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Auslandsreisekrankenversicherung – medizinische Notwendigkeit des Rücktransports

KG Berlin –  Az.: 6 U 62/14 –  Urteil vom 08.10.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 21. März 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die bei dem Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Auslandsreisekrankenversicherung unterhält, der die „Allgemeine Versicherungsbedingungen“ AVB/AR zugrunde liegen, Versicherungsleistungen in Höhe von 19.700,- EURO für einen Krankenrücktransport ihres Ehemannes von Mallorca nach Deutschland.

Durch hiermit in Bezug genommenes Urteil vom 21. März 2014 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 19.700,- EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2013 (Rechtshängigkeit) zu zahlen,

2. sie von aussergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.023,16 EURO freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und tritt dem Vorbringen der Klägerin weiter entgegen.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. 1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. März 2014 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingereicht (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO) worden.

2. In der Sache hat die zulässige Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; auch das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Auslandsreisekrankenversicherung - medizinische Notwendigkeit des Rücktransports
Symbolfoto: Von MiQ /Shutterstock.com

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus §§ 1 ff VVG i. V. m. § 4 Nr. 1 d AR auf eine Versicherungsleistung in Höhe von 19.700,- EURO nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Nach § 4 Nr. 1 d erstattet der Versicherer die während einer Auslandsreise entstandenen Aufwendungen (u. a.) für den Rücktransport der versicherten Person an deren ständigen Wohnsitz, wenn der Rücktransport medizinisch notwendig ist, oder die voraussichtlichen Kosten der Heilbehandlung im Ausland die Kosten des Rücktransports übersteigen würden, oder nach ärztlicher Prognose eine stationäre Behandlung länger als 14 Tage dauern würde. Als „medizinisch notwendig“ ist ein Rücktransport dann anzusehen, wenn die im Aufenthaltsland vorhandenen medizinischen Einrichtungen nicht ausreichend sind und dadurch eine Gesundheitsschädigung der versicherten Person zu befürchten ist. Auf eine ärztliche Anordnung des Rücktransports kommt es entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil hingegen nicht an (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, Urteil vom 7. November 2013, zfs 2014, 521f).

Vorliegend kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die im Aufenthaltsland vorhandenen medizinischen Einrichtungen nicht ausreichend waren. Die Klägerin befand sich mit ihrem Ehemann auf der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Als bei diesem am 11. September 2012 eine Körpertemperatur von 38,5 Grad festgestellt wurde, begab er sich zu einem ortsansässigen Arzt, der den Kläger untersuchte, einen zu geringen Sauerstoffgehalt im Blut feststellte und daraufhin wegen des Verdachts auf Lungenentzündung die Einweisung des Ehemannes der Klägerin in das örtliche Krankenhaus in Manacor zwecks stationärer Aufnahme veranlasste. Diese Handlungsweise des ortsansässigen Arztes entsprach den Regeln der ärztlichen Kunst, ein fehlerhaftes Verhalten wird ihm auch seitens der Klägerin nicht vorgeworfen.

Aber auch nach der Aufnahme des Ehemannes der Klägerin in dem Krankenhaus Manacor – Abteilung für Pneumologie – am 11. September 2012 ist eine Fehl- oder Schlechtbehandlung nicht dargetan. Sowohl die Antibiotika-Therapie als auch Sauerstoffzufuhr und Bettruhe stellen im Falle einer Lungenentzündung (Pneumonie) medizinisch allgemein anerkannte Behandlungsmethoden dar, die geeignet sind, die Krankheit zu heilen.

