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Vermächtnis – Ausschlagungsfrist

 BGH

Az: IV ZR 230/09

Urteil vom 12.01.2011


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2011 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. November 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Drittwiderspruchsklage gegen die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung eines Grundstücks. Die Mutter der Klägerin und ihres Bruders ……. , des Ehemannes der Beklagten, ist die am 25. Juli 2000 verstorbene Erblasserin ……. . Sie war zusammen mit ihrem Ehemann ……… Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks. Am 30. Januar 2000 errichteten die Eheleute………. ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem es unter anderem heißt:

„1.

Erbeinsetzung

3.

Vermächtnisse nach dem Tod des Erststerbenden von uns

4.

Wechselbezüglichkeit Die Erbeinsetzung und die Vermächtnisanordnungen sind vertragsgemäß. …

Eine Abwendungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten besteht nicht.

5.

Anfechtungsverzicht Der überlebende Ehegatte hat auch nicht die Möglichkeit, die Schlußerbeneinsetzung und die Vermächtnisanordnung gemäß § 2079 BGB wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten anzufechten.

…“

Vor diesem gemeinschaftlichen Testament hatte die Erblasserin bereits mit Testament vom 16. Juli 1998 die Klägerin als ihre Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Tod der Erblasserin teilte……… dem Notariat ….. mit Schreiben vom 20. November 2000 mit, das gemeinschaftliche Testament entspreche nicht seinem Willen, da er von der Erblasserin damit unter Druck gesetzt worden sei, dass sie sich das Leben nehmen werde. Am 2. Oktober 2001 übertrug ……..seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf den Ehemann der Beklagten. Letzterer betrieb zunächst die Teilungsversteigerung aus dem Grundstück, gegen die die Klägerin sich wandte. Durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19. April 2005 (4 O 737/03) wurde die Teilungsversteigerung für unzulässig erklärt. Mit Schreiben vom 21. August 2005 gegenüber der Klägerin sowie dem Ehemann der Beklagten schlug………. das ihm zugewandte Vermächtnis aus. In einem handschriftlichen Testament vom 19. September 2005 setzte er den Ehemann der Beklagten als Alleinerben ein. Mit Vertrag vom 25. November 2005 übertrug der Ehemann der Beklagten dieser einen 2/18 Miteigentumsanteil an dem Grundstück.

Das Landgericht hat die Drittwiderspruchsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die materielle Rechtskraft des zwischen der Klägerin und dem Ehemann der Beklagten ergangenen Urteils, mit dem die von diesem betriebene Teilungsversteigerung für unzulässig erklärt worden war, wirke zwar nach § 325 ZPO auch gegenüber der Beklagten, stehe aber gemäß § 322 ZPO der nunmehr betriebenen Teilungsversteigerung wegen der veränderten Verhältnisse infolge der Ausschlagung des Vermächtnisses durch den überlebenden Ehegatten und der Errichtung eines neuen Testaments nicht generell entgegen. Der überlebende Ehemann habe nach dem Tod der Erblasserin durch Ausschlagung des Vermächtnisses gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB die Möglichkeit erlangt, seine bisherige Verfügung aufzuheben. Diesem Recht stehe das Testament nicht entgegen. Die Ausschlagung sei auch nicht fristgebunden. Ferner dürfte die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach das Ausschlagungsrecht nicht durch vorherige Annahme des Vermächtnisses ausgeschlossen sei, nicht zu beanstanden sein.

Diese Fragen könnten jedoch offen bleiben, da sich selbst bei wirksamer Ausschlagung die erbrechtliche Lage nicht geändert habe. Zwar habe………. als überlebender Ehegatte seine Testierfreiheit wieder gewonnen und er habe in dem Testament vom 19. September 2005 nunmehr auch seinen Sohn zum Alleinerben eingesetzt. Da…………. aber noch lebe, könne er sein Aufhebungstestament widerrufen und dadurch auch die eigenen wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament wieder herstellen, was zur Folge habe, dass entsprechend auch die wechselbezüglichen Verfügungen der Erblasserin wirksam blieben. Daraus ergebe sich, dass sich durch die Ausschlagung und das Testament vom 19. September 2005 an der Rechtslage gegenüber der Entscheidung des Landgerichts vom 19. April 2005 noch nichts geändert habe. Die rechtskräftig entschiedene Vorfrage, dass das gemeinschaftliche Testament der Teilungsversteigerung entgegenstehe, sei daher nicht neu zu beurteilen, sondern das rechtskräftige Urteil der Entscheidung ohne sachliche Prüfung zu Grunde zu legen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19. April 2005 hindert eine neue Entscheidung in der Sache nicht.

