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Bank haftet für Abhebungen mit gestohlener EC-Karte

AG Schöneberg, Az.: 4 C 197/14

Urteil vom 18.11.2015

Nicht autorisierte Geldabhebung mit einer Debitkarte: Anscheinsbeweis für die pflichtwidrige Verwahrung der PIN gemeinsam mit der Karte

1. Die Beklagte wird verurteilt, einen Geldbetrag in Höhe von 1.001,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2014 dem bei der Beklagten geführten Konto mit der IBAN … gutzuschreiben und dort in den Kontokorrent als Haben-Betrag einzustellen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG in Höhe von 229,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Bank haftet für Abhebungen mit gestohlener EC-Karte
Symbolfoto: Pixabay

Die Parteien streiten über Erstattungsansprüche wegen behaupteter nichtautorisierter Verfügungen an Geldausgabeautomaten.

Die Klägerin unterhielt im Hause der Beklagten ein Girokonto mit der IBAN … . Die Beklagte stellte der Klägerin eine Debitkarte „…Card“ zur Verfügung. Zwischen den Parteien sind unter anderem die Bedingungen für …Cards vereinbart. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„6.2 Sorgfältige Aufbewahrung der Karte

Die Karte ist mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren, um zu verhindern, dass sie abhanden kommt oder missbräuchlich verwendet wird. Sie darf insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden, da sie (zum Beispiel im Rahmen des giro-card-Systems) missbräuchlich eingesetzt werden kann. Darüber hinaus kann jeder, der im Besitz der Karte ist, den in der Geld-Karte gespeicherten Betrag verbrauchen.

(…)

11.1 Erstattung bei nicht autorisierter Kartenverfügung

Im Falle einer nicht autorisierten Kartenverfügung zum Beispiel in Form der

– Abhebung von Bargeld an einem Geldautomaten,

– Verwendung der Karte an automatisierten Kassen von Handels- und Dienstleistungsunternehmen,

– Aufladung der GeldKarte,

– Verwendung der Karte zum Aufladen eines Prepaid-Mobilfunk-Kontos

hat die Landesbank gegen den Kontoinhaber keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen. Die Landesbank ist verpflichtet, den Kontoinhaber dem Betrag unverzüglich ungekürzt zu erstatten. Wurde der Betrag dem Konto belastet, bringt die Landesbank dieses wieder auf den Stand, auf den es sich um die nicht autorisierter Kartenverfügung befunden hätte.

12.1 Haftung des Kontoinhabers bis zur Sperranzeige

(…)

(6) Kommt es vor der Sperranzeige zu nicht autorisierten Kartenverfügungen und hat der Karteninhaber seine Sorgfaltspflichten nach diesen Bedingungen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt oder in betrügerischer Absicht gehandelt, trägt der Kontoinhaber den hierdurch entstandenen Schaden in vollem Umfang.“

Die Klägerin ließ ihre …Card am 05.03.2014 um 17:31 Uhr sperren.

Die Beklagte belastete das Girokonto der Klägerin mit 1.001,95 EUR wegen zwei Abhebungen an Geldausgabeautomaten am 04.03.2014 um 17:09 Uhr bzw. 17:19 Uhr in Höhe von jeweils 500,00 EUR und einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1,95 EUR für eine Geldabhebung an einem institutsfremden Geldausgabeautomaten.

Am 10.03.2014 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Abtretung aller Forderungen, die ihr wegen Entwendung und/oder missbräuchlicher Verwendung der Debitkarte gegenüber dem/den Schädiger(n) zustehen in Höhe von 1.001,95 EUR.

Am 13.03.2014 teilte die Beklagte mit, dass sie keine Erstattung vornehmen wolle, weil nach den technischen Gegebenheiten Verfügungen an Geldausgabeautomaten nur unter Verwendung der PIN möglich seien.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.05.2014 wurde die Beklagte aufgefordert, sofern sie an ihrer Entscheidung zur Nichterstattung festhalte, die abgetretenen Ansprüche der Klägerin gegenüber Dritten rückabzutreten, da die Grundlage für die Abtretung entfallen sei.

