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Begutachtung durch Kfz-Sachverständigen – Desinfektionskosten

LG Stuttgart – Az.: 5 S 42/21 – Urteil vom 23.09.2021

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 17.02.2021, Az. 1 C 1773/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem ausstehenden Gebührenanspruch des Ingenieurbüros S. in Höhe von 8,93 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 17,85 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Gestalt von Desinfektionskosten in Höhe von 15,00 Euro zzgl. MwSt, welche dem Kläger durch das mit der Feststellung der Schadenshöhe beauftragte Kfz-Sachverständigenbüro in Rechnung gestellt wurden.

Der Kläger hat hierzu unbestritten vorgetragen, es seien bei Hereinnahme des Fahrzeugs – zum Schutz der Mitarbeiter vor der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus – und vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Geschädigten – zu dessen Schutz – alle relevanten Teile, die planmäßig kurzfristig berührt würden (Lenkrad, Schalthebel, Blinkerhebel, Scheibenwischerhebel, Türgriffe innen und außen u.a.m.) desinfiziert worden, der Arbeitsaufwand hierfür betrage jeweils mehrere Minuten, Desinfektionsmittel seien derzeit im Einkauf sehr teuer oder müssten selbst hergestellt werden, so dass sie von der Bürokostenpauschale nicht erfasst seien. Letztlich fielen diese Kosten jedenfalls unter das Werkstattrisiko, welches der Schädiger zu tragen habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, es handle sich bei der Oberflächendesinfektion – die vom RKI nicht generell empfohlen werde – um eine betriebliche Arbeitsschutzmaßnahme, welche dem Schutz der Mitarbeiter diene und schon begrifflich nicht Bestandteil des Unfallschadens sei. Desinfektionskosten stellten keinen unfallkausalen Schaden dar, sondern fielen angesichts der Covid-19-Pandemie unter „höhere Gewalt“ und tangierten das jeweilige Lebens- und Betriebsrisiko des Einzelnen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der auf Freistellung von der Verbindlichkeit in Höhe von 17,85 Euro gerichteten Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es entspreche der derzeit allgegenwärtigen Lebenserfahrung, dass in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens vermehrt Hygienemaßnahmen empfohlen und umgesetzt würden, um die Ausweitung des Virus zu verhindern. Vor diesem Hintergrund stelle die besondere Reinigung von Oberflächen im Innenraum des Fahrzeugs, in welchem sich während der Begutachtung Mitarbeiter des Sachverständigenbüros befänden, eine adäquate coronabedingte Maßnahme dar, welche in Pandemiezeiten zum Risiko des Schädigers gehöre. Der Aufwand sei erforderlich, der Geschädigte habe nach Auftragserteilung keinen Einfluss auf die Höhe der abgerechneten Kosten; diese seien der Höhe nach für Material und Arbeitseinsatz angemessen.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, das Amtsgericht habe zu Unrecht und abweichend vom Parteivortrag unterstellt, dass sich der Sachverständige im Innenraum des Fahrzeugs aufgehalten habe. Zudem habe es fehlerhaft darauf abgestellt, dass die Desinfektion von Oberflächen zu den allgemeinen Hygienemaßnahmen während der Pandemie gehöre. Im Gegensatz zu Abstandsregeln, Händewaschen und der Husten- und Niesetikette sei dies aber nicht der Fall. Mit den Einwänden zur Kausalität habe sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt, ebenso wenig mit dem Einwand, es handle sich um betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen. Das Amtsgericht habe außerdem verkannt, dass bei Desinfektionskosten das Werkstatt- und Prognoserisiko nicht greife, da diese Positionen nicht im Zusammenhang mit dem Unfallschaden stünden. Der Rechnung komme keinerlei Indizwirkung zu, da sie nicht bezahlt sei. Übergangen habe das Gericht auch den Vortrag der Beklagten, dass die geltend gemachten Kosten überhöht seien.

