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Bambus ragt aufs Nachbargrundstück – Beseitigungsanspruch

Amtsgericht Schwetzingen

Az.: 51 C 39/00

Urteil vom 19.04.2000


In dem Rechtsstreit wegen Vornahme einer Handlung hat das Amtsgericht Schwetzingen auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.2000 für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die auf dem Grundstück … an der Grenze zum Grundstück … befindlichen Bambuspflanzen auf eine Höhe von 1,80 m zurück zu schneiden, jedoch nicht in der Zeit vom 01. März bis 30. September.

2. Die Beklagten werden desweiteren als Gesamtschuldner verurteilt, die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Halme der Bambuspflanzen zu beseitigen.

3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Kläger abwenden gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000,-DM.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch die unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft eines inländischen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.

TATBESTAND:

Die Parteien sind Nachbarn. Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens. An das Anwesen der Kläger grenzt das Grundstück an, dessen Eigentümer die Beklagten sind. Entlang der Grenze sind auf dem Grundstück der Beklagten mehrere Bambuspflanzen angepflanzt, von denen einzelne Zweige in das Grundstück der Kläger hineinragen.

Die Kläger behaupten, die streitgegenständlichen Bambuspflanzen würden eine Hecke i.S.d. NRG bilden, deren Ausmaße eine Länge von ca. 6 m und eine Höhe von ca. 5 m aufweisen. Die Bambushecke sei ohne Einhaltung eines Grenzabstandes angepflanzt. Durch die Grenzbepflanzung würden die im Anwesen der Kläger befindlichen Wohnungen beeinträchtigt.

Die Kläger stellen folgende Anträge:

Die Beklagen werden verurteilt,

a) die auf dem Grundstück der Beklagten … an der Grenze zum Grundstück der Kläger, … befindliche Bambushecke auf die Höhe von 1,80 Meter zurück zu schneiden

hilfsweise:

den Bambus auf die Höhe von 2,00 Meter zurück zu schneiden.

b) die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Halme des Bambus zu beseitigen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten, dass die Bambuspflanzen ohne Einhaltung eines Grenzabstandes gepflanzt worden seien. Als die Einpflanzung erfolgt sei, sei das Grundstück der Kläger noch nicht bebaut gewesen. Im übrigen handele es sich bei der Anpflanzung nicht um eine „Bambushecke“. Die streitgegenständlichen Anpflanzungen würden auch nicht von § 16 NRG erfasst. Eine Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse der im Untergeschoß des Anwesens der Kläger befindlichen Wohnung sei nicht vorhanden. In dem Baugebiet, in welchem die Grundstücke der Parteien lägen, sei es normal, dass an der Grundstücksgrenze Bepflanzungen mit entsprechender Höhe vorgenommen würden, um ein Minimum an Privatsphäre zu gewährleisten. Eine Verkürzung der Bambuspflanzen würde keine Verbesserung der Lichtverhältnisse herbeiführen, so dass die Geltendmachung eines entsprechenden Anspruches der Kläger einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung darstelle bzw. gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB verstoße.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der in den Akten befindlichen Lichtbilder. Ferner wurden die streitgegenständlichen Bepflanzungen gem. Beweisbeschluss vom 13.04.2000 in Augenschein genommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 13.04.2000 wird Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

1.

Die Kläger haben gem. § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 16 NRG gegen die Beklagten als Störer einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung ihres Eigentums in Form der Verkürzung der an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angepflanzten Bambuspflanzen.

