Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- VGH Baden-Württemberg stärkt Waldvorkaufsrecht der Gemeinden – Entscheidender Zeitpunkt für Rechtmäßigkeit
- Streit um Grundstückskauf und kommunales Vorkaufsrecht
- Gemeinde begründet Vorkaufsrecht mit Waldschutz und Arrondierung
- Kläger sieht Verwirkung des Vorkaufsrechts und bestreitet Waldcharakter
- Verwaltungsgericht Stuttgart gibt Kläger zunächst Recht
- VGH Baden-Württemberg kippt Urteil – Zeitpunkt der Ausübung entscheidend
- Bedeutung des Urteils für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann genau muss eine Gemeinde die Voraussetzungen für das Waldvorkaufsrecht erfüllen?
- Was bedeutet es rechtlich, wenn eine Fläche dem Wald „dient“?
- Unter welchen Voraussetzungen kann eine Gemeinde ihr Waldvorkaufsrecht ausüben?
- Kann ich als Käufer die Ausübung des Waldvorkaufsrechts durch die Gemeinde verhindern oder anfechten?
- Welche Rolle spielt der Naturschutz (Landschaftsschutzgebiet, FFH-Gebiet) bei der Ausübung des Waldvorkaufsrechts?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
- Datum: 24.10.2024
- Aktenzeichen: 5 S 261/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Waldgesetz Baden-Württemberg (LWaldG), Vorkaufsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Wendet sich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts.
- Beklagte: Übte das Vorkaufsrecht aus. Argument: Sicherstellung der Schutzfunktion des Waldes.
- Beigeladener: Verkäufer des Grundstücks an den Kläger.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger erwarb ein Grundstück durch notariellen Kaufvertrag. Die Beklagte übte ein Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 LWaldG aus, um die Schutzfunktion des Waldes sicherzustellen.
- Kern des Rechtsstreits: War die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte rechtmäßig?
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart wurde geändert und die Klage abgewiesen.
- Begründung: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorkaufsrechts ist das Ende der Ausübungsfrist. Eine Fläche „dient“ dem Wald, wenn ein sachlicher Bezug zur vorhandenen Waldfläche besteht und ein objektiv relevanter Nutzen für die verbundene Waldfläche gegeben ist.
- Folgen: Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen). Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
VGH Baden-Württemberg stärkt Waldvorkaufsrecht der Gemeinden – Entscheidender Zeitpunkt für Rechtmäßigkeit

Das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat in einem Urteil (Az.: 5 S 261/24 vom 24.10.2024) die Rechte von Gemeinden bei der Ausübung des gesetzlichen Waldvorkaufsrechts gestärkt. Das Gericht entschied, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieses Vorkaufsrechts der Zeitpunkt des Ablaufs der Ausübungsfrist maßgeblich ist. Zudem präzisierte der VGH, wann eine Fläche dem Wald im Sinne des Landeswaldgesetzes Baden-Württemberg „dient“. Dieses Urteil ist von großer Bedeutung für Grundstückskäufer und Gemeinden in Baden-Württemberg, insbesondere im Hinblick auf Waldflächen und deren Schutz.
Streit um Grundstückskauf und kommunales Vorkaufsrecht
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Grundstück in xxx, Flurstück-Nr. 2748, das der Kläger durch einen notariellen Kaufvertrag vom 14. Dezember 2017 von dem Beigeladenen erworben hatte. Die Gemeinde xxx (Beklagte) machte von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Landeswaldgesetz (LWaldG) Gebrauch. Dieses Recht ermöglicht es Gemeinden, beim Verkauf von Waldgrundstücken unter bestimmten Voraussetzungen in den Kaufvertrag einzutreten. Die Gemeinde begründete ihr Vorkaufsrecht mit dem Ziel, die Schutzfunktion des Waldes zu sichern.
