Ein Hauseigentümer klagte auf Fällung einer 80 Jahre alten Eiche, weil diese seine geplante Photovoltaik-Anlage verschattete. Obwohl das Gesetz der Solarenergie einen „überragenden öffentlichen Vorrang“ gewährt, stand der Baumschutz gegen Photovoltaik-Anlage unerwartet an erster Stelle.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Warum wiegt der Schutz einer alten Eiche schwerer als der Bau einer neuen Solaranlage?
- Machte der Schatten des Baumes die Solaranlage nicht unmöglich oder unrentabel?
- Zählten Schäden am Haus und herabfallende Äste nicht als unzumutbare Belastung?
- Gibt das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien Solaranlagen keinen absoluten Vorrang?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Darf ich einen geschützten Baum fällen, wenn er meine Solaranlage verschattet?
- Muss ich einen geschützten Baum dulden, wenn meine PV-Anlage dadurch unrentabel wird?
- Welche Schäden oder Beeinträchtigungen durch einen Baum rechtfertigen eine Fällgenehmigung?
- Gilt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Freibrief für die Fällung geschützter Bäume?
- Welche Kriterien entscheiden, ob der alte Baum oder die Solarenergie im Einzelfall gewinnt?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: M 19 K 23.1568 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verwaltungsgericht München
- Datum: 10.07.2025
- Aktenzeichen: M 19 K 23.1568
- Verfahren: Klage auf Erteilung einer Fällgenehmigung
- Rechtsbereiche: Baumschutzverordnung, Erneuerbare Energien, Verwaltungsrecht
- Das Problem: Grundstückseigentümer wollten eine etwa 80 Jahre alte Eiche fällen lassen. Sie brauchten die Fällung, um eine geplante Photovoltaikanlage wirtschaftlich zu betreiben. Die örtliche Behörde lehnte dies unter Berufung auf den Baumschutz ab.
- Die Rechtsfrage: Muss eine innerörtlich geschützte Eiche gefällt werden, wenn sie die Wirtschaftlichkeit einer geplanten Solaranlage auf dem Hausdach stark reduziert?
- Die Antwort: Nein. Die Solaranlage kann trotz Verschattung noch wirtschaftlich genug betrieben werden. Das öffentliche Interesse am Erhalt des ökologisch wertvollen Baumes überwiegt.
- Die Bedeutung: Das in den Gesetzen festgehaltene hohe öffentliche Interesse am Ausbau der Solarenergie hat keinen absoluten Vorrang. Der Schutz alter, vitaler Bäume kann wichtiger sein als die maximale Effektivität einer kleinen Dachanlage.
Der Fall vor Gericht
Warum wiegt der Schutz einer alten Eiche schwerer als der Bau einer neuen Solaranlage?
Es ist ein Konflikt, der moderner nicht sein könnte. In der einen Ecke steht der Wunsch nach sauberer Energie – verkörpert durch eine geplante Photovoltaikanlage auf einem Hausdach. In der anderen Ecke steht ein stiller Riese: eine achtzig Jahre alte Eiche, die mit ihren Wurzeln fest in der Erde und im örtlichen Baumschutz verankert ist. Die Hausbesitzer wollten den Baum fällen, weil sein Schatten die Solarpläne durchkreuzte. Die zuständige Behörde verweigerte die Genehmigung. Der Fall landete vor dem Verwaltungsgericht München, das eine Grundsatzfrage klären musste: Welches Grün hat Vorrang – das der Technologie oder das der Natur?

Die Richter wiesen die Klage der Eigentümer ab. Die Eiche bleibt stehen. Ihre Entscheidung stützt sich auf eine klare juristische Logik, die den Baumschutz nicht als Hindernis, sondern als gleichberechtigtes öffentliches Interesse versteht. Der Baum unterliegt der örtlichen Baumschutzverordnung (BaumschutzV). Nach dieser Verordnung sind Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern geschützt und dürfen nicht ohne Genehmigung entfernt werden (§ 2 Abs. 1 BaumschutzV). Die Eiche der Kläger hatte einen Umfang von rund 200 Zentimetern. Sie war damit unstrittig ein Schutzobjekt. Für die Eigentümer gab es zwei Wege, eine Fällung dennoch zu erreichen: über eine Genehmigung oder eine Befreiung von den Vorschriften. Beide Wege waren ihnen versperrt.
Machte der Schatten des Baumes die Solaranlage nicht unmöglich oder unrentabel?
