiligen Gesellschaftsstamm gehörenden Kinder. Diese Entscheidung hat die ehemalige Ehefrau des Klägers im beigezogenen Verfahren getroffen. Sie hat nämlich in dem Verfahren LG Freiburg 1 O 427/02 insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und die Übertragung der Gesellschaftsanteile an sich verlangt.

Hierauf kommt es allerdings letztlich nicht an. Vorliegend ist, was zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht zu entscheiden, an wen die Gesellschaftsanteile gehen sollen, sondern ob dem Kläger gegen die Beklagten Abfindungsansprüche zustehen.

Dass in dem vom Kläger behaupteten (schriftlichen) Schenkungsvertrag Nr. 16.3 des Gesellschaftsvertrages aufgehoben wäre, behauptet auch der Kläger nicht.

11.

Selbst wenn die streitige entschädigungslose Übertragungspflicht unter gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sein sollte, bestünden gegen sie keine Bedenken, weil der Kläger den Gesellschaftsanteil in einem weiteren Sinne als Treuhänder für den durch seine ehemalige Gattin repräsentierten Familienstamm erhalten und gehalten hat (vgl. zum Treuhandgedanken MünchHdb.GesR I/Piehler/Schulte 2.A. § 10 Rdnr. 30 m.w.N.).

Allerdings hat ein Gesellschafter, der aus einer Gesellschaft ausscheidet, sei es durch Einziehung seines Geschäftsanteils, sei es durch Ausschließung oder sei es als Folge einer satzungsgemäßen Abtretungspflicht, grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswertes seines Geschäftsanteils. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. So kann der Abfindungsanspruch in der Satzung beschränkt werden, soweit dadurch nicht von vornherein ein grobes Missverhältnis zu dem wahren Wert der Gesellschaftsbeteiligung entsteht. Dabei sind das Interesse der verbleibenden Gesellschafter an dem Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens und das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seiner Beteiligung gegeneinander abzuwägen. Der bloße Umstand, dass der ausscheidende Gesellschafter den Geschäftsanteil geschenkt bekommen hat, reicht jedoch grundsätzlich als Rechtfertigung für eine Abfindungsbeschränkung nicht aus (BHGZ 164, 107). Der BGH hat in der zitierten Entscheidung zu einem so genannten Mitarbeitermodell eine weitgehende Beschränkung des Abfindungsanspruchs für sachlich gerechtfertigt erklärt, weil mit der Vertragsgestaltung den einzelnen Mitarbeitern die Gesellschaftsanteile treuhandähnlich zugewandt werden sollten. Der zulässige Satzungszweck – die Erhaltung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens für künftige Generationen von Mitarbeiter-Gesellschaftern sowie eine Teilhabe am Erfolg des Unternehmens – könnten nur erreicht werden, wenn die Geschäftsanteile zu den Bedingungen zurück übertragen würden, zu denen ihre Überlassung erfolgt sei. Andernfalls käme nur die erste Generation von Mitarbeiter – Gesellschaftern in den Genuss der Vorteile dieser Vertragsgestaltung.

Vorliegend ist ein vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen. Deshalb kann auch unter gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten der Ausschluss des Abfindungsanspruchs des von einem Mitglied des einbringenden Stammes geschiedenen Klägers nicht als gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft gewertet werden (§ 138 BGB).

