Streit um beschädigten Walnussbaum: Beklagte müssen Schadensersatz zahlen.
Die Kläger forderten Schadensersatz von ihren Grundstücksnachbarn, da bei Bauarbeiten ein 40-jähriger Walnussbaum beschädigt wurde. Die Beklagten hatten eine Baugenehmigung, die den Schutz der Bäume auf dem Nachbargrundstück vorschrieb. Die Kläger argumentierten, dass die Beklagten diese Vorgaben nicht beachtet hätten. Ein Gericht urteilte nun, dass die Beklagten als Gesamtschuldner für den Wertersatz des Nussbaums in Höhe von 7.671 Euro sowie für die Beseitigungskosten von 2.261 Euro haften. Der Anspruch ergibt sich aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, da die Beklagten ihre Pflichten gegenüber dem Baum nicht ausreichend beachtet hätten. Die Baugenehmigung sei ihnen bekannt gewesen.
Die Beklagten und die Streithelferin haben beantragt, das Urteil des Landgerichts Karlsruhe abzuändern und abzuweisen. Die Kläger haben dagegen eine Zurückweisung der Berufung beantragt. Die Beklagten hätten durch das nicht ordnungsgemäße Abschneiden der Wurzeln und unzureichende Schutzmaßnahmen die Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Kläger haben einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihres Eigentums in Höhe von 9.932,- Euro zugesprochen bekommen. Das Selbsthilferecht der Beklagten war ausgeschlossen.
Das Landgericht bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts und verurteilt die Beklagten zum Schadenersatz. Die Beklagten haben gegen die Auflagen der Baugenehmigung verstoßen und dadurch ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Eine Behauptung, dass die Baumwurzel erst beim Abschieben des Oberbodens abgerissen worden sei, wird zurückgewiesen. Ebenso wird ein neues Argument, wonach die Kläger aufgrund mangelnder Pflege Mitverantwortung tragen, nicht berücksichtigt. Der Schaden des beschädigten Baums wurde korrekt berechnet. […]
OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 92/22 – Urteil vom 17.01.2023
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.02.2022, Az. 6 O 280/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, welche diese selbst trägt.
3. Dieses und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.932,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Kläger fordern von ihren Grundstücksnachbarn Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Walnussbaumes.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks F-Straße 20 in K das sie selbst bewohnen. Auf dem Grundstück stand in der Nähe zum Nachbargrundstück F-Straße 16/18, dessen Eigentümer die Beklagten sind, ein mehr als 40 Jahre alter Walnussbaum. Dieser war im Wurzelbereich teilweise verwachsen mit einem auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Urweltmammutbaum. Die Beklagten führten ab dem Jahr 2017 auf ihrem Grundstück ein Bauvorhaben durch. Am 12.06.2017 erhielten sie hierzu vom Bauordnungsamt der Stadt K eine Baugenehmigung (Anlage K 1, AH Kl. 1. Instanz), in der ihnen für geschützte Bäume auf ihrem Grundstück innerhalb des Baubereichs eine Fällerlaubnis erteilt wurde. Die Auflagen des Gartenbauamts in der Baugenehmigung lauten auszugsweise:
“ …
34. Alle weiteren geschützten Bäume, auch der nachbarliche Baumbestand entlang der Grundstücksgrenzen, sind zu erhalten und vor Beeinträchtigungen während der Bauzeit zu schützen (§ 1 in Verbindung mit § 3 Baumschutzsatzung).
35. Der Wurzelbereich der zu erhaltenden Bäume ist im Radius der Krone zuzüglich 1,50 m mit einem fest installierten, mindestens 1,80 m hohen Baumschutzzaun abzusperren. …
36. Alle Eingriffe in Stamm, Wurzelwerk (= Kronengröße) und Krone von geschützten Bäumen sind aufgrund der DIN 18920, RAS-LP 4 und des § 3 Baumschutzsatzung (BSS) untersagt, sofern unter den nachfolgenden Punkten nichts anderes ausgeführt ist. Zu unterlassen sind das Beschädigen von Wurzeln, Stamm und Ästen. …
37. Die angeordneten Baumschutzmaßnahmen sind vor Beginn der jeweiligen Arbeiten durchzuführen. Schutzzäune sind bis zum Abschluss aller Arbeiten zu belassen. Vor Beginn der Baumaßnahme ist mit dem Gartenbauamt … ein Ortstermin zu vereinbaren, bei dem die Baumschutzmaßnahmen zusammen mit dem Bauunternehmen abzustimmen sind. Abweichungen bedürfen der vorherigen Abstimmung und Genehmigung durch das Gartenbauamt.
38. Die Baugrube bzw. der Aushub für die Rampenanlage der Tiefgarage greift in den statisch wirksamen Wurzelbereich der Bestandsbäume entlang der Grundstücksgrenzen ein. Die Eingriffe werden unter folgenden Bedingungen aufgrund § 6 Abs. 3 BSS zugelassen:
Mit Abgrabungen (hier: Herstellung Baugrube und Rampe Tiefgarage) ist ein Mindestabstand von 2,50 m gemessen ab Stammfuß der/des zu erhaltenden Bäume entlang der Grundstücksgrenzen einzuhalten.
Die Baugrube zur Herstellung der Tiefgarage ist im Kronentraufbereich der Bestandsbäume entlang der Grundstücksgrenzen mit einen Berliner Verbau – oder als verlorene Schalung, die im Boden verbleiben muss – abzufangen.
Nach Abbruch des Gebäudes und vor dem Niederbringen des Verbaus ist ein Suchgraben von 60 cm Tiefe entlang des Verlaufs des Baugrubenverbaus in Handarbeit oder mit dem Saugbagger auszuheben.
Die zu Tage tretenden Wurzeln sind schneidend zu durchtrennen und umgehend vor Austrocknung/Frost zu schützen.“
Die Beklagten beauftragten mit Schreiben vom 20.06.2017 (Anlage S. 2, AH SH 1. Instanz AS 2) die Streithelferin, die Firma E GmbH, mit dem Abbruch der auf ihrem Grundstück vorhandenen Bauten sowie mit dem Roden von Bäumen und Sträuchern und mit Erdarbeiten. Die Arbeiten sollten am 26.06.2017 beginnen. Am 17.07.2017 sandten die Beklagten dem Geschäftsführer der Streithelferin eine E-Mail mit folgendem Inhalt (Anlage B 8, AH Bekl. 1. Instanz AS 13):
„Sehr geehrter Herr S.,
in der Anlage übersenden wir Ihnen wie gewünscht die Baugenehmigung für das BV F-Straße 16. In den Unterlagen finden Sie u. a. den Hinweis zur Kampfmittelbeseitigung (siehe Punkt 5), sowie die Auflagen des Gartenbauamtes inkl. den Fallerlaubnissen.“
Bei den Erdarbeiten wurde im September 2017 durch die Streithelferin mit einer Baggerschaufel eine Wurzel des Walnussbaums abgerissen. Die Kläger informierten das Bauordnungsamt, welches einen mehrmonatigen Baustopp verfügte. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden an der Grundstücksgrenze im Baumwurzelbereich Fräsarbeiten durchgeführt. Die Kläger beantragten daraufhin beim Landgericht Karlsruhe eine einstweilige Verfügung, die am 27.06.2018 durch Beschluss erlassen wurde (Anlage K 4, AH Kl. 1. Instanz AS 17). Sie leiteten zugleich ein selbständiges Beweisverfahren (LG Karlsruhe, 6 OH 12/18) zum Zustand des Nussbaums, insbesondere der Beschädigung der Wurzeln, der Standfestigkeit, der Wiederherstellung und seinem Wert ein. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme in jenem Verfahren wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing. G vom 06.08.2018 nebst Ergänzungsgutachten I und II vom 09.11.2018 und die in der Sitzungsniederschrift vom 13.11.2018 protokollierten Angaben zur Erläuterung der Gutachten Bezug genommen. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens ließen die Kläger den Nussbaum am 25.01.2019 fällen und entsorgen, wofür sie an die ausführende Fachfirma einen Betrag von 2.261,- Euro zahlten.