Gemeinde begründet Vorkaufsrecht mit Waldschutz und Arrondierung
Die Gemeinde argumentierte, dass das Grundstück als Grünland- und Waldfläche Wald im Sinne des LWaldG sei. Das Liegenschaftskataster wies einen Teil des Grundstücks als Wald aus, und die tatsächliche Situation vor Ort bestätigte dies. Die Gemeinde betonte, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes sichergestellt werde. Zudem würde die Arrondierung des gemeindlichen Waldes gefördert, da das Grundstück wie ein „Keil“ in den Gemeindewald hineinrage und an drei Seiten an diesen angrenze. Durch die Zusammenführung der Flächen würde eine einheitlichere und effektivere Waldbewirtschaftung ermöglicht und die Waldstruktur verbessert. Weiterhin wies die Gemeinde darauf hin, dass das Grundstück in einem Landschaftsschutzgebiet, Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet liegt und das Vorkaufsrecht dazu diene, die dortigen Schutzziele besser zu gewährleisten.
Kläger sieht Verwirkung des Vorkaufsrechts und bestreitet Waldcharakter
Der Kläger legte gegen den Bescheid der Gemeinde Widerspruch ein und klagte schließlich vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Er argumentierte, die Gemeinde habe ihr Vorkaufsrecht verwirkt, da sie zuvor ein Kaufangebot des Verkäufers abgelehnt und keine ernsthaften Verhandlungen geführt habe. Zudem bestritt der Kläger die besondere Schutz- und Erholungsfunktion des Grundstücks und sah es primär als Landwirtschaftsfläche. Er argumentierte, die Bewirtschaftung des umliegenden Gemeindewaldes sei auch ohne das Grundstück gesichert.
Verwaltungsgericht Stuttgart gibt Kläger zunächst Recht
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klage des Klägers statt und hob den Vorkaufsrechtsbescheid der Gemeinde auf (Urteil vom 29. September 2020 – 5 K 1351/19). Die genauen Gründe für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sind im vorliegenden Dokument nicht detailliert aufgeführt, jedoch deutet die Berufung der Gemeinde darauf hin, dass das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts in Frage gestellt hatte.
VGH Baden-Württemberg kippt Urteil – Zeitpunkt der Ausübung entscheidend
Der VGH Baden-Württemberg hob das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart auf und wies die Klage des Klägers ab. Damit bestätigte der VGH die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde. Der VGH stellte in seinem Urteil zwei zentrale Punkte heraus:
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
Der VGH entschied, dass für die Beurteilung, ob ein Vorkaufsrecht rechtmäßig ausgeübt wurde, der maßgebliche Zeitpunkt das Ende der Ausübungsfrist ist. Dies bedeutet, dass die Sachlage und die Gründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu diesem Zeitpunkt bewertet werden müssen. Spätere Entwicklungen oder Erkenntnisse sind für die Rechtmäßigkeitsprüfung grundsätzlich unerheblich. Diese Klarstellung des VGH schafft Rechtssicherheit für Gemeinden bei der Ausübung des Vorkaufsrechts.
Definition „Dienen dem Wald“ im Landeswaldgesetz
Der VGH präzisierte zudem den Begriff „dient dem Wald“ in § 2 Abs. 2 LWaldG. Nach dieser Vorschrift gelten auch Flächen als Wald, die „den mit Wald bestockten Grundstücken dienen“. Der VGH stellte klar, dass ein sachlicher Bezug zu einer vorhandenen Waldfläche ausreicht, um dieses Kriterium zu erfüllen. Es genüge ein objektiv relevanter Nutzen der Fläche für die verbundene Waldfläche. Ein solcher Nutzen kann beispielsweise in der Arrondierung von Waldflächen, der Verbesserung der Waldstruktur oder der Sicherung der Schutz- und Erholungsfunktion liegen. Im vorliegenden Fall sah der VGH diesen sachlichen Bezug und Nutzen durch die unmittelbare Angrenzung des Grundstücks an den Gemeindewald und die damit verbundene Möglichkeit der Arrondierung und besseren Bewirtschaftung als gegeben an.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Das Urteil des VGH Baden-Württemberg hat erhebliche Bedeutung für Grundstückseigentümer, Kaufinteressenten und Gemeinden in Baden-Württemberg.
