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Beamter – Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 3 ZB 19.868 – Beschluss vom 07.05.2020

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 34.910,04 € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 3 (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Landesamts für Steuern vom 8. August 2017, mit dem der 1954 geborene Kläger, der zuletzt als Steuerobersekretär (BesGr. A 7) beim Finanzamt B. im Dienst des Beklagten stand, gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, zu Recht abgewiesen.

Der Kläger trägt vor, dass die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht fehlerhaft sei, da nicht hinreichend festgestellt worden sei, dass der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (8. August 2017) dienstunfähig gewesen sei. Das Regelbeispiel des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG finde erst dann Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorlägen.

Das rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, einer gesetzlichen Vermutungsregel (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 47), kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erleichtert die tatsächlichen Feststellungen der (dauernden) Dienstfähigkeit nach Satz 1, indem bei Vorliegen der Voraussetzungen zu prognostizieren ist, ob Aussicht besteht, dass der Beamte innerhalb von weiteren sechs Monaten (Art. 65 Abs. 1 BayBG) wieder voll dienstfähig werden wird (BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 3 B 15.534 – juris Rn. 22; Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Jan. 2020, Art. 65 BayBG Rn. 2).

Wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 und des Satzes 2 des § 26 Abs. 1 BeamtStG kumulativ erfüllt sein müssten, wie der Kläger meint, würde Satz 2 den Charakter einer solchen erleichterten Feststellung verlieren und dem Willen des Gesetzgebers nicht Rechnung getragen, der mit dem Satz 2 ausweislich der Gesetzesbegründung zusätzlich eine gesetzliche Vermutung für die Dienstunfähigkeit aufstellen wollte (vgl. BT-Drs. 16/4027, S. 28). Auch lässt der Wortlaut des Gesetzes eindeutig darauf schließen, dass § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG eine eigenständige Bedeutung hat, wie die Formulierung „als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer …“ deutlich macht (vgl. a. BayVGH, B.v. 8.4.2020 – 3 ZB 19.716 – juris Rn. 9).

Diese gesetzliche Vermutung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ermöglicht es dem Dienstherrn, die Dienstunfähigkeit eines Beamten ohne weitere Ermittlungen hinsichtlich des Krankheitsbildes des Beamten festzustellen. Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt vor allem darin, dass sie im Interesse der ordnungsgemäßen Abwicklung des Dienstbetriebs im Hinblick auf die häufig schwierige Feststellung der Dienstunfähigkeit nach Satz 1 den Dienstherrn ermächtigt, Beamte, die durch längere Erkrankungen ausfallen und dadurch den Dienstbetrieb erheblich stören, unter gegenüber Satz 1 erleichterten Voraussetzungen als dienstunfähig anzusehen und in den Ruhestand zu versetzen (BVerwG, U.v. 17.10.1966 – VI C 56.63 – DÖD 1967, 110). Voraussetzung ist, dass der Beamte aus gesundheitlichen Gründen dem Dienst ferngeblieben ist und dass aus denselben Gründen innerhalb der o. a. Frist die Wiederherstellung seiner vollen Dienstfähigkeit nicht zu erwarten ist. Die Fehlzeit innerhalb des zurückliegenden Jahres muss mindestens drei Monate und einen Tag umfassen; sie kann zusammenhängend sein, aber auch aus mehreren Teilen bestehen. Ebenso wie die zurückliegende Erkrankung durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen ist, kann auch die Prognose für den weiteren Verlauf der Erkrankung nur aufgrund eines ärztlichen Gutachtens erfolgen (Heid in BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand: August 2019, § 26 BeamtStG Rn. 13). Die Prognose selbst wird – wie auch die Feststellung der Dienstunfähigkeit nach Satz 1 – allerdings vom Dienstherrn gestellt; dabei steht ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Beurteilungsspielraum zu. Die Prognose muss nachprüfbar sein und mit der gebotenen Sicherheit sachlich gerechtfertigt werden können.

Das Verwaltungsgericht ist ausgehend von den Gesundheitszeugnissen der Amtsärztin Dr. K. (Regierung von O.) vom 18. Januar, 28. März und 23. Juni 2017, dem fachorthopädischen Gutachten von Dr. A. vom 3. Juni 2017, den Gutachten von Dipl. Psych. B. vom 20. Juni 2017 und vom 14. Mai 2018 sowie den Erläuterungen der Gutachterinnen B. und Dr. K. in der mündlichen Verhandlung zur der Auffassung gelangt, dass der Kläger zwar aktuell beschwerdefrei sei, aber in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung des sich über viele Jahre erstreckenden Krankheitsverlaufs und der Schmerzintervalle, in Anbetracht der degenerativen Schädigung der Wirbelsäule und der beim Kläger vorliegenden intrapsychischen Verarbeitungsmechanismen auch in Zukunft und auch nach Besserung der Grunderkrankung von einer Wiederholung der Krankheitsepisoden auszugehen sei. Die Zulassungsbegründung führt hierzu nicht aus.

2. Aus den gleichen Gründen, mit denen das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu verneinen ist, folgt auch, dass der Rechtssache nicht die – insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Satz 1 und Satz 2 von § 26 Abs. 1 BeamtStG – besonderen rechtlichen Schwierigkeiten zukommen, die der Kläger ihr zumisst. Damit scheidet auch eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus.

3. Der Rechtsache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen „Ist eine rechtmäßige Zurruhesetzungsverfügung unter Berücksichtigung der Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG möglich, wenn im Zeitpunkt der maßgebenden letzten Behördenentscheidung nicht feststeht, dass die Dienstunfähigkeit des Beamten besteht. Liegt nicht vielmehr die Formulierung der Regelung klar, insbesondere auch durch das Wort „auch“, dass Satz 2 der Regelung des § 26 Abs. 1 BeamtStG lediglich ein Regelbeispiel für eine Dienstunfähigkeit darstellt, so dass letztlich im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung die auf eine solche Regelung abstellt Dienstunfähigkeit vorliegen muss? Ergibt sich diese Schlussfolgerung nicht auch aus dem Sachzusammenhang der Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sowie der klaren Formulierung des Gesetzes „die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt?“ lassen sich, wie sich aus Vorstehendem (1.) ergibt, bei richtiger Anwendung des Gesetzes eindeutig lösen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG (wie Vorinstanz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

 

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