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Schülerbeförderungskosten – Übernahme durch das Land?

VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Az.: 7 K 1498/01. KO

Urteil vom 29.11.2001

Das Urteil ist rechtskräftig.


In dem Verwaltungsrechtsstreit w e g e n Schülerbeförderungskosten hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2001 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09. August 2000 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2001 verpflichtet, den Klägern Fahrtkostenerstattung für die Beförderung ihres Sohnes U..-E… zur Sonderschule G in S….. ab dem 11. Januar 2000 in Höhe der Kosten für eine Beförderung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel bis zur nordrhein-westfälischen Landesgrenze zu bewilligen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Übernahme von Fahrtkosten für die Beförderung ihres Sohnes zur Schule.

Der 1978 geborene Sohn U..-E… der in M……… lebenden Kläger besucht seit 1984 die in der Trägerschaft des Bildungswerkes der Arbeiterwohlfahrt für Behinderte in S….. e.V. stehende R……… -Schule, Schule für Geistigbehinderte, in S……

Nachdem zunächst das Land Nordrhein-Westfalen die Fahrtkosten für den Schulbesuch in S….. übernommen, dann aber seine Erstattungsleistungen nach einer Änderung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften für außerhalb des Landesgebietes wohnende Schüler eingestellt hatte, beantragten die Kläger beim Beklagten, nunmehr mit Wirkung vom 11. Januar 2000 an die für den Transport ihres Sohnes nach S….. durch das Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt entstehenden Kosten zu übernehmen.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09. August 2000 ab, wozu er sich im Wesentlichen darauf berief, dass nach seinen Richtlinien eine Erstattung von Fahrtkosten nur zu der Sonderschule in Betracht komme, welcher der Schüler durch Entscheidung der Schulbehörde zugewiesen worden sei. Dies sei vorliegend aufgrund einer- Entscheidung der damaligen Bezirksregierung vom 13. August 1984 W….. und nicht S…… Gleichzeitig sei W….. damit auch die nächstgelegene Schule im Sinne der Vorschriften über die Übernahme von Schülerbeförderungskosten.

Hiergegen legten die Kläger am 07. September 2000 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u. a. geltend machten, dass der entsprechende Bescheid vom 13. August 1984 keine formelle Zuweisung nach W….. enthalte, sondern im Gegenteil richtigerweise im Sinne einer Zuweisung nach S….. auszulegen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2001 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück.

Am 09. Juli 2001 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend weisen sie insbesondere nochmals darauf hin, dass die Wegstrecke nach S….. sich auf lediglich 6 km belaufe, wohingegen W….. 34 km entfernt liege und mithin S….. über die ausdrücklich erfolgte schulbehördliche Zuweisung dorthin hinaus auch rein faktisch die nächstgelegene Sonderschule sei.

Darüber hinaus stellen die Kläger klar, dass lediglich eine Erstattung der für die Fahrt von M….. …. bis zur Landesgrenze entstehenden Kosten begehrt werde, weil ab der Landesgrenze eine kostenlose Beförderung durch das Land NordrheinWestfalen erfolge.