Die Hausbesitzer argumentierten, die Fällung sei notwendig, weil die Solaranlage sonst nicht sinnvoll betrieben werden könne. Sie legten zwei verschiedene Berechnungen vor. Eine prognostizierte einen Ertragsverlust von 30 Prozent, die andere sogar von 42 Prozent. Ihre Schlussfolgerung: Ohne die Fällung sei das Projekt unwirtschaftlich.
Das Gericht sah das anders. Es nahm die Zahlen der Eigentümer und kam zu einem gegenteiligen Ergebnis. Der entscheidende Punkt war nicht, ob die Anlage ihre maximale Leistung erbringen kann, sondern ob sie überhaupt wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden kann. Selbst die pessimistischste Berechnung ergab einen Jahresertrag von rund 4.700 Kilowattstunden. Eine andere Berechnung, die moderne Verschattungstechnologien berücksichtigte, kam sogar auf 6.200 Kilowattstunden. Das Gericht rechnete vor: Der durchschnittliche Jahresbedarf einer vierköpfigen Familie liegt bei etwa 5.400 Kilowattstunden. Die Anlage konnte also nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern sogar noch Strom ins Netz einspeisen.
Die Richter zogen eine klare Linie: Das im Grundgesetz verankerte Eigentumsrecht (Art. 14 GG) garantiert kein Recht auf die optimale Ausnutzung eines Grundstücks. Da die Errichtung und ein rentabler Betrieb der Anlage auch mit Baum möglich waren, bestand kein Anspruch auf eine Fällgenehmigung aus diesem Grund. Die Verschattung machte das Vorhaben vielleicht weniger lukrativ – unmöglich machte sie es nicht.
Zählten Schäden am Haus und herabfallende Äste nicht als unzumutbare Belastung?
Die Eigentümer führten eine ganze Liste weiterer Probleme ins Feld. Die Wurzeln würden Terrassenplatten anheben und drohten, Abwasserkanäle zu beschädigen. Laub und Äste verstopften die Dachrinnen, Moos wachse auf dem Dach. Zudem sei das Haus ab Mittag so stark verschattet, dass man künstliches Licht für die Arbeit im Inneren benötige.
Das Gericht prüfte diese Punkte unter dem Begriff der „unzumutbaren Beeinträchtigung“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 BaumschutzV). Eine solche liegt nur vor, wenn die Nachteile weit über bloße Lästigkeiten hinausgehen. Laubfall, Moosbildung oder die ständige Reinigung von Dachrinnen sind typische Begleiterscheinungen des Lebens mit großen Bäumen. Sie allein rechtfertigen keine Fällung. Die angehobenen Terrassenplatten waren ein geringfügiges Problem. Die behaupteten Gefahren für Abwasserkanäle und die Gebäudestruktur waren reine Vermutungen. Die Eigentümer hatten dafür keine Beweise vorgelegt und bei einer Besichtigung vor Ort fand das Gericht keine Anzeichen für akute Schäden.
Auch das Argument der Verdunkelung überzeugte die Richter nicht. Eine Unzumutbarkeit liegt erst vor, wenn Wohnräume quasi unbewohnbar werden, weil dauerhaft kein Tageslicht mehr einfällt. Bei der Besichtigung stellten die Richter fest, dass das Wohnzimmer zur Mittagszeit keineswegs stark verschattet war. Die Notwendigkeit, für Büroarbeiten am Nachmittag eine Lampe einzuschalten, reicht für eine unzumutbare Belastung bei weitem nicht aus.
Gibt das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien Solaranlagen keinen absoluten Vorrang?
Dies war der juristisch spannendste Punkt. Die Kläger beriefen sich auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dort steht seit 2023, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der öffentlichen Sicherheit dient (§ 2 EEG 2023). Sie sahen darin eine Art Super-Argument, das den Baumschutz ausstechen müsse.
Das Gericht durchkreuzte diese Hoffnung. Es bestätigte zwar das hohe Gewicht, das der Gesetzgeber der Solarenergie beimisst. Es stellte aber klar: Ein „überragendes“ Interesse ist kein „absolutes“ Interesse. Es begründet keinen automatischen Vorrang vor allen anderen Belangen. Insbesondere der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, ebenfalls im Grundgesetz verankert (Art. 20a GG), bleibt ein gleichrangiges öffentliches Interesse.