Die Klägerin behauptet, sie habe am 04.03.2014 ihren Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt, um mit ihrem Hund spazieren zu gehen. Ihre Handtasche, in der sich ihre …Card befunden habe, habe sie so unter dem Sitz verstaut, dass diese von außen nicht erkennbar gewesen sei. Als sie nach 20 Minuten gegen 17:15 Uhr zurückgekehrt sei, habe sie feststellen müssen, dass ein Seitenfenster ihres Pkw eingeschlagen worden sei. Ihre Handtasche samt …Card sei gestohlen worden. Sie habe vor Ort die Polizei verständigt und Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Der Vorgang werde beim Polizeipräsidenten in Berlin zur Vorgangsnummer … geführt. Sie habe ihre PIN getrennt von der …Card aufbewahrt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 382,56 EUR zu erstatten, wobei von einem Gegenstandswert von 2.003,90 EUR und einer 1,5 Geschäftsgebühr auszugehen sei.

Nachdem eine Rückabtretung der am 10.03.2014 abgetretenen Ansprüche erfolgt ist, haben die Parteien den ursprünglichen Hilfsantrag zu 3) (Antrag auf Rückabtretung der am 10.03.2014 abgetretenen Ansprüche) übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.001,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2014 zu zahlen.

2. Hilfsweise und nur für den Fall, dass das erkennende Gericht den Klageantrag zu 1) in Form der Leistungsklage für unzulässig oder unbegründet erachtet, wird die Beklagte dazu verurteilt, einen Geldbetrag in Höhe von 1.001,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2014, dem bei der Beklagten geführten Konto mit der IBAN … gutzuschreiben und dort in den Kontokorrent als Haben-Betrag einzustellen.

3. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG in Höhe von 382,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe unter Verwendung ihrer Originalkarte und der korrekten PIN am 04.03.2014 um 17:09 Uhr am Geldausgabeautomaten Nr. … eine Barabhebungen in Höhe von 500,00 EUR und um 17:19 Uhr am Geldausgabeautomaten Nr. … eine weitere Barabhebungen in Höhe von 500,00 EUR getätigt. Zumindest habe sie einem Dritten die Originalkarte nebst PIN zur Vornahme der genannten Barabhebungen überlassen. Es sei technisch unmöglich, die PIN nur anhand der …Card zu entschlüsseln. Bei den genannten Abhebungen sei die Originalkarte verwendet worden.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe jedenfalls grob fahrlässig gehandelt, weil sie ihre Karte unbeaufsichtigt im Pkw aufbewahrt habe, sodass einem etwaigen Anspruch der Klägerin ein Schadensersatzanspruch entgegengehalten werden könne.

Das Gericht hat am 18.05.2015 einen Beweisbeschluss zur Frage des Einsatzes der Originalkarte bei den streitgegenständlichen Abhebungen erlassen und der Beklagten eine Frist zur Einzahlung eines Auslagenvorschusses gesetzt. Mit Verfügung vom 01.07.2015 hat das Gericht an die Einzahlung des Vorschusses erinnert. Mit Verfügung vom 23.07.2015 hat das Gericht erneut eine Frist zur Einzahlung des Auslagenvorschusses gesetzt und zugleich darauf hingewiesen, dass das Beweismittel nach fruchtlosem Fristablauf nur benutzt werden könne, wenn das Verfahren dadurch nach seiner freien Überzeugung nicht verzögert werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gutschrift eines Geldbetrages in Höhe von 1.001,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2014 auf dem bei der Beklagten geführten Konto mit der IBAN … und auf Einstellung dieses Betrages in den Kontokorrent als Haben-Betrag. Ferner hat sie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2014. Weitere Ansprüche bestehen nicht.

1.