Die Kläger beantragen demnach sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09. August 2000 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2001 zu verpflichten, den Klägern Fahrtkostenerstattung für die Beförderung ihres Sohnes U..-E… zur Sonderschule G in S….. ab dem 11. Januar 2000 in Höhe der Kosten für eine Beförderung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel bis zur nordrhein-westfälischen Landesgrenze zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er wiederholt und vertieft die Rechtsausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den einschlägigen Verwaltungs- und Widerspruchsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten in dem von ihnen begehrten Umfange. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob dieser Anspruch vorliegend bereits unmittelbar aus § 56 des Landesgesetzes über die Schulen in Rheinland-Pfalz (Schulgesetz – SchueG -; BS 223-1) folgt. Bedenken ergeben sich insoweit aus dem Umstand, dass es sich bei der vom Sohn der Kläger besuchten Schule um eine solche in privater Trägerschaft handelt. Für Privatschulen gilt § 56 SchueG nach § 33 Abs. 1 Satz 1 des Landesgesetzes über die Errichtung und Finanzierung von Privatschulen in freier Trägerschaft (Privatschulgesetz – PrivSchG -; BS 223-7) nämlich nur dann entsprechend, wenn diese Beiträge des Landes Rheinland-Pfalz nach § 28 PrivSchG erhalten. Vorliegend dürfte die Gewährung derartiger Beiträge indessen schon von daher ausscheiden, dass die R……… -Schule außerhalb des Landesgebietes von Rheinland-Pfalz liegt, so dass eine Anwendbarkeit des § 56 SchueG hier allenfalls dann in Betracht käme, wenn man von einer planwidrigen Regelungslücke in § 33 Abs. 1 Satz 1 PrivSchG für den Fall des Besuches einer Privatschule in einem anderen Bundesland ausgehen und diese im Wege der Analogie schließen wollte.

Die Kläger haben unabhängig von der Beantwortung dieser Rechtsfrage jedenfalls einen Anspruch auf die geltend gemachte Erstattung aus den Richtlinien des Beklagten über die Schülerbeförderung vom 22. April 1994 in der Fassung vom 11. Dezember 1995 in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach Ziffer 1.2 der Richtlinien übernimmt der Beklagte die Fahrtkosten für Schüler, die ihren Wohnsitz in seinem Gebiet haben, jedoch Schulen -worunter nach der ausdrücklichen Regelung der Ziffer 1.1/1.1.1 auch Sonderschulen als staatlich anerkannte Ersatzschulen in freier Trägerschaft fallen – in anderen Bundesländern besuchen, unter der Voraussetzung, dass keine Vereinbarung über die gegenseitige Kostenübernahme mit dem anderen Bundesland besteht.

Diese Praxis findet ihre rechtliche Grundlage für den Fall, dass sie – was letztlich von der Beantwortung der eingangs offen gelassenen Frage nach der genauen Reichweite dieser Regelung abhängt – nicht bereits durch § 56 SchulG gedeckt sein sollte, jedenfalls im grundgesetzlich verankerten gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht des Beklagten.

Auch liegen die in Ziffern 1.1 und 1.2 normierten einzelnen Voraussetzungen hier vor. Bei der R…. …… Schule, Schule für Geistigbehinderte, in S….. handelt es sich nach Auskunft des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Schulleiters, Herrn Dolski, deren Richtigkeit auch der Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, um eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft. Überdies besteht nach Änderung der dortigen Vorschriften auch keine Vereinbarung über eine wechselseitige Kostenübernahme mit dem Land Nordrhein-Westfalen mehr.

Des Weiteren ist eine Übernahme der Beförderungskosten vorliegend auch nicht anderweitig ausgeschlossen.

Zwar sieht Ziffer 2.1 der Richtlinien vor, dass im Bereich der Sonderschulen Fahrtkosten übernommen werden zum Besuch der Schule, die für den Schüler geeignet und der er durch Entscheidung der Schulbehörde zugewiesen worden ist.

Jedoch dürfte es sich insoweit bereits nicht um eine Begrenzung des grundsätzlich gewährten Erstattungsanspruches handeln, sondern lediglich um eine als Begünstigung konzipierte Regelung. Für den Fall, dass es sich bei der tatsächlich besuchten Schule um die nächstgelegene handelt, besteht nämlich für den Kostenträger der Schülerbeförderung keinerlei Veranlassung, eine solche Regelung zu treffen; in diesem Falle wird ja – im Einklang mit dem in § 56 Abs. 4 Satz 3 SchulG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken – nur das zum Besuch einer Schule der betreffenden Schulart erforderliche Minimum an Kostenerstattung durch die öffentliche Hand gewährt. Richtigerweise dürfte es sich danach bei Ziffer 2.1 um eine sonderschulspezifische Regelung handeln, die sicherstellen soll, dass in den Fällen, in denen sich nach Einschätzung der Schulbehörde eine andere als die nächstgelegene Sonderschule im Einzelfall als besser geeignet erweist und deshalb eine ausdrückliche Zuweisung dorthin erfolgt, auch die hierdurch entstehenden Mehrkosten für die Schülerbeförderung übernommen werden können.