Die Beklagte beantragt: Das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 17.02.2021, zugestellt am 22.02.2021, Az. 1 C 1773/20, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen; die Revision zuzulassen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig. Die Kosten für die Desinfektionsmaßnahmen seien adäquat kausal durch den Unfall entstanden, da die Covid-19-Pandemie weder den Ursachenzusammenhang nach der Äquivalenztheorie entfallen lasse noch einen völlig unwahrscheinlichen oder unvorhersehbaren Kausalverlauf bedinge. Vor dem Hintergrund der weltweiten Pandemie seien durch diese verursachte Mehrkosten nicht ungewöhnlich und jegliche Kostensteigerung im Zusammenhang mit der Schadensbeseitigung oder -feststellung dem Schädiger anzulasten – dies würde selbstverständlich z.B. auch bei pandemiebedingten Verlängerungen der Reparaturdauer gelten. Die Maßnahmen seien erforderlich und angemessen gewesen. Selbst für den Fall, dass man mit der Beklagten die Maßnahmen für überflüssig halte, habe der Schädiger aufgrund des Werkstatt- und Prognoserisikos diese Kosten zu tragen.

Die Kammer hat mündlich verhandelt. Auf das Protokoll vom 29.07.2021 wird ebenso wie auf den gesamten Akteninhalt zum Sach- und Streitstand zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, da sie vom Amtsgericht zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, §§ 511 Abs. 4, 517, 520 Abs. 2 ZPO.

Sie ist in der Sache teilweise begründet.

Die Kammer schließt sich der von der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart in der Sache 13 S 25/21 geäußerten Rechtsauffassung zu Desinfektionskosten im Rahmen einer unfallbedingten Fahrzeugreparatur an (LG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2021 – 13 S 25/21). Die dort geäußerten Erwägungen lassen sich grundsätzlich auf Desinfektionskosten, welche anlässlich einer Begutachtung des unfallbeschädigten Fahrzeugs in Rechnung gestellt werden, übertragen.

1.

Unberücksichtigt bleibt hierbei zunächst der Einwand der Beklagten, anhand der vorgelegten Lichtbilder lasse sich keine Notwendigkeit für den Sachverständigen erkennen, sich im Fahrzeug aufzuhalten. Dieses Vorbringen ist nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet. Erstinstanzlich hat die Beklagte den Sachvortrag des Klägers, dass alle relevanten Teile, die planmäßig kurzfristig berührt würden, desinfiziert würden, nicht bestritten. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb die Beklagte hieran gehindert gewesen wäre. Im Übrigen stellt es vor diesem Hintergrund keine den Vortrag der Parteien missachtende Unterstellung dar, wenn das Amtsgericht ausführt, dass sich während der Begutachtung Mitarbeiter des Sachverständigenbüros im Fahrzeug aufhielten. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass Oberflächen im Fahrzeuginneren planmäßig berührt werden. Darüber hinaus ist es allgemein bzw. zumindest gerichtsbekannt, dass das Fahrzeug für die Begutachtung jedenfalls zur Ermittlung des Kilometerstands gestartet und somit von innen berührt wird.

2.

Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung der hälftigen vom Sachverständigen berechneten Desinfektionskosten verlangen, d.h. in Höhe von 7,50 Euro netto bzw. 8,93 Euro inklusive Umsatzsteuer.

a)

Die Kammer geht in Übereinstimmung mit der 13. Zivilkammer davon aus, dass der Geschädigte vor der Rückgabe eines durch den Sachverständigen begutachteten Fahrzeugs an ihn eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen erwarten kann und dass der Aufwand hierfür im Rahmen der Schadensbeseitigung erforderlich ist.