Das Gericht hatte über den (Hilfs-)Antrag zu 2) zu entscheiden, weil der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Zahlungsantrag unbegründet ist. Die Klägerin hat selbst dann keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, wenn zu ihren Gunsten als wahr unterstellt wird, dass die streitgegenständlichen Abhebungen tatsächlich unter missbräuchlicher Verwendung der …Card erfolgten. Im Falle einer missbräuchlichen Kartenverwendung besteht ein Zahlungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB bzw. aus Nr. 11.1 Satz 2 der Bedingungen für …Cards nur dann, wenn es nicht zu einer entsprechenden Kontobelastung gekommen ist. Sofern ein Konto in Höhe des nicht autorisierten Betrages belastet wurde, besteht nach dem eindeutigen Wortlaut von § 675u Satz 2 BGB bzw. Nr. 11.1 Satz 3 der Bedingungen für …Cards lediglich ein Anspruch auf Gutschrift, also auf Habenstellung des nicht autorisierten Betrages (vgl. Casper in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 675u BGB Rn. 3).

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2.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Gutschrift eines Betrages in Höhe von 1.001,95 EUR auf dem bei der Beklagten geführten Konto mit der IBAN … und auf Einstellung dieses Betrages in den Kontokorrent als Haben-Betrag folgt aus § 675u Satz 2 BGB sowie aus Nr. 11.1 Satz 3 der Bedingungen für …Cards.

a)

Es liegen zwei nicht autorisierte Kartenverfügungen im Sinne des § 675u Satz 2 BGB sowie Nr. 11.1 Satz 3 der Bedingungen für …Cards vor.

Der gemäß § 675w BGB darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten ist es nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die streitgegenständlichen Barabhebungen vom 04.03.2014 um 17:09 Uhr am Geldausgabeautomaten Nr. … und um 17:19 Uhr am Geldausgabeautomaten Nr. … in Höhe von jeweils 500,00 EUR von der Klägerin autorisiert worden sind.

(1)

Gemäß § 675w Satz 3 BGB wäre es vorliegend nicht ausreichend, dass eine Authentifizierung stattgefunden hat und dass der Zahlungsvorgang technisch einwandfrei abgelaufen ist. Denn die Klägerin hat substantiiert Tatsachen vorgetragen, die ernsthafte Zweifel an einer Autorisierung begründen. Die Klägerin hat detailliert einen Diebstahl ihrer …Card und einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Diebstahl der Karte und den streitgegenständlichen Abhebungen dargelegt. Ferner hat sie ihre Karte alsbald nach dem behaupteten Diebstahl sperren lassen. Vor dem Hintergrund des eingereichten Protokollauszuges ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass die Klägerin zeitnah Anzeige bei der Polizei erstattet hat.

(2)

Wegen der ernsthaften Zweifel an einer Autorisierung hat die Beklagte den vollen Beweis der Autorisierung durch die Klägerin zu führen. Dies ist ihr im vorliegenden Fall nicht gelungen.

Über den technischen Ablauf der Abhebungen hinausgehende Beweise für eine Autorisierung der streitgegenständlichen Kartenverfügungen hat die Beklagte nicht angetreten.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Denn ein Anscheinsbeweis für eine (autorisierte) Geldabhebung durch die Klägerin würde den Einsatz der Originalkarte voraussetzen. Die sich auf einen Schadensersatzanspruch berufende Beklagte hat als Voraussetzung für die von ihr in Anspruch genommene Beweiserleichterung zu beweisen, dass die Originalkarte zum Einsatz kam (BGH NJW 2012, 1277 Tz. 18, zitiert nach juris). Dies ist ihr vorliegend nicht gelungen.

(a)

Mit einem Sachverständigenbeweis ist die Beklagte gemäß § 356 ZPO ausgeschlossen. Trotz Fristsetzung im Beweisbeschluss vom 18.05.2015, Erinnerung gemäß Verfügung vom 01.07.2015 und weiterer Fristsetzung gemäß Verfügung vom 23.07.2015 hat die Beklagte den geforderten Auslagenvorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR nicht eingezahlt.

