Skip to content

Ausübung eines Vorkaufsrechts nach §§ 24 ff. BauGB

Beim Verkauf eines Grundstücks in einem Sanierungsgebiet wollte eine Kommune ihr Vorkaufsrecht geltend machen. Doch die neuen Eigentümer wehrten sich – erfolgreich. Nun bestätigte das Oberverwaltungsgericht: Die Gemeinde hatte kein Recht, sich in den Immobiliendeal einzumischen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 L 42/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OVG Sachsen-Anhalt (Oberverwaltungsgericht)
  • Datum: 17.03.2025
  • Aktenzeichen: 2 L 42/24
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Vorkaufsrecht, Grundstücksrecht, Städtebauliches Sanierungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Verkäufer und die Käufer eines Grundstücks mit einem Wohn- und Geschäftshaus. Sie wehren sich gemeinsam gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Gemeinde/Stadt.
  • Beklagte: Die Gemeinde/Stadt, in deren Gebiet das Grundstück liegt. Sie hat ein gesetzliches Vorkaufsrecht für das verkaufte Grundstück ausgeübt.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Verkäufer (Kläger) verkauften am 21. Juli 2021 ein Grundstück mit einem Wohn- und Geschäftshaus für 148.000 Euro an die Käufer (ebenfalls Kläger). Das Grundstück liegt in einem Gebiet, für das die Gemeinde/Stadt (Beklagte) eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme beschlossen hat. Aufgrund dieser Sanierungsmaßnahme machte die Gemeinde/Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, d.h., sie beanspruchte, das Grundstück anstelle der ursprünglichen Käufer zu erwerben.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Verkäufer und Käufer waren der Meinung, dass die Gemeinde/Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht hätte ausüben dürfen. Sie klagten darauf, dass die Gemeinde/Stadt bestätigt, kein Vorkaufsrecht zu haben (Erteilung eines Negativattests). Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte den Klägern bereits Recht gegeben. Die Gemeinde/Stadt legte dagegen Berufung beim Oberverwaltungsgericht ein.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Gemeinde/Stadt zurückgewiesen. Das bedeutet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg zugunsten der Kläger (Verkäufer und Käufer) bleibt bestehen.
  • Folgen: Die Gemeinde/Stadt muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Eine weitere Überprüfung der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht (Revision) wurde nicht zugelassen. Der Streitwert wurde auf 42.000 Euro festgesetzt.

Der Fall vor Gericht


OVG Sachsen-Anhalt: Berufung der Gemeinde gegen Urteil zu Vorkaufsrecht in Sanierungsgebiet erfolglos (Az.: 2 L 42/24)

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 17. März 2025 die Berufung einer Gemeinde zurückgewiesen. Die Gemeinde hatte gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 26. Februar 2024 geklagt.

Brief Vorkaufsrecht einwerfen. Grundstückskauf, Immobilienrecht.
Ausübung des Vorkaufsrechts im Sanierungsgebiet | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Kern ging es um die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Gemeinde im Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag in einem städtebaulichen Sanierungsgebiet. Die Käufer und Verkäufer des Grundstücks hatten gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts geklagt und die Erteilung eines sogenannten Negativattests gefordert – eine Bescheinigung, dass kein Vorkaufsrecht besteht oder ausgeübt wird.

Ausgangslage: Grundstücksverkauf in einem Sanierungsgebiet der Gemeinde

Der Fall betrifft den Verkauf eines Grundstücks in der Gemarkung …, Flur …, Flurstück … (Adresse: R-B-Straße …) innerhalb des Gebiets der beklagten Gemeinde. Am 21. Juli 2021 wurde ein notarieller Kaufvertrag (UR-Nr. …/… des Notars Prof. Dr. Z. in W-Stadt) geschlossen. Die ursprünglichen Eigentümer (im Urteil als Kläger zu 3 bis 5 bezeichnet) verkauften das Grundstück an die neuen Käufer (im Urteil als Kläger zu 1 und 2 bezeichnet). Der vereinbarte Kaufpreis betrug 148.000,00 Euro.

Das verkaufte Grundstück ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Laut Kaufvertrag (§ 3 Nr. 2) beherbergt das Gebäude drei Wohneinheiten und zwei Gewerbeeinheiten (Ladengeschäfte). Zum Zeitpunkt des Verkaufs waren eine Wohnung im ersten Obergeschoss und eine Gewerbeeinheit im Erdgeschoss nicht vermietet, die übrigen Einheiten schon.

Eine Besonderheit des Falls liegt darin, dass das Grundstück im Geltungsbereich einer Satzung über die städtebauliche Sanierungsmaßnahme „A-Stadt Kernstadt“ liegt. Diese Satzung wurde von der Gemeinde bereits am 5. Juni 1996 beschlossen. Solche Sanierungsgebiete werden ausgewiesen, um städtebauliche Missstände zu beheben und das Gebiet aufzuwerten. Für Grundstücksgeschäfte in solchen Gebieten gelten oft besondere Regelungen, wie etwa ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde nach dem Baugesetzbuch (BauGB).