1.

Zwar ist das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend von den Grenzen der Rechtskraft nach § 322 ZPO ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand (BGH, Urteile vom 19. November 2003 – VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252 unter II 1; vom 17. März 1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1757 unter II 1 a). Der Streitgegenstand wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klägerin bezieht. Unter die Rechtskraftwirkung fällt nicht nur die Präklusion der im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, sondern auch die der nicht vorgetragenen, soweit diese nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind (BGH, Urteile vom 19. November 2003 aaO unter II 1 a aa und 17. März 1995 aaO unter II 1 b; Zöller/Vollkommer, ZPO 28. Aufl. vor § 322 Rn. 57). Hier sind die maßgeblichen Tatsachen der Ausschlagung des Vermächtnisses durch……… am 21. August 2005 sowie die Erbeinsetzung des Ehemannes der Beklagten am 19. September 2005 erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Verfahren 4 O 737/03 vor dem Landgericht Karlsruhe eingetreten.

Soweit das Berufungsgericht im Ergebnis gleichwohl Präklusion angenommen hat, weil bei einem gemeinschaftlichen Testament nach Ausschlagung des Zugewendeten durch den überlebenden Ehegatten und einem neuen Testament noch keine Änderung der erbrechtlichen Lage eingetreten sei, da der überlebende Ehegatte ein neues Testament wieder aufheben und die frühere gemeinschaftliche Verfügung auch des vorverstorbenen Ehegatten wieder herstellen könnte, ist das unzutreffend. Es besteht daher auch keine Bindungswirkung an das Urteil des Landgerichts vom 19. April 2005 mehr.

a)

Bei einem gemeinschaftlichen Testament können wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB zu Lebzeiten des anderen Ehegatten nach § 2271 Abs. 1 BGB nur nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB widerrufen werden. Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB). Allerdings kann der Überlebende seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB). Dieses Ausschlagungsrecht erfasst nicht nur den Fall, dass der überlebende Ehegatte zum Erben berufen wurde, sondern auch die Konstellation, in der er -wie hier -mit einem Vermächtnis bedacht wurde (Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB 2. Aufl. § 2271 Rn. 24). Die Eheleute hatten in dem gemeinschaftlichen Testament ihre beiden Kinder jeweils als Erben eingesetzt, dem überlebenden Ehegatten aber ein Vermächtnis sowohl hinsichtlich des gesamten beweglichen Vermögens als auch einen Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt.

Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass das Recht, sich von dem gemeinschaftlichen Testament durch Ausschlagung des Vermächtnisses und Neutestierung zu lösen, nicht durch Ziffer 4 des Testaments ausgeschlossen ist, wonach eine Abwendungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten nicht bestehen soll. Das in § 2271 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB bestimmte Recht zur Ausschlagung kann zum Schutz der testierenden Ehegatten nicht abbedungen werden.

b)

Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist nicht fristgebunden. § 2180 BGB sieht keine Frist für die Ausschlagung eines Vermächtnisses vor. Die Regelung des § 1944 BGB, wonach die Ausschlagung nur binnen sechs Wochen erfolgen kann, findet auf das Vermächtnis keine Anwendung, da in § 2180 Abs. 3 BGB auf sie gerade nicht verwiesen wird. Eine analoge Anwendung des § 1944 BGB jedenfalls im Fall des § 2271 Abs. 2 BGB, die nach Auffassung der Klägerin geboten ist, um einen Zustand länger andauernder Rechtsunsicherheit zu vermeiden, kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass es angesichts der eindeutigen Regelung in § 2180 Abs. 3 BGB bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt, kann dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit in überschaubarer Zeit auch auf andere Weise genügt werden. Zunächst ist eine Ausschlagung nach § 2180 Abs. 1 BGB ohnehin nur dann möglich, wenn das Vermächtnis nicht bereits angenommen wurde (hierzu unter III). Außerdem kann der Erbe, wenn es sich bei dem Vermächtnisnehmer -wie hier -zugleich um einen Pflichtteilsberechtigten handelt, diesem nach § 2307 Abs. 2 BGB eine angemessene Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses setzen. Mit dem Ablauf der Frist gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen, wenn nicht vorher die Annahme erklärt wird. Die Klägerin hätte daher, wenn sie sich darüber unklar war, ob ihr Vater das Vermächtnis angenommen hat, diesem eine entsprechende Frist setzen können.

