OLG Koblenz – Az.: 12 U 752/21 – Beschluss vom 03.09.2021
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 20.04.2021, Az. 6 O 198/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 01.10.2021.
Gründe
In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht der Senat davon aus, dass sich die Berufung des Beklagten gegen das Urteil insgesamt, unter Einbeziehung der in dieser Entscheidung ausgesprochenen negativen Feststellung hinsichtlich eines dem Beklagten zustehenden bereicherungsrechtlichen (Rück-)Zahlungsanspruchs in Höhe von 85.731,95 €, richtet. Zwar könnten die Ausführungen des Beklagten im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 17.06.2021 zunächst nahelegen, dass sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen den unter Ziffer 1. des angefochtenen Urteils tenorierten Leistungsanspruch bezieht, wenn der dort formulierte Berufungsantrag wie folgt lautet: „das Urteil des Landgerichts Mainz insoweit aufzuheben, soweit (Hervorhebungen durch den Senat) der Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 5.525,79 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2019, sowie 231,63 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2020 zu zahlen.“. Im weiteren Verlauf seiner Berufungsbegründung hat der Beklagte sodann jedoch ausgeführt: „Im Hinblick auf den Antrag zu 2) bleibt anzuführen, dass dieser bereits mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig ist.“ und „Mangels Rechtsschutzbedürfnisses ist der Antrag bereits unzulässig.“. Hiernach ist davon auszugehen, dass sich die Berufung des Beklagten gegen den erstinstanzlichen Urteilsausspruch insgesamt, mithin auch gegen den negativen Feststellungsausspruch richtet.
Dem Kläger steht gemäß § 1968 BGB ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für die Beerdigung des Vaters der Parteien in der von dem Landgericht erkannten Höhe zu. Insoweit erfolgt die Beurteilung der Zahlungsverpflichtung durch den Senat allein auf rechtlicher Grundlage, sodass eine Bewertung aus moralisch-sittlicher Sicht nicht angezeigt war und daher zu unterbleiben hatte. Der Beklagte ist unstreitig alleiniger Erbe des am 28.02.2019 verstorbenen Vaters …[B] geworden. Als solcher treffen ihn die Kosten der Beerdigung als Korrelat für den Anfall des Erblasservermögens. Die angefallenen Kosten sind Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 80. Aufl., § 1968 Rdn. 1). Werden die Kosten der Beerdigung – wie hier – von dem Bestattungsberechtigten getragen, so begründet § 1968 BGB einen Ersatzanspruch gegen den Erben. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 des rheinland-pfälzischen Beerdigungsgesetzes (im Folgenden BestG) sind die Kinder für die Erfüllung der sich aus den Vorschriften des Beerdigungsgesetzes ergebenden Pflichten verantwortlich, wenn der Erbe nicht rechtzeitig zu ermitteln oder aus anderen Gründen nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann. So liegt der Fall hier.
Unabhängig von der Frage, ob die dem Kläger von dem Erblasser erteilte Generalvollmacht hier auch die Totenfürsorge und damit das Recht auf die Organisation der Beerdigung mitumfasste, geht auch der Senat mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Beklagte, der zusammen mit dem Erblasser in einem Haus wohnte, nicht selbst für die Erledigung dieser Angelegenheit Sorge getragen hat. Der Kläger hat mithin – unabhängig von der Frage, ob entsprechend der (pauschalen, in keiner Weise substantiierten) Behauptung des Beklagten, überhaupt ein Wunsch des Erblassers, die Beerdigung zu besorgen, an ihn herangetragen worden war – hier als Berechtigter i. S. d. BestG gehandelt. Ihm steht daher dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten gemäß § 1968 BGB gegen den Beklagten zu.
Am Umfang der Erstattungspflicht hat sich durch die Streichung des früheren Begriffs „standesgemäß“ in § 1968 BGB nichts geändert. Der Umfang des Schadensersatzes wird in erster Linie durch die Lebensstellung des Verstorbenen bestimmt und umfasst diejenigen Kosten, die für eine würdige und angemessene Bestattung erforderlich sind. Dabei sind vornehmlich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Verstorbenen in Betracht zu ziehen. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die in den Kreisen des Verstorbenen herrschenden örtlichen Auffassungen und Gebräuche. Der Umfang der Kostentragungspflicht beschränkt sich auf das, was für die Beerdigung (Bestattung), d.h. für den Beerdigungsakt selbst und die damit verbundenen Beerdigungsfeierlichkeiten, erforderlich ist (vgl. Balke/Reisert/Schulz-Merkel, Regulierung von Verkehrsunfällen, 15. Beerdigungskosten Rn. 3, beck-online).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabs sind die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe des dem Kläger zustehenden Erstattungsanspruchs in keiner Weise zu beanstanden.