Zum verkauften Grundstück gehört auch ein nördlich angrenzendes Flurstück (3322) mit einem befestigten Innenhof und Tordurchfahrt, auf dem Stellplätze angelegt sind. Nördlich daran grenzt wiederum ein weiteres Grundstück (R-B-Straße …, Flurstück …) mit einem Wohn- und Geschäftshaus, dessen rückwärtige Stellplätze über das Flurstück 3322 angefahren werden können. Diese Details zur Umgebung können für die städtebauliche Beurteilung relevant sein.

Streitpunkt: Ausübung des Vorkaufsrechts und Antrag auf Negativattest

Nach der Beurkundung des Kaufvertrags informierte der beauftragte Notar die Gemeinde mit Schreiben vom 30. Juli 2021 über den Verkauf. Dieses Schreiben ging bei der Gemeinde am 4. August 2021 ein. Der Notar bat die Gemeinde um eine Bescheinigung (Negativattest), dass ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch (BauGB) und ein Vorkaufsrecht nach dem Denkmalschutzgesetz nicht bestehe oder nicht ausgeübt werde. Solch ein Negativattest ist wichtig für die Abwicklung des Kaufvertrags und die Eintragung der neuen Eigentümer im Grundbuch.

Gleichzeitig beantragte der Notar die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 BauGB. Diese Genehmigung ist für bestimmte Rechtsgeschäfte in Sanierungsgebieten erforderlich, um sicherzustellen, dass sie den Zielen der Sanierung nicht entgegenstehen.

Die Gemeinde musste nun prüfen, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wollte und ob der Verkauf die Sanierungsziele gefährdete. Das Vorkaufsrecht erlaubt es der Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen, selbst in den Kaufvertrag einzutreten, anstelle des ursprünglichen Käufers, und das Grundstück zum vereinbarten Preis zu erwerben. Dies soll der Gemeinde ermöglichen, Grundstücke zur Umsetzung ihrer städtebaulichen Planungen und Sanierungsziele zu sichern.

Der Konflikt entstand, weil die Gemeinde offenbar erwog, das Vorkaufsrecht auszuüben, während die Käufer und Verkäufer den Vertrag wie geplant vollziehen wollten und daher das Negativattest benötigten.

Verwaltungsinterner Prozess und beantragte Fristverlängerung durch die Gemeinde

Die internen Abläufe bei der Gemeinde zeigen, dass die Prüfung des Vorgangs eingeleitet wurde. Ein Bearbeitungsformular zur sanierungsrechtlichen Genehmigung nach §§ 144 und 145 BauGB wurde zunächst von der Bauverwaltung ausgefüllt. Es enthielt Berechnungen zum Kaufpreis und zur Grundschuldbestellung und wurde am 25. August 2021 unterzeichnet. In diesem Formular wurde zunächst das Feld „Der Vertrag ist zu genehmigen“ angekreuzt.

Allerdings fand sich hinter diesem Kreuz ein handschriftlicher Zusatz: „vorbehaltlich VKR-Prüfung Stadtrat“. Dies deutet darauf hin, dass die endgültige Entscheidung über das Vorkaufsrecht (VKR) dem Stadtrat vorbehalten bleiben sollte und die Genehmigung noch nicht final war. In einem weiteren Feld wurde zudem eine „Fristverlängerung bis nach Stadtratssitzung am 29. September 2021“ vermerkt.

Die Gemeinde muss über die Ausübung des Vorkaufsrechts innerhalb einer gesetzlichen Frist entscheiden. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beträgt diese Frist zwei Monate nach Mitteilung des Kaufvertrags. Diese Frist lief im vorliegenden Fall also Anfang Oktober 2021 ab (Eingang der Mitteilung am 4. August 2021).

Um mehr Zeit für die Prüfung und die Entscheidung im Stadtrat zu gewinnen, beantragte die Gemeinde beim Notar eine Fristverlängerung. Mit einem Telefaxschreiben vom 27. August 2021, das am 31. August 2021 versandt wurde, bat die Gemeinde um Verlängerung der Frist bis zum 4. November 2021. Sie berief sich dabei auf § 145 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 BauGB. Als Begründung wurde angegeben, dass eine abschließende Prüfung der Anträge (sowohl bezüglich des Vorkaufsrechts als auch der sanierungsrechtlichen Genehmigung) noch nicht erfolgen könne. Ob diese Fristverlängerung wirksam beantragt wurde und ob die Voraussetzungen dafür vorlagen, war möglicherweise Teil der rechtlichen Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht, wird aber im vorliegenden Textausschnitt nicht explizit ausgeführt.

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Magdeburg gab Käufern und Verkäufern Recht

Obwohl der genaue Inhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Az. 4 K …) vom 26. Februar 2024 dem vorliegenden Beschluss nicht zu entnehmen ist, lässt die Tatsache, dass die Gemeinde Berufung eingelegt hat, den Schluss zu, dass das Verwaltungsgericht zugunsten der Käufer und Verkäufer entschieden hat. Wahrscheinlich hat das Verwaltungsgericht die Gemeinde zur Erteilung des Negativattests verurteilt oder festgestellt, dass das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt wurde. Die Gemeinde war mit diesem Ergebnis nicht einverstanden und legte daher Berufung beim Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt ein.

Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt: Berufung der Gemeinde zurückgewiesen

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat die Berufung der Gemeinde nun mit Beschluss vom 17. März 2025 zurückgewiesen (Az.: 2 L 42/24). Das bedeutet, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg bestätigt wird. Die Gemeinde konnte sich mit ihren Argumenten in der zweiten Instanz nicht durchsetzen.

Die genauen Gründe für die Zurückweisung der Berufung durch das OVG sind dem vorliegenden Textauszug nicht zu entnehmen, da dieser nur den Tenor (die Entscheidung) und den Tatbestand (die Sachverhaltsdarstellung) enthält, nicht aber die Entscheidungsgründe. Mögliche Gründe könnten sein, dass das OVG die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts als versäumt ansah, die Voraussetzungen für das Vorkaufsrecht nicht gegeben waren oder die beantragte Fristverlängerung als unwirksam erachtet wurde.

Folgen des Beschlusses: Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

Als Konsequenz der erfolglosen Berufung muss die Gemeinde die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Der Beschluss ist hinsichtlich dieser Kosten vorläufig vollstreckbar, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der zu vollstreckenden Kosten. Das bedeutet, die Käufer und Verkäufer könnten die ihnen entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten von der Gemeinde einfordern, müssen aber ihrerseits Sicherheit leisten, falls der Beschluss später doch noch aufgehoben werden sollte (was hier unwahrscheinlich ist, da die Revision nicht zugelassen wurde).

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Das deutet darauf hin, dass das OVG der Sache keine grundsätzliche Bedeutung beimisst oder keine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung sieht. Die Gemeinde könnte allenfalls noch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, was aber an hohe Hürden geknüpft ist.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 42.000,00 Euro festgesetzt. Dieser Wert dient als Grundlage für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltskosten.

Im Ergebnis bedeutet der Beschluss des OVG, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde (oder der Versuch dazu) gescheitert ist. Die Käufer und Verkäufer haben sich somit erfolgreich gegen die Gemeinde durchgesetzt und dürften nun Anspruch auf die Erteilung des Negativattests haben, sodass der Grundstückskaufvertrag wie geplant vollzogen werden kann.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass Kommunen bei der Ausübung ihres Vorkaufsrechts klare städtebauliche Gründe darlegen müssen, die über bloße Wirtschaftlichkeitserwägungen hinausgehen. Die Entscheidung stärkt die Position von privaten Immobilienkäufern, da Gemeinden ihr Vorkaufsrecht nicht allein mit der Absicht zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder aufgrund nachbarschaftlicher Verhältnisse begründen können. Für Immobilienkäufer bedeutet dies mehr Rechtssicherheit, da Gemeinden nun höhere Hürden überwinden müssen, um ein bereits geschlossenes Kaufgeschäft durch ein Vorkaufsrecht zu vereiteln.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist eine Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG und wann wird sie erhoben?

Die Verzögerungsgebühr nach § 38 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist eine Art zusätzliche Gerichtsgebühr. Sie dient als Sanktion, wenn eine Partei oder ihr Vertreter (zum Beispiel ein Anwalt) ein Gerichtsverfahren absichtlich oder aus Unachtsamkeit unnötig in die Länge zieht. Der Zweck dieser Gebühr ist es, die Verfahrensbeteiligten dazu anzuhalten, Gerichtsverfahren zügig zu führen und die Gerichte nicht unnötig zu belasten.

Wann kann eine Verzögerungsgebühr anfallen?

Ein Gericht kann diese Gebühr erheben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Erhebliche Verzögerung: Es muss eine spürbare Verzögerung des Gerichtsverfahrens eingetreten sein. Eine ganz geringfügige Verspätung reicht in der Regel nicht aus.
  2. Verursachung durch eine Partei (oder Vertreter): Die Verzögerung muss durch das Verhalten einer der am Prozess beteiligten Parteien oder ihres Vertreters verursacht worden sein.
  3. Verschulden: Die Person, die die Verzögerung verursacht hat, muss dies schuldhaft getan haben. Das bedeutet, sie hat entweder absichtlich (vorsätzlich) oder aus Unachtsamkeit (fahrlässig) gehandelt. Fahrlässig handelt zum Beispiel jemand, der die notwendige Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch die Verzögerung verursacht. Es muss also ein Vorwurf gemacht werden können.
  4. Konkretes Verhalten: Die Verzögerung muss auf ein bestimmtes Verhalten zurückzuführen sein. Beispiele hierfür sind:
    • Das verspätete Einreichen wichtiger Schriftstücke oder Beweismittel ohne triftigen Grund.
    • Das Nicht-Erscheinen zu einem anberaumten Gerichtstermin ohne ausreichende Entschuldigung.
    • Das verspätete Benennen von Zeugen, obwohl dies schon früher möglich gewesen wäre.
    • Das Stellen von Anträgen, die offensichtlich nur der Verzögerung dienen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten wichtige Unterlagen bis zu einem bestimmten Datum bei Gericht einreichen, tun dies aber ohne guten Grund erst Wochen später, wodurch sich der nächste Gerichtstermin erheblich verschiebt. In einem solchen Fall könnte das Gericht prüfen, ob eine Verzögerungsgebühr anfällt.

Wer muss die Gebühr zahlen und wie hoch ist sie?

