VG Aachen
Az: 6 K 2304/09
Beschluss vom 23.11.2010
Das gegen den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht, den Richter am Verwaltungsgericht und die Richterin am Oberverwaltungsgericht gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.
Gründe
Nach § 54 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, das Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus,
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), u.a. Urteil vom 5. Dezember 1975 – 6 C 129.74 -, BVerwGE 50, 36 (37 f.) und Beschlüsse vom 28. Juli 1986 – 6 B 70.85 -, Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 37, sowie – zuletzt – vom 8. September 2010 – 8 B 54.10, 8 B 54.10 (8 PKH 4.10), <juris>.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist bereits ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, dass über sein Ablehnungsgesuch gegen die abgelehnte Richterin am Oberverwaltungsgericht L. in der Sache entschieden wird, nicht gegeben. Denn die Richterin gehört inzwischen nicht mehr dem Verwaltungsgericht Aachen, sondern dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen an. Dies schließt die Möglichkeit ihrer Mitwirkung an einem in die Zuständigkeit der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen fallenden Verfahren des Klägers mit Sicherheit aus.
Dies gilt nicht in gleicher Weise für Richter am Verwaltungsgericht E. , der nach wie vor Mitglied der 6. Kammer ist, auch wenn das Verfahren 6 K 2304/09 inzwischen auf den Einzelrichter übertragen wurde und nach dem Geschäftsverteilungsplan der 6. Kammer für das Jahr 2010 Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht F. als Einzelrichter zur Entscheidung berufen ist. Denn unter Berücksichtigung einer möglichen Vertretung im Verhinderungsfall oder einer Änderung der Geschäftsverteilung der Kammer ist eine künftige Mitwirkung von Richter am Verwaltungsgericht E. jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Hinreichend objektive Gründe, die bei vernünftiger Würdigung aller geltend gemachten oder sonst erkennbaren Umstände Anlass zu der Besorgnis geben könnten, die abgelehnten Richter…. würden in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder sie hätten sich in der Sache bereits festgelegt, liegen jedoch nicht vor.
Die Besorgnis der Befangenheit der Richter wird seitens des Klägers in erster Linie mit ihrer Mitwirkung an der im bereits abgeschlossenen Klageverfahren 6 K 112/09 ergangenen Entscheidung der 6. Kammer begründet. Der Kläger wendet sich vor allem gegen die in diesem Verfahren erfolgte Verwertung der Aussage der Zeugin D. und damit im Ergebnis gegen die dem klageabweisenden Urteil vom 29. Juli 2009 zugrundeliegende Beweiswürdigung durch die Kammer.
Der Umstand, dass ein Kläger eine Entscheidung für fehlerhaft hält, oder dass ein abgelehnter Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder bei dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen und einen an der Entscheidung beteiligten Richter von der weiteren Mitwirkung im Verfahren auszuschließen; das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht – wofür hier jedoch nichts ersichtlich ist – offensichtlich willkürlich sind,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1982 – 1 D 2.81 – BVerwGE 73, 339 (346), sowie Beschlüsse vom 1. Dezember 2009 – 4 BN 58.09, 4 BN 22.09 -, <juris>, und vom 23. Oktober 2007 – 9 A 50.07, 9 VR 19.07, 9 VR 21.07 -, NVwZ-RR 2008, 140, und vom 16. Oktober 2007 – 2 B 101.07, 2 B 20.07 -, <juris>.
Eine Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen kann nämlich gerade nicht im Wege der Richterablehnung erreicht werden. Diese ist vielmehr dem Rechtsmittelverfahren vorbehalten,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – 9 A 50.07, 9 VR 19.07, 9 VR 21.07 -, a.a.O.; Bundesfinanzhof (BFH), Beschlüsse vom 12. Dezember 1997 – XI B 34/96 – und vom 10. Januar 2007 – X B 77/06 -, beide <juris>.
Ausnahmsweise kann die Rüge von Rechtsverstößen allerdings dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und schwerwiegend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen,
vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 12. Dezember 1997 – XI B 34/96 -, a.a.O.
Hierfür fehlt es vorliegend aber an Anhaltspunkten. Im Urteil vom 29. Juli 2009 haben die Richter der 6. Kammer unter Auswertung des gesamten Akteninhalts und unter Würdigung aller im Verfahren erhobenen Beweise eine ausführliche tatsächliche und rechtliche Bewertung vorgenommen (vgl. Blatt 13 bis 20 des Urteilsabdrucks). Das Urteil ist erkennbar weder allein auf die Aussage der Zeugin … gestützt worden noch hat das Gericht wider besseres Wissen Aussagen der Zeugin geglaubt. Allein dies könnte aber einen Anhaltspunkt für eine willkürliche Handhabung und objektiv einseitig zu Lasten des Klägers vorgenommene Beweiswürdigung bieten. Die Kammer hat demgegenüber die Aussage der Zeugin ….. ebenso wie die weiteren Zeugenaussagen umfassend gewürdigt und auf der Grundlage des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden. Dass die Kammer den Sachverhalt damit im Ergebnis abweichend von der Auffassung des Klägers gewürdigt und insbesondere anders als der Kläger die Aussage der Zeugin D. als glaubhaft bewertet hat, begründet, wie aufgezeigt, nicht die Besorgnis einer Befangenheit.
Unter Zugrundelegung der zuvor dargelegten Maßstäbe kann eine begründete Besorgnis der Befangenheit auch nicht auf den Umstand gestützt werden, dass die Kammer unter Mitwirkung der Richter …..mit – in der Rechtsmittelinstanz im Übrigen bestätigtem – Beschluss vom 22. März 2010 den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers unter Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt hat.
Objektive Anhaltspunkte dafür, die beiden abgelehnten Richter würden nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder sie hätten sich in der Sache bereits festgelegt, folgen schließlich auch nicht aus den weiteren Einwänden des Klägers, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht F. habe in seiner dienstlichen Äußerung vom 14. August 2009 zur Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers gelogen, er habe den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers dahin gehend beeinflusst, dass dieser die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren nicht begründet, und er „pflege Kontakt” zu der Zeugin …. .
Hinsichtlich des Richter am Verwaltungsgericht …. betreffenden Befangenheitsantrages liegt dies auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.
Aus den Vorhalten des Klägers ergeben sich aber auch keine objektiven Anhaltspunkte für eine unvoreingenommene Haltung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht …. . Der Vorwurf, dieser habe in der dienstlichen Äußerung gelogen, lässt sich bei verständiger Lektüre der dienstlichen Erklärung unter keinem Gesichtspunkt halten. Im Ergebnis wendet sich der Kläger wohl auch mit diesem Vorwurf erneut gegen die im Verfahren 6 K 112/09 vorgenommene Beweiswürdigung, die aber allein einer Überprüfung in einem Rechtsmittelverfahren zugänglich gewesen wäre. Die weiteren Vorwürfe sind derart unsubstanziiert, dass hierauf eine Richterablehnung erkennbar ebenfalls nicht mit Erfolg gestützt werden kann.
Die Kammer merkt abschließend an, dass sich auch aus dem übrigen Akteninhalt, losgelöst von den bereits erwähnten Vorhalten des Klägers, keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht … das Verfahren unsachlich oder dem Kläger gegenüber voreingenommen bearbeitet und hinsichtlich einer Sachentscheidung befangen sein könnte.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).