Die Beweisaufnahme hat nämlich ergeben, dass das vor Einbringung in die Gesellschaft vorhandene beträchtliche Grundvermögen zur Existenzsicherung der Familie D.-B. vom Unternehmen gelöst werden sollte. Wichtig waren eine gute Verwaltung und der Zusammenhalt des Vermögens. Sämtliche Gesellschafter waren sich einig, dass die Anteile möglichst frühzeitig auf die Kinder übertragen werden sollten, um die Schenkungssteuerfreibeträge optimal auszunutzen. Aus steuerlichen Gründen wurden Gesellschaftsanteile auch an die Ehegatten der aus der Familie D.-B. stammenden Kinder des Wolfgang D.-B. und seiner Ehefrau übertragen, deren Anteile später wieder auf die Kinder übergehen sollten. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Zeugen Michael D.-B. und des damaligen Steuerberaters, des Zeugen G. . Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge D.-B. möglicherweise eigene materielle Interessen sowie Motive persönlicher Art haben kann. Seine Glaubwürdigkeit ist deshalb kritisch zu prüfen. Gründe, seinen Angaben nicht zu folgen, sind jedoch nicht gegeben. Vielmehr ist der Senat überzeugt, dass der Zeuge wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Seine Angaben werden nämlich von den Angaben des Zeugen G. , der auf den Senat einen integren und glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, bestätigt. Überdies spiegelt sich die beschriebene Zielsetzung, das aus Grundstücken bestehende Familienvermögen dem Familienstamm zu erhalten, in der Urkunde über den Gesellschaftsvertrag wieder. Nach Nr. 13.2. und 13.4. des Vertrages ist die Übertragung von Anteilen grundsätzlich an die Zustimmung aller Gesellschafter gebunden. Den Gesellschaftern steht ein im einzelnen näher geregeltes Vorkaufsrecht zusteht.

Der Zeuge D.-B. hat glaubwürdig berichtet, die Freistellung des Übertragungsaktes in bestimmten Fällen, nämlich der Übertragung an eheliche Kinder, Adoptivkinde, Ehegatten, Eltern oder Mitgesellschafter sei erst anlässlich der Übertragung an die jeweiligen Ehegatten neu in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden. Trotz des in Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages formulierten Gesellschaftszwecks, der die beschriebene Zwecksetzung nicht wiedergibt, hatte der Kläger deshalb nach dem gemeinschaftlichen Vertragswillen aller Gesellschafter eine treuhänderähnliche Stellung für seine zum Stamm der Familie D.-B. gehörenden Kinder erworben, die ihm auch gesellschaftsrechtlich unbedenklich im Falle der Scheidung von seiner Ehegattin wieder entzogen werden konnte. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Klägers war somit eine im weiteren Sinne treuhänderisch gebundene für den von seiner damaligen Ehefrau repräsentierten Familienstamm, zu dem er als Angeheirateter nicht gehörte.

Ohne Bedeutung ist, dass die Gesellschafter, was auch von den Beklagten nicht in Frage gestellt wird, gesellschaftsrechtlich befugt waren und sind, die Gesellschaft zu verlassen und die Auszahlung eines Abfindungsguthaben zu verlangen. Darum geht es vorliegend nicht. Hier ist nur der Fall zu beurteilen, dass vor Wirksamwerden dieses Austritts ein Ereignis, nämlich die rechtskräftige Scheidung, eingetreten ist, welches die Entstehung des Anspruchs bereits ausgeschlossen hat. Gleichfalls ohne Bedeutung ist, ob der Ausschluss eines Abfindungsanspruchs des Klägers für den Fortbestand der Gesellschaft erforderlich oder unerlässlich ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der in dem Gesellschaftsvertrag verankerte Gedanke der Übertragung der Gesellschaftsanteile an Angehörige der jeweiligen Familienstämme durch die Auszahlung eines erheblichen Abfindungsguthabens an den nicht zur Familie gehörigen und von einem Mitglied des Familienstammes geschiedenen Kläger die wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft nachhaltig verändern würde. Die Beklagte Ziffer 1 verstößt als Familiengesellschaft und Besitzerin von Grundstücken, die ursprünglich allesamt aus einem Familienstamm herrühren nicht gegen die guten Sitten, wenn ein durch Scheidung ausscheidendes angeheiratetes Mitglied den Status der Familien- und damit Gesellschaftszugehörigkeit entschädigungslos wieder verliert.

12.

Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Trennung von Gesellschafts- und Schenkungs-/Zuwendungsrecht folgt und die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer gesellschaftlichen Abfindungsklausel eine Frage des Einzelfalles ist.

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