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Ausübung eines Vorkaufsrechts – Einwendungen

Eine Frau kauft ein Grundstück im Ortskern von XXXXXX, doch der Markt macht von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch. Er will das Gebäude abreißen und mit weniger Geschossen neu bauen, um städtebauliche Missstände zu beseitigen. Vor Gericht wird nun um das Schicksal des Hauses gerungen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: RO 7 K 19.1857 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Die Klägerin wendet sich gegen die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts durch den Beklagten.
  • Der Beklagte hat eine Satzung über ein Sanierungsgebiet erlassen, in dem das Grundstück der Klägerin liegt.
  • Das Grundstück wurde von der Klägerin zur Schaffung von Wohn- und Arbeitsbedingungen erworben, die vorhandenen Missstände sollten durch Sanierungsmaßnahmen beseitigt werden.
  • Der Beklagte plant, das bestehende Gebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, um städtebauliche Ziele zu erreichen und das Ortsbild zu verbessern.
  • Die Klägerin hat Einwendungen gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts erhoben und eine Abwendungserklärung abgegeben.
  • Das Gericht hat die Klage der Klägerin abgewiesen und entschieden, dass der Beklagte das Vorkaufsrecht rechtmäßig ausgeübt hat.
  • Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Sanierungssatzung weiterhin gültig sei und die geplanten städtebaulichen Maßnahmen noch nicht vollständig durchgeführt wurden.
  • Die Abwendungserklärung der Klägerin war nicht ausreichend, da wesentliche Sanierungsziele, wie die Reduzierung der Geschossigkeit, nicht berücksichtigt wurden.
  • Die Ausübung des Vorkaufsrechts lag im Ermessen des Beklagten und wurde als zweckmäßig für die Erreichung der Sanierungsziele angesehen.
  • Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Kommunale Vorkaufsrechte: Gericht stützt Abriss für Ortskern-Sanierung

Das Vorkaufsrecht ist eine rechtliche Sonderstellung, die einem Berechtigten ein gewisses Mitspracherecht bei einer geplanten Immobilienübertragung einräumt. In den meisten Fällen wird das Vorkaufsrecht von Kommunen gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen ausgeübt, um die Entwicklung eines Stadtgebiets zu steuern. Allerdings gibt es auch private Vorkaufsrechte, etwa zwischen Miteigentümern oder innerhalb einer Erbengemeinschaft.

Grundsätzlich muss der Verkäufer den Berechtigten über den geplanten Verkauf informieren, bevor er mit einem Dritten einen Vertrag abschließt. Das Vorkaufsrecht berechtigt den Berechtigten dann dazu, zu denselben Konditionen wie der Dritte in den Kaufvertrag einzutreten. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann jedoch unter bestimmten Umständen angefochten werden. In einem konkreten Fall, den wir im Folgenden näher betrachten werden, ging es um die Frage, welche Einwendungen gegen die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts zulässig sind.

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✔ Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Regensburg


Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage einer Grundstückserwerberin gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts durch den Markt XXXXXX abgewiesen. Der Markt hatte das Vorkaufsrecht für ein Grundstück im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet „Ortskern XXXXXX“ ausgeübt, um städtebauliche Missstände zu beseitigen.

Die Klägerin hatte im August 2019 einen notariellen Kaufvertrag zum Erwerb des bebauten Grundstücks im Ortskern XXXXXXs geschlossen. Der Markt übte daraufhin im Oktober 2019 sein Vorkaufsrecht aus, da das Grundstück im Geltungsbereich der 1989 beschlossenen Sanierungssatzung liegt. Ziel war es, das bestehende Gebäude abzureißen und durch einen Neubau mit reduzierter Geschosszahl zu ersetzen. Zudem sollte durch ein Abrücken von der Straße eine Engstelle beseitigt werden.

Die Klägerin erhob Klage gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts. Sie machte geltend, dass die fast 30 Jahre alte Sanierungssatzung obsolet sei, keine hinreichend konkreten Sanierungsziele vorlägen und sie durch eine Abwendungserklärung die Sanierungsziele ebenso erreichen könne.

Vorkaufsrecht dient dem Wohl der Allgemeinheit

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Marktgemeinderat habe die Sanierungsziele in seiner Sitzung am 7. Oktober 2019 hinreichend konkretisiert. Mit fortschreitender Dauer des Sanierungsverfahrens würden zwar höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Ziele gestellt. Diese seien hier aber durch den Beschluss, wonach die Geschossigkeit reduziert und die Engstelle durch Abrücken beseitigt werden soll, erfüllt.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts diene auch dem Wohl der Allgemeinheit. Sie sei gerechtfertigt, wenn damit die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der städtebaulichen Missstände unterstützt werden. Dies sei hier durch den Abriss des Gebäudes mit Maßstabsbruch zum historischen Ortskern und den Neubau mit weniger Geschossen der Fall.

Abwendungserklärung der Klägerin geht nicht weit genug

Die Abwendungserklärung der Klägerin, mit der sie sich zur Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes verpflichtete, konnte die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht abwenden. Denn die Sanierungsziele gingen darüber hinaus und sahen den Abriss und Neubau zur Geschossreduzierung vor. Hierzu hatte sich die Klägerin gerade nicht verpflichtet.

Auch eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Entscheidung konnte das Gericht nicht erkennen. Der Markt habe die Interessen der Klägerin berücksichtigt, diese müssten aber hinter den überwiegenden Allgemeinwohlinteressen zurückstehen. Der seit 30 Jahren bestehende Mietvertrag für eine Wohnung im Gebäude stehe der Vorkaufsrechtsausübung ebenfalls nicht entgegen. Die Gemeinde könne aufgrund einer Sonderregelung im Baugesetzbuch aus städtebaulichen Gründen auch ein solches Mietverhältnis aufheben.

Die Entscheidung macht deutlich, dass Gemeinden auch Jahrzehnte nach Erlass einer Sanierungssatzung noch von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen können, wenn sie die Sanierungsziele hinreichend konkretisieren. Dem Wohl der Allgemeinheit kommt dabei ein hoher Stellenwert zu.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil zeigt: Kommunen können auch lange nach Erlass einer Sanierungssatzung ihr Vorkaufsrecht ausüben, wenn sie die Sanierungsziele hinreichend konkretisieren. Dem Allgemeinwohl kommt dabei ein hoher Stellenwert zu. Private Interessen und bestehende Mietverträge müssen zurückstehen, wenn ein Abriss und Neubau zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich ist. Die Kommune muss aber die Interessen der Betroffenen berücksichtigen und darf ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausüben.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Kommunales Vorkaufsrecht wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was ist ein kommunales Vorkaufsrecht und wann wird es ausgeübt?

Das kommunale Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Instrument der Städte und Gemeinden zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung. Es ermöglicht den Kommunen, in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag über ein Grundstück einzutreten und dieses selbst zu erwerben.

Die rechtliche Grundlage bilden die §§ 24 bis 28 Baugesetzbuch (BauGB). Demnach steht den Gemeinden in bestimmten Fällen ein Vorkaufsrecht zu, insbesondere wenn das Grundstück

  • für öffentliche Zwecke wie Straßen oder Grünflächen benötigt wird
  • in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich liegt
  • der Deckung eines Wohnbedarfs dienen soll
  • oder einen städtebaulichen Missstand aufweist.

Voraussetzung für die Ausübung ist stets, dass das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Die Gemeinde muss den Verwendungszweck des Grundstücks darlegen. Zudem muss sie innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen.

In bestimmten Fällen ist das Vorkaufsrecht jedoch ausgeschlossen, etwa bei Verkäufen an nahe Angehörige oder wenn das Grundstück entsprechend den Zielen der Gemeinde bebaut und genutzt wird. Auch kann der Käufer die Ausübung abwenden, indem er sich verpflichtet, das Grundstück innerhalb angemessener Frist im Sinne der Gemeinde zu nutzen.

Macht die Gemeinde rechtmäßig von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, tritt sie anstelle des Käufers in den Kaufvertrag ein. Sie muss dann dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zahlen, der jedoch unter bestimmten Umständen auf den Verkehrswert begrenzt sein kann.

Das kommunale Vorkaufsrecht stellt somit ein effektives Mittel dar, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern und eine geordnete Stadtentwicklung sicherzustellen. Es greift jedoch nur unter engen Voraussetzungen und wahrt die Interessen aller Beteiligten.


Welche Einwendungen kann man gegen die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts erheben?

Nach den vorliegenden Informationen kann man aus folgenden Gründen Einwendungen gegen die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts erheben:

Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung nicht. Die Gemeinde darf das Vorkaufsrecht nur ausüben, wenn dies durch das Allgemeinwohl gerechtfertigt ist. Ist dies nicht der Fall, kann der Käufer Widerspruch einlegen.

Der Käufer kann die Ziele der Gemeinde selbst erfüllen. Wenn der Käufer sich verpflichtet, das Grundstück nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen der städtebaulichen Maßnahme zu nutzen, kann er die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden. Dann besteht für die Gemeinde keine Notwendigkeit mehr, das Vorkaufsrecht auszuüben.

Es liegt ein Ausschlussgrund nach § 26 BauGB vor. Das Vorkaufsrecht ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn der Eigentümer das Grundstück an einen nahen Verwandten verkauft. Auch bei Verkäufen an bestimmte öffentliche oder kirchliche Stellen kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden.

Der von der Gemeinde festgesetzte Preis ist zu niedrig. Die Gemeinde muss nicht den vereinbarten Kaufpreis zahlen, wenn dieser den Verkehrswert übersteigt. Der Verkäufer kann dann aber vom Vertrag zurücktreten, wenn die Differenz erheblich ist.

Formelle Fehler bei der Ausübung. Hält die Gemeinde beispielsweise die zweimonatige Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht ein oder begründet sie die Ausübung nicht ordnungsgemäß, kann dies Einwendungen rechtfertigen.

Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts kann der Käufer Widerspruch einlegen. Wird dieser von der Gemeinde zurückgewiesen, bleibt die Möglichkeit einer Klage vor den Verwaltungsgerichten. Ob die Einwendungen letztlich Erfolg haben, hängt vom Einzelfall ab. Eine genaue Prüfung der Sach- und Rechtslage ist in jedem Fall ratsam.