c)

Nicht erörtert haben die Vorinstanzen allerdings die weitere von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Ausschlagung zur Wiedererlangung der Testierfreiheit sich nur auf das durch die Verfügung von Todes wegen Zugewendete beziehen oder der Ausschlagende zugleich sein gesetzliches Erbrecht ausschlagen muss. Für letzteres könnte streiten, dass der durch eine letztwillige Verfügung Bedachte einerseits das ihm Zugewandte ausschlagen und damit seine Verfügungsfreiheit zurückerlangen kann, dann andererseits aber gesetzlicher Erbe werden und schließlich wirtschaftlich genau soviel oder sogar noch mehr erhalten kann als er durch die letztwillige Verfügung bekommen hätte. Deshalb wird teilweise vertreten, dass der Bedachte seine Verfügungsfreiheit nur dann wiedererlangt, wenn er auch den gesetzlichen Erbteil ausschlägt, es sei denn, dass dieser erheblich hinter dem Zugewendeten zurückbleibt, was bei einer Abweichung von 1/4 noch nicht der Fall sein soll (KG, NJW-RR 1991, 330, 331; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB 2. Aufl. § 2271 Rn. 27). Eine andere Auffassung hält dies für eine Frage der (ergänzenden) Auslegung des Testaments, wonach die letztwillige Verfügung dahin ausgelegt werden könne, dass der Überlebende unter der aufschiebenden Bedingung enterbt und damit auch nicht gesetzlicher Erbe wird, dass er ausschlägt und der testamentarische Erbteil im Wesentlichen dem gesetzlichen entspricht (Soergel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2271 Rn. 19; Staudinger/Kanzleiter, BGB [2006] § 2271 BGB Rn. 43; MünchKomm-BGB/Musielak, 5. Aufl. § 2271 BGB Rn. 25; Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 2271 BGB Rn. 18).

Welcher Auffassung zu folgen ist, kann offen bleiben. Waren die wechselbezüglichen Verfügungen nach § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam, käme über § 2258 Abs. 2 BGB wieder das frühere Testament der Erblasserin vom 16. Juli 1998 zur Geltung, in dem sie die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt hat (dazu nachfolgend unter d). Dem Ehemann der Erblasserin stünde dann nur ein Pflichtteil zu, während er durch das Testament vom 30. Januar 2000 ein Vermächtnis erhalten hat, welches wirtschaftlich über diesen Pflichtteil von 1/4 hinausgeht, da ihm als Vorausvermächtnis das gesamte bewegliche Vermögen zugewandt wurde und er ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück erhalten hat. Einer gesonderten Ausschlagung des gesetzlichen Erbrechts durch ihn bedurfte es nach beiden insoweit vertretenen Auffassungen daher nicht.

d) Durch die (wirksame) Ausschlagung erlangt der überlebende Ehegatte seine Testierfreiheit wieder. Wegen der Beseitigung der Bindung durch Ausschlagung kann er deshalb seine eigenen Verfügungen aufheben. Bei dieser Aufhebung gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB handelt es sich zugleich um den Widerruf im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsbeschluss vom 24. September 2008 – IV ZR 26/08, ErbR 2009, 157; Lustig, ZEV 2009, 140; Rudy, ErbR 2009, 158; anders OLG Celle, ZEV 2009, 138). Der Ehemann der Erblasserin hat durch die Ausschlagung mithin die Möglichkeit erlangt, neu zu testieren, wovon er in dem Testament vom 19. September 2005 Gebrauch gemacht hat, indem er den Ehemann der Beklagten als Alleinerben eingesetzt hat. Damit hat er seine Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament bezüglich einer Erbeinsetzung des Sohnes zu 2/3 und der Tochter zu 1/3 widerrufen. Die Eheleute hatten in Ziffer 1a und b des Testaments ausdrücklich vereinbart, dass nach dem ersten und nach dem zweiten Erbfall der Sohn zu 2/3 sowie die Tochter zu 1/3 erben sollen. Insoweit ist wegen des (teilweisen) Widerrufs gemäß § 2270 Abs. 1 BGB im Zweifel davon auszugehen, dass auch die entsprechende Erbeinsetzung seitens der Erblasserin unwirksam ist.