Es kommt zu einer Abwägung im Einzelfall. Auf der einen Seite der Waage lag das Interesse der Kläger, die Leistung ihrer relativ kleinen Dachanlage zu maximieren – ein geringer Beitrag zum großen Ziel der Energiewende. Auf der anderen Seite lag das Gewicht der 80 Jahre alten, kerngesunden Eiche. Das Gericht zählte ihre Funktionen auf: Sie bindet CO2, filtert Staub, bietet Lebensraum für Tiere, kühlt das Stadtklima und prägt das Ortsbild. Eine Fällung würde diese ökologischen Leistungen unwiderruflich zerstören. Das Angebot einer Ersatzpflanzung konnte dies nicht aufwiegen, denn ein junger Baum kann die Funktion eines alten Riesen erst in Jahrzehnten ersetzen. Die Abwägung fiel eindeutig aus. Das öffentliche Interesse am Erhalt dieses einen, konkreten Baumes überwog das Interesse an ein paar zusätzlichen Kilowattstunden Solarstrom.
Die Urteilslogik
Der Schutz jahrzehntealter Bäume wiegt in der Interessenabwägung oft schwerer als der Wunsch, die Effizienz einer Solaranlage auf dem Dach zu maximieren.
- Öffentliche Interessen wägen: Das im Gesetz verankerte überragende öffentliche Interesse an erneuerbaren Energien gewährt keinen automatischen Vorrang vor gleichrangigen Schutzzielen, wie dem verfassungsrechtlich gesicherten Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG).
- Eigentumsrecht maximiert nicht den Ertrag: Das Grundgesetz garantiert Grundstückseigentümern nicht das Recht, ihr Vorhaben (z.B. Solaranlagen) optimal auszunutzen; die Fällung geschützter Bäume ist ausgeschlossen, solange ein rentabler Betrieb der Anlage auch bei Teil-Verschattung möglich bleibt.
- Unzumutbarkeit beweisen: Als unzumutbare Belastung gilt nur eine Beeinträchtigung, die weit über die üblichen Begleiterscheinungen eines Großbaumes hinausgeht; reine Vermutungen über potenzielle Wurzelschäden oder die Notwendigkeit, aufgrund von Schattenfall nachmittags künstliches Licht einzuschalten, rechtfertigen die Zerstörung des Baumes nicht.
Gerichte fordern eine strenge Einzelfallprüfung, welche die ökologischen Gesamtleistungen eines alten Baumes gegen den marginalen Zugewinn an elektrischer Energie abwägt.
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Experten Kommentar
Viele haben gehofft, dass das neue Solargesetz alle Hindernisse, inklusive alter Bäume, einfach beiseiteschiebt. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Das Gericht hat konsequent klargestellt, dass das „überragende öffentliche Interesse“ der Energiewende keine Abrissbirne für den lokalen Naturschutz ist. Wer eine Fällgenehmigung beantragt, nur weil die PV-Anlage sonst nicht optimal läuft, wird scheitern. Maßgeblich ist allein, ob die Anlage trotz Verschattung noch wirtschaftlich betrieben werden kann – und das war hier eindeutig der Fall. Die Lehre daraus: Bestehender Baumschutz bleibt ein gleichrangiger Gegenspieler zur reinen Ertragsmaximierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Darf ich einen geschützten Baum fällen, wenn er meine Solaranlage verschattet?
Die Antwort lautet meistens Nein. Deutsche Gerichte lehnen die Fällung geschützter Bäume in der Regel ab, wenn diese lediglich die optimale Leistung Ihrer Photovoltaikanlage reduzieren. Das örtliche Baumschutzrecht wird als gleichberechtigtes öffentliches Interesse gewertet und nicht automatisch dem Wunsch nach Solarenergie untergeordnet. Das im Grundgesetz verankerte Eigentumsrecht garantiert Ihnen keinen Anspruch auf die maximal mögliche Ausnutzung Ihres Grundstücks.
Der Schutz eines alten Baumes, der etwa durch seinen Stammumfang von über 80 Zentimetern als Schutzobjekt gilt, wiegt im Einzelfall schwerer als marginale Ertragssteigerungen. Gerichte differenzieren klar zwischen einem rentablen und einem maximal rentablen Betrieb der Anlage. Sie dürfen Ihre Argumentation daher nicht nur auf den prozentualen Ertragsverlust stützen. Entscheidend ist, ob die Anlage ihren Hauptzweck – zum Beispiel die Deckung des durchschnittlichen Eigenbedarfs – weiterhin erfüllen kann.