Wie konkret müssen die Sanierungsziele einer Gemeinde sein, um das Vorkaufsrecht auszuüben?

Die Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele durch die Gemeinde für die Ausübung des Vorkaufsrechts sind hoch. Die Sanierungsziele müssen einen konkreten Bezug zum betroffenen Grundstück aufweisen. Allgemeine, unspezifische Zielformulierungen reichen nicht aus, um das Vorkaufsrecht zu rechtfertigen.

Mit fortschreitendem Sanierungsverfahren steigen die Anforderungen an die Konkretisierung der Ziele weiter an. Zu Beginn des Verfahrens genügen noch relativ geringe Anforderungen. Im weiteren Verlauf müssen dann aber konkrete Vorstellungen zur Neugestaltung, Verbesserung oder Neuordnung des Sanierungsgebiets entwickelt werden, die sich auch auf das konkrete Grundstück beziehen.

Eine bloße Benennung von Sanierungszielen in einem Bescheid zur Ausübung des Vorkaufsrechts ohne entsprechende demokratische Legitimation durch Beschluss der Gemeindevertretung genügt nicht. Die Ziele müssen sich vielmehr aus der Sanierungssatzung selbst, ihrer Begründung oder den Ergebnissen der vorbereitenden Untersuchungen ergeben und im Laufe des Verfahrens weiter konkretisiert werden, z.B. durch einen Bebauungsplan.

Fehlt es an einer ausreichenden Konkretisierung der Sanierungsziele in Bezug auf das Grundstück, ist die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtlich angreifbar. Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dafür müssen die Sanierungsziele hinreichend bestimmt sein.


Kann eine Abwendungserklärung das Vorkaufsrecht verhindern und was muss sie enthalten?

Nach § 27 Abs. 1 BauGB kann der Käufer eines Grundstücks die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts durch eine sogenannte Abwendungserklärung verhindern. Darin muss er sich verpflichten, das Grundstück entsprechend den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme zu nutzen. Außerdem muss er glaubhaft machen, dass er dazu auch in der Lage ist.

Die Abwendungserklärung muss innerhalb der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB, also binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags an die Gemeinde, abgegeben werden. Eine Zustimmung oder Mitwirkung der Gemeinde ist nicht erforderlich. Entscheidend für die Wirksamkeit der Erklärung ist, dass die mit der Erhaltungssatzung verfolgten städtebaulichen Ziele ebenso gut durch den Grundstückskauf des privaten Dritten erreicht werden können wie durch die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Das bedeutet, die Abwendungserklärung muss inhaltlich gleichwertige Verpflichtungen enthalten wie der Eigentumserwerb durch die Gemeinde. Dazu können beispielsweise Mieterhöhungsbegrenzungen, Beschränkungen des Mieterkreises oder der Ausschluss von Eigenbedarfskündigungen gehören. Ein bloßes Versprechen, sich an die Genehmigungspflichten der Erhaltungssatzung zu halten, reicht nicht aus.

Gerichte haben bestätigt, dass die Gemeinden solch weitreichende Verpflichtungen in der Abwendungserklärung verlangen dürfen. Das stellt keinen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar, da der Käufer noch kein Eigentümer ist. Ihm wird lediglich die Chance auf den Eigentumserwerb entzogen, wenn er die geforderten Verpflichtungen nicht übernehmen will.


Welche Rolle spielt das Wohl der Allgemeinheit bei der Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts?

Das Wohl der Allgemeinheit spielt eine zentrale Rolle bei der Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nur wenn das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung rechtfertigt, darf die Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall durch Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen zu konkretisieren ist.

Ein qualifiziertes, sachlich objektives öffentliches Interesse muss die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen. Allgemeine bodenpolitische Erwägungen wie die Absicht, Einheimischen Bauland zu verschaffen, reichen dafür nicht aus. Vielmehr muss die Gemeinde konkrete städtebauliche Ziele verfolgen, die den Zwecken des jeweiligen Vorkaufstatbestands entsprechen. Beispielsweise kann dem Wohl der Allgemeinheit die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde dienen.

Gegenüber einer Enteignung, die das Wohl der Allgemeinheit zwingend erfordert, werden an die Ausübung des Vorkaufsrechts geringere Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden. Allerdings muss die Gemeinde die erforderlichen Schritte zur Verwirklichung der Ziele auch zeitnah unternehmen. Ein jahrelanges Zuwarten widerspricht dem Wohl der Allgemeinheit.

Wird das Vorkaufsrecht rechtswidrig ausgeübt, etwa weil das Wohl der Allgemeinheit nicht ausreichend dargelegt und abgewogen wurde, kann der Eigentümer dagegen gerichtlich vorgehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jüngst entschieden, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen ist, wenn das Grundstück bereits entsprechend den Zielen der städtebaulichen Maßnahme genutzt wird und keine Missstände aufweist. Zukünftig befürchtete erhaltungswidrige Nutzungen reichen danach nicht aus.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 24 BauGB: Regelt das Vorkaufsrecht der Gemeinde, insbesondere wann und unter welchen Voraussetzungen es ausgeübt werden kann. Im vorliegenden Fall nutzte der Beklagte diese Regelung, um das Grundstück im Sanierungsgebiet zu erwerben.
  • § 26 Nr. 4 BauGB: Bestimmt die Ausschlussgründe für das Vorkaufsrecht. Hier wurde festgestellt, dass das Grundstück nicht den Sanierungszielen entspricht, was die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt.
  • Sanierungssatzung: Eine rechtliche Grundlage, die den förmlichen Sanierungsbereich festlegt. Im Fall wurde die Gültigkeit der 1989 beschlossenen Satzung bestätigt, was die Grundlage für das Vorkaufsrecht darstellt.
  • Ermessen der Gemeinde: Das Gericht prüft, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens erfolgte. Im Urteil wurde bestätigt, dass die Gemeinde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat.
  • Abwendungserklärung: Ein Instrument, mit dem der Käufer das Vorkaufsrecht der Gemeinde abwenden kann, indem er sich verpflichtet, bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Im Fall wurde die Abwendungserklärung der Klägerin als unzureichend bewertet.
  • Sanierungsziele: Die konkretisierten Ziele der Gemeinde, die durch den Vorkauf erreicht werden sollen. Hier ging es um die Verbesserung des Rathausumfelds und die Beseitigung städtebaulicher Missstände.
  • § 182 BauGB: Bestimmt, dass bestehende Mietverhältnisse im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen aufgehoben werden können. Dies war relevant, da bestehende Mietverhältnisse der Klägerin nicht der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegenstanden.
  • Kostentragungspflicht: Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten, was im Urteil bestätigt wurde. Dies ist wichtig für die Betroffenen, um die finanziellen Konsequenzen eines verlorenen Rechtsstreits zu verstehen.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Regensburg

VG Regensburg – Az.: RO 7 K 19.1857 – Urteil vom 19.01.2023

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Beklagten.

Der Beklagte erließ am 5. Oktober 1989 eine Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Ortskern XXXX“, die am 12. Juni 1990 bekannt gemacht wurde.

Die Beigeladene veräußerte mit Kaufvertrag vom 1. August 2019 zur Urkunde des Notars … in XXXXX das in ihrem Alleineigentum stehende, bebaute Grundstück Fl.-Nr. XXX der Gemarkung XXXXX  an die Klägerin.

Mit Schreiben vom 7. August 2019, laut Stempelung am 9. August 2019 beim Beklagten eingegangen, teilte das Notariat … und … dem Beklagten mit, dass ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Grundstück abgeschlossen worden sei und im Auftrag der Vertragsteile der Beklagte um Erteilung des beigefügten Zeugnisses gebeten werde, wonach der Beklagte erkläre, dass ein Vorkaufsrecht nicht bestehe bzw. nicht ausgeübt werde.

Unter dem 12. August 2019, beim Beklagten laut Stempelung am 14. August 2019 eingegangen, übersandte das Notariat … und … Bezug nehmend auf eine entsprechende Anfrage des Beklagten eine beglaubigte Abschrift der Kaufurkunde über den Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks.

Unter dem 26. September 2019 hörte der Beklagte die Klägerin und Beigeladene zur beabsichtigten Ausübung des Vorkaufsrechts betreffend das Grundstück Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXXX an. Dabei wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Bestandsgebäude (2+D) abzubrechen und entsprechend dem Straßenbild in der H…-straße durch einen nur noch 2-geschossigen Neubau (1+D) zu ersetzen, der gegenüber dem Bestandsgebäude von der R…-straße nach Süden abgerückt werden solle, um die bestehende Engstelle zu beseitigen und eine bessere Sichtbeziehung von der H…-straße in die R…-straße zu ermöglichen. Aufgrund der Tatsache, dass der Markt auch bereits Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 96 der Gemarkung XXXX (H…-straße …) sei, könne das Rathausumfeld durch Anlegen einer öffentlich zugänglichen Grünanlage einerseits bzw. einzelner Parkplätze andererseits das Ortsbild zusätzlich positiv verbessern. Somit wäre dieser Bereich des Sanierungsgebietes städtebaulich abgerundet. Es wurde eine Frist zur Äußerung bis spätestens 7. Oktober 2019 gesetzt.

