VERWALTUNGSGERICHT Mainz
Az.: 4 K 555/00.MZ
Verkündet am 25.04.2001
In dem Verwaltungsrechtsstreit w e g e n Befristung der Ausweisung hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2001, an der teilgenommen haben für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechts
streits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Der gemäß amtlicher türkischer Personenstandserklärung am 01.01.1972 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er zog 1983 ins Bundesgebiet zu wo sein Vater als Gastarbeiter tätig war. 1989 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit 1990 ist der Kläger strafrechtlich in Erscheinung getreten. So verhängte das Amtsgericht Bingen 1990 zwei Freizeiten Jugendarrest wegen Einbruchsdiebstahls. Im gleichen Jahr wurde der Kläger unter Auferlegung einer Geldbuße wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwarnt. Diese Vorkommnisse nahm die Ausländerbehörde zum Anlass, ihn ausländerrechtlich zu verwarnen. Im Dezember 1994 wurde der Kläger vom Amtsgericht Bingen durch Strafbefehl wegen Hehlerei zu 30 Tagessätzen à 50,– DM verurteilt. Im Anschluss daran erging gegen ihn die zweite ausländerrechtliche Verwarnung. Mit Urteil des Amtsgerichts Bingen vom 02. November 1995 wurde der Kläger wegen sexueller Nötigung in Verbindung mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Mit Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 14. Juni 1996 erhielt er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung. Mit Gesamtfreiheitsstrafenbeschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 03. Dezember 1996 wurde ein Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten ohne Bewährung gebildet. Im März.1997 erfolgte eine dritte ausländerrechtliche Verwarnung nachdem der Kläger kurz zuvor festgenommen worden war. Im Juli 1997 erhielt der Kläger vom Amtsgericht Mainz wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung.
Mit Polizeiverfügung vom 20. Juli 1998 wies der Beklagte den Kläger aus und ordnete die Abschiebung in die Türkei nach der Haftentlassung an.
In der Haft heiratete der Kläger am 02. Februar 1999 die Mutter seines am 15. Juni 1994 geborenen Kindes Samed Hirschmann. Die Ehefrau des Klägers ist deutsche Staatsangehörige.
Unter dem 03. September 1999, traf die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach eine Entscheidung nach § 456 a StPO dahingehend, dass nach der Abschiebung des Klägers keine weitere Vollstreckung mehr stattfindet. Bei einer Rückkehr ins Bundesgebiet vor Verjährung der Strafvollstreckung ergehe jedoch Haftbefehl. Weiter sei dann die restliche Strafe zu verbüßen.
Unter dem 06. September 1999 befristete der Beklagte die Wirkungen der auf drei Jahre nach der erfolgten Ausreise. Dies geschah im Hinblick auf die Deutschverheiratung des Klägers. Mit Widerspruch vom 06. Oktober 1999 brachte der Kläger dagegen vor, dass die Frist von drei Jahren zu lang sei. Insbesondere wegen dem gemeinsamen Kind sei eine Lebensgemeinschaft nur in Deutschland möglich.
Mit Beschluss vom 28. September 1999 (vgl. VG Mainz 2 L 907/99) lehnte das Verwaltungsgericht Mainz einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Polizeiverfügung vom 20. Juli 1998 ab.
Am 20. Oktober 1999 wurde der Kläger in die Türkei abgeschoben.
Im Februar 2000 teilte die deutsche Ehefrau des Klägers über ihre Rechtsanwältin der Ausländerbehörde mit, dass sie beabsichtige einen Scheidungsantrag zu stellen. Am 08. März 2000 bestätigte die Ehefrau dies persönlich gegenüber der Ausländerbehörde.
Mit Bescheid vom 08. März 2000 widerrief der Beklagte daraufhin die unter dem 06. September 1999 ausgesprochene Befristung der Ausweisung und lehnte gleichzeitig eine Befristung der Ausweisung ab. In der Begründung dieser Entscheidung heißt es, dass die deutsche Ehefrau die Scheidung beantragt habe, sie wolle keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr aufnehmen. Sie wünsche auch keinen Kontakt des Kindes mit dem Kläger. Dieser habe im Übrigen das Kind nicht für ehelich erklärt und sei auch nicht Inhaber eines Sorgerechts.