Die Verzögerungsgebühr muss diejenige Person bezahlen, die die Verzögerung verschuldet hat. Das kann die Partei selbst oder auch ihr rechtlicher Vertreter sein.

Die Höhe der Gebühr ist gesetzlich festgelegt und beträgt derzeit einen Pauschalbetrag (gemäß Nr. 1600 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Sie fällt für jedes verspätet vorgebrachte Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder für jeden durch Verschulden ausgefallenen oder vertagten Termin an.

Letztlich soll die Verzögerungsgebühr sicherstellen, dass Gerichtsverfahren fair und ohne unnötige Bummelei ablaufen. Sie ist ein Instrument des Gerichts, um die Effizienz der Justiz zu wahren.


zurück

Unter welchen Umständen kann eine Verzögerungsgebühr aufgehoben werden?

Eine festgesetzte Verzögerungsgebühr, beispielsweise im Rahmen eines Bauträgervertrags, muss nicht in jedem Fall bezahlt werden. Es gibt verschiedene Situationen, in denen eine solche Gebühr aufgehoben oder zumindest reduziert werden kann. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Forderung hängt von mehreren Faktoren ab.

Mögliche Gründe für eine Aufhebung oder Reduzierung

  • Formale Fehler: Ein wichtiger Grund kann sein, dass die Vereinbarung zur Verzögerungsgebühr im Vertrag unwirksam ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Klausel unklar formuliert ist oder gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, insbesondere wenn sie Teil von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB, oft als „Kleingedrucktes“ bezeichnet) ist. Auch Fehler bei der Berechnung der Gebühr oder in der Art, wie sie geltend gemacht wird (z.B. in einer Mahnung oder Rechnung), können dazu führen, dass die Forderung nicht durchsetzbar ist.
  • Kein Verschulden an der Verzögerung: Grundsätzlich haften Sie nur für Verzögerungen, die Sie auch selbst verschuldet haben. Können Sie nachweisen, dass die Verzögerung auf Umstände zurückzuführen ist, die außerhalb Ihrer Kontrolle lagen, entfällt oft die Zahlungspflicht. Beispiele hierfür sind:
    • Höhere Gewalt: Unvorhersehbare Ereignisse wie Naturkatastrophen (z.B. extremes Hochwasser) oder schwerwiegende Streiks.
    • Verzögerungen durch den Vertragspartner: Wenn der Bauträger selbst oder von ihm beauftragte Handwerker die Verzögerung verursacht haben, etwa durch verspätete Planungsfreigaben, fehlende Vorleistungen oder eigene Baumängel, die den Fortschritt behindern.
  • Unverhältnismäßigkeit der Gebühr: Handelt es sich bei der „Verzögerungsgebühr“ um eine vertraglich vereinbarte Strafe (Vertragsstrafe), kann diese unangemessen hoch sein. Auch wenn eine Verzögerung vorliegt und Sie diese grundsätzlich zu verantworten haben, kann ein Gericht eine übermäßig hohe Vertragsstrafe herabsetzen (§ 343 BGB). Die Angemessenheit wird anhand der Umstände des Einzelfalls bewertet, z.B. im Verhältnis zum Gesamtauftragswert oder zum entstandenen Schaden.
  • Fehlende Voraussetzungen: Prüfen Sie genau, ob alle vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für das Entstehen der Gebühr überhaupt erfüllt sind. Manchmal muss beispielsweise eine formelle Mahnung mit Fristsetzung erfolgt sein, bevor eine Gebühr oder Vertragsstrafe überhaupt fällig wird. Fehlt eine solche Voraussetzung, ist die Forderung möglicherweise (noch) nicht berechtigt.

Wie Sie auf die Forderung reagieren können

Wenn Sie mit der Forderung nach einer Verzögerungsgebühr konfrontiert werden, ist es ratsam, den zugrundeliegenden Vertrag und die Umstände der Verzögerung genau zu prüfen. Achten Sie auf die exakten Formulierungen zur Verzögerungsgebühr oder Vertragsstrafe.

Sollten Sie Zweifel an der Berechtigung der Forderung haben, ist es wichtig, Ihre Einwände nachweisbar (z.B. schriftlich) und unter Angabe von Gründen Ihrem Vertragspartner mitzuteilen. Man spricht hier oft von einem Widerspruch gegen die Forderung oder davon, dass man die Forderung bestreitet.

Eine sorgfältige Dokumentation aller relevanten Vorgänge, Absprachen und möglicher Ursachen für die Verzögerung (z.B. Schriftverkehr, Bautagebuch, Fotos) ist dabei sehr hilfreich, um Ihre Argumentation zu stützen.


zurück

Wie wirkt sich die Komplexität eines Bauträgerprozesses auf die Erhebung einer Verzögerungsgebühr aus?

Die Komplexität eines Bauträgerprozesses hat einen erheblichen Einfluss darauf, ob eine sogenannte Verzögerungsgebühr durch das Gericht erhoben werden darf. Grundsätzlich kann eine solche Gebühr anfallen, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange dauert und die Verzögerung dem Gericht zuzurechnen ist.

