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Diebstahl der EC-Karte – rechtswidrige Abhebungen:

 Landgericht Mönchengladbach

Az.: 2 S 288/99

Verkündet am 28.April 2000

Vorinstanz: Amtsgericht Mönchengladbach – Az.: 29 C 4235/98


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2000 f ü r R e c h t  e r k a n n t:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.08.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach (29 C 4235/98) abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 3.030,- nebst 4% Zinsen seit dem 15.09.1998 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits, in beiden Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin. hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von DM 3.030,- aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Girovertrag nebst Verzugszinsen; entgegen der Begründung des angefochtenen Urteils ist die Haftung der Beklagten für die Abhebungen von dem Konto der Klägerin nicht gemäß Abschnitt A. III. 2. 4. der „Bedingungen für die Verwendung der EC-Karte“ ausgeschlossen.

I. Neben den allgemeinen Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Kunden in Abschnitt A.II.6 der „Bedingungen für die Verwendung der EC-Karte“ bestimmt Abschnitt A.III.2.4 u.a., daß für Schäden, die vor der Verlustanzeige entstanden seien der Kontoinhaber hafte, wenn sie auf einer schuldhaften Verletzung seiner Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten beruhten. Weiter wird dort bestimmt, daß die Sparkasse auch die vom Kontoinhaber zu tragenden Schäden übernehme die vor der Verlustanzeige entstanden seien sofern der Karteninhaber seine Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten (Abschnitt 11.6.2: Aufbewahrung: 11.6.4: Geheimhaltung der persönlichen Geheimzahl: 11.6.5: Unterrichtungs- und Anzeigepflichten) nicht grob fahrlässig verletzt habe.

Grobe Fahrlässigkeit des Karteninhaber liege insbesondere dann vor, wenn die persönliche Geheimzahl auf der EC-Karte vermerkt oder zusammen mit der EC-Karte verwahrt werde, die persönliche Geheimzahl einer anderen Person mitgeteilt und der Mißbrauch dadurch verursacht worden sei oder der Karteninhaber nach Feststellen des Kartenverlusts das Abhandenkommen nicht umgehend melde.

Eine Übernahme des vom Kontoinhabers zu tragenden Schaden (beschränkt auf 1.000,– DM pro Kalendertag) durch die Sparkasse erfolge nur, wenn der Kontoinhaber die Voraussetzungen der Haftungsentlastung glaubhaft darlege und Anzeige bei der Polizei erstatte.

II.

1. Grundsätzlich trägt unter Berücksichtigung dieser vertraglichen Vereinbarungen demgemäß die Klägerin als Kontoinhaberin zunächst die Beweislast für die Entwendung bzw. den Verlust der Karte. Allerdings kommen ihr insoweit analog der Rechtsprechung zur Kaskoversicherung beim Autodiebstahl hinsichtlich der Darlegung und des Nachweises des Verlusts grundsätzlich Beweiserleichterungen zugute, weil der Kunde in der Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für die Entwendung bzw. den Verlust beibringen kann. Es genügt deshalb, wenn der Karteninhaber einen Sachverhalt darlegt und erforderlichenfalls nachweist, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf den Verlust der Karte zuläßt. Im Normalfall sind hierzu die Feststellungen von Beweisanzeichen ausreichend, denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines Verlustes entnommen werden kann (OLG Hamm VersR 1998, 372 = NJW 1997; 1711 mwN).

Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Kontoinhaber insoweit uneingeschränkt glaubwürdig, d.h. als zuverlässig und redlich anzusehen ist, so daß gemäß § 286 ZPO die Feststellung der Entwendung bzw. des Verlusts der EC-Karte auf dessen Angaben gestützt werden kann (BGH a.a.O.: BGH VersR 1995, 909).

Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß eine uneingeschränkte Risikoverlagerung auf den Kunden schon deshalb Bedenken begegnet, weil letztlich die Beklagte als kartenausgebende Bank das Mißbrauchsrisiko veranlaßt hat. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, daß die Beklagte mit der Einrichtung des Kartensystems ein Verfahren eingeführt hat, das in erhöhtem Maße mißbrauchsanfällig ist und auf dessen Ausgestaltung der Kunde keinerlei Einfluß hat (BGH 114, 245 zum vergleichbaren Fall der Kundenkreditkarte: Wolf, AGB, 4. Auflage 1999, § 9: H3/H4).

