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Schadensersatzanspruch gegen Gemeinde wegen rechtwidrigen Fällens von Bäumen auf Privatgrundstück

LANDGERICHT OSNABRÜCK

Az.: 5 O 2202/06

Urteil vom 09.11.2006


1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2006 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde Schadensersatz wegen der Entfernung von Baumstämmen von seinem Grundstück sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundbesitzes … in M. Der Vorgarten des Grundstücks endet an einem Radweg. Am Ende des Grundstücks neben dem Radweg befanden sich ca. 30 etwa 2 m hohe Fichten, deren Äste und Zweige der Kläger bereits im Jahre 2000 abgesägt hatte, so dass nur noch die Stämme dort standen. Auf das in der Akte befindliche Lichtbild Bl. 27 d.A. wird Bezug genommen.

Im Protokoll einer Sitzung des Verwaltungsausschusses der Gemeinde M. vom 14.6.2005 wurde die Anregung schriftlich festgehalten, beim Anwesen des Klägers „den verunkrauteten Streifen zu reinigen“ (Bl. 24 d.A.). Daraufhin erschienen auf Anweisung der Beklagten deren Mitarbeiter am 23.6.2005 auf dem Grundbesitz des Klägers, sägten die erwähnten 30 Fichtenstämme erdgleich ab, schnitten die Pflanzen und das Grün ab und entsorgten es. Ein später angebrachter handschriftlicher Vermerk auf dem Protokoll vom 14.6.2005 lautet „am 23.6.2005 aufgeräumt“.

Der Kläger trägt vor, er habe den Garten als „Ökogarten“ geplant und gepflegt. Die Baumstämme seien stabil gewesen. Die Wiederherstellung des Zustands vor dem 23.6.2005 erfordere einen Betrag von 2.843,-Euro netto. Hierzu bezieht sich der Kläger auf ein Angebot der Firma G. Auf Bl. 5 d.A. wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.843,-Euro nebst 5 % Jahreszinsen hierauf über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2006 zu zahlen.

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger weitere 165,71 Euro nebst 5 % Jahreszinsen hierauf über dem Basiszinssatz ab dem 26.6.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Baumstämme seien ab- bzw. angefault gewesen und hätten spätestens seit Anfang 2005 gedroht, auf den angrenzenden öffentlichen Fahrradweg zu kippen. Aus der Bevölkerung habe es Beschwerden bei der Beklagten gegeben. Aus diesem Grund sei die Beklagte von Amts wegen eingeschritten.

Das Gericht hat den Kläger und den Bürgermeister der Gemeinde persönlich angehört.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Haftung dem Grunde nach ergibt sich aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Die Beklagte hat eine drittgerichtete Amtspflicht i.S. von § 839 Abs. 1 S. 1 BGB verletzt. Ihre Anweisung zum Abholzen der Bäume war rechtswidrig. Die Beklagte hat nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine Gefahr von den Bäumen ausging, die ohne jeden Aufschub beseitigt werden musste. Immerhin bestand dieser Zustand schon seit über fünf Jahren. Der Beklagten war auch der Eigentümer des Grundstücks bekannt. Das Protokoll der Ausschußsitzung spricht ebenfalls gegen eine unverzüglich gebotene Gefahrenabwehrmaßnahme. Zum einen ist dort zwar von Unkraut, nicht aber von Gefahren durch morsche Baumstämme die Rede. Hierzu paßt auch der nachträgliche Vermerk, wonach „aufgeräumt“ wurde. Zum anderen lagen zwischen der Sitzung und der Beseitigung ein Zeitraum von immerhin neun Tagen, was ebenfalls gegen den sofortigen Handlungsbedarf spricht. Die Beklagte hätte dem Kläger, wenn eine Gefahr von den Baumstämmen ausging, die Beseitigung durch einen Bescheid nach dem Nds. SOG auferlegen müssen und gegebenenfalls anschließend im Wege der Ersatzvornahme die Beseitigung vornehmen müssen.

Die Verletzung der Amtspflicht ist kausal für den eingetretenen Schaden. Die Kausalität kann nicht im Hinblick auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten verneint werden. Allerdings hätte möglicherweise eine Beseitigungsverfügung nach dem Gefahrenabwehrrecht ergehen können, die im Endeffekt zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Die Kammer sieht die Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten wegen der Verletzung von grundlegenden Verfahrensnormen jedoch als unzulässig an (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, vor § 249 Rdz. 106 m.w.N.). Andernfalls würde die Abkürzung von Verfahren durch Umgehung von Verfahrensvorschriften nebst den darin enthaltenen Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger im Nachhinein legalisiert. Im übrigen hat die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine Beseitigungsverfügung für alle beseitigten Baumstämme erfolgreich gewesen wäre.

Der Höhe nach ist ein Schadensersatzanspruch allerdings nur in geringem Umfang gegeben. Die Zerstörung oder Beschädigung eines Baumes ist wegen den §§ 93 und 94 BGB rechtlich eine Verletzung des Eigentums am Grundstück. Grundsätzlich ist, da die Herstellungskosten für ältere Bäume regelmäßig sehr hoch sind, nur eine Teilwiederherstellung zu ersetzen. Das bedeutet, dass die Kosten für den Erwerb und die Anpflanzung eines entsprechenden jungen Baumes zu ersetzen sind. Der verbleibende Restschaden wird durch die Minderung des Grundstückswerts bestimmt (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 251 Rdz. 11 m.w.N.). Ein Minderwert des Grundstücks ist nicht eingetreten. Das ergibt sich aus den zur Akte gereichten Fotos, die unstreitig den Zustand des Grundstücks vor der Maßnahme der Beklagten zeigen. Die auf Stämme reduzierten Fichten trugen eher zu einer Verunstaltung des Grundstücks bei. Eine Wertverbesserung sieht auch der Kläger darin nicht. Insoweit hat er in der mündlichen Verhandlung nämlich nicht an seiner Begründung festgehalten, er habe einen „Ökogarten“ unterhalten wollen, sondern hat erklärt, die Stämme aus Ärger über die Versagung einer Baugenehmigung für eine Garage abgeholzt zu haben. Weil die Gemeinde statt der Garage einen Grünstreifen habe erhalten wollen, habe sie einen solchen auch bekommen.

Damit bleiben als ersatzfähiger Schaden die Kosten für die Neuanpflanzung von jungen Bäumen. Die Kammer hat sich gemäß § 287 Abs. 1 ZPO an dem von dem Kläger zur Akte gereichten Angebot für die Neuanpflanzung von Fichten orientiert. Allerdings kann nach den obigen Ausführungen nicht die Pflanzung von 2 m hohen Fichten, sondern nur von jüngeren Bäumen verlangt werden. Der Kläger kann aus Sicht des Gerichts auch nicht die Kosten für einen Beschnitt der Bäume verlangen. Schließlich ist ein Abzug neu für alt im Wege der Vorteilsausgleichung vorzunehmen, der wegen des Alters und der Vorschädigung der beseitigten Bäume bei weit über 50 % liegen dürfte. Insgesamt schätzt die Kammer damit den entstandenen Schaden auf 250,– Euro.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Obsiegen des Klägers ist geringfügig und hat keinen Gebührensprung ausgelöst, weshalb ihm die Kosten insgesamt aufzuerlegen sind. Aus demselben Grund hat er auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

Der Streitwert beläuft sich auf bis zu 3000,– €.

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