Die Kläger haben vorgetragen, aufgrund der Baugenehmigung sei den Beklagten der besondere Schutz der Bäume auf dem Nachbargrundstück der Kläger bewusst gewesen. Dennoch sei die Streithelferin nicht vertraglich an die Auflagen aus der Baugenehmigung gebunden worden und habe diese dementsprechend auch nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Die Arbeiten seien nicht mit der gebotenen Sorgfalt überwacht worden. Insbesondere sei die Auflage des Gartenbauamtes, bei Abgrabungen einen Mindestabstand von 2,50 m gemessen ab Stammfuß des zu erhaltenden Nussbaums entlang der Grundstücksgrenzen einzuhalten, nicht umgesetzt worden. Die Beklagten hätten die Erdarbeiten im Widerspruch zu der Baugenehmigung ausgeführt, weshalb es bei den Baggerarbeiten zu einem Wurzelabriss und bei den späteren Fräsarbeiten zu weiteren Wurzelbeschädigungen gekommen sei. Sie hätten die Wurzeln des Nussbaums durch diese Bauarbeiten so sehr geschädigt, dass der Baum habe gefällt werden müssen. Die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner für den Wertersatz des Nussbaums in Höhe von 7.671,- Euro sowie für die Beseitigungskosten in Höhe von 2.261,- Euro.
Die Beklagten haben vorgetragen, die Baugenehmigung sei Vertragsinhalt der Beauftragung der Streithelferin geworden. Die Beklagten hätten sichergestellt, dass die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen eingehalten würden. Die Streithelferin sei bei Beauftragung der Erdarbeiten und während der Bauphase zusätzlich mündlich auf die besonderen Umstände aufmerksam gemacht und mehrfach auf den Schutz der Nussbaumwurzeln hingewiesen worden. Es sei auch der ausdrückliche Hinweis erfolgt, dass jegliche Aushubarbeiten in einem entsprechenden Abstand zum Baum und den Wurzeln zu erfolgen hätten. Die Streithelferin habe die Auflagen der Baugenehmigung eingehalten. Der Aushub der Baugrube sei im vorgegebenen Abstand von mindestens 2,50 m vorgenommen worden. Die Wurzel sei außerhalb dieses vorgegebenen Abstandes getroffen worden. Da es sich um einen Wurzelabriss handelte, sei die Wurzel direkt fachmännisch versorgt, schneidend an einer geeigneten Stelle durchtrennt und hiernach mit Erdreich versorgt worden. Der gesamte Wurzel- und Erdbereich sei mit einer Folie abgedeckt worden, um Winter- bzw. Frostschäden zu vermeiden.
Die Streithelferin hat vorgetragen, eine Einbeziehung der Baugenehmigung in ihre Beauftragung sei nicht erfolgt. Sie sei weder schriftlich noch mündlich beauftragt worden, einen Baumschutzzaun zu errichten oder sonstige Schutzmaßnahmen zu ergreifen bzw. Maßnahmen hinsichtlich einer Wurzelversorgung vorzunehmen. Ebenso seien Anweisungen oder Hinweise nicht erteilt worden. Es sei nicht klar gewesen, dass die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen durch sie, die Streithelferin, zu beachten gewesen wären.
Das Landgericht hat die Beklagten nach Anhörung der Parteien (Protokoll vom 08.01.2020), Vernehmung der Zeugen S und H (Protokoll vom 20.01.2021), Beiziehung der Akte des selbständigen Beweisverfahrens und Anhörung des Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing. G (Protokoll vom 10.11.2021) antragsgemäß zur Zahlung von 9.932,- Euro nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 892,02 Euro nebst Zinsen verurteilt. Der Anspruch der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) ergebe sich gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Wegen der erkennbaren Gefahrenlage für den in Nähe der Grundstücksgrenze gelegenen Nussbaum hätten für die Beklagten besondere Verkehrssicherungspflichten bestanden. Zwar erübrige sich die Aufsichtspflicht für den Bauherrn, wenn er einen als zuverlässig bekannten sachkundigen Bauunternehmer beauftragt habe. Er bleibe aber verpflichtet, die Arbeiten zu überwachen und gegebenenfalls selbst einzugreifen, wenn für ihn erkennbar eine besondere Gefahrenlage gegeben sei oder Anlass zu Zweifeln bestehe, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maße den Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung trügen. Bei einer solchen Gefahrenlage dürfe sich der Bauherr nicht darauf beschränken, die Baugenehmigung des Gartenbauamtes dem Bauunternehmen einfach weiterzugeben und ihm alles Weitere anheimzustellen.
Den Beklagten sei aufgrund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung die Bedeutung des Schutzes der Nachbargrundstücke und der in der Baugenehmigung erteilten Auflagen bewusst gewesen. Sie hätten nicht dafür gesorgt, dass die Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung umgesetzt werde: Diese sei nicht in die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Streithelferin einbezogen worden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe ferner fest, dass die Streithelferin die Auflage Nr. 38 nicht umgesetzt habe. Weder ein „Berliner Verbau“ noch eine „verlorene Schalung“ seien hier errichtet worden. Auch der Mindestabstand von 2,50 m vom Stammfuß des Nussbaums sei nicht eingehalten worden. Die wesentliche Wurzelabtrennung sei in einem Abstand von ca. 1,20 m erfolgt und das die Wurzeln umhüllende Erdreich bis zu einer Entfernung von ca. 0,60 m zum Stamm abgerutscht. Nach dem Wurzelabriss sei entgegen der Auflage die Wurzel nicht umgehend sachgerecht vor Austrocknung und Frost geschützt worden. Die Restwurzeln seien dadurch nahezu bis zum Stamm im freigelegten Bereich abgestorben. Dadurch seien irreversible Schäden im Wurzelbereich und in der Krone entstanden. Die Standsicherheit sei nicht mehr gewährleistet gewesen und es habe ein sehr hohes Umsturzrisiko vorgelegen, weshalb der Baum baldmöglichst habe gefällt werden müssen. Der Zeuge S habe bestätigt, dass ein Baumschutzzaun nicht errichtet worden und bis zu einem Meter an den Wurzelbereich in einem steilen Verfahren nach unten gearbeitet worden sei. An eine spezielle Wurzelbehandlung habe er sich nicht erinnern können. Die Zeugin H habe bestätigt, dass die Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung mit dem Abstand von 2,50 m, einem Suchgraben und entsprechenden Suchmaßnahmen nicht eingehalten worden sei.
