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Befangenheitsantrag gegen gerichtlich bestellten Sachverständigen – Rechtzeitigkeit

OLG Dresden – Az.: 4 W 208/19 – Beschluss vom 11.03.2019

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 7.12.2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 55.305, 67 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden aus behaupteten Behandlungsfehlern infolge einer im Hause der Beklagten zu 1) durchgeführten Arthroskopie und des weiteren Behandlungsgeschehens in den Kliniken der Beklagten zu 2) und 4) bis 6) im Verlauf des Jahres 2010. Namentlich macht er geltend, es sei bei dieser Operation zu einer fehlerhaften Anästhesie gekommen, deren Folgen verkannt und durch weitere Fehler vertieft worden seien. Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 7.1.2015, 3.7.2015, 16.3.2016 und 16.10.2017 die Einholung mehrerer Sachverständigengutachten angeordnet. Das Gutachten des anästhesiologischen Sachverständigen PD Dr. S. vom 12.6.2018 ist dem Kläger am 15.8.2018 zugestellt worden, die Frist zur Stellungnahme hierauf wurde bis zum 12.10.2018 verlängert. Mit am 12.10.2018 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger beantragt, den Sachverständigen wegen der sich aus der Wortwahl des Gutachtens, der durchgängig falschen Schreibweise seines Namens und des Hinweises auf einen tatsächlich nicht gegebenen Drogenkonsum ergebenden Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Person des Sachverständigen sei überdies zu ergänzen, dass der Sachverständige mit dem Sachverständigen Prof. J., dem Doktorvater des Beklagten zu 1), gut bekannt sei.

Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 567ff. ZPO), aber unbegründet. Das Landgericht hat den auf Ablehnung des Sachverständigen gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen. Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.

1. Sollte dem Schriftsatz vom 10.10.2018 zu entnehmen sein, dass der Kläger die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen auch aus dessen enger Zusammenarbeit mit dem orthopädischen Sachverständigen Prof. J. herleiten will, bei dem ein Mitarbeiter des Beklagten zu 1) promoviert haben soll, wäre das Ablehnungsgesuch insoweit unzulässig. Ein Ablehnungsgesuch ist nach § 406 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung eines Sachverständigen zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist dem Ablehnungsgesuch nicht zu entnehmen. Lediglich dann, wenn sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten selbst ergeben, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Für den Vorwurf einer engen und über den Sachverständigen Prof. J vermittelten persönlichen Beziehung des Sachverständigen PD Dr. S. zum Beklagten zu 1) trifft dies indes nicht zu.

2. Zutreffend hat das Landgericht den Befangenheitsantrag indes insoweit für fristgerecht gehalten, als dieser auf die Formulierung des Gutachtens selbst, die Erwähnung eines vermeintlichen Drogenkonsums des Klägers durch den Sachverständigen und die durchgängig unzutreffende Schreibweise des Vornamens (Stefan statt: Stephan) gestützt wird. Ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist eingereicht wird, ist immer dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssen sich nämlich innerhalb dieser Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurück zu führen sind, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Hieraus folgt, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 4 W 20/10 -, juris; Beschlüsse vom 18.12.2009 – 4 W 1282/09; 21.9.2009 – 4 W 948/09 n.V). Vorliegend lief die Stellungnahmefrist bis zum 12.10.2018; innerhalb dieser Frist ist der Antrag gestellt worden.

3. Die dort geäußerte Besorgnis der Befangenheit ist jedoch nicht gerechtfertigt. Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Erforderlich sind objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Senat, Beschluss vom 02. Januar 2019 – 4 W 1108/18 -, Rn. 3, juris; Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 4 W 1113/17 -, Rn. 3, juris). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dabei kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Die mit der Beschwerde wiederholte Auffassung, die Formulierung auf S. 35 des Gutachtens, der vom Kläger geäußerte Verdacht bezüglich eines Zusammenhangs [zwischen der Allgemeinbetäubung unter Verwendung einer Larynxmaske und den Beschwerden an der Halswirbelsäule] sei „aus der Luft gegriffen und unsinnig“, lasse auf eine voreingenommene Einstellung des Sachverständigen PD Dr. S. schließen, hält der Senat nicht für gerechtfertigt. Nicht jede für die Partei ungünstige Beurteilung kann als einseitig zu ihren Lasten qualifiziert werden, soweit der Sachverständige hierdurch den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verlässt (Senat, Beschluss vom 7.5.2008 – 4 W 377/08; Beschluss vom 19.7.2007, 4 U 601/06). Maßgeblich ist, ob sich die getätigten Äußerungen des Sachverständigen noch im Bereich der sachlichen Auseinandersetzung halten oder damit bereits die Grenze zu einer persönlichen Herabsetzung überschritten wird (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 4 W 20/10 -, Rn. 6, juris). Dass der Bereich der sachlichen Auseinandersetzung vorliegend nicht verlassen ist, folgt schon daraus, dass sich die beanstandete Äußerung am Ende eines Absatzes findet, in dem der Sachverständige eingehend zu der Beziehung zwischen dem Einlegen einer Larynxmaske Größe 5 und der Lagerung des Kopfes Stellung genommen und ausgeführt hat, dass hiermit keine erhebliche Reklination des Kopfes einhergehe und die Sicherung des Luftweges im Vergleich zu einem orotracheal eingeführten Tubus sogar besser sei. In Verbindung mit dem nach der Operation bis zum erstmaligen Auftreten von Beschwerden an der Halswirbelsäule aufgetretenen Zeitraum ist der Sachverständige zu der Gesamtwürdigung gelangt, dass für einen Zusammenhang zwischen der Anästhesie und den HWS-Beschwerden nichts ersichtlich sei; dies wird durch die beanstandete Formulierung lediglich unterstrichen.

Auch die Erwähnung des „schädlichen Gebrauchs von Drogen in der Vergangenheit“ auf S. 45 seines Gutachtens begründet die Besorgnis der Befangenheit nicht. Diese Angaben, die er den Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 5) und dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten des Dr. K. entnommen hat, hat der Sachverständige bereits nicht seiner Begutachtung als unstreitig zugrunde gelegt, sondern nur unter Bezug darauf, dass diese „anamnestisch bekannt“ seien, als mögliche Differentialdiagnose für die Symptomkonstellation des Klägers angeboten. Die Auffassung, die Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 5) habe er allein wegen deren Stellung im Prozess von vornherein nicht berücksichtigen dürfen, ist ohnehin rechtsfehlerhaft. Dass der Sachverständige die orthopädischen Abläufe „bekanntlich völlig unzutreffend“ beurteilt hat, mag der Kläger schließlich gegen das Gutachten des Sachverständigen einwenden, ein Befangenheitsantrag kann hiermit indes nicht begründet werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens war auf ein Drittel des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 4 W 20/10 -, Rn. 7 – 8, juris; Beschluss vom 30.1.2008 – 4 W 1462/07).

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