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beA – Rechtsanwalt muss Eingangsbestätigung prüfen

OLG Brandenburg – Az.: 12 U 113/22 – Beschluss vom 23.08.2022

1. Der Antrag der Streithelferin der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Streithelferin der Klägerin gegen das am 06.05.2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Potsdam, Az. 4 O 322/16, wird verworfen.

3. Der Streithelferin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 19.968,91 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Zahlung von Werklohn; die Beklagten Mangelgewährleistungsrechte geltend.

Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 10.12.2021 auf Seiten der Klägerin beigetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagten 19.968,91 € nebst Zinsen zu zahlen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18.05.2022 zugestellte Urteil hat die Streithelferin mit am Montag, dem 20.06.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß verlängert bis zum 18.07.2022.

Auf den Senatshinweis vom 11.08.2022, zugestellt am 15.08.2022, hat die Streithelferin mit am 16.08.2022 eingegangenem Schriftsatz vom 09.08.2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Rechtsanwalts in der Zeit vom 29.07. bis 14.08.2022 sei weisungsgemäß am 28.07.2022 ein Fristverlängerungsantrag gefertigt worden. Die erfahrene Bürokraft habe den Schriftsatzentwurf jedoch versehentlich nicht mittels beA an den Rechtsanwalt zur Signatur und Versendung weitergeleitet, sondern den Button „versendet“ angeklickt. Dadurch sei ein entsprechender Vermerk in der elektronischen Akte produziert worden. Bei der späteren Fristenkontrolle habe die Bürokraft den zum Schriftsatz gespeicherten Vermerk gesehen und die Frist im digital geführten Kalender gelöscht.

II.

Die Berufung der Streithelferin ist gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt kein Raum.

1. Gemäß § 520 Abs. 2 ZPO beträgt die Berufungsbegründungsfrist zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils an die unterstützte Partei, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 06.05.2022 ist der Klägerin am 18.05.2022 zugestellt worden. Die Berufungsbegründungsfrist endete somit – nach erstmaliger antragsgemäßer Verlängerung – am 08.08.2022. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung oder ein Fristverlängerungsantrag beim Brandenburgischen Oberlandesgericht nicht eingegangen. Die Berufung ist mithin unzulässig.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag der Streithelferin ist statthaft. Zwar handelt es sich bei der Berufungsbegründungsfrist nicht um eine Notfrist i. S. v. § 233 ZPO. Die Vorschrift ist jedoch auch auf Fristen zur Begründung der in § 233 ZPO aufgeführten Rechtsmittel anwendbar (vgl. Zöller/Greger, ZPO 34. Aufl. § 233 Rn 4). Die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO ist gewahrt. Der somit insgesamt zulässige Wiedereinsetzungsantrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

2.1. Es erschließt sich bereits nicht, warum der Wiedereinsetzungsantrag der Streithelferin bereits auf den 09.08.2022 (einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist) datiert, nachdem ein Hinweis des Senates auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist erst am 11.08.2022 erteilt wurde. Die Streithelferin legt auch den Schriftsatz vom 28.07.2022 nicht vor, mit dem nach ihrem Vortrag ein zweiter Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.08.2022 gestellt worden sein soll. Es lässt sich dem Wiedereinsetzungsgesuch mithin nicht entnehmen, ob die innerhalb der Frist beabsichtigte prozessuale Handlung überhaupt geeignet gewesen wäre, den Anforderungen des § 520 Abs. 2 ZPO zu entsprechen, mithin die fehlerhafte Übermittlung des Fristverlängerungsgesuchs überhaupt kausal wurde. Schließlich entsprechen sich die vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin M. und die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches nicht. Denn in der eidesstattlichen Versicherung wird ausgeführt:

„Weisungsgemäß wurde der Schriftsatz … gefertigt und in den beA-Postausgang gestellt. Hierfür wurde von mir der Button Versendungsart ‚EGVP/beA‘ ausgewählt. Dann wählte ich aus, dass es an SK … übergeben wird und als Ausgangsstatus ‚an beA übergeben‘. … Ganz offensichtlich wurde dann aber versehentlich durch mich im Ausgangsstatus der Button ‚versendet‘ angeklickt…“

In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird hingegen ausgeführt, anstatt „an beA übergeben“ sei der Ausgangsstatus „versendet“ angeklickt worden.