Die durch die Streithelferin verursachte Beschädigung des Nussbaums sei den Beklagten zuzurechnen. Sie hätten ihre Pflicht zur Verkehrssicherung verletzt, indem sie weder durch Vereinbarungen mit der Streithelferin noch durch konkrete Anweisungen oder Kontrollen der besonderen Risikosituation Rechnung getragen hätten. Infolgedessen könnten die Kläger gemäß § 251 BGB Wertersatz für den beschädigten Nussbaum gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangen. Die durch die Entfernung des Baumes eingetretene Wertminderung des klägerischen Grundstücks sei nach der „Methode Koch“ vom Sachverständigen zutreffend ermittelt worden und zum Zeitpunkt des Schadenseintritts auf 7.671,- Euro zu schätzen (§ 287 ZPO). Die Kläger könnten ferner die Erstattung der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Fällarbeiten und die Entsorgung des Baumes in Höhe von 2.261,- Euro verlangen, auch wenn der Sachverständige diese Kosten pauschal mit netto 1.200,- Euro angegeben habe und die Beklagten die Erforderlichkeit der entstandenen Kosten als nicht angemessen und nicht ortsüblich bestritten hätten. Die Kläger hätten ihrer Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihnen zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens genügt, welche bei der Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bilde. Das bloße Bestreiten der Beklagten sei demgegenüber unbeachtlich, da sie nicht vorgetragen hätten, was in der Region an Kosten angemessen und ortsüblich gewesen wäre, insbesondere keine Vergleichsangebote anderer Fachunternehmen vorgelegt hätten. Ein Gutachten zur Angemessenheit und Ortsüblichkeit der Kosten für die Fällarbeiten und die Entsorgung des Nussbaums sei daher nicht einzuholen gewesen. Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien den Klägern als Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie machen geltend, weder die Baumschutzsatzung der Stadt K noch darauf basierende Auflagen zu Baugenehmigungen seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, so dass sie keine Verkehrssicherungspflichten begründen könnten.
Eine unterstellte Verkehrssicherungspflicht hätten sie nicht verletzt:
Die bei den Baggerarbeiten beschädigte Wurzel sei außerhalb des vorgegebenen Mindestabstands von 2,50 m zum Stammfuß aufgegriffen worden, lediglich abgeknickt worden sei sie aufgrund der entstandenen Hebelwirkung innerhalb dieses Bereichs; dies habe der Sachverständige übersehen. Zudem sei der Wurzelabriss beim Abschieben des Oberbodens geschehen, nicht beim Aushub der Baugrube, also nicht bei Abgrabungen im Sinne der Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung. Ferner sei für keinen Beteiligten erkennbar gewesen, dass die Wurzel direkt unter und parallel zur Erdoberfläche nahe der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Beklagten gewachsen war. Die E-Mail vom 17.07.2017 hätte die Streithelferin auch noch vor der Beschädigung der Wurzel erreicht.
Die Zeugin H habe bei einer Begehung der Baustelle angeordnet, die abgeknickte Wurzel abzuschneiden und keine Verbaumaßnahmen oder Maßnahmen zum Schutz der Wurzel durchzuführen. Die Beklagten hätten sich an diese Anordnungen gehalten und daher keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Entsprechend der Anordnung sei die Baugrube geböscht – also ohne Verbau – ausgehoben worden. Die Baugrube habe sich zudem gar nicht im Kronentraufbereich des stark zum Grundstück der Kläger neigenden Walnussbaums befunden, vielmehr habe der Kronentraufbereich vollständig auf dem Grundstück der Kläger gelegen. Nur in diesem Bereich sei nach der Auflage Nr. 38 ein Berliner Verbau bzw. eine verlorene Schalung angeordnet gewesen. Die Beschädigung der Wurzel sei von § 910 Abs. 1 BGB gedeckt gewesen; gegen öffentlich-rechtlich auferlegte Beschränkungen sei nicht verstoßen worden. Jedenfalls müssten die Kläger sich ein erhebliches Mitverschulden zurechnen lassen, weil sie den Baum unzureichend gepflegt, gedüngt und bewässert hätten. Auch die Vorschädigung des Baums sei bei der Schadensbemessung fehlerhaft unberücksichtigt geblieben.
Die Beklagten und die Streithelferin beantragen, das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.02.2022, Az. 6 O 280/19, wird aufgehoben und abgeändert, dass es lautet wie folgt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger beantragen, die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Die den Beklagten in der Baugenehmigung erteilten Auflagen hätten Inhalt und Umfang ihrer Verkehrssicherungspflichten im konkreten Fall bestimmt. Der Vortrag zum Verlauf der beschädigten Wurzel und zu dem Ort, an dem sie aufgegriffen bzw. abgeknickt wurde, sei verspätet. Der Baum sei zwar – was der Sachverständige berücksichtigt habe – nicht in gesundem Idealzustand gewesen, aber dennoch vital. Die E-Mail vom 17.07.2017 sei nicht geeignet, die Streithelferin zur Einhaltung der Auflagen der Baugenehmigung zu verpflichten. Die Beklagten hätten die abgerissene Wurzel nicht zurückgeschnitten, mit Erdreich überdeckt und vor Austrocknung und Frost geschützt. Der Erdaushub im Wurzelbereich hätte schon nicht mit grobem und schwerem Gerät durchgeführt werden dürfen, sondern es hätte der angeordnete Suchgraben in Handarbeit oder mit dem Saugbagger ausgehoben werden müssen. Die Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung unterscheide dabei auch nicht zwischen der Abtragung des Oberbodens und anderen Abgrabungen wie dem Herstellen der Baugrube und der Rampe der Tiefgarage. Die Beklagte sei bestellte Bauleiterin, der Beklagte fortwährend auf der Baustelle präsent gewesen; sie hätten gewusst, was dort (nicht) geschah und daher eingreifen müssen. Der Kronentraufbereich des Walnussbaums reiche auch in das Grundstück der Beklagten; der gegenteilige Vortrag sei verspätet. Das Selbsthilferecht der Beklagten sei ausgeschlossen gewesen, da eine Erlaubnis zum Durchtrennen von Wurzeln nur gemäß der Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung bestanden habe, welche nicht eingehalten worden sei. Auch hätten die Beklagten die besonderen Rücksichtspflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis nicht beachtet. Ein Mitverschulden der Kläger scheide aus, da die Beklagten von ihrem Grundstück aus zu den geeigneten und erforderlichen Schutzmaßnahmen gehalten gewesen wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Klägern zurecht dem Grunde nach Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Eigentums aus § 823 Abs. 1 BGB zugesprochen (1.). Der Anspruch besteht in Höhe von 9.932,- Euro zuzüglich Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 892,02 Euro zuzüglich Zinsen (2.).
