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Auffahrunfall in einen schlecht beleuchteten Bagger

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

Az.: 14 U 53/98

Verkündet am 2. Oktober 1998

Vorinstanz: LG Kleve – Az.: 1 O 437/97


In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung 11. September 1998 für R e c h t  erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Januar 1998 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, daß die Klage gegen den Beklagten zu 1) dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs – auch über die Kosten der Berufung – wird die Sache an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Beklagten zu 3).

 

T a t b e s t a n d

Der  Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 09.11.1996. Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Kläger gegen 6.10 Uhr mit seinem Pkw VW Passat die an der Unfallstelle gut ausgebaute gerade verlaufende Bundesstraße 9 außerorts. Es herrschte Dunkelheit, die Fahrbahn war naß. In gleicher Fahrtrichtung vor dem Kläger war der Beklagte zu 1) mit einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine, einem Bagger Typ Atlas, Höchstgeschwindigkeit 20 km/h, auf Anordnung seiner Arbeitgeberin unterwegs zu seiner Arbeitsstelle. Er hielt die technisch mögliche Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h ein. Der Kläger fuhr frontal auf die hinten am Bagger angebrachte Schiebeschaufel auf und wurde schwer verletzt.

Der Kläger hat behauptet, der vom Beklagten zu 1) geführte Bagger sei aufgrund einer für den normalen Verkehr völlig unzureichenden Beleuchtung kaum zu erkennen gewesen. Bereits vor dem Unfall hätten drei andere Verkehrsteilnehmer erhebliche Schwierigkeiten gehabt, den Bagger auf der B 9 zu erkennen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten zu 1) und 3) seien ihm unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens zu zwei Dritteln zum Schadensersatz verpflichtet.

Die Beklagten haben geltend gemacht, der Unfall sei allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten des Klägers zurückzuführen, der bei einer Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h nicht auf Sicht gefahren sei.

Wegen des Vorbringens zur Schadenshöhe wird auf den landgerichtlichen Tatbestand Seiten 3 und 4, wegen der Einzelheiten des Prozeßverlaufs sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge auf Seiten 4 und 5 f desselben (B1. 88 f, 89 sowie 90 f d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, gegen den Beklagten zu 1) mit der Begründung, dieser habe sich vorschriftsmäßig verhalten.

Gegen das Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Die Berufung gegen die Beklagte zu 3) hat er zurückgenommen.

Der Kläger greift die Feststellungen des angefochtenen Urteils an, weil die erstinstanzlich benannten Zeugen verfahrenswidrig nicht vernommen worden seien. Er behauptet nach wie vor, daß die Beleuchtungseinrichtungen der Arbeitsmaschine nicht funktionstüchtig gewesen seien. Er benennt weitere Zeugen dafür, daß diese nicht intakt gewesen seien.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu 1) nach den erstinstanzlichen Schlußanträgen des Klägers zu verurteilen.

Der Beklagte zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, aus den Angaben der im Ermittlungsverfahren gehörten Zeugen wie auch des Beklagten zu 1) ergebe sich gerade, daß der Bagger von hinten aufgrund seiner Beleuchtung zu erkennen gewesen sei. Der Kläger habe in erster Instanz gestanden, daß die Beleuchtungseinrichtung funktionstüchtig und nicht verdreckt gewesen sei.

Die Ermittlungsakte 16 Js 1087/96 StA K war Gegenstand  der mündlichen Verhandlung.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung hat insoweit Erfolg, als die Klage gegen den Beklagten zu 1) nicht abzuweisen ist. Die vom Kläger erhobenen

Ansprüche auf Schadensersatz bestehen dem Grunde nach.

Der Beklagte zu 1) haftet dem Kläger aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 StVO.

Der Beklagte zu 1) hat es als Verkehrsteilnehmer entgegen seiner Verpflichtung aus § 1 Ab s. 2 StVO versäumt, durch Einschalten des unstreitig am Bagger vorhandenen Warnblinklichts den Kläger auf die vorhandene Gefahr aufmerksam zu machen, und dadurch dessen Eigentum und Gesundheit beschädigt.

Die Betätigung der Warnblinkanlage war gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 StVO in der zur Unfallzeit geltenden Fassung erlaubt und gemäß § 1 Abs. 2 StVO geboten. Durch die 24. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 07.08.1997 wurde u .a. die besonders langsame Fahrweise auf schnell befahrenen Straßen ausdrücklich als Beispiel für die Zulässigkeit des Einschaltens des Warnblinklichts gemäß § 16 Abs. 2 StVO aufgeführt. Auch vor der Änderung der Vorschrift war bereits weithin anerkannt, daß Langsamfahren unter besonderen Umständen das Einschalten der Warnblinkanlage rechtfertigen und gebieten kann (OLG Celle VersR 77, 454 f; OLG Frankfurt NJW 85, 1353; Jagusch/Hentschel StVR 33. Aufl. § 16 StVO Rz. 8; Mühlhaus/ Janiszewski StVO 12. Aufl. Rz. 11 zu § 16; vgl. auch OLG Hamm VersR 92, 700 f; ferner Hentschel NJW 98, 344, 348, der die Ergänzung der Verordnung für überflüssig hält).

Solche besonderen Umstände lagen hier vor. Der Bagger fuhr mit einer extrem langsamen Geschwindigkeit von 6 km/h. Zwar galt für den Unfallort keine Mindestgeschwindigkeit, so daß Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auch mit Fahrzeugen, die ohne Verkehrsverstoß sehr langsam fuhren, rechnen mußten. Je doch kommt die hier eingehaltene, gleichzeitig technisch höchstmögliche Geschwindigkeit praktisch dem Ziegenbleiben nahe und bildet eine nahezu gleiche Gefahr. Hinzu kommt, daß der Bagger aufgrund seines Gewichts und seiner stabilen Bauweise, insbesondere der im Heckbereich angebrachten Schiebeschaufel, die die Verformbarkeit des Fahrzeugs stark einschränken, ein besonders gefährliches Hindernis bildete.