Die streitgegenständlichen Pflanzen stellen zwar keine „Hecke“ i.S.d. § 12 NRG dar. Dies gilt sowohl für den Zustand, welcher sich von den Klägern vorgelegten Lichtbild (vgl. Bl. 11) entnehmen lässt, als auch für die Beschaffenheit der Pflanzen im Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme, nachdem eine Auslichtung durch die Beklagten durchgeführt wurde. Eine Hecke i.S.d. NRG setzt voraus, dass es sich um eine Gruppe gleichartig wachsender Gehölze handelt, die in langer und schmaler Erstreckung aneinander gereiht sind. Wesentlich ist insbesondere die Geschlossenheit des Pflanzenkörpers unter sich, der Verbund zu einer wandartigen, wenn auch manchmal etwas gegliederten Formation (vgl. Pelka, Nachbarrecht, 18. Aufl., S. 118). Diesen für den Begriff einer „Hecke“ erforderlichen Dichtschluss vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dies gilt für den Zustand, wie er sich auf dem von den Klägern vorgelegten Lichtbild (As. 11) darstellt und erst recht auch für den Zustand, wie er im Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme vorhanden war. Es handelt sich vielmehr um einzelne Bäume, bzw. um eine Baumreihe, welche keinen wandartigen geschlossenen Verbund bilden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten fallen die streitgegenständlichen Bambuspflanzen jedoch unter die Vorgaben des § 16 NRG. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Abstands- und Höhenbeschränkungen gelten für „Gehölze“. Unter diesem Sammelbegriff werden alle laubabwerfenden, wintergrünen oder immergrünen Pflanzen geführt, deren oberirdische Sproßteile verholzen und ausdauernd auch den Winter überstehen. Zwar wird der Bambus üblicherweise unter botanischen Gesichtspunkten den Gräsern zugeordnet. Diese botanische Einordnung kann allerdings für § 16 NRG nicht entscheidend sein. Vielmehr ist dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entsprechend, Ausgleich der sich widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, darauf abzustellen, die jeweilige Bepflanzung zu einer Verholzung führt. Dieses Merkmal ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Pflanzungen zu bejahen. Dies ergibt sich sowohl aus den in den Akten befindlichen Lichtbildern als auch aus den Feststellungen, die bei der Inaugenscheinnahme getroffen wurden. Die Bambuspflanzen verfügen über hölzerne Stämme, die eine Achse für den Gesamtpflanzenkörper bilden. Die Bambuspflanze ist daher dem Sammelbegriff der „Gehölze“ i.S.d. § 16 NRG zuzurechnen (so offensichtlich auch Pelka a.a.O., §16 NRG, S. 131).

Wie die Inaugenscheinnahme ergeben hat, sind die streitgegenständlichen Bambusstauden nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand des § 16 NRG angepflanzt. Gem. § 16 Abs. 1 Ziff. 1 a NRG dürfen diese Pflanzen eine Höhe von 1,80 Meter nicht überschreiten. Diese Vorgabe darf gem. § 16 Abs. 1 Ziff. 1 a i.V.m. Ziff. 2, Abs. 2 NRG nur dann überschritten werden, wenn die Pflanzen mindestens einen Meter von der Grundstücksgrenze entfernt angepflanzt sind. Dabei konnte offen bleiben, ob sich die Bambuspflanzen direkt auf der Grundstücksgrenze – so die Kläger – befinden oder ob sie einen Abstand zu dieser einhalten. Denn wie die Feststellungen anlässlich der Inaugenscheinnahme ergeben haben, liegt dieser Abstand jedenfalls unter dem gesetzlich erforderlichen Mindestabstand von einem Meter. Eine zahlenmäßige Abstandsmessung konnte zwar nicht durchgeführt werden. Das Gericht konnte sich aber davon überzeugen, dass die streitgegenständlichen Bambuspflanzen in einem Abstand von weniger als einem Meter zur Grundstücksgrenze eingepflanzt sind. Da mithin der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten ist, dürfen die streitgegenständlichen Pflanzen lediglich eine Höhe von 1,80 m aufweisen. Diese Mindesthöhe überschreiten die streitgegenständlichen Bambuspflanzen – wie die Inaugenscheinnahme gleichfalls ergeben hat – um mehr als ein vielfaches.

Nach alledem steht den Klägern daher dem Grunde nach eine Verkürzung der Bambuspflanzen auf die gesetzlich vorgeschriebene Höhe von 1,80 m zu.

Diesem Anspruch der Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, dass deren Grundstück noch nicht bebaut war, als die Bepflanzung durchgeführt wurde. Die Grenzabstände der jeweiligen Bestimmungen des NRG gelten unabhängig davon, ob es sich um bebaute oder unbebaute Grundstücke handelt.