1. Der Anspruch der Kläger ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB (a). Eine Berechtigung der Beklagten für Eingriffe in das Wurzelwerk des Walnussbaums bestand nicht (b). Die Beklagten haben die Beeinträchtigung auch verursacht, indem sie eine ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht (c) verletzt haben (d). Dabei handelten sie schuldhaft (e).
a) Die Zerstörung eines Baumes stellt eine Beschädigung des Grundstücks dar, auf dem er steht: Ein Baum ist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 2 BGB wesentlicher Bestandteil und wertbildender Faktor des Grundstücks (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.1975 – VI ZR 85/74). Zwar besteht gemäß § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Selbsthilferecht, wenn Wurzeln eines Baumes von einem benachbarten Grundstück eingedrungen sind. Liegen die Voraussetzungen des § 910 BGB aber nicht vor, können dem Grundstückseigentümer gegen den die Selbsthilfe ausübenden Nachbarn Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen (Senat, Urteil vom 15.03.2019 – 12 U 77/18; OLG München, Urteil vom 11.05.2016 – 20 U 4831/15; Staudinger/Roth, BGB, Neubearbeitung 2020, § 910 Rn. 30).
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang weder darauf an, dass die Satzung der Stadt K zum Schutz von Grünbeständen vom 8. Oktober 1996 (Baumschutzsatzung) keine drittschützende Wirkung entfaltet (Senat, Urteil vom 15.03.2019 – 12 U 77/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1987 – 13 U 79/87; vgl. auch OLG München, Urteil vom 11.05.2016 – 20 U 4831/15), noch darauf, ob eine Baugenehmigung bzw. die Eingriffsnorm, auf der sie beruht, ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellt (dazu BGH, Urteil vom 26.02.1993 – V ZR 74/92; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 823 Rn. 57). Denn das Landgericht hat den Anspruch der Kläger zutreffend nicht aus § 823 Abs. 2 BGB, sondern aus Abs. 1 der Vorschrift hergeleitet.
b) Eine Berechtigung der Beklagten zum Abschneiden der auf ihrem Grundstück gelegenen Wurzeln des Walnussbaums im Rahmen eines Selbsthilferechts bestand nicht.
aa) Das Selbsthilferecht beurteilt sich vorliegend nach § 24 Abs. 2 NRG-BW. Diese Vorschrift trifft eine gegenüber § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB vorrangige Regelung und schränkt das Selbsthilferecht hinsichtlich in der Vorschrift näher bezeichneter, in das Nachbargrundstück eingedrungener Baumwurzeln ein (Senat, Urteil vom 27.05.2014 – 12 U 168/13; Bruns, Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 1). Die Vorschrift schützt alle Baumwurzeln; sie ist nicht auf Obstbäume beschränkt (Bruns, a.a.O. Rn. 14; Pelka: Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg, 22. Aufl. 2015, S. 157; vgl. auch Senat, a.a.O. zur Anwendbarkeit auf Fichten).
bb) Die beschädigten Wurzeln des Walnussbaums sind in den Bereich des Grundstücks der Beklagten eingedrungen, der sich gemäß § 905 BGB auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche erstreckt. Die Beklagten haben unwidersprochen dargelegt, dass eine Beeinträchtigung ihres Grundstücks gegeben war, weil die Wurzeln des Walnussbaums im Bereich der für ihr Bauvorhaben erforderlichen Erdarbeiten lagen.
cc) Allerdings setzt § 24 Abs. 2 NRG-BW weitergehend voraus, dass eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, insbesondere indem bestimmte Arbeiten auf dem Grundstück – hier die Errichtung des Bauvorhabens durch die Beklagten – die Beseitigung der Wurzeln erfordern. Dies ist nicht der Fall: Vorliegend wurden den Beklagten für die Verwirklichung ihres Bauvorhabens in der Baugenehmigung umfangreiche baumschützende Auflagen erteilt. Unabhängig davon, ob diesen eine drittschützende Wirkung zukommt, verdeutlichen die Auflagen, dass eine Entfernung der Wurzeln des Walnussbaums zur Verwirklichung des Bauvorhabens gerade nicht erforderlich war. Vielmehr wäre der Bau unter Beachtung der Auflagen ohne bzw. nur mit einer wesentlich geringeren Beeinträchtigung des Wurzelsystems möglich gewesen. Anderes behaupten die Beklagten nicht.
Bei der Frage der Erforderlichkeit der Ausübung des Selbsthilferechts sind die Verbote wirksamer Baumschutzsatzungen zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2021 – V ZR 234/19, Rn. 29; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.10.1991 – 22 U 220/90). Sie wirken sich auf das (privatrechtliche) Nachbarverhältnis aus, indem sie das Selbsthilferecht des Nachbarn einschränken, über die Grundstücksgrenze herüber ragende Zweige und Wurzeln eines geschützten Baumes abzuschneiden (OLG Hamm, Beschluss vom 06.11.2007 – 3 Ss OWi 494/07). Ob infolgedessen eine Selbsthilfe entgegen bestehender Verbote einer Baumschutzsatzung zu einem Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsverletzung führt (ablehnend OLG München, Urteil vom 11.05.2016 – 20 U 4831/15; Senat, Urteil vom 15.03.2019 – 12 U 77/18), ist vorliegend nicht entscheidend. Denn hier war ein Selbsthilferecht zum Abschneiden der Wurzeln auf Grund der zivilrechtlichen Vorschrift des § 24 Abs. 2 NRG-BW ausgeschlossen.