Während sich die Beigeladene innerhalb der gesetzten Frist nicht äußerte, erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 4. und 7. Oktober 2019 Einwendungen gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts; zudem gab sie eine Abwendungserklärung ab. Das Grundstück sei erworben worden, um dort gute Wohn- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die in der Sanierungssatzung genannten Missstände würden nicht mehr vorliegen. Im Übrigen erfolge die geplante Konkretisierung der Sanierungsziele in der Gemeinderatssitzung am 7. Oktober 2019 zu spät. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bezüglich der Wohnung im 1. Obergeschoss das Recht des Vermieters auf ordentliche Kündigung auf Lebenszeit des Mieters ausgeschlossen worden sei. Die Realisierung des Vorkaufsrechts sei damit auf nicht absehbare Zeit blockiert. Der gleiche Zweck, den der Beklagte verfolge, werde von der Klägerin dadurch erreicht, dass das bestehende Gebäude saniert und hierbei laut beigefügten Plänen die bestehende Wohnung im 1. Obergeschoss erhalten werde, im 2. Obergeschoss drei Wohnungen und ein Apartment, im Dachgeschoss eine Wohnung und im Erdgeschoss Praxisräume für Physiotherapie geschaffen würden. Für die Räumlichkeiten im Untergeschoss sei eine Gastronomie vorgesehen. Das erworbene Gebäude werde an Dach und Fach saniert und mit einer neuen, dem Stand der Technik entsprechenden Heizungsanlage, neuen Bädern, sonstigen neuen sanitären Einrichtungen, VDE-gerechter Elektrik, dem vorgeschriebenen Brandschutz und zeitgemäßem Wohnstandard ausgestattet, womit die vorhandenen Mängel beseitigt würden. Die voraussichtlichen Sanierungskosten von ca. 500.000 EUR seien laut beigefügter Finanzierungsbestätigung der V…bank gesichert. Die Klägerin sei in der Lage, das Grundstück wie beschrieben bis spätestens ab 1. April 2021 zu nutzen und verpflichte sich hiermit dazu. Die am Bestandsgebäude vorhandenen Mängel könnten binnen 18 Monate beseitigt werden, wozu sich die Klägerin ebenso verpflichte.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2019 erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin nochmals gegenüber dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 4. und 7. Oktober 2019 die Abwendung des Vorkaufsrechts.

Laut Auszug aus dem Sitzungsbuch beschloss der Marktgemeinderat des Beklagten, dass mit der Konkretisierung des Sanierungsziels „Verbesserung des Rathausumfelds nach Verlegung des Feuerwehrhauses“ für das Grundstück Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX durch die dargestellten Maßnahmen Einverständnis bestehe. In der Beschlussvorlage hierzu wurde ein Sachstandsbericht abgegeben, wonach durch einen möglichen Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks das bestehende Gebäude (E+2+D) abgerissen und entsprechend dem Straßenbild in der H…-straße durch einen nur noch 2-geschossigen Neubau (E+1+D) ersetzt werde, der Neubau gegenüber dem Bestandsgebäude von der R…-straße nach Süden abgerückt werden könnte, um die bestehende Engstelle zu beseitigen und eine bessere Sichtbeziehung von der H…-straße in die R…-straße zu ermöglichen. Damit werde ein städtebauliches Defizit beseitigt und zugleich zur Ortsverschönerung beigetragen. Aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte bereits Eigentümer des Grundstücks in der H…-straße … sei, könne das Rathausumfeld inklusive des streitgegenständlichen Grundstücks durch Anlegen einer öffentlich zugänglichen Grünanlage einerseits bzw. einzelner Parkplätze andererseits im Hinblick auf das Ortsbild zusätzlich positiv verbessert werden. Auf die als Anlage beigefügten Ideen des Büro … wurde Bezug genommen. Zudem beschloss der Marktgemeinderat – nach Information über die Einwendungen der Klägerin – am gleichen Tag, dass gegenüber der Beigeladenen der Vorkauf fristgerecht bis 14. Oktober 2019 auszuüben sei.

Mit an die Beigeladene gerichteten Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2019 übte der Beklagte zum Kaufvertrag zwischen der Beigeladenen und der Klägerin betreffend das Grundstück Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB aus. Zur Begründung wurde vorgetragen: Rechtsgrundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts sei § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB. Das Grundstück Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX liege im Geltungsbereich des Sanierungsgebiets. Die Sanierungssatzung sei trotz der langen Dauer nicht außer Kraft getreten oder gegenstandslos geworden. Nach § 235 Abs. 4 BauGB könnten Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht worden seien, grundsätzlich noch bis zum 31. Dezember 2021 weiterbestehen. Zudem seien die auf der Grundlage der Sanierungssatzung geplanten Maßnahmen noch nicht vollständig durchgeführt. Das betreffe insbesondere das in der vorbereitenden Untersuchung für das Planungsziel Ortsbild enthaltene Sanierungsziel „Verbesserung des Rathausumfeldes nach Verlegung des Feuerwehrhauses“, welches das verkaufte Grundstück umfasse. Der Marktgemeinderat habe nach Erwerb der benachbarten Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX im Rahmen einer Klausurtagung am 17. November 2018 die Vorschläge der Architekten … vom 24. Oktober 2018 zur Neugestaltung des südlichen und östlichen Rathausumfeldes erörtert und gebilligt. Für das als städtebauliche Fehlentwicklung empfundene Eckgebäude auf der Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX sei dabei der Abbruch und die Neuerrichtung eines um ein Geschoss reduzierten Gebäudes vorgeschlagen worden. Der Erwerb der Grundstücke Fl.-Nrn. XX und 98 der Gemarkung XXX sei für die Neugestaltung als sinnvoll erachtet worden, absehbare Erwerbsaussichten hätten seinerzeit aber nicht bestanden. In der Marktgemeinderatssitzung vom 7. Oktober 2019 seien auf Grundlage der Ergebnisse der Klausurtagung vom 7. November 2018 die Sanierungsziele für das Grundstück Fl.-Nr. XX der Gemarkung XXX weiter präzisiert worden. Eine zeitnahe Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen, die Hinnahme des durch Abbruch und Neubebauung reduzierten Baurechts sowie die den weiteren Zwecken und Zielen der beschlossenen Maßnahmen entsprechende Neubebauung könnten am einfachsten und zweckmäßigsten durch den Beklagten als Eigentümer erfolgen. Damit könnte eine städtebauliche Fehlentwicklung, die nach Baumasse und Dachausbildung einen Maßstabsbruch des historischen Ortskerns bedeute, korrigiert werden. Der Eintritt in bestehende oder künftig geltende Miet- und Pachtverhältnisse stehe dem, selbst wenn keine Einigung mit den Mietern zustande komme, im Hinblick auf § 182 BauGB nicht entgegen. Das Grundstück sei derzeit nicht entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut und genutzt, weshalb der Vorkauf auch nicht nach § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen sei. Der Ausübung des Vorkaufs stehe ferner die seitens der Käuferin abgegebene Abwendungserklärung nicht entgegen. Wesentliche Ziele der Sanierung, wie zum Beispiel die Reduzierung der Geschossigkeit, seien nicht Gegenstand der Abwendungserklärung. Die Präzisierung der Sanierungsziele sei auch nicht zu spät erfolgt, da bereits Vorschläge für das Grundstück bestanden hätten. Zudem habe das Anhörungsschreiben die geplanten Maßnahmen gerade auch mit dem Ziel benannt, der Klägerin die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie benötige, um eine zweckentsprechende Erklärung abgeben zu können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts liege im Ermessen des Beklagten. Dabei seien folgende Belange insbesondere zu berücksichtigen: Die Beigeladene verliere infolge der Vorkaufsrechtsausübung ihren privatautonom gewählten Vertragspartner. Die Bedingungen des Kaufs blieben jedoch unverändert. Die bestehenden, wenngleich unter Umständen erst künftig wirksam werdenden Mietverträge, würden vom Beklagten – wie sonst von der Klägerin – übernommen. Die Klägerin könne das Grundstück im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht selbst erwerben. Die im Rahmen der Anhörung seitens der Klägerin dargelegten Modernisierungs- und Nutzungsabsichten würden durch den Vorkauf zunichte gemacht. Auf das abstrakte Risiko eines kommunalen Vorkaufs sei die Klägerin jedoch bereits im Kaufvertrag hingewiesen, sodass sie mit dem Bestehen eines für sie nachteiligen Vorkaufsrechts zumindest rechnen müsse. Für den Beklagten biete sich mit dem Erwerb des Grundstücks in städtebaulich herausgehobener Lage die Möglichkeit, wesentliche Inhalte des Sanierungsziels „Verbesserung des Rathausumfeldes nach Verlegung des Feuerwehrhauses“ zeitnah und eigenständig umsetzen zu können. Die von der Klägerin im Rahmen der Abwendungserklärung dargelegten Vorstellungen für das Grundstück widersprächen offenkundig den beschlossenen Sanierungszielen. Der Vorkauf biete daher die vielleicht einmalige Chance, die Ziele der Sanierung einfach und zweckmäßig umsetzen zu können. In Abwägung mit dem betroffenen privaten Interessen und im Hinblick auf das Sanierungsverfahren sowie dessen Ziele für das Grundstück würden überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt und erreicht, weshalb die Ausübung des Vorkaufs pflichtgemäßem Ermessen entspreche.

Der an die Beigeladene gerichtete Bescheid wurde am 9. Oktober 2019 per Einschreiben zur Post gegeben; er ging am 15. Oktober 2019 zu. Laut Aktenvermerk vom 14. Oktober 2019 erfolgte durch den Bediensteten des Beklagten, Herrn A… (Kämmerer), in Anwesenheit von Frau B… (Mitarbeiterin beim Beklagten) zusätzlich am 14. Oktober 2019 um 11:13 Uhr die Einlegung eines an Frau … gerichteten Schreibens des Beklagten vom 14. Oktober 2019 mit den Anlagen „Vorkaufsbescheid vom 9. Oktober 2019 und Vollmachtsurkunde“ in den Briefkasten von Frau …, da eine persönliche Zustellung nicht möglich gewesen sei. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der beigefügte Vorkaufsbescheid (Ausfertigung) hiermit Frau … als Bevollmächtigte der Beigeladenen und Bevollmächtigte des einzelvertretungsberechtigten Verwaltungsrats der Beigeladenen bekannt gegeben werde. Die Klägerin erhielt den Bescheid vom 9. Oktober 2019 laut Postzustellungsurkunde am 15. Oktober 2019.