Konkret wird ein Betrieb als wirtschaftlich rentabel eingestuft, solange die Anlage einen Jahresertrag liefert, der im Rahmen des durchschnittlichen Haushaltsverbrauchs liegt. Solange eine sinnvolle Stromerzeugung möglich ist, überwiegt der unwiederbringliche ökologische Wert des Baumes. Der Baumschutz zerstört das Vorhaben nicht, er macht es lediglich weniger lukrativ.
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Muss ich einen geschützten Baum dulden, wenn meine PV-Anlage dadurch unrentabel wird?
Die Antwort lautet meistens ja. Sie müssen einen geschützten Baum dulden, solange der Betrieb Ihrer PV-Anlage wirtschaftlich sinnvoll bleibt. Entscheidend ist die juristische Definition von „unrentabel“. Gerichte prüfen, ob die Anlage ihren Hauptzweck – das Decken des Eigenbedarfs – noch erfüllen kann, selbst wenn sie verschattet wird.
Der Anspruch auf Fällung setzt voraus, dass die Anlage wegen des Baumes gänzlich unrentabel ist, nicht nur „weniger lukrativ“. Gerichte sehen die PV-Anlage als rentabel an, wenn sie einen Jahresertrag im Bereich von 4.700 bis 6.200 Kilowattstunden erzielt. Diese Spanne deckt den durchschnittlichen jährlichen Strombedarf einer vierköpfigen Familie (circa 5.400 kWh). Verlieren Sie daher „nur“ 30 oder 40 Prozent Leistung, aber können Ihren eigenen Bedarf weiterhin decken, liegt eine juristische Unrentabilität nicht vor.
Die Beweislast für die Unwirtschaftlichkeit liegt stets beim Eigentümer. Das Gericht prüft Ihre vorgelegten Zahlen kritisch und zieht eigene, neutrale Schwellenwerte heran. Moderne technische Lösungen, wie Leistungsoptimierer, werden in die Abwägung miteinbezogen. Kann die Solaranlage selbst bei der pessimistischsten Berechnung noch einen Überschuss erzeugen oder den Großteil Ihres Strombedarfs abdecken, gilt der Baumschutz als vorrangig.
Erstellen Sie eine detaillierte Gegenüberstellung Ihrer voraussichtlichen Jahresproduktion mit Baum (in kWh) und Ihrem tatsächlichen Jahresverbrauch, um Ihre Argumentation objektiv zu belegen.
Welche Schäden oder Beeinträchtigungen durch einen Baum rechtfertigen eine Fällgenehmigung?
Die Anforderungen an eine Fällgenehmigung sind hoch und gehen weit über normale Nachbarschaftsbelastungen hinaus. Bloße Lästigkeiten, wie sie beim Leben mit großen Bäumen entstehen, sind grundsätzlich hinzunehmen. Nur wenn der Baum akute, nicht behebbare Gefahren für die Gebäudestruktur darstellt oder den Wohnraum quasi unbewohnbar macht, liegt eine juristisch relevante Unzumutbarkeit vor.
Die örtliche Baumschutzverordnung definiert eine Unzumutbarkeit sehr eng (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 BaumschutzV). Nachteile wie starker Laubfall, Moosbildung auf dem Dach oder die Notwendigkeit, Dachrinnen häufiger zu reinigen, gelten nicht als Grund für eine Fällung. Solche Beeinträchtigungen werden von Gerichten als typische Begleiterscheinungen des Lebens im Grünen betrachtet. Ein Fällgrund besteht nur, wenn die Beeinträchtigung das zumutbare Maß weit überschreitet.
Konkret müssen Sie akute Schäden an Kanälen, Fundament oder der Bausubstanz nachweisen können. Reine Vermutungen, dass Wurzeln die Leitungen irgendwann beschädigen könnten, reichen nicht aus. Auch Lichtmangel wird erst zum Problem, wenn Wohnräume dauerhaft kein Tageslicht mehr erhalten. Die bloße Notwendigkeit, am späten Nachmittag künstliches Licht einzuschalten, um im Haus zu arbeiten, stellt keinen Fällungsgrund dar.
Belegen Sie drohende oder bestehende Gefahren ausschließlich durch ein detailliertes Gutachten eines zertifizierten Baumsachverständigen oder Statikers.
Gilt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Freibrief für die Fällung geschützter Bäume?