Da das Selbsthilferecht der Beklagten vorliegend schon nach § 24 Abs. 2 NRG-BW eingeschränkt war, hätten sie – anders als die Berufung meint – von den Klägern auch nicht die Beseitigung der Wurzeln gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verlangen können (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.2004 – V ZR 83/04; vom 28.11.2003 – V ZR 99/03).
c) Die Verletzung des Eigentums der Kläger haben die Beklagten auch verursacht. Zwar geschah dies bei Baggerarbeiten durch die von ihnen beauftragte Streithelferin, nicht durch eigenes Tun. Eine Zurechnung des Verhaltens der Streithelferin kommt nicht in Betracht (aa). Allerdings traf die Beklagten eine eigene Verkehrssicherungspflicht, das Grundstück der Kläger im Zuge der Baumaßnahmen vor Beeinträchtigungen zu schützen (bb). Diese Pflicht haben sie nicht auf die Streithelferin übertragen (cc).
aa) Für das Fehlverhalten selbständiger Handwerker und Unternehmer, die in der Regel keine Verrichtungsgehilfen des Bauherrn gemäß § 831 BGB sind, hat der Bauherr haftungsrechtlich grundsätzlich nicht einzustehen (BGH, Urteile vom 23.02.2001 – V ZR 389/99; vom 21.06.1994 – VI ZR 215/93; OLG Koblenz, Urteil vom 17.07.2003 – 5 U 18/03). Mangels vertraglicher oder quasi-vertraglicher Beziehungen zwischen Grundstücksnachbarn ist auch für eine Haftungszurechnung nach § 278 BGB kein Raum (OLG Koblenz, a.a.O. Rn. 7). Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt und eine Haftung der Beklagten nicht etwa aufgrund der Zurechnung fremden Verschuldens angenommen (Urteil S. 7).
bb) Allerdings ist, wer eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst jene Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.02.2012 – 7 U 92/11 m.w.N.; BGH, Urteil vom 15.02.2011 – VI ZR 176/10 m.w.N.). Dabei sind Sicherheitsvorkehrungen umso eher erforderlich bzw. zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 223/05; OLG Karlsruhe a.a.O.).
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird nicht allein durch gesetzliche Vorgaben bestimmt.
Gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden. Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (OLG Karlsruhe a.a.O.; BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06 m.w.N.). Danach kann der Verkehrssicherungspflichtige auch über baurechtliche Vorschriften hinaus gehalten sein, eine gebotene Vorsichtsmaßregel zu treffen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2003 – 7 U 138/01 m.w.N.). Verstößt der Verkehrssicherungspflichtige gegen Nebenbestimmungen oder Auflagen in einer ihm erteilten baurechtlichen Genehmigung, führt dies umgekehrt nicht zwangsläufig zu einer Haftung wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.02.2012 – 7 U 92/11).
Vorliegend entsprachen die den Beklagten im Rahmen ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht obliegenden Sorgfaltsanforderungen den Auflagen in der ihnen erteilten Baugenehmigung; sie gingen nicht darüber hinaus, blieben aber auch nicht dahinter zurück. Ihnen wurde in Gestalt der Baugenehmigung eine Erlaubnis zur Durchführung ihres Bauvorhabens im Rahmen der ausdrücklich erteilten Auflagen gewährt. Eine Befugnis zum Abschneiden der Wurzeln bestand dabei – wie unter b) dargelegt – nicht; die Beklagten waren vielmehr gehalten, ihr Bauvorhaben mit Rücksicht auf das benachbarte Grundstück der Kläger und die in deren Eigentum stehenden Bäume durchzuführen. Sie hatten dafür Sorge zu tragen, dass Eingriffe in den Wurzelbereich des Walnussbaums nur unter Beachtung der ihnen auferlegten Schutzmaßnahmen erfolgten. Diese waren erforderlich und zumutbar, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Sie entsprachen der DIN 18920 und der Richtlinie RAS-LP 4 zum Schutz von Bäumen (vgl. das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing. G vom 06.08.2018, S. 7 f.). Gegenteiliges haben die Beklagten nicht behauptet; sie haben die Baugenehmigung auch nicht inhaltlich angegriffen. Dass die Beachtung der in ihr auferlegten Schutzmaßnahmen für die Beklagten zumutbar war, folgt bereits daraus, dass die Auflagen der Baugenehmigung ohnehin öffentlich-rechtlich zwingend einzuhalten waren.
cc) Die Verkehrssicherungspflicht traf auch die Beklagten; sie haben sie nicht wirksam auf die Streithelferin übertragen.
Der Bauherr als Auftraggeber kann seine Verkehrssicherungspflicht auf als zuverlässig geltende, sachkundige Architekten oder Bauunternehmer übertragen; ihm verbleiben dann Koordinierungs, Anweisungs- und Überwachungspflichten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2005 – 7 U 161/03; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 823 Rn. 221, 50). Insbesondere muss er einschreiten, wenn ihm Versäumnisse auffallen (BGH, Urteil vom 23.02.2001 – V ZR 389/99). Für eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht bedarf es indes einer klaren Absprache. Der Übertragende muss sich vergewissern, dass der Übernehmende bereit und in der Lage ist, die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen (Grüneberg, a.a.O. Rn. 50). Unmittelbar selbst verkehrssicherungspflichtig bleibt die mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung befasste Person dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Er ist dann verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (BGH, Urteile vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13; vom 10.03.1977 – VII ZR 278/75).
Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, haben die Beklagten ihre Verkehrssicherungspflicht nicht vertraglich auf die Streithelferin übertragen. Insbesondere enthält die E-Mail vom 17.07.2017 an den Geschäftsführer der Streithelferin mit dem Hinweis auf die Baugenehmigung keine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht. Entgegen der Berufungsbegründung ist es unerheblich, wann diese E-Mail die Streithelferin erreicht hat. Die E-Mail informierte die Streithelferin lediglich über den Inhalt der Baugenehmigung, enthielt aber nicht den Antrag (§ 145 BGB) oder die Aufforderung, die in ihr enthaltenen Schutzmaßnahmen umzusetzen. Nach dem für die Auslegung der Erklärung maßgeblichen Empfängerhorizont (BGH, Urteil vom 16.10.2012 – X ZR 37/12) musste die Streithelferin sie nicht als verbindlichen Antrag zur Umsetzung der Auflagen verstehen, sondern konnte sie ebenso als Mitteilung bzw. bloßen Hinweis auf die Baugenehmigung im Rahmen des bestehenden Vertrags auffassen. Ein solcher Hinweis auf etwaige Gefahren bietet aber keine Gewähr dafür, dass Dritte nicht zu Schaden kommen (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13).
Die Kläger haben im Schriftsatz vom 17.11.2020 und in der Berufungsantwort unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagten nahezu täglich auf der Baustelle anwesend waren, und sich zudem den Vortrag der Streithelferin zu eigen gemacht, dass insbesondere der Beklagte den Baufortschritt im Detail verfolgte. Die Beklagten haben dies nicht in Abrede gestellt; sie haben vielmehr in der Klageerwiderung vorgetragen, dass insbesondere die Fräsarbeiten der Streithelferin von ihnen angewiesen, nur in ihrer Anwesenheit durchgeführt und überprüft wurden. Darüber hinaus hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2022 bestätigt, dass sie das Bauvorhaben als Architektin selbst geplant hat und verantwortliche Bauleiterin war; sie und ihr Ehemann seien beide – manchmal täglich, manchmal wöchentlich – auf der Baustelle anwesend gewesen, soweit dies nach dem Stand der Gewerke angezeigt war (II 64). Die Pflicht zur Einhaltung der für die Herstellung des Bauwerks maßgeblichen behördlichen Vorschriften und Auflagen und damit auch zur Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflichten verblieb vor diesem Hintergrund bei den Beklagten, vgl. § 45 Abs. 1 LBO.