Für Gemeinden: Das Urteil stärkt die Position der Gemeinden bei der Ausübung des Waldvorkaufsrechts. Die Klarstellung des maßgeblichen Zeitpunkts und die Präzisierung des Begriffs „dient dem Wald“ schaffen Rechtssicherheit und erleichtern die Ausübung des Vorkaufsrechts im Sinne des Waldschutzes und der kommunalen Waldbewirtschaftung. Gemeinden können sich nun verstärkt auf die Arrondierung von Gemeindewaldflächen und die Verbesserung der Waldstruktur berufen, um ein Vorkaufsrecht auszuüben.
Für Grundstückseigentümer und Kaufinteressenten: Das Urteil macht deutlich, dass beim Kauf von Grundstücken in Waldnähe oder mit Waldanteilen das gesetzliche Vorkaufsrecht der Gemeinde eine wesentliche Rolle spielt. Kaufinteressenten sollten sich frühzeitig über mögliche Vorkaufsrechte informieren und die Kriterien für deren Ausübung kennen. Das Urteil zeigt, dass Gemeinden bei der Begründung des Vorkaufsrechts einen weiten Ermessensspielraum haben und die Gerichte den kommunalen Interessen am Waldschutz und der Waldbewirtschaftung tendenziell einen hohen Stellenwert beimessen. Es ist ratsam, vor einem Grundstückskauf in solchen Gebieten Rechtsberatung einzuholen, um die Risiken und Chancen im Zusammenhang mit einem möglichen Vorkaufsrecht der Gemeinde besser einschätzen zu können. Das Urteil verdeutlicht, dass auch Grünlandflächen, die an Wald angrenzen und dessen Bewirtschaftung oder Schutz dienen, in den Fokus des Vorkaufsrechts geraten können.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bestätigt, dass für die rechtmäßige Ausübung eines Vorkaufsrechts nach dem Waldgesetz der Zeitpunkt des Endes der Ausübungsfrist entscheidend ist. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass eine Fläche bereits dann als „dem Wald dienend“ gilt, wenn lediglich ein sachlicher Bezug zur Waldfläche besteht und ein objektiv relevanter Nutzen für die verbundene Waldfläche vorliegt. Gemeinden können somit ihr Vorkaufsrecht auch für Grundstücke ausüben, die nicht vollständig bewaldet sind, solange sie in einem funktionalen Zusammenhang mit angrenzenden Waldflächen stehen und deren Bewirtschaftung oder Schutzfunktion fördern.
Benötigen Sie Hilfe?
Klarheit in komplexen Vorkaufsrechtsfragen?
In jüngsten Entscheidungen wurde deutlich, wie sehr der Zeitpunkt des Ablaufs der Ausübungsfrist Einfluss auf die Beurteilung des Vorkaufsrechts nehmen kann. Dies verdeutlicht, dass eine präzise Analyse der konkreten Umstände – insbesondere im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs „dient dem Wald“ – wesentlich ist. Betroffene, die sich in ähnlichen Konstellationen befinden, erkennen damit, wie wichtig es ist, sich frühzeitig und sachkundig über die jeweiligen Rechtsfolgen zu informieren.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Situation fundiert zu prüfen und die relevanten rechtlichen Aspekte auf Basis der aktuellen Rechtsprechung zu erfassen. Unsere strukturierte und transparente Beratung vermittelt Ihnen dabei das notwendige Verständnis, um Ihre Optionen abzuwägen und eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann genau muss eine Gemeinde die Voraussetzungen für das Waldvorkaufsrecht erfüllen?
Die Gemeinde muss die Voraussetzungen für das Waldvorkaufsrecht innerhalb einer bestimmten Frist nach der Mitteilung des Kaufvertrags erfüllen. Diese Frist beträgt in der Regel drei Monate für das allgemeine Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch (BauGB) und kann in speziellen Fällen, wie bei Waldgrundstücken, auf zwei Monate reduziert sein, abhängig von den landesrechtlichen Bestimmungen.
Wichtige Punkte:
- Öffentliches Interesse: Die Gemeinde darf das Vorkaufsrecht nur ausüben, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, das die Ausübung rechtfertigt. Dies kann beispielsweise die Verbesserung der Waldstruktur oder der Schutz von Naturschutzgebieten sein.