aa)

Etwas anders gilt nur dann, wenn sich durch Auslegung des Testaments ergibt, dass der Erblasser seine Verfügung auch dann getroffen hätte, wenn ihm die Unwirksamkeit der Verfügung des anderen Ehegatten bekannt gewesen wäre. Die Verfügung bleibt dann als einseitige aufrechterhalten (Senatsurteil vom 4. Oktober 1972 – IV ZR 133/70, Umdruck S. 7; wiedergegeben bei Johannsen, WM 1973, 530; Soergel/ Wolf, BGB 13. Aufl. § 2270 Rn. 18). Für einen Willen der Erblasserin zur Fortgeltung der von ihr vorgenommenen Erbeinsetzung als Einzelverfügung bestehen indessen keine Anhaltspunkte. Maßgebend hierfür ist, dass es dem Willen der Erblasserin entsprach, der Klägerin durch das Vermächtnis in Ziff. 3b des Testaments sowie die Auflage in Ziff. 6a nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten die Wohnung Nr. 2 zu Alleineigentum zu verschaffen. Der Wille der Erblasserin konnte bei Fortbestehen nur ihrer letztwilligen Verfügung mit einer Einsetzung der Klägerin zu 1/3 auf ihren hälftigen Grundstücksanteil verbunden mit einer Vermächtnisanordnung aber nicht mehr verwirklicht werden, da die Klägerin hierdurch alleine nicht das Alleineigentum an der Wohnung Nr. 2 erhalten könnte. Der Ehemann der Beklagten hat den Miteigentumsanteil des Vaters bereits durch rechtsgeschäftliche Verfügung unter Lebenden ohne jede Beschränkung durch das Vermächtnis bezüglich der Wohnung zugunsten der Klägerin erhalten. Kann aber der Wille der Erblasserin, der Klägerin das Alleineigentum an der Wohnung Nr. 2 zu verschaffen, durch Aufrechterhaltung nur ihrer Erbeinsetzung als Einzelverfügung nicht verwirklicht werden, so bleibt es bei der Unwirksamkeit auch ihrer Erbeinsetzung und der Vermächtnisanordnung nach § 2270 Abs. 1 BGB. Folge dieser Unwirksamkeit ist gem. § 2258 Abs. 2 BGB das Wiederaufleben des Testaments vom 16. Juli 1998 mit der Erbeinsetzung der Klägerin auf den Miteigentumsanteil der Erblasserin.

bb)