(b)

Das Gericht konnte auf eine Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen M.B. verzichten. Denn dieser Zeuge war bei den streitgegenständlichen Abhebungen nicht anwesend. Zum behaupteten Einsatz der Originalkarte hätte er aus eigener Wahrnehmung keine Aussagen treffen können.

Der Zeuge M.B. war auch nicht als sachverständiger Zeuge zu hören. Als sachverständiger Zeuge kommt nur derjenige in Betracht, der zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, vernommen wird. Er wird als diejenige Person, die „dabei war“, gehört und ist als solche nicht ersetzbar. Dagegen vermittelt der Sachverständige dem Gericht fehlendes Fachwissen zur Beantwortung von entscheidungserheblichen Tatsachen und ist deshalb durch jede andere Person mit entsprechendem Wissen ersetzbar. Der Zeuge soll keine Schlüsse ziehen. Wer aus Tatsachen aufgrund seines Fachwissens Schlussfolgerungen zieht, wird als Sachverständiger tätig (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 13. Oktober 2003 – 12 U 1629/02 -, zitiert nach juris). Der Zeuge M.B. mag über Fachkenntnisse verfügen. Als sachverständiger Zeuge kam er dennoch nicht in Betracht, weil er nicht „dabei war“. Der Zeuge hätte dem Gericht nur durch sein behauptetes Fachwissen darlegen können, was aus seiner Sicht aus den Protokollen zum Karteneinsatz folgt. Das ist jedoch typische Sachverständigentätigkeit.

(c)

Entgegen der Ansicht der Beklagten war eine Beweisaufnahme zum behaupteten Einsatz der Originalkarte nicht entbehrlich. Das Bestreiten des Einsatzes der Originalkarte mit Nichtwissen durch die Klägerin ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig und ausreichend. Denn die Klägerin war nach ihrem Vortrag bei den streitgegenständlichen Abhebungen nicht zugegen.

Die von der Beklagten insoweit in Kopie vorgelegten Genehmigungsprotokolle rechtfertigen keine andere Beurteilung. Denn dem Gericht fehlt die erforderliche Sachkunde, um überprüfen zu können, ob sich aus den vorgelegten Protokollen tatsächlich der Einsatz einer Originalkarte ergibt. Auf ein Sachverständigengutachten konnte nicht verzichtet werden. Dass ein Sachverständiger ggf. nur die Protokolle überprüft und anhand der Protokolle klären kann, ob eine Originalkarte zum Einsatz kam, steht dem nicht entgegen. Zudem hat die Klägerin substantiiert zu Fälschungsmöglichkeiten vorgetragen.

b)

Der Anspruch auf Gutschrift gemäß § 675u Satz 2 BGB umfasst neben den beiden Kontobelastungen für Barabhebungen in Höhe von jeweils 500,00 EUR auch die Erstattung der Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1,95 EUR für eine Geldabhebung an einem institutsfremden Geldausgabeautomaten. Denn der Kunde hat einen Anspruch auf Schadloshaltung insgesamt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 675u Satz 2 BGB ist das Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

c)

Der Durchsetzung des Anspruchs der Klägerin auf Gutschrift nach § 675u Satz 2 BGB steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) nicht entgegen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie einen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin in gleicher Höhe habe („dolo agit, qui petit, quod statim rediturus est“).

Die Beklagte hat keine durchsetzbaren Ansprüche gegen die Klägerin in Höhe von 1.001,95 EUR im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Karteneinsatz, weder aus § 675v Abs. 2 BGB, noch aus Nr. 12.1 Abs. 6 der Bedingungen für …Cards.

(1)

Die Beklagte hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen der unbeaufsichtigten Aufbewahrung der …Card in einem Kraftfahrzeug.