Im Übrigen hätten die Beklagten bei ihren Besuchen auf der Baustelle erkennen können und müssen, dass die Streithelferin den Verkehrssicherungspflichten selbst nicht in ausreichendem Maße nachkam, insbesondere nicht die in der Baugenehmigung geforderten Maßnahmen zum Schutz der Wurzeln an der Grundstücksgrenze ergriff und keinen Berliner Verbau errichtete. Auch deshalb verblieben sie unmittelbar selbst verkehrssicherungspflichtig.
d) Die Beklagten haben die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht auch verletzt. Dies führte, wie das Landgericht im Rahmen seiner Beweisaufnahme beanstandungsfrei festgestellt hat, zu mehreren Verstößen gegen die Auflagen der Baugenehmigung, die nach dem Gesagten mit den zivilrechtlichen Sorgfaltsanforderungen übereinstimmten. Diese Verstöße waren für die Beschädigung des Walnussbaums auf dem Grundstück der Kläger ursächlich (Urteil S. 11 ff.).
aa) Die Würdigung der erhobenen Beweise unterliegt nur eingeschränkter Prüfung in der Berufungsinstanz. Anhaltspunkte, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen begründen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03), können sich insbesondere daraus ergeben, dass die Würdigung unvollständig oder widersprüchlich ist, oder dass sie gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03).
Bei der Würdigung eines Sachverständigengutachtens können Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen, wenn das Gutachten widersprüchlich oder unvollständig ist, wenn der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig war, sich sein Gutachten nicht mit allen entscheidungserheblichen Punkten befasst, sich die Tatsachengrundlage durch zulässigen neuen Sachvortrag geändert hat oder wenn neue wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten zur Beantwortung der Fragen vorliegen (BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361/02; Beschluss vom 05.09.2006 – VI ZR 176/05; OLG Brandenburg, Urteil vom 08.02.2018 – 5 U 109/16).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben:
bb) Dies gilt zunächst für den Einwand der Beklagten, dass die Stelle, an der die Wurzel durch die Baggerschaufel aufgegriffen worden sei, außerhalb des in Nr. 38 der Auflage vorgegebenen Mindestabstands von 2,50 m zum Stammfuß des Nussbaums gelegen habe; lediglich abgeknickt worden sei die Wurzel an einer Stelle innerhalb des geschützten Bereichs.
Das Landgericht hat bei seiner Feststellung, dass der Mindestabstand von 2,50 m nicht eingehalten worden sei, diesen Vortrag der Beklagten nicht übergangen. Es ist in seiner Entscheidung den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G gefolgt und hat sich diese vollumfänglich zu eigen gemacht. Der Sachverständige hat den Vortrag der Beklagten über den Ort der Beschädigung – entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht – ebenfalls berücksichtigt. Er hat in seinem Gutachten vom 06.08.2018 festgestellt, dass der Mindestabstand von 2,50 m zur Herstellung der Baugrube nicht eingehalten worden sei, und dass bei Umsetzung der Auflagen der Genehmigung die Verschlechterung nicht in dem hier vorliegenden Umfang stattgefunden hätte (S. 14 f.). Auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten hat er in seinem Ergänzungsgutachten II vom 09.11.2018 die genaue Position der Wurzeldurchtrennung näher erläutert (6 OH 12/18, AS 219). Darüber hinaus hat er dargelegt, dass das Erdreich bis zu einem Abstand von 0,60 m zum Stamm hin abgegraben worden und dann mit lockerem Erdreich nachträglich wieder verfüllt worden sei; dadurch seien die Wurzeln fast bis zum Stamm freigelegt und erheblich geschädigt worden (6 OH 12/18, AS 221). Faktisch sei das Wurzelsystem halbseitig beseitigt, nicht nur eine einzelne Wurzel zerstört worden (6 OH 12/18, AS 225). Dass zudem ein Wurzelvorhang nicht erstellt worden sei, habe dazu beigetragen, dass die Wurzeln nicht – wie vorgeschrieben – im Abstand von 2,50 m beseitigt worden seien, sondern im Abstand von 1,20 m (6 OH 12/18, AS 229).
Weitere Ausführungen zu dieser Frage hat der Sachverständige in seiner Anhörung zur Erläuterung der Gutachten im Termin vom 13.11.2018 und 10.11.2021 gemacht:
Demnach hätte auch der vorgeschriebene Berliner Verbau zu einem Schutz der Wurzeln im Abstand von 2,50 m geführt. Weil dieser hier aber nicht angebracht worden sei, sei im oberen Bereich der Wurzeln mit abgegraben und die wesentliche Schädigung der Wurzeln mit verursacht worden. Wäre indes der Berliner Verbau ordnungsgemäß erstellt worden, so wären die Wurzeln im Abstand von 2,50 m gekappt worden; dann hätte man ein Absterben verhindern und den Baum retten können.
Diese Ausführungen des Sachverständigen verdeutlichen, dass der Ort des Aufgreifens und des Abknickens einer einzelnen Wurzel – anders als die Berufung meint – nicht isoliert betrachtet werden kann. Denn bei den Bauarbeiten wurde nicht nur eine einzelne Wurzel zerstört. Vielmehr kam es aufgrund der unterlassenen Umsetzung der Auflage Nr. 38 der Baugenehmigung zu einer faktisch halbseitigen Beschädigung des gesamten Wurzelsystems des Walnussbaums. Wo genau die Baggerschaufel die einzelne Wurzel aufgriff, ist für die Frage der Verletzung der den Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht daher unerheblich. Die ihnen vorzuwerfende Pflichtverletzung liegt vielmehr darin, dass sie nicht für die Umsetzung der in der Auflage Nr. 38 vorgesehenen Maßnahmen insgesamt gesorgt haben. Diese hätten ein Abknicken bzw. eine Beschädigung der einzelnen Wurzel (unabhängig vom Ort ihres Aufgreifens) und des gesamten Wurzelsystems innerhalb des geschützten Bereichs von 2,50 m verhindert. Zudem wäre der Abstand von 2,50 m bei den Abgrabungen nicht unterschritten worden.
cc) Vor diesem Hintergrund verfängt auch der mit der Berufung erstmals erhobene Einwand der Beklagten nicht, der Abriss der Wurzel sei beim Abschieben des Oberbodens geschehen, die Auflage Nr. 38 erfasse mit „Abgrabungen“, bei denen der Mindestabstand von 2,50 m einzuhalten gewesen wäre, aber nur das Herstellen der Baugrube und die Rampe der Tiefgarage.