- Rechtzeitige Mitteilung: Der Kaufvertrag muss der Gemeinde unverzüglich mitgeteilt werden, damit die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beginnt.
- Rechtliche Grundlagen: Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch einen Verwaltungsakt, der gegenüber dem Verkäufer erklärt wird.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung ist es entscheidend, ob die Gemeinde die Voraussetzungen innerhalb dieser Fristen erfüllt hat.
Was bedeutet es rechtlich, wenn eine Fläche dem Wald „dient“?
Im Kontext des Landeswaldgesetzes bezieht sich der Begriff „dienen“ auf Flächen, die in einem funktionalen Zusammenhang mit dem Wald stehen und ihm dienen. Solche Flächen können Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen, Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze oder Holzlagerplätze umfassen. Diese Flächen sind nicht unbedingt mit Bäumen bestockt, aber sie unterstützen die Funktionen des Waldes, wie die Forstwirtschaft, den Naturschutz oder die Erholung.
Kriterien für Flächen, die dem Wald „dienen“
Damit eine Fläche als dem Wald dienend eingestuft wird, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Funktionaler Zusammenhang: Die Fläche muss in einem engen Zusammenhang mit dem Wald stehen und seine Funktionen unterstützen.
- Nutzung: Die tatsächliche Nutzung der Fläche muss mit den Zielen der Forstwirtschaft oder des Naturschutzes übereinstimmen.
- Eintragungen im Liegenschaftskataster: Obwohl Eintragungen im Liegenschaftskataster nicht direkt entscheidend sind, können sie Hinweise darauf geben, ob eine Fläche als Teil des Waldes betrachtet wird.
- Gutachten: In Zweifelsfällen können Gutachten von Forstexperten oder Behörden helfen, die Zugehörigkeit einer Fläche zum Wald zu klären.
Praktische Auswirkungen
Wenn eine Fläche als dem Wald dienend eingestuft wird, kann sie unter das Waldvorkaufsrecht fallen. Dies bedeutet, dass bei einem Verkauf der Fläche die zuständige Gemeinde oder das Land ein Vorkaufsrecht hat, um sicherzustellen, dass die Fläche weiterhin den Zielen der Forstwirtschaft und des Naturschutzes dient.
Für Betroffene ist es wichtig, sich über die genauen Bestimmungen des jeweiligen Landeswaldgesetzes zu informieren, um zu verstehen, ob ihr Grundstück unter diese Regelungen fällt.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Gemeinde ihr Waldvorkaufsrecht ausüben?
Eine Gemeinde kann ihr Waldvorkaufsrecht unter bestimmten Bedingungen ausüben. Diese Voraussetzungen sind im Landeswaldgesetz (LWaldG) und im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Hier sind die wichtigsten Punkte:
- Öffentliches Interesse: Die Gemeinde muss ein öffentliches Interesse nachweisen, das die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt. Dies kann beispielsweise die Verbesserung der Waldstruktur oder die Erleichterung der Waldbewirtschaftung sein.
- Lage des Grundstücks: Das Waldgrundstück muss sich in einem Gebiet befinden, das für die Gemeinde von Interesse ist, wie z.B. in einem Waldgebiet, das für die Waldbewirtschaftung oder den Naturschutz wichtig ist.
- Fristen: Die Gemeinde hat in der Regel eine Frist von zwei Monaten nach Kenntnis des Kaufvertrags, um das Vorkaufsrecht auszuüben.
- Rechtliche Grundlagen: Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Verkäufer und hat den Charakter eines Verwaltungsakts.
Wenn die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausübt, tritt sie an die Stelle des ursprünglichen Käufers und erwirbt das Grundstück zu den im Kaufvertrag vereinbarten Bedingungen.
Kann ich als Käufer die Ausübung des Waldvorkaufsrechts durch die Gemeinde verhindern oder anfechten?
Wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt, bedeutet dies, dass sie anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag eintritt. Dies geschieht in der Regel, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, wie etwa die Verbesserung der Waldstruktur oder der Schutz von Naturschutzgebieten.