Dies gilt um so mehr als dem Kunden im Rahmen der Werbung für die EC-Karte (bzw. für sonstige Kreditkarten) der Eindruck vormittelt wird, im Falle der Entwendung bzw. des Verlusts der Karte halte der Dieb ein nutzloses Stück Kunststoff in den Händen. Denn nach Angaben der Kreditwirtschaft könne ein Unbefugter die PIN-Nummer nicht ermitteln und so nie einen Schaden anrichten.

Insoweit erscheint es widersprüchlich, wenn die kartenausgebende Bank im Verlustfalle im Rahmen der Fahrlässigkeitserwägungen und Verhaltensanforderungen zulasten des Kunden im Ergebnis die Ansicht vertritt, daß ein Dieb oder unehrlicher Finder einen Schaden bereits durch den bloßen Besitz der Karte anrichten könne und die Karte – bereits für sich genommen – ein nicht kalkulierbares Sicherheitsrisiko darstelle (insoweit zutreffend: Strube, WM 1998. 1217).

Ebenso erscheint es demgemäß widersprüchlich, daß die Karten ausgebende Bank im Rahmen der Erwägungen zum Einsatz der Karte mit der richtigen PIN-Nummer die Ansicht vertritt, die PIN-Nummer sei nicht entschlüsselbar, demgemäß sei die EC-Karte vor unbefugtem Gebrauch nach Verlust hinreichend geschützt und der Anschein spreche für einen Mißbrauch der EC-Karte durch den Kunden selbst.

II.

2. Das äußere Bild der Entwendung bzw. des Verlusts der Karte hat die Klägerin hier zur Überzeugung des Gerichts hinreichend dargegelegt und bewiesen. Konkrete Tatsachen, die die Klägerin bzw., den in 2. Instanz als Zeugen vernommenen Ehemann als unglaubwürdig erscheinen oder doch zumindest schwerwiegende Zweifel an deren Glaubwürdigkeit aufkommen lassen könnten, liegen nicht vor.

Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung (Seite 5 unten) ist nicht in jedem Fall des Verlusts der Karte ohne weiteres von einer groben Fahrlässigkeit des Karteninhabers auszugehen. vielmehr bedarf es hierzu konkreter Feststellungen im Einzelfall, die hier jedoch nach der Tatsachenfeststellung in 2. Instanz nicht getroffen werden können.

Grobe Fahrlässigkeit beinhaltet nämlich, daß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, d.h. einfachste und ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BGH NJW-RR 1994, 1471).

a. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich eine Haftung der Klägerin nicht aus dem Umstand, daß im vorliegenden Verfahren teilweise widersprüchliche Angaben seitens der Klägerin erfolgt sind.

Zwar ist zunächst von einem Auffallen des Diebstahls (vermutlich am 09.07.1997) am 11.07.1998 die Rede gewesen (so im vorgerichtlichen Schreiben vom 24.08.1998, B1. 27): später wurde dies dahingehend korrigiert, daß der Verlust der EC-Karte erst am 13.07.1998 bemerkt worden sei (so B1. 46, vgl. auch Schreiben vom 16.o7.1998. B1. 189).

Die Klägerin hat insoweit aber nachvollziehbar einen Tippfehler bzw. Diktat-/Informationsfehler im Hinblick auf die zuvor eingeschaltete Verbraucherzentrale für sich in Anspruch genommen (Bl. 46. 173) und die von ihr vorgetragenen Umstände der Feststellung des Verlusts der EC-Karte im Rahmen der Beweisaufnahme in 2. Instanz hinreichend beweisen können (vgl. B1. 68. 97).

Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung ist die EC-Karte letztmalig am 29.06.1998 bzw. 02.07.1998 benutzt worden (Bl. 161). Der Ehemann der Klägerin hat den Sachvortrag der Klägerin zur Feststellung des Verlusts der Karte am 13.07.1998 (in Zusammenhang mit dem gemeinsamen Besuch eines Schützenfests) widerspruchsfrei und glaubhaft bestätigt: einzelne Erinnerungszweifel – etwa ob Verfügungen am 13.07.1998 ihm bereits von der Klägerin mitgeteilt worden sind – können die Glaubhaftigkeit der Aussage des Ehemanns im übrigen nicht in Frage stellen.

