LG München I – Az.: 35 O 13599/17 – Urteil vom 16.05.2018
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, die nachfolgende oder eine mit dieser inhaltsgleiche Bestimmung einzubeziehen in Kreditverträge zur Finanzierung von Immobilien gegenüber Verbrauchern, sowie sich auf diese oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
[Preis- und Leistungsverzeichnis
Unsere Preise und Leistungen für private Immobilienfinanzierungen bis 400.000 Euro]
(…)
Vorzeitige Rückzahlung wegen Objektverkauf 200 Euro* zzgl. Vorfälligkeitsentschädigung
(…)
[* zzgl. Beglaubigungskosten entsprechend der Notarkostentabelle]
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2017 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 € vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer 2 und hinsichtlich der Kosten jeweils in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
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Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist eine Einrichtung im Sinne von §§ 3, 4 UKlaG und wendet sich gegen die Verwendung der im Tenor genannten Klausel durch die Beklagte.
Die Beklagte betreibt ein Kreditinstitut und verwendet für ihre Geschäftstätigkeit gegenüber Verbrauchern das für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte, in der Anlage K1 vorgelegte, Preis- und Leistungsverzeichnis für private Immobilienfinanzierungen bis 400.000,00 €, welches auf der Internetseite der Beklagten eingesehen werden kann. Dieses enthält die im Tenor wiedergegebene Klausel, wonach bei vorzeitiger Rückzahlung wegen Objektverkaufs 200 Euro zzgl. Vorfälligkeitsentschädigung anfallen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2017 (Anlage K2) und erneut mit Schreiben vom 11.04.2017 (Anlage K4) wegen dieser Klausel ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was die Beklagte jeweils zurückwies (Anlagen K3, K5). Dem Kläger sind hierfür Aufwendungen in Höhe von pauschal 200,00 € zzgl. 7 % USt. entstanden.
Der Kläger ist der Ansicht, gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG zu haben, da die beanstandete Klausel einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalte. Die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 491 Abs. 1 S. 2, 500 Abs. 2 BGB, da die Beklagte auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 500 Abs. 2 S. 2 BGB und damit gesetzlicher Verpflichtung zur vorzeitigen Kreditablösung neben einer Vorfälligkeitsentschädigung ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 200,00 € verlange. Dies verstoße gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 500 Abs. 2 S. 2 BGB. Weiter liege auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 491, 502 Abs. 1 BGB vor. Zum einen verstoße die Beklagte gegen den wesentlichen Grundgedanken, dass für den Arbeits- und Zeitaufwand zur Berechnung eines eigenen Schadensersatzanspruchs keine Bearbeitungsgebühren verlangt werden könnten. Zum anderen berechne die Beklagte mit dem zusätzlichen Entgelt eine bereits von § 502 Abs. 1 BGB abgedeckte Schadensposition erneut. Es liege zudem eine gemäß § 309 Nr. 5 a) und b) BGB unzulässige Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs vor.
Dem Kläger stehe außerdem ein Zahlungsanspruch in Höhe der angemessenen und üblichen Abmahnpauschale von 200,00 € zzgl. Umsatzsteuer nach § 12 Abs. 1 UWG zu.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmung einzubeziehen in Kreditverträge zur Finanzierung von Immobilien gegenüber Verbrauchern, sowie sich auf diese oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
[Preis- und Leistungsverzeichnis
Unsere Preise und Leistungen für private Immobilienfinanzierungen bis 400.000 Euro]
(…)
Vorzeitige Rückzahlung wegen Objektverkauf 200 Euro* zzgl. Vorfälligkeitsentschädigung
(…)
[* zzgl. Beglaubigungskosten entsprechend der Notarkostentabelle]
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass das beanstandete Preis- und Leistungsverzeichnis anders als die ABH der Beklagten von ihr schon nicht in Kreditverträge einbezogen werde.
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die Klausel in zulässiger Weise eine zusätzliche pauschale Schadensposition für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung festlege, die von BGH und Gesetzgeber als gerechtfertigt und angemessen beurteilt worden sei. Diese Kosten müssten auch nicht beziffert werden.
Das Gericht hat mündlich verhandelt am 11.04.2018. Auf das Verhandlungsprotokoll (Bl. 44/45 d.A.) wird Bezug genommen. Ergänzend wird weiter Bezug genommen auf sämtliche wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 1 UKlaG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Klausel zu.
1.
Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, die gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegt.