Möglichkeiten für den Käufer:
- Anfechtung des Bescheids: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Gemeinde das Vorkaufsrecht unrechtmäßig ausübt, können Sie gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Dies sollte innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgen.
- Prüfung der Voraussetzungen: Überprüfen Sie, ob die Gemeinde die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts erfüllt hat. Dazu gehört, dass ein öffentliches Interesse besteht und die Ausübung des Rechts sachgerecht erfolgt ist.
- Verhandlungen mit der Gemeinde: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, mit der Gemeinde zu verhandeln, um alternative Lösungen zu finden, die das öffentliche Interesse berücksichtigen und gleichzeitig Ihre Interessen als Käufer schützen.
- Rechtliche Beratung: Informieren Sie sich über die rechtlichen Grundlagen und Verfahren, um Ihre Rechte bestmöglich zu wahren. Dies kann helfen, die Ausübung des Vorkaufsrechts zu hinterfragen oder alternative Lösungen zu finden.
Wichtige Fristen und Verfahrensweisen:
- Frist zur Ausübung: Die Gemeinde hat in der Regel eine bestimmte Frist, um das Vorkaufsrecht auszuüben. Diese Frist variiert je nach Bundesland und Gesetzgebung.
- Bekanntgabe und Fristen: Die wirksame Bekanntgabe des Vorkaufsrechts und die Einhaltung der gesetzlichen Fristen sind entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Ausübung.
Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie vorgehen sollen, ist es ratsam, sich mit den rechtlichen Grundlagen vertraut zu machen und sich über die spezifischen Voraussetzungen und Verfahren in Ihrem Bundesland zu informieren.
Welche Rolle spielt der Naturschutz (Landschaftsschutzgebiet, FFH-Gebiet) bei der Ausübung des Waldvorkaufsrechts?
Der Naturschutz spielt eine bedeutende Rolle bei der Ausübung des Waldvorkaufsrechts durch Gemeinden. Wenn ein Grundstück in einem Landschaftsschutzgebiet, einem Vogelschutzgebiet oder einem FFH-Gebiet (Fläche von gemeinschaftlicher Bedeutung) liegt, kann dies die Entscheidung der Gemeinde, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, erheblich beeinflussen.
Naturschutzgebiete wie Landschaftsschutzgebiete und FFH-Gebiete sind durch spezifische Gesetze und Verordnungen geschützt. In Deutschland regelt das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) den Schutz solcher Gebiete. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann erfolgen, wenn dies zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Dazu gehören die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Schutz der Natur und Landschaft sowie die Förderung der Erholung in der freien Natur.
Beispiel: Wenn ein Waldgrundstück in einem FFH-Gebiet liegt, kann die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausüben, um die Waldstruktur zu verbessern oder um sicherzustellen, dass das Gebiet langfristig geschützt wird. Dies kann durch die Vermeidung von Störungen oder die Extensivierung der Landnutzung erreicht werden.
Rechtliche Grundlagen:
- § 66 BNatSchG regelt das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht auf Bundesebene.
- Landesrechtliche Regelungen, wie das bayerische Naturschutzgesetz, können zusätzliche Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts festlegen.
Anfechtung von Entscheidungen: Wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt, kann dies gerichtlich überprüft werden. Eine Anfechtung ist möglich, wenn die Entscheidung rechtswidrig ist, beispielsweise wenn die Voraussetzungen des Naturschutzes nicht ausreichend berücksichtigt wurden oder wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Gesetzliches Waldvorkaufsrecht
Das gesetzliche Waldvorkaufsrecht ist ein spezielles Vorkaufsrecht für Waldflächen, das Gemeinden nach dem Waldgesetz Baden-Württemberg (§ 25 LWaldG) zusteht. Es ermöglicht der Gemeinde, bei einem Verkauf von Waldgrundstücken anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag einzutreten und das Grundstück zu den vereinbarten Bedingungen zu erwerben. Dieses Recht dient dem öffentlichen Interesse am Waldschutz und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Die Gemeinde muss das Vorkaufsrecht innerhalb einer gesetzlichen Frist (in der Regel zwei Monate) ausüben und eine sachliche Begründung liefern, etwa den Schutz der Waldfunktionen.