Die Geltendmachung eines entsprechenden Verkürzungsanspruches durch die Kläger verstößt weder gegen § 242 BGB (Fall der unzulässigen Rechtsausübung) noch gegen § 226 BGB. Der Argumentation der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die streitgegenständlichen Bambuspflanzen für die Lichtverhältnisse der im Kellergeschoß des klägerischen Anwesens befindlichen Wohnung keine Auswirkungen haben. Eine nennenswerte Verschattung dieser Mieträume wird durch die streitgegenständlichen Bambuspflanzen nicht mehr herbeigeführt. Aufgrund der vorhandenen Höhenunterschiede sind diese Teile des klägerischen Anwesens ohnehin der Sonneneinstrahlung weitgehend entzogen. Eine Intensivierung durch die streitgegenständlichen Bambusstauden kann nicht mehr angenommen werden. Dies gilt allerdings nicht für die im 1. und im 2. OG des klägerischen Anwesens befindlichen Wohnungen. Wie sich das Gericht anlässlich der Einnahme des Augenscheins davon überzeugen konnte, kann eine Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse in diesen Wohnräumen nicht ausgeschlossen werden. Die Geltendmachung des Anspruches auf Verkürzung der Bambuspflanzen kann daher nicht als einen Fall der unzulässigen bzw. schikanösen Rechtsausübung angesehen werden.

Auch der Umstand, dass in der Nachbarschaft ähnlich hohe Pflanzen vorhanden sind, vermag den klägerischen Anspruch nicht auszuschließen. Die Voraussetzungen für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung von Pflanzen in einer solchen Höhe liegen nicht vor und sind im übrigen auch von den Beklagten nicht vorgetragen.

Nach alledem sind die Beklagten verpflichtet, die streitgegenständlichen Bambuspflanzen auf die gesetzlich vorgeschriebene Höhe von 1,80 m zu verkürzen.

Gem. § 16 Abs. 3 NRG besteht diese Verpflichtung aber nicht in der Zeit vom 01. März bis 30. September.

2.

Den Klägern steht desweiteren auch ein Anspruch auf Beseitigung der in ihr Grundstück hineinragenden Zweige der streitgegenständlichen Bambuspflanzen zu. Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt hier zwar nicht die Vorschrift des § 910 BGB in Betracht, da diese lediglich ein Selbsthilferecht gewährt. Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten auf Beseitigung ergibt sich indes aus § 1004 BGB i.V.m. § 910 BGB. Dass tatsächlich in den Luftraum über dem klägerischen Grundstück Zweige der Bambuspflanzen hineinragen, ist zwischen den Parteien unstreitig und konnte insbesondere auch bei der Inaugenscheinnahme festgestellt werden. Ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 910 BGB setzt weiter voraus, dass ein Überhang nur dann zu beseitigen ist, wenn er zu einer Beeinträchtigung des jeweiligen Grundstückes führt. Gem. § 910 Abs. 2 BGB ist das Abschneiderecht dann ausgeschlossen, wenn die Grundstücksnutzung im Vergleich zum Zustand ohne Überwuchs nach objektiven Maßstäben nicht oder nur ganz unerheblich beeinträchtigt wird (Palandt, BGB-Kommentar, § 910 BGB, Rdnr. 3). Diese Relevanzgrenze ist vorliegend durch die auf das klägerische Grundstück überragenden Zweige zumindest überschritten. Die entsprechenden Zweige ragen in einer Höhe auf das klägerische Grundstück, die noch der herkömmlichen Körpergröße von Personen entspricht. Eine Beeinträchtigung der Nutzung des klägerischen Gartenteiles durch Personen, die sich dort aufhalten, ist daher zu bejahen.

Für den Anspruch der Kläger auf Beseitigung der in ihr Grundstück hineinragenden Zweige der Bambuspflanzen gilt keine zeitliche Beschränkung. Hierbei handelt es sich nicht um eine Verkürzung, sondern allenfalls um einen Rückschnitt, welcher von § 16 Abs. 3 NRG im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 NRG einer zeitlichen Beschränkung nicht unterworfen ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Zwar sind die Kläger mit ihren Klageanträgen, was die zeitliche Unbegrenztheit der Durchsetzung des Anspruches angeht, nicht in voller Höhe durchgedrungen. Gem. § 92 Abs. 2 ZPO war aber von einer Kostenbeteiligung abzusehen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.

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