Aber auch dann, wenn man dem nicht folgt und Ziffer 2.1 als potentielle Einschränkung des durch Ziffer 1.2 grundsätzlich eingeräumten Anspruches auf Übernahme der Schülerbeförderungskosten ansieht, führt diese Regelung im vorliegenden Fall nicht zum Anspruchsausschluss. Der Bescheid der damaligen Bezirksregierung Koblenz vom 13. August 1984 weist den Sohn der Kläger nämlich seinem eindeutigen Wortlaut nach keineswegs positiv der Sonderschule G in W….. zu. Vielmehr ist im Entscheidungsausspruch lediglich die Rede von der Zuweisung in „eine“ Sonderschule für Geistigbehinderte. In den Gründen des Bescheides wird sodann weiter ausgeführt, dass die zuständige Schule nach dem Wohnort der Kläger die Sonderschule G in W….. „wäre“, es jedoch den Klägern als Personensorgeberechtigten freistehe, selbst zu bestimmen, welche Schule ihr Sohn besuchen solle und man gegen den Besuch der Sonderschule G in S….. keine Einwände erhebe. Zwar kann diesen Aussagen andererseits entgegen der Ansicht der Kläger auch keine positive Zuweisung nach S.. … entnommen werden. Für den danach hier anzunehmenden Fall des völligen Fehlens einer positiven Zuweisung an eine bestimmte Schule sieht Ziffer 2.1 der Richtlinien ihrem Wortlaut nach keine Regelung vor. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte gerade eine Fallgruppe, die es nach dem eine Zuweisung zwingend vorsehenden § 47 Abs. 4 SchulG gar nicht geben dürfte, schlechter stellen will, handelt es sich indessen offensichtlich um eine planwidrige Regelungslücke. Diese lässt sich nach Lage der Dinge unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes nur so ausfüllen, dass in derartigen Fällen eine Gleichstellung zumindest auf dem vom Schulgesetz vorgesehenen niedrigsten Niveau – d. h. der Übernahme der Fahrtkosten zur nächstgelegen Schule des entsprechenden Schultyps – erfolgt. Dies ist vorliegend indessen die Sonderschule G in S……

Ferner steht der beantragten Kostenübernahme auch nicht entgegen, dass die Beförderung des Sohnes der Kläger zur Schule abweichend von dem in Ziffer 4 der Richtlinien vorgesehenen Vorrang des öffentlichen Verkehrsmittels mit einem privaten Kraftfahrzeug erfolgt. Ziffer 7.1.1 lässt dieses nämlich u. a. dann ausnahmsweise zu, wenn die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder eines Schulbusses nicht möglich ist; dies ist nach der Richtlinie u. a. auch dann der Fall, wenn der Schüler wegen einer nicht nur vorübergehenden Behinderung die auf dem Schulweg üblichen Verkehrsmittel nicht benutzen kann. Ein vom Beklagten eingesetzter Schulbus nach S….. verkehrt nicht. Darüber hinaus ist angesichts dessen, dass auch die den Klägern angesonnene Beförderung ihres Sohnes zur Sonderschule in W…. . nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt, sondern vom Roten Kreuz im Auftrage des Beklagten durchgeführt wird, davon auszugehen, dass der Sohn der Kläger auch eventuell verkehrende öffentliche Verkehrsmittel jedenfalls aufgrund seiner Behinderung nicht zum Schulweg nach S….. benutzen kann.

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Die Höhe des sonach dem Grunde nach gegebenen Anspruches auf Übernahme der Beförderungskosten zwischen M……… und S….. folgt aus Ziffer 7.2 der Richtlinien, wonach jedenfalls der Preis der Schülermonatskarte des vergleichbaren öffentlichen Verkehrsmittels erstattungsfähig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

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