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Weitere Angaben zum Verlust der EC-Karte sind von der Klägerin nicht zu fordern. Da sie eben – trotz gemeinsamer Nachforschungen mit ihrem Ehemann – keinerlei Erklärung für den Verlust der EC-Karte hat, sind ihre Angaben dazu zwangsläufig in gewisser Weise „inhaltsleer“ und „unkooperativ“ wie der Zeuge Kieper in der Beweisaufnahme angemerkt hat (B1. 178).

b. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich eine Haftung der Klägerin auch nicht aus dem Umstand, daß die Abhebungen (wenngleich bei der zweiten Abhebung erst im dritten Versuch) unter Einsatz der zutreffenden PIN-Nummer getätigt worden sind (vgl. Mitteilung der Service Bank vom 13.01.1999, B1. 44).

Ein Anscheinsbeweis des Verschuldens des Karteninhabers für die Fälle, in denen mit einer gestohlenen EC-Karte unter Verwendung der korrekten PIN-Nummer Geld abgehoben wurde, kommt nicht in Betracht, da die Entschlüsselung der PIN-Nummer der EC-Karten durch Unbefugte – auch bei neuesten Verschlüsselungsmechanismen – im Hinblick auf die Verfügbarkeit geeigneter Lesegeräte bzw. geeigneter Software nicht bzw. nicht mehr ausgeschlossen werden kann (vgl. LG Dortmund CR 1999,556; AG Duisburg NJW-COR 1999, 498; OLG Hamm a.a.O.; vgl. auch Palandt-Sprau, § 676 f, Rn 24 mwN; Strube WM 1998, 1210, auch zu dem hier – B1. 14 – von der Klägerin lediglich vermuteten Ausspähen der Geheimzahl; einschränkend; Aepfelbach/Cimiotti, WM 1998, 1218; LG Berlin NJW-RR 1999, 1213).

c. Eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin im Sinne der „Bedingungen für die Verwendung der EC-Karte“ dergestalt, daß die persönliche Geheimzahl einer anderen Person mitgeteilt und der Mißbrauch dadurch verursacht worden ist, hat die Beklagte ebenfalls nicht beweisen können.

Zwar ist – nach zunächst anderer Eintragung – auf der ersten Datenerfassung durch die Beklagte am 13.07.1998 um 16.10 Uhr (Bl.41) vermerkt worden, daß die persönliche Geheimzahl zur Geldautomatennutzung einem Unberechtigten bekannt sei (mit handschriftlichem Zusatz „dem Ehemann“).. Dies ist jedoch nach Angaben des Zeugen Kieper (Bl. 176 unten) nicht weiter erläutert worden. Am 20.08.1998 hat die Klägerin dann bei der polizeilichen Aussage angegeben. daß die PIN-Nummer nur ihr selbst bekannt sei, nicht einmal ihrem Ehemann (B1. 14).

Dieser Widerspruch hat sich jedoch im Rahmen der Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen dahingehend aufgeklärt. daß dem Ehemann – im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts der Klägerin – die PIN-Nummer vor ca. 5 Jahren mitgeteilt worden ist. Der Ehemann der Klägerin hat dabei glaubhaft bestätigt. daß er die PIN-Nummer zwischenzeitlich vergessen hat (Bl. 45.171/174).

Selbst wenn dem Ehemann der Klägerin die damals mitgeteilte PIN-Nummer im Schadenszeitpunkt noch bekannt gewesen sein sollte, ist der von den o.a. Bedingungen zusätzlich geforderte ursächlicher Zusammenhang zwischen einer solchen – unterstellten Kenntnis des Ehemanns im Schadenszeitpunkt und dem Mißbrauch der EC-Karte jedenfalls nicht bewiesen.

Nach alledem hat die Berufung der Klägerin in vollem Umfang Erfolg und die Beklagte ist zur Rückbuchung der dem Konto der Klägerin belasteten DM 3.030,– verpflichtet.

Verzugszinsen, schuldet die Beklagte in gesetzlicher Höhe im Hinblick auf das Schreiben vom 24.08.1998 unter Fristsetzung bis zum 14.09.1998 (§§ 286, 288 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt DM 3.030–.

 

 

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