Zum einen handelt es sich – was den Zeitpunkt des Abrisses der Wurzel beim Abschieben des Oberbodens und die nach dem Vortrag der Beklagten erforderliche Differenzierung zur Herstellung der Baugrube angeht – um streitige neue Tatsachen, deren Berücksichtigung in der Berufungsinstanz gemäß §§ 530, 531 Abs. 2 ZPO unzulässig ist. Zum anderen hat der Sachverständige in seiner Vorlage zur Anhörung im Termin vom 10.11.2021 entgegen dieser Ansicht festgestellt, dass die Wurzeln des Nussbaums beim Abgraben der Baugrube beschädigt wurden. Auch insoweit ist – wie eben unter bb) erörtert – die Beschädigung einer einzelnen Wurzel unerheblich; entscheidend ist vielmehr die fehlende Umsetzung sämtlicher Schutzmaßnahmen, die in ihrer Gesamtheit das Eintreten irreparabler Schäden an dem Wurzelsystem des Walnussbaums verhindert hätten.
dd) Die Behauptung der Beklagten, es sei für keinen Beteiligten erkennbar gewesen, dass die Wurzel direkt unter und parallel zur Erdoberfläche gewachsen sei, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen.
Die Beklagten haben die fehlende Erkennbarkeit der einzelnen, entlang der Grenze gewachsenen Wurzel bereits in der Klageerwiderung geltend gemacht. Der Sachverständige hat dies in seinem Gutachten berücksichtigt und auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten in seinem Ergänzungsgutachten II vom 09.11.2018 ausgeführt, dass nicht nur eine einzelne Wurzel des Walnussbaums, sondern Wurzeln in wesentlich größerem Umfang auf dem Grundstück der Beklagten gewachsen waren (6 OH 12/18, AS 229). Dass der Wuchs dieser Wurzeln nicht erkennbar gewesen sei, vermag an der Verletzung der den Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht nichts zu ändern: Der unterirdische Verlauf von Wurzeln ist in aller Regel vor Öffnung des Erdbodens nicht offenkundig. Die in der Baugenehmigung angeordneten Auflagen hätten vorliegend im Falle ihrer Einhaltung gerade dazu dienen sollen, solche von außen nicht erkennbare Wurzeln vor Beschädigung zu schützen.
ee) Die Beklagten machen mit der Berufung darüber hinaus geltend, der Kronentraufbereich des Walnussbaums – in dessen Bereich ein Berliner Verbau bzw. eine verlorene Schalung angeordnet wurde – hätte sich vollständig auf dem Grundstück der Kläger befunden.
Diese Behauptung haben sie bereits in erster Instanz, allerdings entgegen § 296a ZPO erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 10.01.2022 aufgestellt. Sie setzen sich damit in Widerspruch zu dem Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2021, wonach der Kronentraufbereich des Walnussbaums für etwa vier bis fünf Meter in sein Grundstück hineinragte. Die Behauptung entspricht auch nicht den Feststellungen des Sachverständigen, der in seiner Anhörung am gleichen Tag die Gesamtbreite des Kronentraufbereichs mit acht bis neun Metern angegeben hat und davon ausgegangen ist, dass der Kronentraufbereich über den Bereich von 2,50 m hinaus auf das Grundstück der Beklagten hinüberreichte. Aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte entgegen des ausdrücklich anderslautenden erstinstanzlichen Vortrags des Beklagten nunmehr davon ausgegangen werden sollte, der Kronentraufbereich habe ausschließlich auf dem Grundstück der Kläger gelegen, machen die Beklagten in der Berufungsbegründung nicht geltend. Sie behaupten lediglich pauschal eine andere Lage des Kronentraufbereichs, ohne dies näher zu substantiieren oder unter Beweis zu stellen. Rechtlich oder tatsächlich durchgreifende Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen erheben sie damit nicht.
ff) Die Beklagten machen schließlich mit der Berufung geltend, das Gartenbauamt der Stadt K habe durch die Zeugin H beim Ortstermin am 14.09.2017 angeordnet, die abgeknickte Wurzel abzuschneiden und keinerlei Verbaumaßnahmen durchzuführen; ihre Anordnungen seien von den Beklagten vollumfänglich umgesetzt worden, so dass die Baugrube geböscht – also ohne Verbau – ausgehoben worden sei.
Der Sache nach machen die Beklagten mit diesem Einwand geltend, der ihnen in Gestalt der Baugenehmigung erteilte Verwaltungsakt (§ 35 LVwVfg) sei teilweise – hinsichtlich der Auflagen des Gartenbauamts – gemäß § 49 LVwVfG widerrufen bzw. geändert worden. Dies ist bereits deshalb unerheblich, weil nicht ersichtlich ist, ob und inwiefern dies den Umfang der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten modifiziert hätte. Darüber hinaus wären etwaige mündliche Erklärungen von Mitarbeiterinnen des Gartenbauamts nicht geeignet, die den Beklagten erteilte Baugenehmigung – die gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3, 4 LBO BW einem Schriftformerfordernis unterliegt – zu ändern. Stillschweigende oder konkludente Genehmigungen sind dem Baurecht angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform fremd (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25.06.2014 – 3 A 1024/13). Für eine derartige Änderung der Baugenehmigung wäre gemäß § 49 Abs. 5, § 3 LVwVfG im Übrigen nicht das Gartenbauamt, sondern die örtliche Baugenehmigungsbehörde zuständig gewesen, die bei einem teilweisen Widerruf der erteilten Auflagen auch über eine erneute Beteiligung der Kläger gemäß § 55 LBO BW hätte entscheiden müssen.
Für eine mündliche Änderung der Auflagen in der den Beklagten erteilten Baugenehmigung durch die Zeugin H bestehen schließlich nach der Vernehmung dieser Zeugin, auf die sich die Beklagten bereits erstinstanzlich zum Beweis ihrer Behauptung berufen haben, keinerlei Anhaltspunkte. Die Zeugin hat eine derartige mündliche Änderung der Baugenehmigung im Ortstermin am 14.09.2017 nicht bestätigt. Aus den Angaben in ihrer Vernehmung am 20.01.2021 ergibt sich vielmehr, dass sie noch anlässlich des Ortstermins am 23.04.2018 von einer unveränderten Geltung der Auflagen ausging: Zwar sei der Rückschnitt der Wurzeln angeordnet gewesen; die Maßgaben des Abstands von 2,50 m, Suchgraben und Suchmaßnahmen seien allerdings nicht eingehalten worden, sonst wäre es nicht zu den festgestellten Beschädigungen gekommen. Diese Ausführungen der Zeugin verdeutlichen, dass sie die von den Beklagten behauptete Anordnung, keine Verbaumaßnahmen durchzuführen und die Baugrube geböscht auszuheben, nicht getroffen hat. Denn wäre dies der Fall gewesen, wäre sie nicht noch über ein halbes Jahr später von der unveränderten Geltung der Auflagen in der Baugenehmigung ausgegangen.