Berücksichtigung der Fallschwierigkeit durch das Gericht

Gerichte sind verpflichtet, bei der Beurteilung der Verfahrensdauer die besondere Schwierigkeit und Komplexität des jeweiligen Falles zu berücksichtigen. Bauträgerprozesse sind oft von Natur aus komplex. Das liegt daran, dass häufig:

  • Viele Parteien beteiligt sind (z.B. Bauträger, Käufer, Handwerker, Architekten, Nachunternehmer).
  • Umfangreiche technische Fragen zu klären sind, insbesondere bei Baumängeln.
  • Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, deren Erstellung und Auswertung Zeit benötigt.
  • Eine Vielzahl von Verträgen und Dokumenten geprüft werden muss.

Diese Faktoren führen oft dazu, dass solche Prozesse objektiv mehr Zeit in Anspruch nehmen als einfachere Verfahren.

Wann ist eine Verzögerung „unangemessen“?

Eine lange Verfahrensdauer allein führt nicht automatisch zur Erhebung einer Verzögerungsgebühr. Entscheidend ist, ob die Dauer unangemessen war und ob die Verzögerung vermeidbar gewesen wäre.

Wenn die längere Dauer darauf zurückzuführen ist, dass das Gericht komplexe Sachverhalte sorgfältig aufklären musste – beispielsweise durch das Abwarten auf notwendige Gutachten oder die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme zu Baumängeln –, liegt in der Regel keine unangemessene Verzögerung vor, die eine Gebühr rechtfertigen würde. Die Komplexität erklärt und rechtfertigt in vielen Fällen die längere Dauer.

Stellen Sie sich vor, bei einem Bauvorhaben treten Risse in der Fassade auf. Um die Ursache und die Verantwortlichkeit zu klären, muss das Gericht einen Bausachverständigen beauftragen. Die Erstellung dieses Gutachtens dauert mehrere Monate. Diese Zeitspanne ist der Klärung des komplexen Sachverhalts geschuldet und stellt normalerweise keine unangemessene, vom Gericht zu vertretende Verzögerung dar.

Bedeutung für Beteiligte an Bauträgerprozessen

Für Sie als Beteiligter an einem Bauträgerprozess bedeutet dies: Auch wenn sich Ihr Verfahren über einen längeren Zeitraum erstreckt, muss dies nicht zwangsläufig heißen, dass eine Verzögerungsgebühr anfällt. Die Gerichte müssen prüfen, ob die Dauer angesichts der Schwierigkeiten des Falles angemessen war. Die hohe Komplexität vieler Bauträgerprozesse wirkt sich hier tendenziell zugunsten der Verfahrensbeteiligten aus, da sie eine längere Bearbeitungszeit oft nachvollziehbar macht.


zurück

Welche Rolle spielen Sachverständigengutachten bei der Beurteilung von Verzögerungen in Bauträgerprozessen?

Sachverständigengutachten sind in Gerichtsverfahren rund um Bauprojekte oft ein zentrales Beweismittel. Sie helfen dem Gericht dabei, komplexe technische Fragen zu klären, beispielsweise ob ein Baumangel vorliegt, wer dafür verantwortlich ist oder wie er behoben werden kann.

Warum Gutachten Zeit brauchen und warum das wichtig ist

Die Erstellung eines solchen Gutachtens durch einen unabhängigen Experten benötigt Zeit. Der Sachverständige muss Unterlagen prüfen, möglicherweise die Baustelle besichtigen und seine Ergebnisse fachlich fundiert ausarbeiten. Diese Zeit, die für die Einholung eines notwendigen Gutachtens benötigt wird, führt in der Regel nicht dazu, dass der Prozess als schuldhaft verzögert gilt.

Stellen Sie sich vor, bei einem Neubau gibt es Streit über Risse in der Fassade. Das Gericht kann oft nicht selbst beurteilen, ob die Risse ein Mangel sind und wer dafür verantwortlich ist. Es braucht die Expertise eines Bausachverständigen. Die Beauftragung dieses Experten und die Wartezeit auf sein Gutachten sind dann notwendige Schritte im Verfahren, um die Wahrheit herauszufinden.

Wann ist die Zeit für ein Gutachten keine schuldhafte Verzögerung?

Gerichte berücksichtigen bei der Frage, ob ein Prozess unangemessen lange dauert, ob die einzelnen Schritte notwendig waren. Die Zeit für die Erstellung und Auswertung eines Sachverständigengutachtens wird normalerweise dann nicht als eine vorwerfbare Verzögerung angesehen, wenn:

  • Das Gutachten für die Entscheidung des Gerichts erforderlich ist: Ohne das Gutachten könnte das Gericht den Sachverhalt nicht aufklären und keine gerechte Entscheidung treffen.
  • Die Einholung und Erstellung des Gutachtens angemessen zügig betrieben wird: Das Gericht und die beteiligten Parteien dürfen die Beauftragung oder die Mitwirkung (z.B. Bereitstellung von Unterlagen für den Gutachter) nicht unnötig hinauszögern.

Für Sie bedeutet das: Auch wenn sich ein Gerichtsverfahren durch die Einholung eines Gutachtens in die Länge zieht, wird dies meist als Teil eines normalen und fairen Verfahrensablaufs betrachtet, solange das Gutachten zur Klärung des Falls beiträgt und keine Seite den Prozess absichtlich verschleppt. Die Notwendigkeit, Fachwissen einzuholen, rechtfertigt in der Regel die damit verbundene Dauer.


zurück

Was können Wohnungseigentümer tun, um Prozessverzögerungen in Bauträgerprozessen zu vermeiden?