Das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wird auch Bestandteil der von ihr abgeschlossenen Verträge zur privaten Immobilienfinanzierung bis 400.000,00 €. Unerheblich ist dabei, ob das Preis- und Leistungsverzeichnis ausdrücklich in den ABH der Beklagten erwähnt wird. Es ist unstreitig, dass sich die Beklagte bei der vorzeitigen Ablösung entsprechender Kreditverträge auf ihr Preis- und Leistungsverzeichnis beruft. Dies setzt aber denknotwendig voraus, dass dieses auch in den Vertrag einbezogen wird.
Die Klausel ist auch kontrollfähig. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (BGH XI ZR 388/14, juris, Rz. 18, m.w.N.). Beides ist hier nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um eine Klausel, die ein Entgelt für die Erfüllung einer gesetzlich oder nebenvertraglich begründeten eigenen Pflicht der Beklagten zum Gegenstand hat (vgl. BGH XI ZR, juris, Rn. 10, m.w.N.). Die Klausel betrifft Fälle der vorzeitigen Rückzahlung wegen Objektverkaufs und setzt hier ein zusätzliches Entgelt neben der Vorfälligkeitsentschädigung fest, welches nach dem Vortrag der Beklagten eine pauschale Schadensposition für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung abdecken soll. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung dient aber der Bezifferung des der Beklagten im Fall der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags zustehenden Schadensersatzanspruchs (vgl. § 490 Abs. 2 S. 3 BGB) und ist damit eine Tätigkeit, die der Beklagten als Gläubigerin der Vorfälligkeitsentschädigung schon im eigenen Interesse obliegt (vgl. OLG Frankfurt, 23 U 50/12, Rz. 30f., juris).
2.
Die Klausel, mit der ein zusätzliches Entgelt von 200,00 € festgelegt wird, ist nach § 309 Nr. 5 b) BGB als pauschalierter Schadensersatzanspruch unwirksam.
Bei der Vorfälligkeitsentschädigung handelt es sich materiell-rechtlich um einen Schadensersatzanspruch, sodass auch die Kosten für die Ermittlung und Berechnung der Schadenshöhe zu dem der Bank zustehenden Schadensersatzanspruch gehören (vgl. OLG Frankfurt, 23 U 50/12, juris, Rz. 32). Es kommt dabei hier schon nicht darauf an, dass – was zutrifft – die Beklagte als Kreditinstitut neben dem Ersatz der Zinsnachteile auch Ersatz für den ihr mit der vorzeitigen Darlehensablösung entstehenden Bearbeitungsaufwand verlangen kann. Ebenso wenig spielt hier eine Rolle, ob Bearbeitungskosten in Höhe von 200,00 € im Einzelfall als angemessen beurteilt wurden. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die pauschale Festlegung eines solchen Bearbeitungsentgelts in AGB unzulässig ist, wenn nicht dem anderen Vertragsteil ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich geringer als die Pauschale, § 309 Nr. 5 b BGB. Daran fehlt es hier jedoch.
3.
Darüber hinaus ist die streitgegenständliche Klausel auch gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 500, 502 BGB unwirksam.
Gemäß § 500 Abs. 2 S. 2 BGB kann der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. Gemäß § 502 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen. Wie oben bereits ausgeführt, umfasst dieser Schaden neben dem Ersatz der Zinsnachteile auch ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Darlehensablösung verbundenen Verwaltungsaufwand (vgl. etwa BGH XI ZR 197/96, vorgelegt als Anlage B3). Die Beklagte stellt jedoch mit dem in der Klausel festgelegten Entgelt „zzgl.“, also neben der Vorfälligkeitsentschädigung eine Schadensposition in Rechnung, die bereits von dem gesetzlichen Begriff der Vorfälligkeitsentschädigung umfasst ist. Die Klausel ermöglicht also letztlich eine doppelte Berechnung des Bearbeitungsaufwands. Dies schränkt das Recht des Verbrauchers auf vorzeitige Darlehensablösung im Fall seines berechtigten Interesses unangemessen ein und ist daher mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 500 Abs. 2 S. 2, 502 Abs. 1 BGB nicht vereinbar.
II.
Dem Kläger steht weiter ein Zahlungsanspruch in Höhe von 214,00 € aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG zu. Die Beklagte ist weder der Höhe noch der Angemessenheit der geltend gemachten Pauschale, die von dem Kläger substantiiert ausgeführt wurde, entgegengetreten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert wurde nach § 5 UKlaG, § 3 ZPO festgesetzt.