Beispiel: Ein Waldgrundstück wird von Eigentümer A an Käufer B verkauft. Die Gemeinde erfährt vom Verkauf und entscheidet, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, um die Schutzfunktion des Waldes für das Grundwasser zu sichern. Sie tritt damit an die Stelle von Käufer B und erwirbt das Grundstück zu den gleichen Bedingungen.
Ausübungsfrist
Die Ausübungsfrist ist der gesetzlich festgelegte Zeitraum, innerhalb dessen ein Vorkaufsberechtigter (hier: die Gemeinde) sein Vorkaufsrecht geltend machen kann. Im Fall des Waldvorkaufsrechts beträgt diese Frist in der Regel zwei Monate ab Mitteilung des Kaufvertrags. Laut dem Urteil des VGH Baden-Württemberg ist das Ende dieser Frist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines ausgeübten Vorkaufsrechts. Alle Voraussetzungen für die rechtmäßige Ausübung müssen zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Die Frist dient der Rechtssicherheit und gibt allen Beteiligten Klarheit über den zeitlichen Rahmen.
Beispiel: Eine Gemeinde erhält am 1. März Kenntnis von einem Waldgrundstücksverkauf. Die zweimonatige Ausübungsfrist endet somit am 1. Mai. Entscheidet die Gemeinde am 28. April, das Vorkaufsrecht auszuüben, müssen alle rechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein.
Schutzfunktion des Waldes
Die Schutzfunktion des Waldes bezieht sich auf die ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen, die Wälder erbringen und die durch das Waldgesetz geschützt werden sollen. Dazu gehören insbesondere der Schutz von Boden, Wasser, Klima, Luftreinhaltung und Biodiversität sowie die Erholungsfunktion für die Menschen gemäß § 1 LWaldG. Diese Schutzfunktionen stellen ein wichtiges öffentliches Interesse dar und können eine rechtfertigende Grundlage für die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts sein. Der Schutz dieser Funktionen kann die Einschränkung privater Eigentumsrechte rechtfertigen.
Beispiel: Eine Gemeinde übt ihr Vorkaufsrecht für ein Waldgrundstück aus, weil es sich um einen Hangwald handelt, der eine wichtige Funktion für den Erosionsschutz und den Wasserhaushalt im dahinterliegenden Siedlungsgebiet erfüllt.
Dem Wald dienende Fläche
Eine „dem Wald dienende Fläche“ ist laut dem VGH-Urteil ein Grundstück, das nicht unbedingt vollständig bewaldet sein muss, aber einen sachlichen Bezug zur vorhandenen Waldfläche aufweist und einen objektiv relevanten Nutzen für die verbundene Waldfläche hat. Diese Definition erweitert den Anwendungsbereich des Waldvorkaufsrechts auch auf teilweise bewaldete oder angrenzende Flächen, wenn sie funktional mit dem Wald verbunden sind und dessen Bewirtschaftung oder Schutzfunktion unterstützen. Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang mit angrenzenden Waldflächen.
Beispiel: Eine Lichtung innerhalb eines Waldgebiets, die als Biotop für waldtypische Pflanzen dient oder ein Waldrandgrundstück, das als Pufferzone zum Schutz des Waldinneren vor äußeren Einflüssen fungiert, kann als „dem Wald dienende Fläche“ gelten.
Berufungsverfahren
Ein Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen erstinstanzlicher Gerichte, in diesem Fall gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Die Berufung ermöglicht eine erneute vollständige Überprüfung des Rechtsstreits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch ein höheres Gericht (hier: den VGH Baden-Württemberg). Das Berufungsgericht kann die Entscheidung der Vorinstanz bestätigen, ändern oder aufheben. Im Verwaltungsprozess ist die Berufung in § 124 VwGO geregelt und an bestimmte Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden.
Beispiel: Nachdem das Verwaltungsgericht Stuttgart der Klage gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts stattgegeben hatte, legte die beklagte Gemeinde Berufung ein. Der VGH Baden-Württemberg änderte daraufhin das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab.