Die hinzutretenden Licht- und Witterungsbedingungen machten einen Unfall durch Auffahren derart wahrscheinlich, daß eine Gefährdung i.S.v. § 1 Abs. 2 StVO ohne entsprechende Warnung des nachfolgenden Verkehrs gegeben war. Wegen der Dunkelheit in Verbindung mit Fahrbahnnässe waren die Sichtmöglichkeiten aller Verkehrsteilnehmer eingeschränkt. Die Umrisse des Baggers und damit eine Signalwirkung im Hinblick auf die Hindernisbildung, waren erst im Scheinwerferlicht herannahender Fahrzeuge erkennbar. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO kann auch im Unterlassen einer gebotenen Warnung – ohne Hinzutreten eigener verkehrswidriger Fahrweise – liegen (Jagusch/Hentschel a.a.0. § 1 StVO Rz. 36; auch § 3 StVO Rz. 47). So ist es hier.

Das sorgfaltswidrige Verhalten des Beklagten zu 1) war auch fahrlässig. Er hätte den möglichen Unfall vorhersehen können. Die Umstände, die die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mit. sich brachten, waren ihm klar. Er konnte nicht allein deswegen, weil er von anderen Fahrzeugen, nämlich zumindest denjenigen der vom Kläger in erster Instanz benannten Zeugen überholt wurde, annehmen, eine Gefahrenlage bestehe nicht. Allein der Umstand, daß bei Einhaltung der gebotenen Aufmerksamkeit durch den nachfolgenden Verkehr die Verwirklichung der Gefahr vermieden werden konnte, beseitigte nicht die Gefahrenlage, wie der Beklagte sich sagen mußte. Ihm mußte ebenfalls klar sein, daß er durch Betätigung der vorhandenen Warnblinkanlage der Gefahr entgegenwirken konnte. Der Verkehrsverstoß war auch kausal für den Unfall; denn es

Die Berücksichtigung der Einwendung des mitwirkenden Verschuldens des Klägers bleibt dem Verfahren zur Höhe vorbehalten. Diese Einwendung kann unter keinen Umständen dazu führen, daß eine Haftung des Beklagten zu 1) ganz entfällt. Auch unter Zugrundelegung des von ihm in Anspruch genommenen günstigsten Sachverhalts, wonach er sich im übrigen verkehrsgerecht verhalten hat, insbesondere mit intakter und nicht verschmutzter Beleuchtungseinrichtung am Bagger gefahren ist, während der Kläger eine Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h eingehalten hat, bleibt seine Haftung bestehen. Das Verschulden des Klägers würde auch dann nicht derart überwiegen, daß dahinter dasjenige des Beklagten zu 1) gänzlich zurücktreten könnte. Die vom Beklagten schuldhaft gesetzte Ursache für den Unfall und dessen Folgen hat vielmehr ein solches Gewicht, daß seine Haftung gegenüber dem Ursachenbeitrag des Klägers auch bei dessen grobem Verschulden zu einem, wenn auch möglicherweise geringen Teil, bestehen bleibt.

Der Rechtsstreit ist dem Grunde nach gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3, 304 ZPO zu entscheiden, da in erster Instanz auch die Höhe des Anspruchs streitig war. Auch in zweiter Instanz könnte über die Höhe des Anspruchs nicht ohne Beweisaufnahme entschieden werden. Unter anderem waren und sind der unter Beweis gestellte Nebenverdienst des Klägers sowie dessen Nettolohn bestritten. Das gleiche gilt hinsichtlich der gesundheitlichen Dauerschäden.

Unter diesen Umständen ist es zulässig und auch geboten, die Entscheidung über die Einwendung des mitwirkenden Verschuldens dem Nachverfahren in erster Instanz vorzubehalten. Andernfalls wäre auch in zweiter Instanz eine ‑ zusätzliche Beweisaufnahme zumindest zur Frage des Zustandes der Beleuch­tungseinrichtung erforderlich. Wären diese defekt oder verschmutzt gewesen, so hätte dies einen Einfluss auf die Abwägung der Haftungsbeiträge beider Seiten. Ein bindendes Geständnis des ordnungsgemäßen Zustands der Beleuchtungseinrichtung durch den Kläger gemäß § 288 Abs. 2 ZPO liegt entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung nicht vor. Der Kläger hat auf die Einführung der ihm nachteiligen Angaben der Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren lediglich ausgeführt, darauf, daß die Beleuchtungseinrichtung funktionstüchtig gewesen sei, komme es nicht an. Darin gelangt nicht der Wille zum Ausdruck, die seinem bisherigen Vorbringen entgegenstehende Behauptung der Gegenseite als richtig zuzugestehen. Vielmehr geht es ihm nach dem Zusammenhang nur darum, die Aussagen der Polizeibeamten als unwesentlich darzustellen (Bl. 57 f d.A.).

Da die Berufung gegen die Beklagte zu 3) zurückgenommen wurde, ist auf, deren Antrag die Kostenfolge des § 515 Abs. 3 ZPO auszusprechen. Auf die früheren Beklagten zu 2) und 4), gegen die die Klage bereits in erster Instanz zurückgenommen worden war, hat sich das Rechtsmittel nicht erstreckt. Deren Aufführung in der Berufungsschrift ist nicht als Klageerweiterung aufzufassen.

Streitwert der Berufung: 92.820,36 DM

Beschwer beider Parteien: über 60.000 DM

 

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