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Auslegung eines Testaments – Belohnung für geleistete Dienste

OLG München –  Az.: 31 Wx 255/13 –  Beschluss vom 05.11.2013

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 18.3.2013 wird aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat in der Sache Erfolg. Das Nachlassgericht ist unzutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund des Testaments vom 2.3.1991 Alleinerbin der Erblasserin ist.

1. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 findet sich in dem Testament nicht. Vielmehr hat die Erblasserin darin die Mutter der Beteiligten zu 1, die mittlerweile vorverstorben ist, zur Alleinerbin ihres gesamten Nachlasses eingesetzt. Eine Regelung für den Fall, dass die Bedachte vor dem Erbfall verstirbt, findet sich in dem Testament nicht. Insofern hat das Nachlassgericht das Testament zu Recht als auslegungsbedürftig angesehen.

2. Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts nicht, dass sich die Erbenstellung der Beteiligten zu 2 im Wege der (ergänzenden) Auslegung ergibt.

a) Rechtlich zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Auslegungsregel des § 2069 BGB im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann. Die von der Beteiligten zu 1 erstrebte Ersatzerbfolge, bei der sie als Tochter an Stelle ihrer vorverstorbenen Mutter tritt, liegt außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift, die über ihren Wortlaut hinaus auch nicht analog angewendet werden kann (BGH NJW 1973, 240/242; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1349/1350).

b) In einem solchen Fall ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben zu berufen (BayObLG FamRZ  2005, 555/556). Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was er für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt hat (OLG Hamm FamRZ 1991, 1483 f.; OLG Frankfurt FamRZ 1996, 829/830).

Kann der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers nicht festgestellt werden, ist eine ergänzende Auslegung in Betracht zu ziehen (BayObLGZ 1988, 165/167; FamRZ 2000, 58/60; 2001, 516). Ist der Bedachte eine dem Erblasser nahe stehende Person, so legt die Lebenserfahrung die Prüfung nahe, ob der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat oder gewollt haben würde (BayObLG FamRZ 1991, 856/866; 1997, 641/642). Als dem Erblasser nahe stehenden Personen hat die Rechtsprechung in erster Linie Verwandte und den Ehegatten angesehen. Entscheidend ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als ersten seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat. Die erforderliche Andeutung im Testament kann dann schon in der Tatsache der Berufung dieser Person zum Erben angesehen werden. In jedem Fall ist aber der Erblasserwille anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (BayObLG FamRZ 2000, 58/60; Staudinger/Otte BGB <2013> § 2069 Rn. 31).

aa) Unter Zugrundelegung dieser Umstände lässt sich nach Überzeugung des Senats nicht feststellen, ob eine Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung entspricht.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin nach ihrer Willensrichtung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung das Einrücken der Beteiligten zu 1 gewollt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Die Einsetzung der Mutter der Beteiligten zu 1 findet nach den Ausführungen der Erblasserin ihre Rechtfertigung in deren Handlungen in der Vergangenheit. Die Zuwendung ist damit vom Beweggrund her allein auf die Person der Bedachten hin ausgerichtet. Insoweit lässt sich nicht feststellen, dass bei einem Wegfall der Bedachten „die Belohnung“ auch der Beteiligten zu 1 zuteil werden sollte. Denkbar ist auch, dass bei einem vorzeitigen Wegfall der Bedachten nach der Vorstellung der Erblasserin der für die Zuwendung rechtfertigende Grund und damit ihre letztwillige Verfügung insgesamt hinfällig sein sollte, zumal die Bedachte für die Abwicklung ihres Nachlasses Sorge tragen sollte.

bb) Die von der Beteiligten zu 1 erstrebte Alleinerbenstellung ergibt sich entgegen der Meinung des Nachlassgerichts nicht aufgrund ergänzender Auslegung des Testaments vom 2.3.1991. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme eines hypothetischen Willes der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vor, dass bei einem Wegfall der Bedachten die Beteiligte zu 1 deren Ersatzerbin sein sollte.

(1) Die Fortführung der von der Bedachten nach Errichtung des Testaments übernommene Betreuung der Erblasserin durch die Beteiligte zu 1 stellt keinen maßgebenden Anhaltspunkt für die Feststellung des hypothetischen Willens der Erblasserin dar. Die übernommene Betreuung begründet im Hinblick auf den erörterten Beweggrund der Erblasserin zugunsten der ursprünglich Bedachten (s.o.) eine neue, gesonderte Motivationslage in Bezug auf die Beteiligte zu 1 selbst, der sie nur durch eine neue, formgerechte Verfügung zum Erfolg verhelfen konnte (MüKoBGB/Leipold 6. Auflage <2013> § 2084 Rn. 94, 95). Eine solche hat die Erblasserin nicht errichtet.

bb) Entgegen der Meinung des Nachlassgerichts genügt für die Annahme eines hypothetischen Willens der Erblasserin in Bezug auf die Beteiligte zu 1 als Ersatzerbin ihrer Mutter nicht, dass die ursprünglich Bedachte der Erblasserin nahe stand (vgl. KG FamRZ 2011, 928/929 zu § 379 Abs. 1 S. 2 ZGB/DDR<§ 2069 BGB>). Eine solche, einem Abkömmling im Sinne des § 2069 BGB vergleichbare Stellung des Weggefallenen ist allgemeine Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung zur Bestimmung von Ersatzerben, weil es andernfalls an dem zur Formwahrung erforderlichen Anhalt im Testament selbst fehlt (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 865; KG FamRZ 1977, 344/345 f.; KG FamRZ 2011, 928/929). Eine ergänzende Auslegung gemäß dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB erfordert vielmehr zusätzlich, dass sich aus sonstigen letztwilligen Bestimmungen oder auch außerhalb des Testaments liegenden Umständen ergibt, dass die Zuwendung der Bedachten als Erste ihres Stammes und nicht  nur ihr persönlich gegolten hat (vgl. BGH NJW 1973, 240/242; BayObLGZ NJOZ 2005, 1070/1073). Dafür fehlt es hier an ausreichenden Indizien. Die Erbeinsetzung der Mutter der Beteiligten zu 1 begründete die Erblasserin in dem Testament damit, dass diese ihr seit dem Tod des Ehemanns (22.10.1968) eine seelische Stütze war und hierzu auch Belastungen auf sich genommen hatte. Dies deutet darauf hin, dass Beweggrund für die Zuwendung zugunsten der Mutter der Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt der Testamentserrichtung deren individuelle Handlungen in der Vergangenheit war und diese von ihr gerade nicht als Repräsentantin eines Geschwisterstammes eingesetzt wurde. Die Einvernahme der von der Beteiligten zu 1 benannten Zeugen betreffend die unter Beweis gestellte Verbundenheit der Erblasserin zu ihr und der vorverstorbenen Bedachten war daher nicht geboten.

3. Da die Beschwerde Erfolg hat, ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst; zu einer abweichenden Kostenauferlegung (§ 81 FamFG) sieht der Senat keinen Anlass. Einer Geschäftswertfestsetzung für gerichtliche Zwecke bedarf es nicht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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