Notarieller Kaufvertrag
Ein notarieller Kaufvertrag ist ein durch einen Notar beurkundeter Vertrag über den Kauf einer Immobilie oder eines Grundstücks. Die notarielle Beurkundung ist gemäß § 311b BGB für Grundstücksgeschäfte gesetzlich vorgeschrieben und Voraussetzung für die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch. Der Notar prüft die Identität der Parteien, klärt über Rechte und Pflichten auf und sorgt für eine rechtssichere Gestaltung des Vertrags. Der notariell beurkundete Kaufvertrag ist auch die Grundlage für die Ausübung eines Vorkaufsrechts.
Beispiel: Der Kläger schloss mit dem Verkäufer (Beigeladener) einen notariellen Kaufvertrag über ein Waldgrundstück. Nach Mitteilung dieses Vertrags an die Gemeinde hatte diese die Möglichkeit, ihr Vorkaufsrecht auszuüben und in die im Vertrag festgelegten Bedingungen einzutreten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 1 LWaldG (Landeswaldgesetz Baden-Württemberg): Diese Vorschrift räumt der Gemeinde ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken ein, wenn dies zur Sicherstellung der Schutzfunktion des Waldes erforderlich ist. Das Vorkaufsrecht erlaubt es der Gemeinde, anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag einzutreten, um bestimmte öffentliche Interessen zu wahren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gemeinde beruft sich auf dieses Gesetz, um das Grundstück zu erwerben und begründet dies mit der Sicherstellung der Schutzfunktion des Waldes.
- § 2 Abs. 2 LWaldG (Landeswaldgesetz Baden-Württemberg): Diese Definition bestimmt, wann eine Fläche als „dem Wald dienend“ gilt, was für die Anwendung des Vorkaufsrechts relevant ist. Ein sachlicher Bezug und ein objektiver Nutzen einer Fläche für den Wald reichen hierfür aus, was die Einordnung auch von Randflächen als Wald ermöglichen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob das gekaufte Grundstück tatsächlich „dem Wald dient“, um die Rechtmäßigkeit des Vorkaufsrechts zu beurteilen, da ein Teil des Grundstücks als Grünland und nicht direkt als Waldfläche klassifiziert war.
- § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB (Baugesetzbuch): Diese allgemeine Regelung im Baugesetzbuch gibt Gemeinden ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken, die in Gebieten liegen, für die im Flächennutzungsplan Wald dargestellt ist. Dieses Vorkaufsrecht dient der städtebaulichen Ordnung und der Verwirklichung der Planungshoheit der Gemeinde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl das Landeswaldgesetz spezifischer ist, könnte das Baugesetzbuch eine zusätzliche Grundlage für das Vorkaufsrecht bieten, da Waldflächen regelmäßig auch in Flächennutzungsplänen dargestellt sind und somit ein generelles kommunales Interesse an solchen Flächen besteht.
- Landesnaturschutzgesetz Baden-Württemberg (LNatSchG BW) / Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG): Diese Gesetze regeln den Schutz von Natur und Landschaft, einschließlich Landschaftsschutzgebieten, Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten. Sie dienen dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der natürlichen Lebensgrundlagen. Strengere Schutzvorschriften können in solchen Gebieten gelten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Lage des Grundstücks in Schutzgebieten wird von der Gemeinde als zusätzliches Argument für die Ausübung des Vorkaufsrechts angeführt, da sie in öffentlicher Hand eine bessere Durchsetzung der Schutzziele erwartet.
- Verhältnismäßigkeitsprinzip im Verwaltungsrecht: Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der besagt, dass eine staatliche Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um einen legitimen Zweck zu erreichen. Die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen und muss das mildeste Mittel darstellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat implizit geprüft, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde verhältnismäßig war, indem es die Begründung der Gemeinde hinsichtlich der Sicherstellung der Schutzfunktion des Waldes und der Verbesserung der Waldstruktur würdigte.
Das vorliegende Urteil
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 5 S 261/24 – Urteil vom 24.10.2024
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