Die neben den von dem Kläger entrichteten Friedhofsgebühren in Höhe eines nach Abzug des vorhandenen Kontoguthabens des Erblassers von 780,84 € verbliebenen Betrages von 1.172,44 € mit einem Betrag in Höhe von 2.117,01 € zu Buche schlagenden Aufwendungen für die Errichtung des Grabmals sind auch in Anwendung der vorgenannten Bemessungskriterien keineswegs übersetzt, sondern bewegen sich eher im unteren Bereich der für derartige Besorgungen getätigten Ausgaben. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich hierbei ausweislich der als Anlage K6 beigefügten Rechnung vom 29.04.2019 um den Abbau und den in geänderter Ausführung erfolgten Wiederaufbau der Grabanlage handelt. Für den in diesem Zusammenhang (substanzlos) erfolgten Vortrag des Beklagten, der Erblasser habe eine Urnenbestattung gewünscht, finden sich keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Erblasser ein Doppelgrab hatte anlegen lassen, in dem auch seine verstorbene Ehefrau …[A] liegt, für die Annahme, dass auch der Erblasser selbst dort bestattet sein wollte. Soweit der Beklagte sich gegen die Erstattung der Kosten für den „Trauerkaffee“ in Höhe von 327,00 € wendet, sind auch diese von dem Kläger getätigten Aufwendungen nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden. Die insoweit angemessenen Kosten für die Bewirtung („Leichenschmaus“) der Trauergäste nach der Beisetzung sind grundsätzlich zu erstatten (AG Grimma NJW-RR 1997, 1027; AG Hamburg ErbR 2008, 202; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, BGB § 1968 Rn. 4; Balke/Reisert/Schulz-Merkel, Regulierung von Verkehrsunfällen, 15. Beerdigungskosten Rn. 15, beck-online).
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht auch den Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der dem Kläger entstandenen Aufwendungen für die vorgerichtliche Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Abwendung der von dem Beklagten gegen ihn außergerichtlich erhobenen Rückzahlungsansprüche bejaht. Entgegen den Darlegungen des Beklagten beschränkte sich das außergerichtliche Schreiben seiner (späteren) Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2019 keineswegs auf die Geltendmachung eines Auskunftsverlangens hinsichtlich des Verwendungszwecks der zu Lebzeiten des Erblassers erfolgten Geldabhebungen von dessen Konto. Die Diktion des Schreibens lässt klar und unmissverständlich erkennen, dass der Beklagte davon ausgeht, dass die Transaktionen nicht „der Verwaltung des Vermögens des Erblassers zu dienen bestimmt waren“. Dass der Beklagte seinerzeit von einem Missbrauch der ihm von dem Erblasser erteilten Vollmacht ausgeht, wird auch in der Formulierung deutlich: „… wenn dieser seine Vertretungsmacht gemeinsam mit seinem Vertragsgegner dazu nutzt um zum Nachteil des Erblassers und Vollmachtgebers zu handeln…“. Diese nach Ansicht des Beklagten bestehende Faktenlage spiegelt sich auch in dem weiteren Passus des Schreibens vom 27.06.2019 wider, in dem es heißt: „Da davon auszugehen ist, dass die Überweisungen rechtsmissbräuchlich waren, werden Sie hiermit weiterhin aufgefordert, die Überweisungen rückgängig zu machen und die von Ihnen überwiesenen Beträge meinem Mandanten zurück zu überweisen.“. In Gestalt dieses vorgerichtlich an ihn gerichteten Anspruchsbegehrens sah sich der Kläger mithin nicht lediglich einem Verlangen des Beklagten nach Auskunft und Rechenschaftslegung über die erfolgten Kontobewegungen ausgesetzt, sondern dem klar formulierten unmittelbaren Vorwurf des von ihm in Benachteiligungsabsicht begangenen Missbrauchs der Kontovollmacht. Unter Berücksichtigung der (im Folgenden noch näher zu erläuternden) Gesamtumstände war der Kläger vorliegend daher berechtigt, zur Abwehr der gegen ihn gerichteten Vorwürfe einen Rechtsanwalt mit der rechtlichen Vertretung zu beauftragen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die deutsche Rechtsordnung grundsätzlich keinen generellen Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen kennt, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt. Mit solchen Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen spezieller Haftungsnormen vorliegen (Habscheid, NJW 1958, 1000, 