Am 15. Oktober 2019 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2019 erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt: Der Beklagte habe die Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt, indem er eine unvollständige Behördenakte vorgelegt, die Einwendungen der Klägerin dem Marktgemeinderat bei seiner Beschlussfassung vorenthalten habe und die konkrete Ausübungsfrist für das Vorkaufsrecht der Klägerin nicht bzw. erst nach Ablauf der Frist für die Abwendungsbefugnis mitgeteilt worden. Im Übrigen liege das streitgegenständliche Grundstück nicht im Geltungsbereich der Sanierungssatzung. Gemäß § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB sei bei dem Beschluss über die Sanierungssatzung zugleich durch Beschluss die Frist festzulegen, in der die Sanierung durchgeführt werden solle, wobei diese 15 Jahre nicht überschreiten solle. Ein derartiger Beschluss finde sich nicht in den vorgelegten Behördenakten, auch nicht ein Verlängerungsbeschluss gemäß § 142 Abs. 3 Satz 4 BauGB. Die Satzung von 1989 sei daher nach 30 Jahren gegenstandslos geworden. Zudem lägen die in § 1 Satz 1 der Satzung genannten städtebaulichen Missstände nicht mehr vor. Das ergebe sich aus einer in der Behördenakte befindlichen Aufstellung zu den im Sanierungsgebiet umgesetzten Maßnahmen. Die Sanierungsbereiche seien in der vorbereitenden Untersuchung nach § 141 BauGB offensichtlich enger gefasst als in der Satzung. In einem Plan der Planungsgruppe SHL seien Sanierungsbereiche nur im Bereich der S…straße und der B…gasse ausgewiesen. Dort liege das streitgegenständliche Grundstück aber nicht. Der Hinweis des Beklagten, das Sanierungsverfahren beziehe sich auf das gesamte Satzungsgebiet sei unrichtig und unsubstantiiert; gleiches gelte für die Behauptung, dass sich das Sanierungsziel aus den weiteren Zielbeschreibungen und Karten der vorbereitenden Untersuchung ergebe. Soweit das Sanierungsziel „Verbesserung des Rathausumfelds nach Verlegung des Feuerwehrhauses“ verfolgt werde, gehe dies fehl. Schon in zeitlicher Hinsicht sei dieses Sanierungsziel obsolet, da das Feuerwehrhaus im Jahr 1987 eingeweiht worden sei. Nach mehr als 30 Jahren könne dieses Sanierungsziel nicht mehr aufgegriffen werden. Der Begriff „Rathausumfeld“ sei völlig unbestimmt, ebenso wie der Begriff „Verbesserung“. Unter Letzterem lasse sich sicherlich nicht der Abriss von Gebäuden subsumieren. Im Übrigen sei der Hinweis des Beklagten auf vorbereitende Untersuchungen zur Sanierung zu unbestimmt und werde mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls enthielten die vorbereitenden Untersuchungen keine detaillierten Maßgaben zur Erreichung dieses Ziels, was aber nötig wäre. An einer hinreichend konkreten Zielsetzung fehle es immer noch. Auf die Fortschreibung der Sanierungsziele in der Klausurtagung im Jahr 2018 komme es nicht an, da die Ergebnisse nicht veröffentlicht worden seien. Soweit der Beklagte mit Beschluss vom 7. Oktober 2019 versucht habe, das Sanierungsziel zu konkretisieren, sei dies zu spät erfolgt, weil der maßgebliche Zeitpunkt für eine derartige Beschlussfassung der Abschluss des Kaufvertrages sei. Der rechtsgeschäftliche Grundstücksverkehr brauche nämlich schon bei Abschluss des Kaufvertrages Klarheit darüber, ob ein Vorkaufsrecht der Gemeinde bestehe. Im Übrigen sei der Beschluss des Marktgemeinderats vom 7. Oktober 2019 auch völlig unbestimmt, da er keinen Bezug nehme zur Klausurtagung im Jahr 2018. Selbst wenn die nachträgliche Konkretisierung rechtmäßig wäre, würde diese durch die in der Abwendungserklärung genannten Maßnahmen erfüllt. Die Behauptung des Beklagten, die Kaufvertragsurkunde in beglaubigter Abschrift sei bei ihm am 14. August 2019 eingegangen, werde mit Nichtwissen bestritten, ebenso wie die Bevollmächtigung von Frau …. Gemäß telefonischer Auskunft von Frau … im Notariat … und … vom 13. September 2019 sei der notarielle Kaufvertrag am 7. August 2019 an den Beklagten abgesendet worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum das Notariat ein weiteres Schreiben vom 12. August 2019 herausgegeben haben solle. Unabhängig davon sei die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts selbst bei Zugang des Kaufvertrags am 14. August 2019 beim Beklagten abgelaufen, da der Ausübungsbescheid der Beigeladenen und der Klägerin jeweils erst am 15. Oktober 2019 zugegangen sei. Die Behauptung, dass im Rahmen einer Klausurtagung am 17. November 2018 die Vorschläge der Architekten zur Neugestaltung des südöstlichen Rathausumfelds gebilligt worden seien, sei falsch. Aus dem Protokoll über die Klausurtagung würden sich keine Festlegungen ergeben, geschweige denn eine Billigung. Es habe lediglich ein Gedankenaustausch zu den Ideen des Architekturbüros stattgefunden. Da es in der Klausurtagung keine Ergebnisse gegeben habe, hätten diese auch nicht in der späteren Markgemeinderatssitzung weiter präzisiert werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei durch das Wohl der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt. Insbesondere liege kein als städtebauliche Fehlentwicklung empfundenes Eckgebäude vor und auch kein Maßstabsbruch mit dem historischen Ortskern. Gerade ein Eckgebäude könne markant sein, sowohl durch ein Mehrgeschoss als auch durch die Dachform. Das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück vertrage sich mit der Umgebung und bilde einen Kontrapunkt zum Gasthof in der H…-straße 28, der ebenfalls 3-stöckig sei. Im Übrigen gebe es im Ortskern weitere Gebäude mit dieser Gebäudehöhe und dieser Dachform. Auf die Reduzierung der Geschossigkeit komme es nicht an, da dieses Ziel nicht zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vorgelegen habe, auch nicht zum Zeitpunkt des Anhörungsschreibens. Gleiches gelte für den vorgetragenen Missstand einer Engstelle. Dieser entspreche zudem nicht der Wirklichkeit. Die Engstelle befinde sich nämlich zum einen nicht unmittelbar an der Ecke Haupt- und R…-straße, zum anderen weise die R…-straße im weiteren Verlauf nach Westen eine weitere Engstelle auf. Eine bessere Sichtbeziehung könne auch nicht erreicht werden, da die R…-straße mehrfach geschwungen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sei der Tatbestand der Abwendungsbefugnis des § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB sehr wohl gegeben, da sich die Klägerin zu der Beseitigung der baulichen Missstände verpflichtet habe. Die Auffassung des Beklagten, dass § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB einen Grundtatbestand enthalte und Abs. 1 Satz 2 eine zusätzliche Abwendungsvoraussetzung beinhalte, stehe dem Wortlaut der Norm entgegen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die von der Klägerin im Rahmen ihrer Abwendungserklärung dargelegten Vorstellungen den beschlossenen Sanierungszielen widersprechen würden. Im Übrigen hätte der Beklagte berücksichtigen müssen, dass im Sinne der Nachhaltigkeit der Erhalt von Bausubstanz vor Vernichtung von Bausubstanz gehe.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Ausnahme des Schreibens der Klägerin vom 17. September 2019, das in keinem relevanten Zusammenhang mit dem Vorkaufsfall stehe, seien alle von Klägerseite als fehlend gerügten Schriftsätze in der Behördenakte enthalten gewesen. Im Zeitpunkt des wirksamen Kaufvertragsschlusses am 1. August 2019 habe aufgrund des förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets und der Lage des Vertragsgrundstücks in diesem Gebiet zugunsten des Beklagten ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB bestanden. Die Fristbestimmung gemäß § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB sei erst nach dem Inkrafttreten der streitgegenständliche Satzung eingefügt worden. Für diese Fälle enthalte § 235 Abs. 4 BGB eine Übergangsregelung, wonach Sanierungssatzungen bis spätestens 31. Dezember 2021 aufzuheben seien, solange nicht eine andere Frist festgelegt worden sei. Eine nachträgliche Fristsetzung sei aber erst ab dem 31. Dezember 2021 zwingend gesetzlich erforderlich. Mit Beschluss des Marktgemeinderats vom 11. November 2021 sei die Frist für die Durchführung der Sanierung bis zum 1. November 2036 festgelegt worden. Die Satzung habe deswegen auch nicht nach dem 31. Dezember 2021 aufgehoben werden müssen. Zwar handele es sich aufgrund des Zeitraums von nunmehr 30 Jahren um ein fortgeschrittenes Sanierungsverfahren, wie die vom Beklagten aufgelisteten umgesetzten Maßnahmen zeigten, seien jedoch bereits zahlreiche Maßnahmen im gesamten Umgriff der Satzung durchgeführt worden. Aus den umgesetzten Maßnahmen werde ersichtlich, dass sich das Sanierungsverfahren nicht nur auf die Sanierungsbereiche laut entsprechend betitelter Karte in den vorbereitenden Untersuchungen reduziere. Dies ergebe sich auch aus den weiteren Beschreibungen und Karten der vorbereitenden Untersuchungen, die sich ganz eindeutig nicht auf diese Bereiche beschränkten, sondern das gesamte Satzungsgebiet erfassten. Jedenfalls im maßgeblichen Umfeld des Vertragsgrundstücks seien die formulierten Ziele zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses noch nicht vollständig durchgeführt gewesen. Das Planungsziel „Ortsbild“ in den vorbereitenden Untersuchungen zur Sanierungssatzung enthalte u.a. das Ziel der „Verbesserung des Rathausumfeldes nach Verlegung des Feuerwehrhauses“. Detaillierte Maßgaben dazu seien in den vorbereitenden Untersuchungen nicht zu finden. Dies sei allerdings auch nicht erforderlich, da städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sich stets auf ein Gebiet bezögen, das mit städtebaulichen Missständen behaftet sei und das durch ein Bündel von Einzelmaßnahmen verbessert werden solle. Isolierte Einzelmaßnahmen seien in der Regel nicht Gegenstand von Sanierungsverfahren. Typisch für die Sanierung sei, dass sich die konkreten Sanierungsziele auf Basis der festgestellten Handlungsfelder erst im Laufe des Sanierungsverfahrens verdichteten und nicht schon von Anfang an im Detail feststünden. Bei der Ausgestaltung stehe der Gemeinde zudem ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, der eine Anpassung der Ziele ermögliche. Je länger allerdings die Maßnahme dauere, desto konkreter müssten die Ziele und Zwecke ausformuliert werden; sie seien fortschreibungspflichtig. Für das Ziel der Verbesserung des Rathausumfeldes habe diese Fortschreibung stattgefunden. Bereits vor der Klausurtagung im Jahr 2018 habe der Beklagte in Umsetzung des Sanierungsverfahrens mit Kaufvertrag vom 11. April 2018 das benachbarte Grundstück erworben, welches bis zur H…-straße (Hausnummer …) reiche. Für den Erwerb seien Fördermittel nach dem Städtebauförderungsprogramm gewährt worden, wobei die Zustimmung zum Maßnahmenbeginn ausdrücklich Bezug nehme auf das Sanierungsgebiet. In der Klausurtagung 2018 seien zur inhaltlichen Ausgestaltung des Ziels konkrete Vorschläge des Architekturbüros vorgestellt worden. Aus der Präsentation ergebe sich, dass das streitgegenständliche Gebäude Gegenstand von konkreten Überlegungen im Hinblick auf einen Neubau mit nur zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss gewesen sei. Die Präsentation enthalte eine gezeichnete Visualisierung eines Neubaus unter Verzicht auf ein Geschoss. Im Vergleich dazu sei die Bestandsbebauung als Foto dargestellt. Am 7. Oktober 2019 habe der Marktgemeinderat die bereits im Rahmen der Klausur im Jahr 2018 vorgestellten Ziele für das Vertragsgrundstück beschlossen. Die Gemeinde könne nicht alle Sanierungsziele gleichzeitig beginnen, fortschreiben und umsetzen, sondern werde sich notwendigerweise für eine zeitliche Staffelung der Abarbeitung entscheiden. Daher sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sich erst in den zurückliegenden Jahren intensiver mit dem hier maßgeblichen Sanierungsziel näher beschäftigt habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorkaufs auf der Ausübungsebene sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Ausübung, hier der 9. Oktober 2019. In förmlich festgelegten Sanierungsgebieten rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn dieses sich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientiere, wenn also damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung der städtebaulichen Missstände erforderlich seien. Mit dem Fortschreiten des Sanierungsverfahrens seien höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele zu stellen. Die erforderliche Konkretisierung sei spätestens in der Sitzung des Marktgemeinderats am 7. Oktober 2019 und damit vor Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufs erfolgt. Es liege auf der Hand, dass der Erwerb des Vertragsgrundstücks die genannten Ziele fördere und unterstütze. Wie sich bereits aus dem Katalog der Maßnahmen in der Abwendungserklärung der Klägerin eindeutig ergebe, weise das Gebäude erhebliche Missstände bzw. Mängel auf. Die Berechtigung zum Vorkauf sei nicht durch die Abgabe von Abwendungserklärungen entfallen. Über die zur Konkretisierung vorgesehenen Ziele und Zwecke der Sanierung habe der Beklagte die Klägerin im Anhörungsschreiben umfangreich informiert. Dies habe auch dem Zweck gedient, der Klägerin die Abgabe einer qualifizierten Abwendungserklärung zu ermöglichen. Die Abwendungserklärung der Klägerin beschränke sich auf die bauliche und technische Sanierung des Bestandsgebäudes. Von einem Abrücken von der R…-straße zur Beseitigung der bestehenden Engstelle sei keine Rede, ebenso wenig wie von der Herabsetzung der Geschossigkeit um ein Geschoss mit dem Ziel der Einfügung in die Bebauungshöhe der Umgebung. Die Abwendungserklärung bleibe daher erkennbar und erheblich hinter den Zielen der Sanierung zurück. Soweit sich die Klägerseite auf die Abwendungsbefugnis des § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB berufe, dringe sie damit nicht durch. Diese Bestimmung stehe unabhängig neben § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weshalb bei Vorliegen von Missständen oder Mängeln einer auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anlage zusätzlich zu den Voraussetzungen des Satzes 1 diejenigen des Satzes 2 erfüllt sein müssten. Die Ermessensentscheidung sei ordnungsgemäß erfolgt, insbesondere seien die mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verbundenen Nachteile der Klägerin und die Abwendungserklärung berücksichtigt worden. Das Vorkaufsrechts sei auch fristgerecht ausgeübt worden. Zwar gelte dies nicht im Hinblick auf den Zugang des Bescheids bei der Beigeladenen in der Schweiz, im Hinblick auf die Unsicherheit einer fristgerechten Auslandszustellung sei der Bescheid jedoch nicht nur unmittelbar der Verkäuferin bekannt gegeben worden, sondern eine Ausfertigung davon am 14. Oktober 2019 in den Briefkasten der Bewohnerin des Gebäudes, Frau …, eingelegt worden. Deren Vollmacht umfasse auch den Empfang von Bescheiden. Von einem Vorenthalten von Informationen könne entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin keine Rede sein. Die Klägerin habe in keinem ihrer zahlreichen Schreiben an den Beklagten um Mitteilung des Zugangsdatums des Kaufvertrags bei dem Beklagten gebeten. Den Kaufvertragsparteien sei im Anhörungsschreiben Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, sie hätten konkret nachfragen und gegebenenfalls auch eine Fristverlängerung beantragen können. Der Mietvertrag vom 30. Juli 2019 mit Frau … stehe dem Vorkaufsrecht nicht entgegen. Dieser sei vorbehaltlich der Zustimmung der oder des Erben nach Herrn … geschlossen. Eine solche Zustimmung liege bis heute nicht vor. Im Übrigen werde auf § 182 BauGB verwiesen.

