Oberlandesgerichts Bamberg
Az.: 8 W 5/93
Beschluss vom 22.03.1993
Vorinstanz: Landgericht Coburg, Az.: 1 O 727/90
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Coburg vom 18. Januar 1993 abgeändert und das Ablehnungsesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen … für begründet erklärt.
Gründe:
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg vom 18. Januar 1993, durch welchen ihr Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen … wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden ist.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 569, 577 Abs. 2 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden (§ 406 Abs. 1 ZPO). Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt sein kann, wenn die Partei aus dem unter Mitwirkung des Richters erlassenen Urteil die Überzeugung gewinnt, dass es an der Bereitschaft gefehlt haben könnte, ihr Prozessvorbringen vollständig zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu würdigen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 17. Aufl., § 42. Rdnr. 25; OLG Hamm VersR 1978, 646). Nichts anderes hat folglich zu gelten, wenn eine Partei aus dem schriftlichen Gutachten eines Sachverständigen einen entsprechenden Eindruck gewinnt.
Vorliegend lautete der Auftrag an den Sachverständigen gemäß
Ziffer 1.1. des Beweisbeschlusses vom 14. Januar 1991, geändert mit Beschluss vom 1. März 1991, dazu Stellung zu nehmen, ob die Beklagten zu 2.) und 3.) die von der Klägerin behaupteten Behandlungsfehler oder -unterlassungen begangen haben. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vom 19. Oktober 1990, auf die der Beweisbeschluss nach seiner Formulierung unmittelbar Bezug nimmt, insgesamt 12 konkret benannte Behandlungsfehler bzw. -unterlassungen geltend gemacht und diese
auf ca. insgesamt 50 DIN A 4-Seiten im einzelnen substantiiert unter Bezugnahme auf die Krankenunterlagen und mit Zitaten aus der medizinischen Fachliteratur ausgeführt. Diese Ausführungen sind sodann noch in zwei weiteren umfangreichen Anwaltschriftsätzen vom 11. März und 30. August 1991, welche dem Sachverständigen vom Gericht zugeleitet wurden, ergänzt und teilweise erweitert worden. Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 10. November 1992, dessen eigentlicher Sachteil ca. 3 DIN A 4-Seiten umfasst, geht auf dieses Vorbringen in keinem Punkt im einzelnen ein. Der Sachverständige hat vielmehr – dies wird von der Beschwerdeführerin zu Recht gerügt – die im Beweisbeschluss vom 14. Januar 1991 vorgegebenen Beweisthemen von sich aus einfach umformuliert, und zwar dahingehend, ob die Erkrankung der Klägerin durch ein „anderes geburtshilfliches Management“ zu verhindern gewesen wäre bzw. ob die Erkrankung durch einen Behandlungsfehler bedingt oder als Schicksalshaft anzusehen sei (S. 9 des Gutachtens) .
Der Sachverständige ist zwar – genauso wenig wie der Richter im Urteil – gehalten, in seinem Gutachten auf sämtliche Argumente der Parteien zu den aufgeworfenen Beweisfragen einzugehen. Er muss jedoch zeigen, dass er sich mit diesen konkret auseinandergesetzt hat, und jedenfalls zu den zentralen streitigen Fragen auch nachvollziehbar darlegen, warum er dem Vorbringen einer Partei nicht folgt oder dieses für bedeutungslos hält. Dies gilt erst recht dann, wenn das Prozessgericht – wie hier in Ziffer I.1. des Beweisbeschlusses – die Beweisthemen nicht selbst konkret ausformuliert, sondern in soweit pauschal auf das Vorbringen der beweisbelasteten Partei verwiesen hat.
Da der Sachverständige vorliegend dieser Verpflichtung nicht entsprochen hat, ist auch aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei die Besorgnis durchaus gerechtfertigt, dem Sachverständigen könne es ihr gegenüber an der Bereitschaft gefehlt haben, ihr Vorbringen vollständig zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen und er stehe ihr deshalb nicht unbefangen und unparteilich gegenüber.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher die Entscheidung des Landgerichts abzuändern und das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 46 Rdnr. 4 und 9).