Auch wenn Gerichtsverfahren komplex sein können, haben Sie als Wohnungseigentümer durchaus Möglichkeiten, zu einem möglichst reibungslosen und zügigen Ablauf eines Bauträgerprozesses beizutragen. Ein schnelleres Verfahren liegt in der Regel im Interesse aller Beteiligten, da es nicht nur Kosten spart, sondern auch eine schnellere Klärung und Beseitigung von Mängeln ermöglicht.

Klare Mängelbeschreibung und Dokumentation

Ein häufiger Grund für Verzögerungen ist die unklare Darstellung von Baumängeln. Je genauer und verständlicher Sie Mängel von Anfang an beschreiben und dokumentieren (z.B. mit Fotos, genauen Orts- und Zeitangaben), desto einfacher ist es für das Gericht und beauftragte Sachverständige, den Sachverhalt zu erfassen. Eine präzise Beschreibung hilft, Rückfragen und zusätzliche Termine zu vermeiden.

  • Beispiel: Statt nur „Die Fenster sind undicht“ ist eine Beschreibung wie „Das Fenster im Wohnzimmer links zieht bei Wind aus Richtung Westen spürbar an der unteren Dichtung; Kondenswasser bildet sich innen am Rahmen“ wesentlich hilfreicher.

Gute Zusammenarbeit und Kommunikation

Die Zusammenarbeit innerhalb der Eigentümergemeinschaft ist wichtig, um geschlossen auftreten zu können. Ebenso trägt eine konstruktive Mitwirkung am Verfahren zur Beschleunigung bei. Das bedeutet:

  • Seien Sie für Rückfragen erreichbar.
  • Ermöglichen Sie Besichtigungstermine (z.B. durch Sachverständige) in Ihrer Wohnung oder am Gemeinschaftseigentum zeitnah.
  • Stellen Sie angeforderte Informationen oder Unterlagen möglichst vollständig und zügig zur Verfügung.

Sorgfältige Vorbereitung und Fristenwahrung

Eine gute Organisation hilft, das Verfahren nicht unnötig aufzuhalten. Halten Sie alle relevanten Unterlagen geordnet bereit. Dazu gehören beispielsweise der Kaufvertrag, die Baubeschreibung, Protokolle von Übergaben oder Eigentümerversammlungen und bisherige Korrespondenz zum Mangel.

Besonders wichtig ist die Einhaltung von Fristen, die vom Gericht gesetzt werden. Versäumte Fristen können zu erheblichen Verzögerungen führen.

Fokus auf das Wesentliche

Gerichtsverfahren können sich in die Länge ziehen, wenn immer wieder neue Punkte aufgeworfen oder Anträge gestellt werden, die für die Kernfragen nicht entscheidend sind. Konzentrieren Sie sich auf die wesentlichen Mängel und Streitpunkte. Eine klare Linie und das Vermeiden von Nebenkriegsschauplätzen können dazu beitragen, das Verfahren effizienter zu gestalten.

Indem Sie diese Punkte beachten, können Sie aktiv dazu beitragen, dass ein Bauträgerprozess zügiger abläuft und unnötige Verzögerungen vermieden werden.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Vorkaufsrecht

Das Vorkaufsrecht gibt einer berechtigten Partei, hier der Gemeinde, das Recht, in einen bestehenden Kaufvertrag zwischen einem Verkäufer und einem Käufer einzutreten. Die Gemeinde kann das Grundstück also anstelle des ursprünglichen Käufers zu den im Kaufvertrag vereinbarten Konditionen erwerben. Im vorliegenden Fall basiert das Vorkaufsrecht der Gemeinde auf dem Baugesetzbuch (BauGB, §§ 24 ff.), da das Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt. Die Ausübung dieses Rechts soll der Gemeinde ermöglichen, Grundstücke für städtebauliche Zwecke, wie die Sanierung, zu sichern.

Beispiel: Herr Müller verkauft sein Grundstück in einem Sanierungsgebiet an Frau Schmidt für 100.000 €. Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht und kann entscheiden, das Grundstück selbst für 100.000 € zu kaufen, wodurch Frau Schmidt nicht zum Zuge kommt.


Zurück

Sanierungsgebiet

Ein Sanierungsgebiet ist ein räumlich abgegrenztes Gebiet, das von der Gemeinde durch eine Satzung (eine Art kommunales Gesetz) förmlich festgelegt wird, um städtebauliche Missstände zu beheben (§ 136 BauGB). Ziel ist es, das Gebiet durch Baumaßnahmen und Neuordnungen zu verbessern und aufzuwerten. Für Grundstückseigentümer und bei Grundstücksverkäufen in diesem Gebiet gelten besondere Vorschriften nach dem Baugesetzbuch (§§ 136-164b BauGB), wie z. B. Genehmigungspflichten für bestimmte Vorhaben oder eben das Vorkaufsrecht der Gemeinde. Im Text handelt es sich um das Gebiet der Sanierungsmaßnahme „A-Stadt Kernstadt“.