Am 09. März 2000 hat der Kläger dagegen Widerspruch eingelegt und vorgebracht, dass ihm ein Umgangsrecht mit seinem Kind zustehe. Ein Scheidungsverfahren sei noch nicht anhängig geworden. Er habe mit seiner Ehefrau schon vor der Haft zusammengelebt. In der Haft habe sie ihn besucht.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund mündlicher Erörterung vom 09. März 2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Bescheid vom 08. März 2000 sei nicht zu beanstanden. Der Widerruf der Befristung vom 06. September 1999 sei nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG erfolgt. Es seien nämlich nachträglich Tatsachen eingetreten, die die Ausländerbehörde berechtigt hätten eine Befristung von vornherein abzulehnen. Eine Befristung der Ausweisung sei seinerzeit nur wegen der Heirat des Klägers sowie der Absicht eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen ausgesprochen worden. Die Ehefrau habe aber nunmehr mitgeteilt, dass sie sich scheiden lassen wolle und dementsprechend nicht mehr die Absicht habe eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen. Die Ehefrau wünsche auch keine Kontakte des Kindes zum Kläger. Dieser habe sein Kind nicht für ehelich erklärt. Er sei auch nicht Inhaber eines Sorgerechts. Falle die Schutzwirkung des Art. 6 GG für den Kläger aber weg, dann sei die seinerzeit ausgesprochene Befristung der Ausweisung auf drei Jahre im Hinblick auf seine Straftaten, sein Verhalten in der Justizvollzugsanstalt sowie unter Berücksichtigung der ausländerbehördlichen Praxis in vergleichbaren Fällen erheblich zu kurz. Aus den selben Gründen sei es der Ausländerbehörde möglich gewesen den Befristungsantrag abzulehnen. Die Tilgungsfrist im Bundeszentralregister für die beiden letzten Straftaten des Klägers betrage 15 Jahre. Aber auch ein Anknüpfen daran würde der Schwere der vom Kläger begangenen Taten nicht gerecht werden. Bei einer Regelausweisung wie vorliegend bestehe kein Anspruch auf eine Befristung der Ausweisung, weil dann ein Widerspruch zu den öffentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland entstünde. Der Kläger habe auch die Abschiebekosten noch nicht erstattet. Auch dies sei ein Umstand, der einer Befristung der Ausweisung entgegenstehe.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2000 hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Er sei zur Zeit in der Türkei beim Militär. Kontakte zur Ehefrau unterhalte er derzeit nicht, weil er beim Militär praktisch keine Möglichkeit habe ins Ausland zu telefonieren. Bis Mai 2000 habe er telefonischen Kontakt zur Ehefrau gehabt. Es gebe aber derzeit Kontakte der Ehefrau mit seiner Familie in Deutschland. Ein Scheidungsantrag sei immer noch nicht gestellt worden. Ein Prozesskostenhilfeantrag der Ehefrau im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bingen sei abgelehnt worden. In der mündlichen Verhandlung am 25. April 2001 trug der Verfahrensbevollmächtigte vor, dass ihm von einem Scheidungsantrag immer noch nichts bekannt geworden sei.
Der Kläger beantragt, die Bescheide vom 06. September 1999 und 08. März 2000 sowie den 09. März 2000 aufzuheben und den ihn unter Berücksichtigung der Rechts Widerspruchsbescheid vom Beklagten zu verpflichten, auffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, Klageabweisung und stützt sich dafür auf den Widerspruchsbescheid vom 09. Närz 2000. Im Oktober 2000 habe die Ehefrau der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass weiterhin kein Kontakt zum Kläger bestehe. Er rufe einmal in der Woche an. Sie lege dann den Hörer auf. Das gemeinsame Kind lehne ihn ebenfalls ab. Sie habe das alleinige Sorgerecht und dies solle auch so bleiben. Sie stehe auch nicht in Kontakt zur Familie des Klägers. Von dort werde sie ab und zu angerufen und gebeten, keinen Scheidungsantrag zu stellen. Sie sei nach wie vor entschlossen sich scheiden zu lassen. Sie wolle nur das Trennungsjahr abwarten. Der Kläger schicke ihr kein Geld aus der Türkei. Er habe auch keine Anträge bezüglich eines Sorgerechts oder eines Besuchsrechts gestellt. Zum Geburtstag des Kindes habe er sich nicht gemeldet.
In der mündlichen Verhandlung am 25. April 2001 hat der Vertreter des Beklagten weiter mitgeteilt, dass es auch nach dem Oktober 2000 noch telefonische Kontakte der Ausländerbehörde mit der Ehefrau gegeben habe. Sie habe nach wie vor kein Interesse an einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Eltern des Klägers drängten sie die Ehe aufrecht zu erhalten.
Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Schriftsätze verwiesen. Dem Gericht lagen die Akten des Beklagten vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dafür kann zunächst nach § 117 Abs. 5 VwGO im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid vom 09. März 2000 Bezug genommen werden.
Zusammengefasst ist Folgendes festzustellen: Der Widerruf der Befristung der Ausweisung vom 06. September 1999 ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage dafür ist § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Ausländerbehörde hat die Ausweisung des Klägers seinerzeit nur im Hinblick auf seine Heirat sowie die Absicht, nach Haftentlassung eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen, befristet. Seit Anfang 2000 ist davon auszugehen, dass keine Absicht eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen mehr besteht und spricht auch vieles dafür, dass die Ehefrau des Klägers sich scheiden lassen will. Abgesehen davon, dass wegen des von der Behörde im Rahmen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG auszuübenden Ermessens hier auf die Sach- und Rechtslage im,.Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides abzustellen ist, hat sich bis zur mündlichen Verhandlung vor Gericht an diesen Umständen offensichtlich nichts geändert, wie sich insbesondere aus dem Vortrag des Beklagten über Mitteiltngen der Ehefrau ihm gegenüber ergibt.
Der Beklagte konnte auch den Antrag auf Befristung der Ausweisung ablehnen. Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG werden die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet. In den Sätzen 1 und 2 heißt es, dass ein Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches nach dem Ausländergesetz keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
Insoweit kann maßgeblich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 2000 – Az.: 1 C 5/00 – (vgl. NVwZ 00, S. 1422) Bezug genommen werden. Danach besteht in einem Fall, der kein Regelfall im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 3 AuslG ist (also in einem Ausnahmefall), kein Anspruch auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung. Die Ausländerbehörde ist in einem derartigen Ausnahmefall nicht einmal befugt eine Befristung zu gewähren (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 1424).
Nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts ist unter anderem auf das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie die mit der Ausweisung verfolgten spezial- und generalpräventiven Zwecke abzustellen. Umstände die gleichwohl für einen Regelfall sprechen, können sich z.B. aus Art. 6 des Grundgesetzes ergeben.
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass der Kläger nicht die Befristung seiner Ausweisung und Abschiebung beanspruchen kann bzw. dass der Beklagte eine Befristung nicht aussprechen darf.
Die Ausweisungsgründe wiegen schwer. Im Falle des Klägers lag an sich sogar eine sogenannte Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG vor. Da er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG genoss, wurde daraus nach § 47 Abs. 3 AuslG eine Regelausweisung, was immer noch sehr schwer wiegt, da in diesen Fällen nur bei Vorliegen besonderer Umstände von einer Ausweisung abgesehen werden kann. Weiter ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Kläger BTM-Täter ist. Gerade BTM-Tätern soll aber nach einer Äußerung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren eine Regelbefristung der Ausweisung nicht zugute kommen (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 1423).
Weiter war im Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides (aber auch danach) nichts dafür ersichtlich, dass die mit der Ausweisung verfolgten spezialpräventiven Zwecke auch nach einer längeren Frist voraussichtlich erreicht sein würden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den Beschluss des VG Mainz vom 28. September 1999 (vgl. dort S. 9) hinzuweisen, wonach dem Kläger bei einer festzustellenden hohen Gefährlichkeit jegliche positive Zukunftsperspektive fehle. Der zu beurteilende Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass nach der Ausweisung des Klägers Umstände eingetreten sind, die es nahelegen dies nunmehr anders zu sehen. Auch der Kläger selbst trägt insoweit nichts vor.
Auf Art. 6 des Grundgesetzes kann der Kläger sich vorliegend nicht berufen. Insoweit ist auf die Feststellungen oben im Rahmen von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG Bezug zu nehmen. Der Kläger ist zwar noch verheiratet. Indessen will seine Ehefrau sich scheiden lassen. Insbesondere aber lehnt sie seit nunmehr eineinhalb Jahren beharrlich ab eine eheliche Lebensgemeinschaft mit ihm aufzunehmen. Sie lehnt auch Kontakte ihres Kindes zum Kläger ab, der sich nach ihren glaubhaften Worten auch nicht um das Kind kümmert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.
B e s c h l u s s der 4.Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 25. April 2001
Der Streitwert wird auf 8.000,– DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 S. 2 GKG).