Die Beigeladene hat sich weder in der Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

Am 27. Mai 2022 ist die erste mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Dabei hat der Beklagte auf Rüge des Klägerbevollmächtigten angekündigt, noch weitere Unterlagen vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2022 hat der Beklagtenbevollmächtigte die Geschäftsordnung für den Marktgemeinderat B…, die Ladungsunterlagen für die Marktgemeinderatssitzung am 7. Oktober 2019 sowie das öffentliche Protokoll der Marktgemeinderatssitzung vom 7. Oktober 2019 bei Gericht eingereicht.

In weiteren Schriftsätzen ist vom Klägerbevollmächtigten ergänzend vorgetragenen worden: Es sei keine ordnungsgemäße Ladung für die Sitzung am 7. Oktober 2019 erfolgt. Der Zugang der am 27. Oktober 2019 zur Post gegebenen Ladungsschreiben sei nicht nachgewiesen. Im öffentlichen Recht gelte Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG, weshalb eine Bekanntgabe erst am dritten Tag nach Aufgabe der Post anzunehmen sei. Von einer eintägigen Postlaufzeit können im Übrigen nicht ausgegangen werden. Eine anderslautende Rechtsprechung setze voraus, dass Postsendungen innerhalb der Briefkastenentleerungszeiten aufgegeben worden seien. Soweit sich der Beklagte insoweit auf eine Erklärung eines Mitarbeiters berufe, ergebe sich daraus nicht, dass die Ladungsfrist eingehalten worden sei. Die Erklärung sei nicht nachprüfbar, da der Ort des Briefkastens und die Briefkastenleerungszeit am 27. September 2019 nicht angegeben seien. Es könne auch nicht nach allgemeiner Erfahrung von einer Zustellung am nächsten Tag nach Posteinwurf ausgegangen werden. Dies gelte in besonderem Maße, da am Freitag eingeworfene Briefsendungen häufig erst am darauffolgenden Montag zugestellt würden. Der von der Rechtsprechung aufgestellt Erfahrungssatz sei durch die längeren Postlaufzeiten der Deutschen Post widerlegt. Im Übrigen habe der Beklagte die Frist für den Zugang der Beschlussvorlagen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung des Marktgemeinderats nicht eingehalten. Auf die Soll-Bestimmung in § 24 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung des Marktgemeinderats könne sich der Beklagte nicht berufen, da kein atypischer Fall vorliege. Dass die Beschlussvorlage in der Sitzung laut Protokoll wörtlich wiederholt worden sei, heile den Mangel der verspäteten Übermittlung nicht. Ferner sei durch die elektronische Übermittlung der Unterlagen das Schriftformerfordernis der Geschäftsordnung des Marktgemeinderats verletzt worden. Mangels fristgerechter und formgerechter Übermittlung der Beschlussvorlagen liege ein Ladungsfehler vor. Ein Rückgriff auf die von Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung, wonach Verstöße gegen die Geschäftsordnung nicht zu einem Ladungsmangel führen würden, gehe fehl, da die Auffassung der Rechtsprechung im Hinblick auf den dort entschiedenen Sachverhalt zu sehen sei, wonach der Umfang eines Tagesordnungspunktes sich nicht unter Rückgriff auf die der Ladung beigefügten Sitzungsunterlagen habe bestimmen lassen. Mangels dortiger Beschlussfassung des Gemeinderats komme es auf die Klausurtagung nicht an. Schließlich fehle im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts eine konkrete Angabe des Verwendungszwecks.

Mit Schriftsätzen vom 20. Juni und 19. Juli 2022 hat der Beklagte ausgeführt, dass die Ladungen ordnungsgemäß gewesen seien. Die Ladungen seien mit Schreiben vom 27. September 2019, welche gemäß Versandvermerken am selben Tag zu Post gegeben worden seien, erfolgt. Damit sei die Frist von acht Tagen zwischen Zugang der Ladung am 28. September 2019 und Sitzungstag bei üblicher Postlaufzeit gewahrt. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie sei davon auszugehen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert würden, wie aus der Rechtsprechung folge. Die Ladungen seien noch vor der Leerungszeit des Postkastens in den Postkastens eingeworfen worden, wie ein Mitarbeiter des Beklagten bestätigt habe. Die Beschlussvorlagen hätten jedem Gemeinderatsmitglied in der Sitzung vorgelegen. Die in der Geschäftsordnung geregelte Übersendung bis zum 6. Tag vor der Sitzung sei nicht zwingend. Ein Ladungsfehler könne hieraus nicht konstruiert werden. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass Verstöße gegen Geschäftsordnungsbestimmungen, die die Beifügung von Sitzungsunterlagen bei der Ladung vorschreiben, nicht zu einem Ladungsmangel führen. Die wesentlichen Inhalte der Beschlussvorlage seien in der Sitzung auch dargelegt worden.

Unter dem 18. Januar 2023 ergänzte der Beklagte die Ermessenserwägungen auf Seite 3 des angefochtenen Bescheids unter Nr. 3 im dritten Absatz, indem die Sanierungsziele (Reduzierung der Geschossigkeit und Beseitigung der Engstelle) dort konkret genannt wurden.