Beispiel: Eine Altstadt mit vielen baufälligen Häusern und schlechter Infrastruktur wird zum Sanierungsgebiet erklärt. Die Gemeinde fördert Renovierungen und kann bei Verkäufen von Grundstücken prüfen, ob diese den Sanierungszielen dienen.


Zurück

Negativattest

Ein Negativattest ist eine amtliche Bescheinigung der Gemeinde, die bestätigt, dass sie ihr gesetzliches Vorkaufsrecht für ein bestimmtes Grundstücksgeschäft nicht ausüben wird oder dass ein solches Recht gar nicht besteht. Dieses Dokument ist in der Praxis sehr wichtig, da das Grundbuchamt die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch oft erst vornimmt, wenn geklärt ist, dass die Gemeinde nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht (§ 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Im Text beantragte der Notar dieses Attest, um den Kaufvertrag für die Käufer sicher abwickeln zu können.

Beispiel: Nach Abschluss eines Grundstückskaufvertrags in einem Bereich, wo die Gemeinde theoretisch ein Vorkaufsrecht hat, stellt die Gemeinde ein Negativattest aus. Damit signalisiert sie offiziell: „Wir wollen dieses Grundstück nicht kaufen“, und der Käufer kann als Eigentümer eingetragen werden.


Zurück

Sanierungsrechtliche Genehmigung

Dies ist eine besondere behördliche Erlaubnis, die nach § 144 BauGB für bestimmte Rechtsgeschäfte und Vorhaben in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet erforderlich ist. Dazu gehört insbesondere der Verkauf von Grundstücken. Die Gemeinde prüft dabei, ob das Rechtsgeschäft (z. B. der Verkauf) die Durchführung der Sanierung erschwert oder unmöglich macht oder den Sanierungszielen widerspricht (§ 145 BauGB). Ohne diese Genehmigung ist der Grundstückskaufvertrag in der Regel nicht wirksam vollziehbar.

Beispiel: Wer sein Haus in einem Sanierungsgebiet verkaufen möchte, muss nicht nur einen Käufer finden, sondern auch die sanierungsrechtliche Genehmigung der Gemeinde einholen. Die Gemeinde prüft, ob der Verkauf (z.B. der Kaufpreis oder der Käufer) den Zielen der Gebietsaufwertung entgegensteht.


Zurück

Berufung

Die Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei (hier die Gemeinde) eine Entscheidung eines Gerichts der ersten Instanz (hier das Verwaltungsgericht Magdeburg) von der nächsthöheren Instanz (hier das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt) überprüfen lassen kann. Das OVG prüft das Urteil dann sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht neu (§§ 124 ff. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Ziel der Berufung ist es, eine Abänderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen. Im Text wurde die Berufung der Gemeinde zurückgewiesen, das OVG bestätigte also die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Beispiel: Wenn eine Person vor dem Amtsgericht in einem Zivilstreit verliert, aber meint, das Urteil sei falsch, kann sie Berufung beim Landgericht einlegen, damit der Fall dort neu verhandelt und entschieden wird.


Zurück

Grundstückskaufvertrag

Ein Grundstückskaufvertrag ist ein rechtlich bindender Vertrag zwischen einem Verkäufer und einem Käufer über den Erwerb von Eigentum an einem Grundstück (Landfläche, ggf. mit Gebäuden). Wegen der besonderen Bedeutung von Grundstücken muss dieser Vertrag in Deutschland zwingend von einem Notar beurkundet werden, um gültig zu sein (§ 311b Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Der Vertrag regelt die wesentlichen Punkte wie Kaufgegenstand, Kaufpreis und Übergabemodalitäten. Im Text ist der notarielle Kaufvertrag vom 21. Juli 2021 der Auslöser für die Prüfung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB: Diese Vorschrift räumt der Gemeinde ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken in Gebieten ein, in denen städtebauliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Das Vorkaufsrecht dient dazu, die städtebauliche Entwicklung im Sinne der Sanierungsziele zu steuern und zu gestalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Grundstück liegt im Sanierungsgebiet „A-Stadt Kernstadt“, daher ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB die Grundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte.
  • § 25 BauGB: Dieser Paragraph regelt die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde. Die Gemeinde muss den Vorkaufsrechtsfall innerhalb einer bestimmten Frist prüfen und das Vorkaufsrecht formal ausüben, wenn sie es nutzen möchte. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte hat das Vorkaufsrecht durch Beschluss des Stadtrates ausgeübt, was den formalen Anforderungen des § 25 BauGB entsprechen muss.
  • § 144 Abs. 1 BauGB: Rechtsvorgänge, die in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet vorgenommen werden, bedürfen der sanierungsrechtlichen Genehmigung der Gemeinde. Diese Genehmigungspflicht soll sicherstellen, dass Maßnahmen im Sanierungsgebiet den Sanierungszielen nicht entgegenstehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Grundstückskaufvertrag bedarf aufgrund der Lage im Sanierungsgebiet der Genehmigung nach § 144 BauGB, was im Schreiben des Notars an die Beklagte auch korrekt berücksichtigt wurde.
  • § 145 Abs. 1 BauGB: Die Gemeinde hat nach Eingang des Genehmigungsantrags eine Frist von einem Monat zur Entscheidung über die Genehmigung. Diese Frist kann unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden, beispielsweise wenn eine umfassende Prüfung erforderlich ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte hat eine Fristverlängerung zur Prüfung des Vorkaufsrechts beantragt, was auf die Anwendung von § 145 BauGB im Genehmigungsverfahren hindeutet.
  • Satzung über die städtebauliche Sanierungsmaßnahme „A-Stadt Kernstadt“: Diese Satzung der Beklagten legt das Sanierungsgebiet und dessen Grenzen fest. Sie ist die Grundlage für die Anwendung der besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften des BauGB, wie z.B. das Vorkaufsrecht und die Genehmigungspflicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Existenz dieser Satzung ist entscheidend, da sie das Gebiet definiert, in dem die Beklagte das Vorkaufsrecht und die Genehmigungspflicht nach dem BauGB überhaupt ausüben kann.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Käufer und Verkäufer von Grundstücken [bei/zum Thema Vorkaufsrecht der Gemeinde in Sanierungsgebieten]