Nein, die Einstufung der Nutzung erneuerbarer Energien als überragendes öffentliches Interesse im EEG bedeutet keinen automatischen Vorrang für eine Baumfällung. Obwohl der Gesetzgeber der Solarenergie damit ein hohes Gewicht beimisst, hebt dies lokale Baumschutzvorschriften nicht pauschal auf. Der juristische Status der Energiewende ist stark, aber er ist nicht absolut.
Die Regel: Das Prädikat „überragend“ bewirkt lediglich eine erhöhte Gewichtung im Rahmen einer umfassenden Interessensabwägung. Es erzeugt keinen „Super-Paragraphen“, der alle anderen Gesetze automatisch außer Kraft setzt. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, der in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert ist, gilt als gleichrangiges Verfassungsziel. Juristisch müssen diese beiden wichtigen öffentlichen Interessen, nämlich die Solarenergie und der Baumschutz, im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden.
In der Praxis müssen Sie beweisen, dass der konkrete, messbare Nutzen Ihrer geplanten Anlage das ökologische Interesse des Baumes klar überwiegt. Gerichte stellen fest, dass der Beitrag einer relativ kleinen Dachanlage zur gesamtgesellschaftlichen Energiewende oft marginal ist. Dagegen liefert ein alter, gesunder Baum einen unwiederbringlichen ökologischen Wert durch CO2-Bindung, Kühlung und Lebensraum. Das Abwägungsergebnis hängt somit von den spezifischen Fakten des Grundstücks ab.
Um eine Fällung zu erreichen, suchen Sie primär nach Tatbeständen der unzumutbaren Härte oder Befreiung in Ihrer lokalen Baumschutzverordnung.
Welche Kriterien entscheiden, ob der alte Baum oder die Solarenergie im Einzelfall gewinnt?
Die Entscheidung hängt von einer juristischen Abwägung der öffentlichen Interessen im konkreten Fall ab. Gewinnt das Interesse mit dem größeren Gewicht, wobei die Gerichte den Fokus auf die unwiederbringliche ökologische Funktion des Baumes legen. Diese komplexe Leistung wiegt in der Regel schwerer als der marginale zusätzliche Ertrag einer Photovoltaikanlage, die auch mit Schatten noch rentabel ist.
Richter messen der gewachsenen ökologischen Leistung des Baumes ein besonders hohes Gewicht bei. Ein alter Baum, der über 80 Jahre hinweg CO2 gebunden, das Stadtklima gekühlt und Tieren Lebensraum geboten hat, erbringt eine unwiederbringliche ökologische Funktion. Diese wertvollen Dienste gehen bei einer Fällung vollständig verloren. Entscheidend ist dabei, dass eine Ersatzpflanzung diesen komplexen Wert nicht aufwiegen kann, da ein junger Setzling dieselbe ökologische Wirkung erst in Jahrzehnten erreicht.
Auf der anderen Seite muss der Beitrag der Fällung zur Energiewende substanziell sein. Liefert die Solaranlage auch mit Verschattung noch ausreichend Strom, um wirtschaftlich zu sein und beispielsweise den Eigenbedarf zu decken, ist der zusätzliche Nutzen durch die Fällung gering. Das Gericht prüft, ob die Fällung notwendig ist, um das Ziel der Energiewende zu fördern, oder ob es lediglich um die Maximierung des privaten Profits geht. Der Netto-Mehrertrag der Anlage muss den ökologischen Schaden deutlich übertreffen.
Um in der Abwägung zu bestehen, erstellen Sie detaillierte Gutachten, die den genauen ökologischen Verlust des Baumes dem messbaren Netto-Mehrertrag Ihrer PV-Anlage in Kilowattstunden gegenüberstellen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Abwägung der öffentlichen Interessen
Eine Abwägung der öffentlichen Interessen ist das Kernstück richterlicher Entscheidungen im Verwaltungsrecht, bei dem Gerichte gegenläufige Rechtsgüter und Ziele des Staates gegeneinanderstellen, um im konkreten Streitfall eine faire Balance zu finden. Juristen nutzen diese Methode, um sicherzustellen, dass wichtige Verfassungsziele wie Umweltschutz und Energiewende nicht blindlings, sondern nur nach sorgfältiger Prüfung ihrer jeweiligen Bedeutung im konkreten Streitfall durchgesetzt werden.