Soweit das Berufungsgericht dennoch davon ausgehen will, dass jedenfalls derzeit die erbrechtliche Lage noch unverändert sei und insbesondere die Verfügung der Erblasserin nach § 2270 Abs. 1 BGB noch Bestand habe, da der Ehemann der Erblasserin noch lebe und sein abweichendes Testament vom 19. September 2005 auch wieder aufheben könnte, ist das nicht haltbar. Hat der überlebende Ehegatte wirksam ausgeschlagen und von seiner Testierfreiheit durch eine Verfügung Gebrauch gemacht, die von der bisherigen wechselbezüglichen Verfügung abweicht, so hat dies grundsätzlich nach § 2270 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit auch der wechselbezüglichen Verfügung des vorverstorbenen Ehegatten zur Folge. Aus §§ 2270, 2271 BGB ergibt sich nicht, dass diese Wirkung erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten eintreten soll. Die Verfügung des verstorbenen Ehegatten bleibt vielmehr auch dann nach § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn der überlebende Ehegatte die Aufhebung seiner Verfügung wiederum rückgängig macht (Staudinger/Kanzleiter, BGB [2006], § 2271 Rn. 41; AnwK-BGB/Müsig, 2. Aufl. § 2271 Rn. 64; Planck/Greiff, BGB 4. Aufl. § 2271 Anm. IV 1 b; a.A. Lustig, ZEV 2009, 140, 141; Strohal, Das deutsche Erbrecht, Bd. 1 3. Aufl. S. 342 Fn. 34). Auch der Senat ist bisher ohne weiteres davon ausgegangen, dass Ausschlagung und der Widerruf durch den überlebenden Ehegatten diese Folgen haben, unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte ebenfalls bereits verstorben ist oder nicht (Senatsbeschluss vom 24. September 2008 – IV ZR 26/08, ErbR 2009, 157; Senatsurteil vom 4. Oktober 1972 – IV ZR 133/70, auszugsweise wiedergegeben bei Johannsen, WM 1973, 534). Das folgt bereits aus der Gestaltungswirkung des Widerrufs, der das widerrufene Testament mit dem Zeitpunkt der Unterschrift unter das Widerrufstestament aufhebt, auch wenn das Widerrufstestament erst mit dem Zeitpunkt des Erbfalles seine letztwilligen Wirkungen entfaltet (MünchKomm-BGB/Hagena, 5. Aufl. § 2253 Rn. 5).

Zwar lassen Verfügungen von Todes wegen die Rechtslage zu Lebzeiten des Erblassers unberührt (MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. § 1937 Rn. 5). So kann auch der Ehemann der Erblasserin abweichende Verfügungen von seinem Testament vom 19. September 2005 treffen. Das ändert aber nichts daran, dass er die Ausschlagung des Vermächtnisses erklärt und eine vom gemeinschaftlichen Testament abweichende letztwillige Verfügung getroffen hat, die sich entsprechend auf die Wirksamkeit auch der letztwilligen Verfügung der Erblasserin nach § 2270 Abs. 1 BGB auswirkt. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit kann das Schicksal der Verfügung des vorverstorbenen Ehegatten nicht davon abhängig sein, ob und gegebenenfalls wann der überlebende Ehegatte seinen zunächst erklärten Widerruf wieder rückgängig macht. Das ursprüngliche Testament hat vielmehr durch den Widerruf nach § 2270 Abs. 1 BGB seine Wirkung verloren. Die Auffassung des Berufungsgerichts läuft demgegenüber darauf hinaus, die Gestaltungswirkung der Ausschlagung verbunden mit der abweichenden Verfügung zunächst nicht zu berücksichtigen, sondern auf den Todeszeitpunkt des überlebenden Ehegatten zu verschieben. Einen derartigen Schwebezustand sieht das Gesetz nicht vor. Er wäre auch nicht sachgerecht, weil hierdurch über längere Zeit, unter Umständen Jahrzehnte, die Erbfolge nach dem erstversterbenden Ehegatten offen bleiben könnte. Das widerspräche nicht nur der Rechtssicherheit, sondern auch den Interessen der in den letztwilligen Verfügungen Bedachten.

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III.

Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – die Frage offen gelassen hat, ob das Ausschlagungsrecht des Ehemannes der Erblasserin nicht schon durch vorherige Annahme des Vermächtnisses nach § 2180 Abs. 1 BGB ausgeschlossen war. Hierzu wird das Berufungsgericht noch entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung unter anderem geltend macht, die Feststellungen des Landgerichts seien unzutreffend und es sei durch die Nutzung der Kellergeschosswohnung durch……….. eine Annahme des Vermächtnisses erfolgt, ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass die Annahme des Vermächtnisses auch durch stillschweigendes Handeln, etwa die Ingebrauchnahme des zugewendeten Gegenstandes, erfolgen kann (Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 2180 Rn. 1; Staudinger/Otte, BGB [2003] § 2180 Rn. 5; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1943 Rn. 5). Allerdings lässt das bloße Wohnenbleiben in einer durch Vermächtnis zugewandten Wohnung allein nicht ohne weiteres auf eine konkludente Annahmeerklärung schließen (OLG Oldenburg, FamRZ 1999, 1618).

 

 

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