Am 30. November 2022 ist ein zweites Mal über den Rechtstreit mündlich verhandelt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte im vorliegenden sowie im beigezogenen Verfahren RO 7 K 19.1998 verwiesen. Zudem wird auf den Inhalt der Protokolle über die beiden mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Über sie konnte auf Basis der vom Beklagten eingereichten Unterlagen entschieden werden. Soweit der Klägerbevollmächtigte die Vollständigkeit der Behördenakte in Frage stellte, dürfte sich diese Rüge aufgrund der im weiteren gerichtlichen Verfahren nachgereichten Unterlagen erledigt haben. Jedenfalls ist weder substantiiert vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bestimmte, für das Urteil maßgebliche Akten der Beklagtenseite nicht vorgelegt wurden.

Die Klage erweist sich als zulässig.

Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist zwar das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt (nur) gegenüber dem Verkäufer auszuüben. Das bedeutet indes nicht, dass allein dem Verkäufer gegenüber eine Regelung getroffen wird. Die Ausübung des Vorkaufsrechts hat den Charakter eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts wird die Rechtssphäre beider Vertragsteile berührt. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB kommt mit der Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen unter den Bedingungen zustande, die mit der Klägerin vereinbart worden sind. Für die Klägerin äußert sich die privatrechtsgestaltende Wirkung des Verwaltungsakts darin, dass ihr Anspruch auf Übereignung des Grundstücks von der Beigeladenen nicht mehr erfüllt werden kann. Es liegt daher auf der Hand und entspricht allgemeiner Meinung, dass sich auch die Käuferseite gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts im Klageweg zur Wehr setzen kann (vgl. BVerwG, B.v. 25.5.1982 – 4 B 98.82; B.v. 15.02.2000 – 4 B 10.00 – jeweils juris; Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 7.Aufl., § 28 Rn. 14).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ausübung des Vorkaufsrechts mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Gemeinde steht beim Kauf von Grundstücken in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet ein Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu. Das Vorkaufsrecht kann nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Es darf gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Nach § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks bei der Ausübung des Vorkaufsrechts anzugeben. Ausgeschlossen ist die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 26 Satz 1 Nr. 4 BauGB, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist. Ferner kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB hierzu verpflichtet (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Weist eine auf dem Grundstück befindliche bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinn des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB auf, kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn er diese Missstände oder Mängel binnen angemessener Frist beseitigen kann und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB zur Beseitigung verpflichtet (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB).

Hiervon ausgehend bestehen gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids keine Bedenken.

Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 bestehen nicht. Soweit die Klägerin die Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt sieht, weil ihr der Beklagte das Ende der Frist für die Abwendungsbefugnis nach § 28 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 1 BauGB nicht mitgeteilt habe, ist festzustellen, dass das Gesetz eine entsprechende Mitteilungspflicht nicht vorsieht und die Klägerin danach nicht gefragt hat. Im Übrigen hätte die Möglichkeit bestanden, durch ein Akteneinsichtsgesuch die Frist für die Abwendungsbefugnis zu ermitteln. Unabhängig davon erfolgte die Abwendungserklärung rechtzeitig, weshalb ein Verfahrensfehler, sollte er gleichwohl unterstellt werden, ohne Relevanz wäre.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts mit Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2019 beruht auch auf einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Marktgemeinderatsbeschluss. Der entsprechende Beschluss des Marktgemeinderats erfolgte in der öffentlichen Sitzung am 7. Oktober 2019 einstimmig. Ladungsfehler zu dieser Sitzung sind nicht ersichtlich. Art. 47 GO setzt eine ordnungsgemäße Ladung der Marktgemeinderatsmitglieder voraus. In diesem Zusammenhang regelt § 24 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung für den Marktgemeinderat eine Ladungsfrist von acht, in dringenden Fällen von drei Tagen, wobei der Sitzungstag und der Tag der Zustellung der Ladung nicht mitzählen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung). Nach der Geschäftsordnung musste damit die Ladung zu der Sitzung am 7. Oktober 2019 am 28. September 2019 den Marktgemeinderatsmitgliedern zugehen. Hiervon ist auszugehen. Die Ladung zur Sitzung am 7. Oktober 2019, in der die Ausübung des Vorkaufsrechts beschlossen wurde, erfolgte mit Ladungsschreiben des Beklagten vom 27. September 2019, welches laut Versandvermerken und Erklärung des zuständigen Mitarbeiters des Beklagten am Freitag, den 27. September 2019 noch vor der Postleerzeit in den Postkasten der Deutschen Post eingeworfen wurde. Damit ist nach der allgemeinen Erfahrung davon auszugehen, dass die Marktgemeinderatsmitglieder die Ladung einen Tag später am Samstag, den 28. September 2019 zu den üblichen Zeiten in ihrem Briefkasten erhalten haben. Diese Annahme des Grundsatzes der Zustellung eines am Werktag vor der Leerungszeit in den Postkasten der Deutschen Post eingeworfenen Schreibens am nächsten Werktag entspricht der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 4 CE 20.2271 – juris) und gilt im Übrigen auch für Postzustellungen währen der Corona-Pandemie (vgl. BGH, B.v. 19.11.2020 – V ZB 49/20 –juris). Die Rechtsprechung differenziert nicht danach, an welchem Werktag Briefe eingeworfen werden, solange nur der nächste Tag ein Werktag ist; damit genügt der Einwurf an einem Freitag, solange der Samstag, wie hier, kein Feiertag ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ein Brief auch später zugestellt wird, worauf der Klägerbevollmächtigte zu Recht hinweist, im Grundsatz bzw. in der Regel ist aber von einer Zustellung am nächsten Tag im o.g. Sinn auszugehen. Abweichungen von dieser Regel müsste die Klägerin substantiiert geltend machen. Daran fehlt es aber. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Ladungen den Marktgemeinderatsmitgliedern nicht am 28. September 2019 und damit nicht innerhalb der Ladungsfrist zugegangen sind. Laut Protokoll über die Marktgemeinderatssitzungen gab es auch keine Rüge insoweit. Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung des Mitarbeiters des Beklagten, wonach die Ladungen noch vor der Leerungszeit am 27. September 2019 am Mittag in den Postkasten geworfen worden seien, bestehen nicht. Der Klägerbevollmächtigte hat keinerlei konkrete Umstände für das Gegenteil dargetan. Die 3-Tages-Fiktion des Art. 41 BayVwVfG, auf die sich der Klägerbevollmächtigte beruft, ist nicht anwendbar, da es sich bei der Ladung um keinen Verwaltungsakt handelt. Damit ist von einer rechtzeitigen Ladung im Sinne der Achttagesfrist auszugehen, so dass es keiner näheren Vertiefung bedarf, ob nicht aus Gründen der Eilbedürftigkeit die verkürzte Ladungsfrist von drei Tagen zugrunde gelegt werden durfte. Soweit gerügt wird, dass die Sitzungsunterlagen, insbesondere Beschlussvorlagen, der Ladung nicht gemäß § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 3 der Geschäftsordnung beigefügt waren bzw. nicht gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung bis zum sechsten Tag vor der Sitzung den Marktgemeinderatsmitgliedern übermittelt wurden, vermag dies nicht zu einem relevanten Ladungsfehler zu führen. Denn Verstöße gegen die Geschäftsordnung wirken sich nur dann auf die Ordnungsgemäßheit der Ladung aus, wenn sie auch im Gesetz ihren Niederschlag finden. Dies ist hinsichtlich der Beifügung oder Übersendung von Unterlagen vor einer Sitzung nicht der Fall. Unter Ladung im Sinn von Art. 47 Abs. 2 GO ist nämlich nur der technische Vorgang des fristgemäßen Zusendens der schriftlichen Einladungen zu verstehen (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 46 GO RdNr. 6), ohne dass sich daraus Anforderungen zur Übermittlung von Ladungsunterlagen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2010 – 4 CE 10.2403 – juris). Vor diesem Hintergrund erweist es sich ebenso als nicht relevant, ob bzgl. der Übersendung der Sitzungsunterlagen das Schriftformerfordernis im Sinne der Geschäftsordnung gewahrt wurde.

Auch in materieller Hinsicht ist gegen die Vorkaufsrechtsausübung nichts zu erinnern.

Das Grundstück Fl.-Nr. 98 der Gemarkung XXX liegt unzweifelhaft im Umgriff des mit Satzung des Beklagten vom 5. Oktober 1989 nach § 1 Abs. 2 festgelegten Sanierungsgebiets. Dass in dem Plan der vorbereitenden Untersuchung „Sanierungsbereiche“ nur Areale um die B…gasse und S…straße dargestellt sind, wo sich das streitgegenständliche Grundstück nicht befindet, ändert nichts am durch Satzung festgelegten Umgriff des Sanierungsgebiets und daran, dass auch außerhalb der im Plan „Sanierungsbereiche“ dargestellten Flächen Missstände bestehen. Dies folgt schon aus dem Plan „Mängel und Störquellen“ der vorbereitenden Untersuchung, der zum Beispiel im Bereich des Gebäudes auf Fl.-Nr. 98 der Gemarkung XXX im Hinblick auf die westliche Nachbarschaft auf einen „Maßstabsbruch, ortsunübliche Bauweise und Material, nicht befriedigende Ansichten“ hinweist wie z.B. auch aus dem Plan „Planungsziel Ortsbild“ der vorbereitenden Untersuchung, der eine Verbesserung des Rathausumfeldes nach Verlegung des Feuerwehrhauses vorsieht. Zudem sind weitere Sanierungsbereiche in den vorbereitenden Untersuchungen angesprochen.

Mit dem notariellen Kaufvertrag über das Grundstück Fl.-Nr. 98 der Gemarkung XXX vom 30. Juli 2019 entstand somit ein Vorkaufsfall in einem Sanierungsgebiet gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Gegen die Wirksamkeit des Kaufvertrags bestehen keine Bedenken. Eine sanierungsrechtliche Genehmigung des Kaufvertrages nach § 144 Abs. 2 BauGB war aufgrund des Ausschlusses der sanierungsrechtlichen Genehmigungspflicht in § 3 der Sanierungssatzung nicht nötig. Nach § 2 der Satzung wird die Sanierung im vereinfachten Verfahren durchgeführt, weshalb gemäß § 142 Abs. 4 BauGB die Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen werden konnte.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Sanierungssatzung zum Zeitpunkt des Vorkaufsfalls nicht mehr anwendbar ist.