Beispiel: Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen musste das Verwaltungsgericht den unwiederbringlichen ökologischen Wert der achtzig Jahre alten Eiche gegen den Wunsch der Eigentümer nach maximaler Effizienz der geplanten Solaranlage aufwiegen.
Baumschutzverordnung (BaumschutzV)
Die Baumschutzverordnung ist eine kommunale oder lokale Vorschrift, die festlegt, welche Bäume ab einem bestimmten Stammumfang geschützt sind und dass ihre Fällung stets einer behördlichen Genehmigung bedarf. Mit dieser lokalen Verordnung schützen Städte und Gemeinden wertvolle Großbäume, um das Stadtklima zu verbessern, die Luft zu filtern und wichtige Lebensräume im besiedelten Raum zu erhalten.
Beispiel: Da die Eiche einen Umfang von über 200 Zentimetern aufwies, galt sie gemäß der örtlichen Baumschutzverordnung als Schutzobjekt, dessen Entfernung grundsätzlich nicht ohne Genehmigung möglich war.
Eigentumsrecht (Art. 14 GG)
Das Eigentumsrecht, verankert in Artikel 14 des Grundgesetzes (GG), schützt private Vermögenswerte und Grundstücke, wobei die Nutzung durch Gesetze, wie beispielsweise Bauvorschriften oder Naturschutzregeln, eingeschränkt werden darf. Dieses Grundrecht soll dem Bürger die Freiheit sichern, sein Eigentum zu besitzen und zu nutzen; es garantiert ihm jedoch nicht die maximale oder optimale wirtschaftliche Ausnutzung seines Grundstücks.
Beispiel: Obwohl das Eigentumsrecht den Hausbesitzern die Installation der Photovoltaikanlage erlaubte, musste die Ausgestaltung der Anlage Rücksicht auf die bestehende Baumschutzverordnung und das öffentliche Interesse am Baumschutz nehmen.
Natürliche Lebensgrundlagen (Art. 20a GG)
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, verankert in Artikel 20a des Grundgesetzes, ist ein Staatsziel, das den Staat dazu verpflichtet, Umwelt, Klima und Tiere auch für künftige Generationen zu bewahren. Dieses Verfassungsziel gibt dem Umwelt- und Naturschutz ein starkes Gewicht in der juristischen Abwägung und sorgt dafür, dass die ökologische Funktion von Objekten, wie der alten Eiche, als gleichrangiges öffentliches Interesse behandelt wird.
Beispiel: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wurde in der Gerichtsentscheidung herangezogen, um den unwiederbringlichen Wert der Eiche gegen das Interesse der Kläger an einer geringfügigen Steigerung des Ertrags der Solaranlage zu verteidigen.
Überragendes öffentliches Interesse
Juristen sprechen von einem überragenden öffentlichem Interesse, wenn der Gesetzgeber einem bestimmten Ziel, wie der Nutzung erneuerbarer Energien (§ 2 EEG), ein besonders hohes, aber eben nicht absolutes Gewicht in der politischen und juristischen Bewertung beimisst. Diese Einstufung soll die Umsetzung der Energiewende beschleunigen; sie begründet aber keinen automatischen Vorrang vor anderen gleichrangigen Grundrechten oder Staatszielen wie dem Schutz der Natur.
Beispiel: Das Gericht erkannte das überragende öffentliche Interesse der Solarenergie an, betonte jedoch, dass dieser Status der Energiewende den örtlichen Baumschutz nicht pauschal aushebeln dürfe.
Unzumutbare Beeinträchtigung
Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt im Kontext des Baumschutzes erst dann vor, wenn die Nachteile und Schäden durch einen Baum das normale Maß bloßer Lästigkeiten weit überschreiten und die Wohnsituation oder Bausubstanz akut gefährden. Das Gesetz zieht diese enge Grenze, weil es typische Begleiterscheinungen des Lebens im Grünen nicht als Fällgrund akzeptieren will, da ansonsten jeder große Baum in Wohngebieten entfernt werden müsste.
Beispiel: Weder der vermehrte Laubfall auf dem Dach noch die bloße Notwendigkeit, am Nachmittag für Büroarbeiten eine Lampe einzuschalten, erfüllten für das Gericht die Schwelle einer unzumutbaren Beeinträchtigung, die eine Fällgenehmigung rechtfertigen würde.
Das vorliegende Urteil
VG München – Az.: M 19 K 23.1568 – Urteil vom 10.07.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