Die Zeugin H hat darüber hinaus in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, der Schaden an den Wurzeln sei bereits durch die Aushebung der Baugrube entstanden. Der Ortstermin am 14.09.2017 erfolgte indes auch nach dem Vortrag der Beklagten erst, nachdem durch die Erdarbeiten bereits eine erhebliche Schädigung des Wurzelbereichs – der Zeugin H zufolge von 40 bis 50% – eingetreten war. Eine unterstellte Anordnung der Zeugin zu diesem Zeitpunkt, keine Verbaumaßnahmen durchzuführen und die Baugrube geböscht auszuheben, hätte an der damals bereits eingetretenen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten mithin nichts geändert:
Die Aushubarbeiten hatten bereits ohne Einhaltung der angeordneten Schutzmaßnahmen begonnen und zu den vorgeworfenen Beschädigungen geführt.
e) Die Beklagten handelten auch zumindest fahrlässig, § 276 Abs. 2 BGB. Die Baugenehmigung mit den in ihr erteilten Auflagen war ihnen bekannt. Aus der Sicht eines vernünftig und besonnen handelnden Nachbarn (vgl. zu diesem Maßstab OLG Brandenburg, Urteil vom 08.02.2018 – 5 U 109/16) war es geboten, für die Umsetzung der Auflagen Sorge zu tragen und sie zu befolgen, um nachteilige Auswirkungen bei der Umsetzung ihres Bauvorhabens auf den im Eigentum der Kläger stehenden Walnussbaum zu verhindern.
2. Der durch die Eigentumsverletzung entstandene Schaden ist vom Landgericht zutreffend berechnet worden.
Die Ermittlung und Schätzung des Minderwertes des Grundstücks steht gemäß § 287 ZPO im freien Ermessen des Tatrichters. Die Anwendung des bei Baumbeschädigungen durchzuführenden Sachwertverfahrens nach der „Methode Koch“ erfordert regelmäßig – wie hier geschehen – die Einholung eines Gutachtens eines Baum- oder Gehölzsachverständigen (OLG Brandenburg, Urteil vom 08.02.2018 – 5 U 109/16 m.w.N.).
Die von den Beklagten mit der Berufung vorgebrachten Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen, dem sich das Landgericht auch insoweit in vollem Umfang angeschlossen hat, verfangen nicht:
a) Dass der Walnussbaum nicht vollständig gesund war, hat der Sachverständige – anders als die Berufung meint – bei der Wertberechnung berücksichtigt. Er hat in seinem Ergänzungsgutachten I vom 09.11.2018 (6 OH 12/18) detaillierte Ausführungen zur konkreten Berechnung des Werts des Baumes gemacht. Zu seinem Zustand hat er ausgeführt, dass er vor Beginn der Baumaßnahmen nicht vital gewesen sei, und dass er deshalb eine Wertminderung von 40% in Ansatz gebracht habe (vgl. die Vorlage zur Anhörung vom 10.11.2021). Den Verkehrswert des Baumes hat er unter Abzug der Wertminderung mit 7.671,- Euro ermittelt. Auch in seiner Anhörung am 10.11.2021 hat er erneut darauf hingewiesen, dass der Baum vor Beginn der Baumaßnahmen nicht vital, sondern kränklich war.
b) Die Beklagten machen in der Berufungsinstanz erstmals geltend, die Kläger treffe wegen einer ihnen obliegenden, unzureichenden Pflege, Düngung und Bewässerung ein erhebliches Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB), welches bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sei. Dabei handelt es sich um ein neues Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel, das bei gebotener Sorgfalt bereits in erster Instanz hätte angebracht werden können. Die Berufung darauf ist den Beklagten daher verwehrt, § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO.
Die zugrunde liegende Behauptung ist auch nicht unstreitig und daher im Berufungsrechtszug zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2015 – VI ZR 551/13).
Anders als die Beklagten meinen, hat der Sachverständige sie in erster Instanz nicht in dieser Form festgestellt:
Den Ausführungen des Sachverständigen in der Vorlage zur Anhörung und in der Anhörung am 10.11.2021 zufolge waren die Baumaßnahmen der Beklagten in Gestalt des Abgrabens der Baugrube für das Absterben und die erforderliche Beseitigung des Baumes ursächlich. Bei den nach der Beschädigung ergriffenen Maßnahmen handelte es sich nur noch um „Kosmetik“, die den Schadenseintritt nicht mehr verhinderte. Allein die unterbliebene Errichtung des Berliner Verbaus und das Fehlen entsprechender Schutzmaßnahmen habe zu der schrägen Böschung, dem Freilegen und Abschneiden der Wurzeln und damit im Ergebnis zum Absterben des Baumes geführt. Wäre gleich beim Abgraben ein Fachmann hinzugeholt worden, so hätte nachträglich ein Verbau errichtet werden können, der mit gutem Erdreich und bei intensiver Bewässerung den Baum wahrscheinlich hätte retten können.
Die Hinzuziehung eines Fachmanns und die nachträgliche Errichtung eines Verbaus hätten nach den Auflagen in der Baugenehmigung indes im Verantwortungsbereich der Beklagten, nicht der Kläger gelegen:
Die Beklagten waren aufgrund der Baugenehmigung verpflichtet, die Wurzeln schützende Maßnahmen vor Beginn der Bauarbeiten sicherzustellen; sie hatten der Auflage Nr. 38 zufolge auch für eine fachmännische Versorgung ggf. beschädigter Wurzeln Sorge zu tragen. Da der beschädigte Wurzelbereich auf dem Grundstück der Beklagten lag, wären diese Maßnahmen auch von ihrem Grundstück aus durchzuführen gewesen. Dass Pflegemaßnahmen am Stamm des Walnussbaums im Grundstücksbereich der Kläger den Schadenseintritt hätten verhindern können, hat der Sachverständige dagegen weder festgestellt noch ist dies aus anderen Gründen ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die der Streithelferin im Berufungsverfahren entstandenen Kosten trägt diese gemäß § 101 Abs. 1 ZPO selbst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil betroffen:
- Verkehrssicherungspflicht: Das Urteil bezieht sich hauptsächlich auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten. Diese hatten eine Baugenehmigung, die den Schutz der Bäume auf dem Nachbargrundstück vorschrieb, aber die Pflichten gegenüber dem beschädigten Baum nicht ausreichend beachtet.
- Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB: Die Kläger haben einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihres Eigentums in Höhe von 9.932,- Euro zugesprochen bekommen. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten.
- Selbsthilferecht: Das Selbsthilferecht der Beklagten war ausgeschlossen, da sie gegen die Auflagen der Baugenehmigung verstoßen und dadurch ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hatten.
- Baugenehmigung: Die Baugenehmigung spielte eine Rolle, da sie den Schutz der Bäume auf dem Nachbargrundstück vorschrieb und den Beklagten bekannt war.
- Mitverantwortung der Kläger: Ein neues Argument, wonach die Kläger aufgrund mangelnder Pflege Mitverantwortung tragen, wurde nicht berücksichtigt.
Insgesamt ist die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der wichtigste rechtliche Bereich in diesem Urteil, da der Schadensersatzanspruch und die Entscheidung des Gerichts darauf basieren. Die Baugenehmigung und das Selbsthilferecht der Beklagten sind ebenfalls von Bedeutung.