1001; Ulrich, MDR 1973, 559, 560; Ahrens, NJW 1982, 2477, 2478; LG Mannheim, GRUR 1985, 328, 329). Als solche kommen vertragliche, vertragsähnliche (§§ 280, 311 BGB), deliktische (§§ 823, 826 BGB) oder auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (§§ 677 ff. BGB; vgl. dazu BGHZ 52, 393, 399 f.; BGH, Urteil vom 13. Juni 1980 – I ZR 96/78 – NJW 1981, 224). Vorliegend steht dem Kläger gegen den Beklagten aus einer rechtlichen Sonderverbindung der Anspruch auf Ersatz der berechtigten vorgerichtlichen Rechtsverteidigungskosten dem Grunde nach zu (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ausgehend von einem Auftragsverhältnis oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen vollmachtgebendem Erblasser und dem Bevollmächtigten Kläger kann der Beklagte als Erbe über §§ 666, 1922, 2039 BGB (ggf. i. V. m. § 675 Abs. 1 BGB) zunächst die Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach § 666 BGB gegenüber dem Bevollmächtigten geltend machen. Die Ansprüche aus § 666 BGB gegen den Bevollmächtigten können auch dann geltend gemacht werden, wenn ein Erbe sich selbst bei anderen Stellen wie Banken Auskünfte einholen kann. Darüber hinaus hat der Schuldner bei einem bestehenden Auftragsverhältnis alles, „was er zur Ausführung des Auftrags erhält“ (§ 667 Var. 1 BGB) bzw. „was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt“, herauszugeben (§ 667 Var. 2 BGB). Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist dabei jeder Vorteil, den der Bevollmächtigte auf Grund eines inneren Zusammenhangs mit der Führung des Geschäfts erhalten hat. Die umstrittene Frage, ob auch Gegenstände umfasst sind, die der Bevollmächtigte in Abweichung vom Vertragsinhalt oder von Weisungen erlangt hat, ist wegen des festzustellenden inneren Zusammenhangs grundsätzlich zu bejahen (BGH NJW-RR 2016, 1391; OLG Koblenz, VersR 2009, 405, Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 667 Rdn. 3). Im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des Beklagten sah sich der Kläger mithin den gleichen Ansprüchen ausgesetzt, die auch gegenüber dem Erblasser zu dessen Lebzeiten gegen ihn bestanden. Vor dem Hintergrund dieser durch die Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des Beklagten vermittelten besonderen rechtlichen Beziehung zu dem Kläger ging der Vorwurf des Vollmachtsmissbrauchs und die unmittelbar drohende Inanspruchnahme auf Erstattung des vermeintlich zu Unrecht erlangten Betrages weit über ein bestehendes allgemeines Lebensrisiko hinaus, sodass dem Kläger das Recht zustand, seine Interessen vorgerichtlich in die Hände eines Rechtsanwalts zu legen, um die gegen ihn unberechtigt geltend gemachten Ersatzansprüche abzuwehren. Die ihm durch die außergerichtliche Beauftragung des Rechtsanwalts entstandenen Aufwendungen hat ihm der Beklagte mithin gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zu erstatten.
Soweit der Beklagte die Aufrechnung mit ihm gegen den Kläger (vermeintlich) zustehenden Zahlungsforderungen erklärt hat, führen diese lediglich in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang zu einem Erlöschen der Klageforderung. Auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit vollinhaltlich Bezug genommen.
Ebenso verweist der Senat hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung eines Betrages von 231,63 € aus § 426 Abs. 1 2. Halbsatz BGB auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht schließlich auch ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der von dem Kläger erhobenen negativen Feststellungsklage bejaht. Das anwaltliche Schreiben vom 27.06.2019 enthielt, wie vorstehend dargelegt, eindeutig und unmissverständlich den an den Kläger gerichteten Vorwurf, sich vorliegend unter missbräuchlicher Ausnutzung der ihm erteilten Kontovollmacht an dem Vermögen des Erblassers „bedient zu haben“. Bei dieser Sachlage bestand ein Interesse des Klägers an der Feststellung, dass hier ein im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Beklagten übergegangener Zahlungsanspruch nicht besteht.
Da die Berufung somit insgesamt keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren auf bis zu 95.000,00 € festzusetzen.