Die Klägerin hat auch keine konkreten Behandlungsfehler während des Krankenhausaufenthaltes aufzuzeigen vermocht. Dass nach dem Vortrag der Klägerin die Verständigung schwierig war und kaum deutsch gesprochen wurde, ist als häufige Folge einer Auslandsreise hinzunehmen und stellt keinen Grund dafür dar, die medizinischen Einrichtungen als nicht ausreichend im Sinne von § 4 Nr. 1 d AR anzusehen. Im übrigen trägt auch die Klägerin nicht vor, dass eine Verständigung unmöglich gewesen wäre und deshalb eine Gesundheitsbeschädigung des Versicherten zu befürchten war. Vielmehr hat die Klägerin in ihrer persönlichen Stellungnahme vom 9. Oktober 2012 (Anlage K 4) selbst eingeräumt, dass es in dem Krankenhaus eine – wenn auch zeitlich überforderte – Dolmetscherin gab. Dass der Ehemann der Klägerin während eines Krankenhausaufenthaltes von 8 Tagen wegen einer akuten Lungenentzündung 6 kg Gewicht verloren hat, erscheint weder ungewöhnlich, noch ist ein Körpergewicht von 62 kg bei einer Körpergröße von 170 cm als besorgniserregend anzusehen. Ob der Ehemann der Klägerin aufgrund einer Verwechslung tatsächlich geröntgt worden ist oder die Verwechslung vorher aufgeklärt werden konnte, ist trotz einer gerichtlichen Auflage nicht klargestellt worden. Im übrigen würde auch eine Röntgenaufnahme des Thorax bei einer Lungenentzündung keinen ärztlichen Behandlungsfehler darstellen. Dementsprechend heißt es in der als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 25. Februar 2014 eingereichten Statuserhebung durch Frau Dr. K… vom 22. September 2012 auch: „Radiologisch links basale Pneumonie“. Es ist auch weder von der Klägerin hinreichend dargetan noch aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich, dass die Entlassung ihres Ehemannes am 20. September 2012 aus dem Krankenhaus zu früh erfolgt ist. Die Klägerin hatte erstinstanzlich nicht bestritten, dass die Sauerstoffwerte ihres Ehemanns bei Entlassung am 20. September 2012 im Normbereich lagen. Sie hatte lediglich ausgeführt, dass die Sauerstoffwerte am 19. September 2012 noch immer nicht ausreichend gewesen seien. Über die (vorliegend offensichtlich häufig in kurzen Abständen kontrollierten) Werte am 20. September 2012 sagt dies nichts aus. Es kommt hinzu, dass laut der oben genannten Statuserhebung durch Frau Dr. K… vom 22. September 2012 der Ehemann der Klägerin fieberfrei war und seine aktuelle Versorgung ausreichend war. Im übrigen ist auch nach Rückkehr nach Deutschland am 23. September 2012 keine stationäre Behandlung durchgeführt worden, was ebenfalls dagegen spricht, dass eine solche nach dem 20. September 2012 noch erforderlich war.

Unter diesen Umständen erschließt sich nicht, welche konkrete Beweisfrage ein Sachverständiger beantworten sollte, so dass es keinen Verfahrensfehler des Landgerichts darstellt, von der Einholung eines Sachverständigen Gutachtens abgesehen zu haben.

Da bereits die Voraussetzung nicht ausreichender medizinischer Einrichtungen im Aufenthaltsland im Sinne von § 4 Nr. 1 d AR nicht erfüllt ist, war auch „dadurch“ keine Gesundheitsschädigung des Versicherten zu befürchten, zumal – soweit ersichtlich – bei dem Ehemann der Klägerin auch in Deutschland keine andere Behandlung durchgeführt wurde und sich sein Gesundheitszustand zunehmend verbesserte.

Schließlich spricht sowohl die oben genannte Statuserhebung vom 22. September 2012 als auch der Inhalt des Telefax vom 7. Januar 2014 (Anlage zum Schriftsatz vom 25. Februar 2014) gegen eine medizinische Notwendigkeit des Rücktransports. So wurde der Klägerin bereits am 22. September 2012 „die Möglichkeit eines Linienflugs mit Arzt und Sauerstoff“ erläutert, sie wollte das aber nicht, sondern „so schnell wie möglich nach Hause, die Kosten … seien egal“.

Dementsprechend weist die ärztliche Leiterin des Rückholdienstes Dr. K… unter dem 7. Januar 2014 ausdrücklich darauf hin, dass „ein Ambulanzflug medizinisch nicht notwendig war“.

Letztlich läßt sich im vorliegenden Fall eine medizinische Notwendigkeit im Sinne von § 4 Nr. 1 d AR auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass – so das Berufungsvorbringen – „die Weiterbehandlung der versicherten Person am Wohnsitz in Deutschland aufgrund der besonderen psychischen Situation am Wohnsitzort eine Heilung befördert“. Der von der Klägerin in Bezug genommenen – und im übrigen auch nach Ansicht des Senats zutreffenden – Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 1995 (r + s 1996, 281 f) lag ein mit dem vorliegenden nicht vergleichbarer Fall zugrunde. Nach den für die Entscheidung des OLG Düsseldorf maßgebenden Versicherungsbedingungen war Voraussetzung für die Erstattung von Rücktransportkosten unter anderem, dass (in der Heimat) eine anschließende stationäre Heilbehandlung erfolgt, die – anders als vorliegend – in dem dortigen Fall auch tatsächlich erfolgt ist. Weitere Unterschiede zwischen dem vorliegendem und den von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall liegen darin, dass der dortige Kläger sich ohne Angehörige im Ausland aufgehalten hatte, dort von einer schweren (irrevisiblen) Erkrankung, nämlich einem Gehirnschlaganfall, heimgesucht worden und eine Überführung in eine Spezialklinik dringend geboten war.

Die Ausführungen des Landgerichts, dass auch die anderen Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten eines Rücktransports nicht vorliegen, nämlich dass die voraussichtlichen Kosten der Heilbehandlung im Ausland höher sind als die Kosten des Rücktransport, oder dass die stationäre Heilbehandlung nach ärztlicher Prognose länger als 14 Tage dauert, werden mit der Berufung nicht angegriffen; sie sind daher nicht Gegenstand der Überprüfung durch das Berufungsgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und Satz 2, 713 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, nicht der Rechtsfortbildung dient und nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder – wie aufgezeigt – anderer Oberlandesgerichte abweicht.

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