Sie möchten ein Grundstück kaufen oder verkaufen? Liegt die Immobilie vielleicht in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet? Dann könnte die Gemeinde unter Umständen versuchen, von einem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und anstelle des Käufers in den Vertrag einzutreten.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Vorkaufsrecht ist kein Automatismus
Auch wenn Ihr Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt, bedeutet das nicht automatisch, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht erfolgreich ausüben kann. Die Gemeinde muss nachweisen, dass der Kauf durch sie den Zielen der Sanierung dient. Eine pauschale Begründung reicht oft nicht aus.


Tipp 2: Status des Grundstücks frühzeitig klären
Informieren Sie sich bereits vor Abschluss des Kaufvertrags oder bei Verkaufsabsicht, ob das Grundstück in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegt. Diese Information erhalten Sie in der Regel beim Stadtplanungsamt oder Bauamt der zuständigen Gemeinde. Dies gibt Ihnen Klarheit über ein mögliches Vorkaufsrecht.

⚠️ ACHTUNG: Unkenntnis über die Lage im Sanierungsgebiet kann später zu Überraschungen führen und den geplanten Verkauf zwischen Ihnen und Ihrem Vertragspartner gefährden, falls die Gemeinde ihr Recht geltend macht.


Tipp 3: Bescheid der Gemeinde genau prüfen (lassen)
Sollte die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausüben, erhalten Sie bzw. der Notar einen entsprechenden Bescheid. Dieser Bescheid muss die Gründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts darlegen. Lassen Sie diesen Bescheid anwaltlich prüfen, insbesondere ob die Begründung den rechtlichen Anforderungen genügt und tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit bzw. den Sanierungszielen dient.


Tipp 4: Gemeinsam handeln: Käufer und Verkäufer
Sowohl der ursprüngliche Käufer als auch der Verkäufer haben in der Regel ein Interesse daran, dass der ursprüngliche Kaufvertrag bestehen bleibt. Wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt, können Käufer und Verkäufer gemeinsam gegen den Bescheid vorgehen und ggf. Klage einreichen, wie im Beispielfall geschehen. Stimmen Sie Ihr Vorgehen ab.


Tipp 5: Auf Negativattest achten
Wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben möchte oder kann, stellt sie ein sogenanntes Negativattest aus. Dieses bestätigt, dass dem Kaufvertrag vonseiten der Gemeinde nichts im Wege steht (zumindest bezüglich des Vorkaufsrechts). Erst mit diesem Zeugnis (oder nach Ablauf der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts) ist der Weg für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch frei.

Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist an Fristen gebunden (Regelfall: zwei Monate nach Mitteilung des Kaufvertrags). Die Gemeinde muss ihr Recht innerhalb dieser Frist ausüben. Entscheidend ist oft die Frage, ob der Kauf durch die Gemeinde tatsächlich zur Verwirklichung der Sanierungsziele erforderlich ist. Dies ist häufig ein Punkt, an dem die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtlich scheitern kann.

Checkliste: Vorkaufsrecht der Gemeinde im Sanierungsgebiet

  • Liegt das Grundstück in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet?
  • Wurde der Kaufvertrag der Gemeinde zur Prüfung vorgelegt (i.d.R. durch den Notar)?
  • Hat die Gemeinde fristgerecht über die Ausübung ihres Vorkaufsrechts entschieden?
  • Liegt ein Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts oder ein Negativattest vor?
  • Wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde: Ist die Begründung der Gemeinde nachvollziehbar und rechtlich haltbar (Bezug zu Sanierungszielen)?

Das vorliegende Urteil


OVG Sachsen-Anhalt – Az.: 2 L 42/24


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Teile dieses Beitrags könnten mithilfe von KI-Unterstützung erstellt worden sein, um eine effiziente und präzise Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(telefonisch werden keine juristischen Auskünfte erteilt!)

Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage >>> per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Hinweis: 

Telefonisch können leider keine Erstanfragen beantwortet werden. Anfragen auf Ersteinschätzung bitte nur über unser Anfrageformular stellen. 

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Jobangebote

Jobangebote in der Kanzlei Kotz
Rechtsanwaltsfach-angestellte(r) und Notarfachangestellte(r) (m/w/d)

 

jetzt bewerben