Der Einwand, es fehle von Anfang an gemäß § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB eine Fristsetzung, in der die Sanierung durchgeführt werden soll, verfängt nicht, da diese Bestimmung erst mit dem BauGB 2007 eingeführt wurde und somit bei Satzungserlass am 5. Oktober 1989 nicht galt.

Die Satzung aus dem Jahr 1989 musste auch nicht vor dem Vorkaufsfall (30.7.2019) aufgehoben werden. Nach der Übergangsregel des § 235 Abs. 4 BauGB, die für vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemachte Satzungen gilt, ist eine solche Aufhebung spätestens bis 31. Dezember 2021 vorzunehmen, wenn nicht entsprechend § 142 Abs. 3 Satz 3 oder 4 BauGB eine andere Frist für die Durchführung der Sanierung festgelegt wurde. Eine entsprechende Aufhebung der Satzung vor dem Vorkaufsfall erfolgte nicht. Im Gegenteil wurde mit Marktgemeinderatsbeschluss vom 11. November 2021 eine Frist für die Durchführung der Sanierung bis zum 1. November 2036 festgesetzt.

Allein der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertrages oder der Vorkaufsrechtsausübung die Sanierungssatzung rund 30 Jahre alt war, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Im Sanierungsgebiet fanden nach der Aufstellung des Beklagten einige Sanierungsmaßnahmen statt, gerade in jüngster Zeit vor dem Vorkaufsfall gab es eine Klausurtagung bzgl. der weiteren Sanierungsschritte. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte zu einem gewissen Zeitpunkt vor dem Vorkaufsfall sein Sanierungsbestreben als abgeschlossen angesehen hat bzw. weitere Sanierungsmaßnahmen nicht mehr möglich waren, die die Annahme eines Obsoletwerdens der Sanierungssatzung rechtfertigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass manche Maßnahmen erst mit Grunderwerb möglich sind und dieser erst nach langer Zeit möglich wird, weil es erst nach langer Zeit zu einem Vorkaufsfall kommt. Die Aufstellung in der Behördenakte über die durchgeführten Maßnahmen lässt nicht den Schluss zu, dass damit sämtliche Missstände behoben sind. Jedenfalls lagen im streitgegenständlichen Bereich (Rathausumfeld) zum Zeitpunkt des Vorkaufsfalls und der Ausübung des Vorkaufsrechts noch städtebauliche Missstände vor (s.u.). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Sanierungssatzung im Übrigen wurden weder geltend gemacht noch sind solche anderweitig nach Aktenlage erkennbar.

Das Vorkaufsrecht wurde auch fristgerecht ausgeübt. Der Beklagte hat bei der Ausübung des Vorkaufsrechts die Frist nach § 28 Abs. 2 BauGB, wonach das Vorkaufsrecht nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden kann, beachtet. Da mit der Mitteilung des Kaufvertrages eine Ausschlussfrist in Gang gesetzt wird, sind strenge Anforderungen an die Auslösung des Fristlaufs zu stellen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 27.5.2008 – 1 ME 77/08 – juris; VG München, U.v. 31.7.2013 – M 9 K 13.868 – juris). Die Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beginnt daher erst mit ordnungsgemäßer Mitteilung des Vertragsinhalts nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Dies geschah am 14. August 2019, als der Kaufvertrag dem Beklagten übermittelt wurde. Dass an diesem Tag der Kaufvertrag nicht vom Notar erhalten wurde, konnte die Klägerin nicht nachvollziehbar in Abrede stellen. Soweit sie unter Berufung auf eine Mitarbeiterin im Notariat auf ein anderes Zuleitungsdatum abstellt, wird verkannt, dass es sich hierbei um die Übermittlung des Negativzeugnisses handelte, was, ebenso wie die Mitteilung über die Vertragsparteien und den Vertragsschluss, ohne Übersendung der Vertragsunterlagen nicht ausreicht, um die Frist in Gang zu setzen (vgl. BGH, B.v. 30.6.1994 – 3 ZR 109.93 – juris). Das Gericht hat auch keine Zweifel, dass der streitgegenständliche Bescheid am 14. Oktober 2019 in den Briefkasten von Frau … eingeworfen wurde. Dies mit Nichtwissen zu bestreiten, genügt nicht, zumal Anderweitiges von der Beigeladenen nicht vorgetragen wurde, in dessen Sphäre dieser Umstand fällt. Auch legt der Aktenvermerk über den Bescheidseinwurf unter Anwesenheit von zwei Gemeindemitarbeitern nahe, dass der Einwurf an diesem Tag erfolgte. In einer solchen Situation müssten konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die das in Zweifel ziehen. Hierfür wird aber nichts vorgetragen, weder von Kläger- noch von Beigeladenenseite. Den Zugang des Bescheids bei Frau … muss die Beigeladene auch gegen sich gelten lassen, weil Frau … deren Bevollmächtigte war. Die Empfangsbevollmächtigung geht schon aus dem ersten und letzten Satz der Bevollmächtigungsurkunde vom 20. September 2015 hervor, wonach Frau … zum einen die Beigeladene repräsentiert und zum anderen berechtigt ist, den unterzeichneten Verwaltungsrat in allen die Beigeladene betreffenden Angelegenheiten zu vertreten. Dass Frau … zur Entgegennahme eines Bescheides in einem verwaltungsrechtlichen Verfahrens nicht befugt ist, folgt aus der angesprochenen Urkunde nicht. Frau … ist daher als Zustellungsbevollmächtigte für Bescheide anzusehen. Auf die Frage, ob im Falle fehlender Bevollmächtigung über die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht eine wirksame Zustellung vorliegt oder der Einwand der fehlenden Bevollmächtigung aufgrund der äußeren Umstände rechtsmissbräuchlich wäre, kommt es damit nicht mehr an.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen, da das streitgegenständliche Grundstück nicht entsprechend den Sanierungszielen bebaut ist. Das Sanierungsziel besteht insbesondere darin, die Fehlentwicklung des Gebäudes auf Fl.-Nr. 98 der Gemarkung XXX nach Baumasse und Dachausbildung und damit den Maßstabsbruch mit dem historischen Ortskern, insbesondere im Hinblick auf die Geschossigkeit des Eckgebäudes, das um ein Geschoss höher ist als die Nachbargebäude, zu beseitigen. Soweit die Klägerin das vorhandene Gebäude im Hinblick auf die Geschossigkeit nicht als Missstand wertet, weil das Eckgebäude am anderen Ende der Straße ebenso wie das streitgegenständliche über mehr Geschosse verfügt als die Nachbarschaft, verkennt sie, dass der Beklagte bei der Bestimmung und Bewertung der Sanierungsziele einen Beurteilungsspielraum hat. Im Übrigen ist auf Grundlage der in den Akten befindlichen Bilder jedenfalls nachvollziehbar und plausibel, die höhere Geschossigkeit im Vergleich zum maßgeblichen nahen Umfeld als städtebaulich unerwünscht anzusehen. Darüber soll die Engstelle an der Ecke Haupt- und R…-straße, die durch das Hervorspringen des streitgegenständlichen Gebäudes bedingt ist, beseitigt werden. Aus dem Kartenmaterial in der Behördenakte lässt sich die Engstelle gut erkennen. Durch das Zurücksetzen des streitgegenständlichen Gebäudes kann diese „an prominenter Stelle“ beseitigt werden. Dass noch, wie der Klägerbevollmächtigte vorträgt, in anderen Lagen Engstellen vorhanden sind, ist insoweit irrelevant.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts wird auch durch das Wohl der Allgemeinheit nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerechtfertigt. Der Begriff des Wohls der Allgemeinheit ist ähnlich wie im Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 2 und 3 GG) und den speziellen Enteignungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 BauGB) nicht mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gleichzusetzen (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris). Erst ein qualifiziertes, sachlich objektiv öffentliches Interesse als Ergebnis einer Abwägung der im Einzelfall miteinander in Widerstreit stehenden privaten und öffentlichen Interessen kann mit dem Wohl der Allgemeinheit identifiziert werden. An die Ausübung des Vorkaufsrechts werden jedoch gegenüber einer Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit diese erfordert, qualitativ geringere Anforderungen gestellt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist durch das Wohl der Allgemeinheit auch dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für eine Enteignung nicht vorliegen, aber im Hinblick auf eine bestimmte gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden. Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris m.w.N.; BVerwG, B.v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 – NJW 90, 2703; VG Würzburg, U.v. 23.7.2015 – W 5 K 14.1105 – juris).

In förmlich festgesetzten Sanierungsgebieten rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts bereits dann, wenn damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich sind. Den breiten Einsatzmöglichkeiten des Sanierungsrechts entspricht ein umfassend anwendbares Vorkaufsrecht. Die Ausübung des Vorkaufsrechts muss sich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt den Eigentumserwerb der Gemeinde insbesondere, wenn die Pläne und Maßnahmen der Erstvertragsparteien den Sanierungszielen zuwiderlaufen würden (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB-Komm., § 24 Rn. 70). In förmlich festgesetzten Sanierungsgebieten muss sich die Ausübung des Vorkaufsrechts an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.2000 – 2 B 96.467 – juris). Damit besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Anforderungen, die sich aus dem Tatbestandsmerkmal des Wohls der Allgemeinheit ergeben, und dem Stand der Konkretisierung der Sanierungsziele sowie dem Fortschritt bei der Verwirklichung der Sanierung. Die Sanierungsziele müssen dabei nicht in der Sanierungssatzung selbst festgelegt sein. Sie können sich aus ihrer Begründung, aber auch aus den Ergebnissen der vorbereitenden Untersuchungen ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 2.10.2013 – 1 BV 11.1944 – juris). Während an die Konkretisierung dieser Ziele bei Erlass der Sanierungssatzung nur relativ geringe Anforderungen gestellt werden, werden diese Anforderungen mit fortschreitendem Sanierungsverfahren höher (vgl. BVerwG, U.v. 4.3.1999 – 4 C 8/98 – juris). Die erforderliche Konkretisierung kann sowohl in einem Sanierungsbebauungsplan, einem sonstigen Bebauungsplan oder sogar auch durch eine informelle städtebauliche Planung erfolgen. Ist eine hinreichende Konkretisierung erfolgt, können die Sanierungsziele auch nach einem längeren Zeitraum die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 4 B 33/95 – juris).