Das Wiedereinsetzungsgesuch enthält keinen Auszug aus dem beA-Postfach, aus dem sich der Vortrag verifizieren ließe. Es erschließt sich auch nicht, wie man davon ausgehen konnte, dass der Schriftsatz an das Oberlandesgericht versandt wurde. Denn ausweislich der eidesstattlichen Versicherung und der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs war der Adressat „Brandenburgisches Oberlandesgericht“ gar nicht ausgewählt. Denn ursprünglich sollte das Schriftstück an den Rechtsanwalt weitergeleitet werden.

Bereits in der Gesamtschau des Vortrags fehlt es mithin an einer hinreichenden Glaubhaftmachung des Vortrags.

2.2. Dessen ungeachtet hat die Streithelferin auch aus Rechtsgründen nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist, an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 ZPO) gehindert gewesen ist. Ein anwaltliches Verschulden kann nach ihren Angaben nicht ausgeschlossen werden.

Für die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA gilt nichts wesentlich anderes als bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Den Versandvorgang zu überprüfen, ist unerlässlich. Dazu gehört insbesondere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen. Die Bestätigung findet sich in der im Ordner „Gesendet“ geöffneten Nachricht oder der Export-Datei der geöffneten Nachricht unterhalb der Dateianhänge als weiterer Anhang mit dem Meldetext „request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „erfolgreich“. Die Prüfung der automatisierten gerichtlichen Eingangsbestätigung gibt dem Absender im elektronischen Rechtsverkehr mithin die Möglichkeit an die Hand, sich schnell und effektiv einen Nachweis des Zugangs der übersandten Schriftstücke beim Empfänger zu verschaffen.

Es fällt deshalb in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren. Wenn das Übermittlungsprotokoll nicht im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ den Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ die Meldung „erfolgreich“ anzeigt, darf nicht von einer erfolgreichen Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht ausgegangen werden. Die Einhaltung der entsprechenden organisatorischen Abläufe in der Kanzlei hat der Rechtsanwalt zumindest stichprobenweise zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 – XI ZB 18/21 -, Rn. 9 – 15).

Die Streithelferin hat nicht glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten durch organisatorische Maßnahmen eine nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze wirksame Ausgangskontrolle auch für den Fall sichergestellt war, dass ein Schriftsatz fristwahrend aus dem beA übersandt werden sollte. Denn dazu hätte die Anweisung gegenüber der eingesetzten Rechtsanwaltsfachangestellten gehört, stets auch das Vorliegen einer vollständigen Eingangsbestätigung des Gerichts zu überprüfen. Vorliegend erfolgte die Löschung der Frist im digitalen Fristenkalender allein auf Grundlage des zur Akte gelangten Vermerks, „dass der Schriftsatz versendet ist (dieser Vermerk stand zum Schriftsatz gespeichert)“. Nicht vorgetragen ist jedoch, ob auch das automatische Empfangsbekenntnis geprüft wurde bzw. vor Löschung der Frist auf Anweisung zu prüfen war. Vielmehr ergibt sich der Versendungsvorgang für die Streithelferin allein „aufgrund des Zusammenhangs mit der Akte“. Hierin liegt ein für die Fristversäumung ursächliches Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Streithelferin, welches sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Denn es verbleibt jedenfalls die Möglichkeit, dass die Bürokraft, hätte eine solche Anweisung bestanden, vor Löschung der Frist festgestellt hätte, dass die Berufungsschrift an das Gericht nicht übermittelt worden ist.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Nebenintervenient trägt die Kosten eines unbegründeten Rechtsmittels, das er allein eingelegt und durchgeführt hat, und zwar auch dann, wenn die Hauptpartei der Einlegung des Rechtsmittels nicht widersprochen hat (BGH, Urteil vom 5. Mai 1956 – IV ZR 18/56 -).

Die Streitwertbemessung orientiert sich an dem mit der Berufungsbegründung vom 16.08.2022 angekündigten Antrag der Streithelferin, unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung allein die Widerklage abzuweisen.

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