Das Gericht geht zwar davon aus, dass die Klägerin grob fahrlässig ihre Pflichten aus § 675l BGB und den Bedingungen für …Cards, dort insbesondere Nr. 6.2, verletzt hat, indem sie ihre Karte unbeaufsichtigt in ihrem Pkw aufbewahrt hat. Ein Schadensersatzanspruch scheitert im vorliegenden Fall jedoch daran, dass es der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht gelungen ist, das Gericht von der erforderlichen Kausalität zwischen grob fahrlässiger Pflichtverletzung und entstandenem Schaden zu überzeugen.

Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten würde nur dann bestehen, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen der unbeaufsichtigten Aufbewahrung der Karte und den nicht autorisierten Abhebungen bestünde. Ein solcher Kausalzusammenhang lässt sich nur dann herstellen, wenn die nicht autorisierten Abhebungen mit der entwendeten Originalkarte vorgenommen wurden. Die Beklagte ist für den Einsatz der Originalkarte bei den streitgegenständlichen Abhebungen beweisfällig geblieben (vgl. zur Beweislastverteilung BGH NJW 2012, 1277 Tz. 18, zitiert nach juris). Auf die vorstehenden Begründungen wird Bezug genommen.

(2)

Die Beklagte hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der PIN. Der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten ist es nicht gelungen, das Gericht von einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der PIN durch die Klägerin zu überzeugen.

Zwar spricht in Fällen, in denen an Geldausgabeautomaten unter Verwendung der zutreffenden Geheimzahl Geld abgehoben wurde, der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass entweder der Karteninhaber die Abhebungen selbst vorgenommen hat oder dass ein Dritter nach der Entwendung der Karte von der Geheimnummer nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte. Dieser Anscheinsbeweis greift jedoch nur, wenn bei der in Rede stehenden Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist. Denn die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins verlangen einen typischen Geschehensablauf, d.h. es muss ein Sachverhalt feststehen, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Bei Abhebung an Geldausgabeautomaten mittels einer Kartendublette fehlt die vom Berufungsgericht in Anspruch genommene Typizität, da für diesen Missbrauch der Karte bedeutungslos ist, ob die – nicht eingesetzte – Originalkarte und die PIN gemeinsam aufbewahrt worden sind. (vgl. BGH NJW 2012, 1277 Tz. 16 m. w. N., zitiert nach juris).

Die Beklagte kann sich vorliegend nicht auf diesen Anscheinsbeweis berufen. Denn die sich auf einen Schadensersatzanspruch berufende Beklagte hat als Voraussetzung für die von ihr in Anspruch genommene Beweiserleichterung zu beweisen, dass die Originalkarte zum Einsatz kam (BGH NJW 2012, 1277 Tz. 18, zitiert nach juris). Dies ist ihr nach den vorstehenden Ausführungen nicht gelungen.

3.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,08 EUR. Dies entspricht einer 1,5 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer bei einem Gegenstandswert von 1.001,95 EUR.

Eine 1,5 Geschäftsgebühr ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist lediglich von einem Gegenstandswert in Höhe von 1.001,95 EUR auszugehen. Dies entspricht dem geltend gemachten Zahlungs- bzw. Gutschriftsanspruch. Eine Zusammenrechnung mit dem Anspruch auf Rückabtretung erfolgt nicht, weil es sich insoweit um eine Angelegenheit mit wirtschaftlicher Identität handelt.

Die Klägerin kann Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Das gilt selbst dann, wenn die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bislang nicht beglichen sein sollten. Es besteht nicht lediglich ein Anspruch auf Freistellung, weil die Beklagte mit Schreiben vom 13.03.2014 jeden Anspruch der Klägerin ernsthaft und endgültig verweigert hat. Der Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (vgl. BGH NJW 2004, 1868 m. w. N., zitiert nach juris).

4.

Die geltend gemachten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sind zumindest seit dem 24.05.2014 gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. Seit der Ablehnung einer Einstandspflicht mit Schreiben vom 13.03.2014 befindet sich die Beklagte in Verzug.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 7011 ZPO.

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