Hiervon ausgehend hat das Gericht keine Zweifel, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts dem

Wohl der Allgemeinheit dient.

Als Verwendungszeck hat der Beklagte im Bescheid gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB angegeben, dass die Fehlentwicklung des Gebäudes nach Baumasse und Dachausbildung und damit der Maßstabsbruch des historischen Ortskerns korrigiert werden solle durch Abriss des vorhandenen Gebäudes und Neubau eines um ein Geschoß reduzierten Gebäudes. Ferner wurde in der Bescheidsergänzung durch Schriftsatz vom 18. Januar 2023 noch explizit auf das Sanierungsziel „Engstellenbeseitigung“ Bezug genommen. Ob diese Bezugnahme, wie der Klägerbevollmächtigte meint, zu spät erfolgte, kann dahin gestellt bleiben. Denn zum einen wurde jedenfalls ein wirksames und konkretes Sanierungsziel, nämlich die Geschossreduzierung angegeben, zum anderen folgt aus der Anhörung vor Ausübung des Vorkaufsrechts, aus den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen und dem angefochtenen Bescheid wegen des Verweises auf die dort erwähnten Maßnahmen bzw. Sanierungsziele, dass darunter auch die Beseitigung der Engstelle fällt. Damit liegt ein hinreichend konkretes Sanierungsziel betreffend das streitgegenständliche Grundstück vor.

Der Klägerbevollmächtigte kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Konkretisierung des Sanierungsziels „Verbesserung des Rathausumfelds nach Verlegung des Feuerwehrhauses“ in der nichtöffentlichen Sitzung des Marktgemeinderats am 7. Oktober 2019 sei unwirksam. Die vorgetragenen Ladungsmängel sind, wie dargelegt, nicht gegeben. Der Beschluss des Marktgemeinderats vom 7. Oktober 2019, mit dem die Konkretisierung beschlossen wurde, ist auch hinreichend bestimmt, denn er ist im Zusammenhang mit der Beschlussvorlage bzw. dem Sachstandsbericht zu sehen, also den dem Beschluss vorausgegangenen Umständen; daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass es um eine Sanierung des streitgegenständlichen Grundstücks im Sinne der Reduzierung der Geschossigkeit und der Beseitigung der Engstelle geht. Durch die Bezugnahme des Beschlusses auf die „dargestellten Maßnahmen“ ist auch die nötige Verbindung zur Beschlussvorlage bzw. zum Sachbericht und den dort dargestellten Maßnahmen gegeben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es bei der Beurteilung, ob das Vorkaufsrecht dem Wohl der Allgemeinheit dient und insoweit das Sanierungsziel konkret genug ist, auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses an. Das folgt zum einen aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach bei Anfechtungsklagen die Sach- und Rechtlage zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgeblich ist, zum anderen aber auch aus dem materiellen Recht, wie § 24 Abs. 3 BauGB, wonach der Verwendungszweck erst bei Ausübung des Vorkaufsrechts anzugeben ist (vgl. ebenso z.B. BayVGH, B.v. 24.04.2020 – 15 ZB 19.1987 – juris mit Verweis auf VG Ansbach, U.v.12.5.2015 – AN 3 K 13.01946 – juris: „Abzustellen ist im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also auf den Tag des Bescheidserlasses am 8. Oktober 2013. Dies erscheint wegen der relativ niedrigen materiellen Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB und der Fristgebundenheit der Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 28 Abs.2 Satz 1 BauGB) insbesondere deshalb sachgerecht, weil die Gemeinde bei Kenntniserlangung von einem Vorkaufsfall zu schnellem Handeln berechtigt und verpflichtet ist. Deshalb ist es ausreichend, aber auch notwendig, dass zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts alle tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen und auch das Allgemeinwohlinteresse zu bejahen ist.“). Die von der Klägerin benannte Fundstelle, nach der anderes gelten solle, betrifft nicht das allgemeine Vorkaufsrecht, sondern das besondere nach § 25 BauGB. Im Übrigen kann daraus nicht abgeleitet werden, dass eine hinreichende Konkretisierung zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht zu berücksichtigen wäre, wenn – wie hier – zum Zeitpunkt des Vorkaufsfalls klar ist, dass das Grundstück im Sanierungsgebiet liegt und damit grds. dem Vorkaufsrecht der Gemeinde unterfällt. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nichts anderes. Aus diesem Grund konnte der Marktgemeinderatsbeschluss vom 7. Oktober 2019 zu Recht bei der Ausübung des Vorkaufsrechts mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 zugrunde gelegt werden.

Das Vorkaufsrecht wurde nicht nach § 27 Abs. 1 BauGB abgewandt. Die Klägerin beruft sich insoweit auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB, wonach für den Fall, dass eine auf dem Grundstück befindliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 BauGB aufweist, der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden kann, wenn er diese Missstände oder Mängel binnen angemessener Frist beseitigen kann und er sich vor Ablauf der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB zur Beseitigung verpflichtet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Abwendungserklärung der Klägerin geeignet ist, die Missstände bzw. Mängel im Hinblick auf das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 177 BauGB zu beseitigen. Denn vorliegend stehen Sanierungsziele inmitten, die nicht die Modernisierung und Instandsetzung betreffen. Es geht nämlich insbesondere um die Reduzierung der Geschossigkeit des Gebäudes. Zwar gibt es auch insoweit die Möglichkeit einer Abwendungserklärung, nämlich in § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Laut dieser Bestimmung kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich vor Ablauf der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 hierzu verpflichtet. Eine Abwendungserklärung in diesem Sinn liegt aber nicht vor, da dies insbesondere voraussetzt, dass die Klägerin das Grundstück nur noch mit einem um ein Geschoss reduziertes Gebäude nutzt. Hierzu hat sie sich aber nicht verpflichtet – im Übrigen ebenso wenig wie zur Beseitigung der Engstelle. Die Klägerin kann sich nicht auf die Beseitigung der Missstände i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB berufen, wenn darüber hinaus auch noch Sanierungszwecke im Sinn von § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestehen und diese durch den Käufer nicht erfüllt werden. Denn dann ist die Ausübung des Vorkaufsrecht weiterhin gerechtfertigt im Sinne der Erreichung der Sanierungsziele. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht nachvollziehbar, dass § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB die Bestimmung des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB sperrt. Beide Sätze der Norm stehen kumulativ nebeneinander und betreffen verschiedenen Konstellationen, was, wenn wie hier, nicht nur Missstände bzgl. eines Gebäudes im Hinblick auf Modernisierung und Instandhaltung vorliegen, dazu führen kann, dass beide Bestimmungen nebeneinander Geltung beanspruchen (vgl. in diesem Sinne EZBK/Stock, 146. EL April 2022, BauGB § 27 Rn. 2: „§ 27 ist wie folgt aufgebaut: Die allgemeinen Abwendungsvoraussetzungen sowohl für bebaute als auch für unbebaute Grundstücke sind in Absatz 1 Satz 1 festgelegt (Grundtatbestand der plan- oder maßnahmengemäßen Grundstücksnutzung). Speziell für bebaute Grundstücke verlangt Absatz 1 Satz 2 als zusätzliche Abwendungsvoraussetzung, dass die bauliche Anlage frei von Missständen und Mängeln ist.“).

Der Mietvertrag zwischen der Beigeladenen und Frau …, der auf Lebenszeit der Mieterin eine ordentliche Kündigung ausschließt, steht der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen, auch nicht im Hinblick darauf, dass das vorhandene Gebäude abgerissen werden soll. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag aufgrund fehlender Zustimmung des Erben von Herrn … schwebend unwirksam (vgl. § 1 Satz 3 des Mietvertrags) und das außerordentliche Kündigungsrecht nicht ausgeschlossen ist. Zum anderen ermöglicht die Regelung des § 182 Abs. 1 BauGB, aus städtebaulichen Gründen ein Mietverhältnis aufzuheben. Soweit klägerseits auf negative Auswirkungen für Frau … im Falle eines Abrisses des Hauses zur Neubebauung abgestellt wird, ist festzustellen, dass sich daraus schon keine Rechtsverletzung der Klägerin ableiten lässt.

Auch gegen die Ermessensausübung bestehen keine Bedenken. Die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt im Ermessen des Beklagten, das heißt, sie kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ihr Recht ausüben, muss dies aber nicht tun (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 24 Rn. 66). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Hiervon ausgehend sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zu erkennen gegeben und neben den Gründen für die Ausübung des Vorkaufsrechts auch die Interessen der Klägerin in ihre Entscheidung mit einbezogen. Der Marktgemeinderat wurde auch in der maßgeblichen, die Ausübung des Vorkaufsrechts betreffenden Sitzung am 7. Oktober 2019 über die Einwendungen der Klägerseite in den Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 4. und 7.Oktober 2019 laut Sitzungsbuchauszug informiert. Soweit die Klägerin den Aspekt der Nachhaltigkeit im Sinne des Erhalts von Bausubstanz vor deren Vernichtung als unberücksichtigt rügt, verkennt sie, dass gerade das Sanierungsziel im Hinblick auf die Geschossreduzierung und das Zurückversetzen des Gebäudes einen Abriss voraussetzt. Auf die Ermessensergänzung mit Schriftsatz vom 18. Januar 2023 kommt es nicht an, da sich die Umstände für die Ausübung des Vorkaufsrechts (Reduzierung der Geschossigkeit und Beseitigung der Engstelle) schon hinreichend aus dem (noch nicht ergänzten) Bescheid vom 9. Oktober 2019 ergeben (siehe hierzu auch die vorstehenden Ausführungen).

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entsprach nicht der Billigkeit, die Kosten der Beigeladenen, die keinen eigenen Antrag zur Sache gestellt hat und deshalb kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht im Sinne des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 22.000,– Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG (§ 52 Abs. 2 GKG i.V.m. 9.6.1 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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