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Bedienungsanleitung Geschwindigkeitsmessgerät – Einsichtsrecht des Verteidigers

Amtsgericht Karlsruhe

Az: 1 OWi 127/11

Beschluss vom 22.09.2011


Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Bedienungsanleitung für das Messgerät Poliscan – Speed F 1 durch Übersendung in dessen Kanzleiräume zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers.

Gründe

In dem bei der Stadt Karlsruhe anhängigen Bußgeldverfahren unter dem Az. 505.49.108855.3 wegen Geschwindigkeitsüberschreitung beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 09.08.2011 Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des verwendeten Messgerätes durch Übersendung in seine Kanzleiräume. Die Stadt Karlsruhe -Verkehrsüberwachung- vermerkte am 24.08.2011, dass die Bedienungsanleitung nur über die Firma Vitronic zu erlangen sei. Die Bedienungsanleitung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten in der Folgezeit nicht übermittelt. Gegen die Ablehnung der Übersendung der Bedienungsanleitung wurde mit Schriftsatz vom 01.09.2011 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Der gemäß § 62 OWiG zulässige Antrag des Antragstellers vom 01.09.2011/ 09.08.2011 auf Gewährung von Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung ist begründet.

Die Verwehrung von Einsicht in die Bußgeldakte oder Teilen davon stellt eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde gern. § 62 Abs. 1 OWiG mit selbständiger Bedeutung dar.

Grundsätzlich hat die Verteidigung ein Akteneinsichtsrecht in alle Aktenbestandteile, die für das Verfahren von Bedeutung sind (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO), auch in Beiakten (vgl. BGHSt 30, 131, 138). Aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit folgt, dass Schriftstücke sowie Ton- oder Bildaufnahmen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein können, den Akten nicht ferngehalten werden dürfen, da dies eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wäre (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 60 Rn 49 m.w.N., u.a. auf BVerfGE 18, 399 ; u.a.). Befinden sich solche Vorgänge nicht in den Ermittlungsakten, sondern in anderen Akten, so müssen auch diese Akten zugänglich gemacht werden (vgl. Göhler, a.a.O.).

Das Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes ergibt sich bereits aus seinem Recht, den Polizeibeamten, der die Messung vorgenommen hat, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen, was ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung des Gerätes nicht möglich ist (vgl. LG Ellwangen, 1 Qs 166/09 vom 14.12.2009, VRR 2011, 117 f. unter Hinweis auf AG Neuruppin, ZfSch 2009, 177 f.; weitere Entscheidungen, die ein Recht auf Einsicht in die Bedienungsanleitung angenommen haben: AG Ellwangen, 5 OWi 146/10, Beschluss vom 25.10.2010, BeckRs 2011, 03781; AG Bad Kissingen, AG Schwelm, 64 OWi 18/10, Beschluss vom 13.04.2010, VRR 2010, 236; AG Kleve, Beschluss vom 03.08.2008, 11 OWi 164/08, VRR 2008, 357; so auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., Rn 472).

Dem steht auch nicht ein etwaiges Urheberrecht des Herstellers entgegen (vgl. LG Ellwangen, a.a.O und LG Dessau-Roßlau, Beschl. V. 24.05.2011 – 6 Qs 393 Js 23360/10 (101/11). Ein etwaiges Urheberrecht müsste jedenfalls auch hinter dem gewichtigen Recht eines Betroffenen/ seines Verteidigers auf Akteneinsicht, welches verfassungsrechtlich durch den Grundsatz auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und den Grundsatz des fairen Verfahrens geschützt ist, zurückstehen.

Die Akteneinsicht ist dem Verteidiger durch Übersendung der Bedienungsanleitung oder einer Kopie derselbigen auf seine Kanzlei zu gewähren, da eine Anreise an die Dienststelle der Verwaltungsbehörde nicht verhältnismäßig ist (so auch LG Ellwangen, a.a.O. m.w.N.; AG Kleve, a.a.O.).

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