In Zeiten der Corona-Pandemie darf der Geschädigte eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen vor Abholung des Fahrzeugs erwarten. Unabhängig davon, ob ein nennenswertes Risiko einer Schmierinfektion über Kontaktflächen objektiv besteht, wäre es für den Geschädigten eine über die bloße Lästigkeit hinausgehende Beeinträchtigung, wenn er das Fahrzeug ohne solche Maßnahmen entgegennehmen müsste (LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021 – 13 S 25/21). Die Bestimmung der „Erforderlichkeit“ im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB hat auf die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch auf seine beschränkten Erkenntnismöglichkeiten Bedacht zu nehmen (BGH, Urteil vom 06.11.1973, VI ZR 27/73; LG Stuttgart a.a.O.). Das eigene Fahrzeug ist ein Bereich der Privatsphäre, in dem die Empfindlichkeit hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse und möglicher Kontaminationen von außen besonders hoch ist (LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021 – 13 S 25/21). Der Geschädigte kann nicht abschätzen, welcher oder welche ihm unbekannten Mitarbeiter des Sachverständigenbüros sich in dem Fahrzeug wie lange aufgehalten und welche Oberflächen sie wie lange berührt haben. Aus seiner subjektiven Perspektive eines medizinischen Laien lässt sich eine Infektionsgefahr nach Abholung des Fahrzeugs zumindest nicht ausschließen, mag sie auch angesichts des überschaubareren Personenkreises und der mutmaßlich kürzeren Verweildauer im Fahrzeug etwas geringer erscheinen als im Falle des Werkstattaufenthalts. Das Sicherheitsgefühl des Geschädigten, also sein subjektives Interesse, sich keinem vermeidbaren Infektionsrisiko auszusetzen, erscheint in der Pandemie mit Blick auf die möglichen schweren Folgen einer Erkrankung und der zum Teil unklaren Informationslage schützenswert. Der Geschädigte nutzt das Auto nach der Abholung dauerhaft, so dass es für ihn – anders als für den Sachverständigen – auch keine angemessene Option ist, sich etwa durch Handschuhe oder eine Maske zu schützen. Der Geschädigte und Kunde darf deshalb in der Regel erwarten, dass ständig genutzte Kontaktflächen wie das Lenkrad, die Schalthebel und der Türgriff nach erfolgter Begutachtung desinfiziert werden (vgl. LG Stuttgart, a.a.O.).

b)

Der Aufwand für die Desinfektionsmaßnahmen wurde vom Kläger unwidersprochen geschildert. Es handelt sich um das Abwischen der genannten relevanten Teile und Oberflächen mit einem flüssigen Desinfektionsmittel oder Spray und einem Tuch. Der Aufwand hierfür liegt, wie vom Kläger dargestellt, auch nach Schätzung der Kammer gemäß § 287 ZPO bei einigen Minuten Arbeitszeit und Materialkosten, wobei diese während der Dauer der Pandemie relativ starken Schwankungen unterlagen; zum Zeitpunkt der Abrechnung im Juni 2020 dürften tatsächlich etwas höhere Preise anzusetzen sein als derzeit, nachdem die Liefermengen an die gestiegene Nachfrage angepasst werden konnten. Vor dem Hintergrund schwankender Preise bzw. Verfügbarkeit erscheint die vom Sachverständigen angesetzte Pauschale von 15,00 Euro für beide Arbeitsvorgänge – einmal bei Hereinnahme und nochmals vor Rückgabe des Fahrzeugs – angemessen und nicht überhöht. Vor dem Hintergrund der geringen Kosten ist eine Schätzung durch die Kammer ausreichend und der Ansatz einer Pauschale gut vertretbar (ebenso LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021, 13 S 25/21). Die Rüge der Berufung, das Amtsgericht habe sich mit dem Einwand der überhöhten Kosten nicht auseinandergesetzt, ist angesichts des vom Sachverständigen angesetzten sehr moderaten Betrags von 7,50 Euro zzgl. MwSt je Arbeitsgang nicht angebracht. Das Amtsgericht hat die geltend gemachten Kosten insoweit aufgrund eigener Beurteilung und Schätzung als „der Höhe nach nicht zu beanstanden, sondern für den anfallenden Material- und Arbeitseinsatz angemessen“ bewertet. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer aufgrund eigener Schätzung an.

3.

Die Kosten für weitere Desinfektionsmaßnahmen – hier die Behandlung der Oberflächen anlässlich der Hereinnahme des Fahrzeugs zum Schutz der eigenen Mitarbeiter des Sachverständigenbüros – sind hingegen nicht erstattungsfähig. Diese belaufen sich auf die Hälfte des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Gesamtbetrags von 15,00 Euro zzgl. MwSt. Nach dem Klägervorbringen wurde das Fahrzeug von den Mitarbeitern sowohl bei Hereinnahme als auch vor Rückgabe jeweils desinfiziert, wobei sich die einzelnen Maßnahmen jeweils nicht unterscheiden, so dass die Kammer insoweit jeweils den hälftigen Betrag nach § 287 ZPO pro Arbeitsgang ansetzt.

a)

Die Kammer hat bereits Zweifel, ob der Sachverständige dem Kunden allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen gesondert in Rechnung stellen kann (LG Stuttgart a.a.O.; AG Pforzheim, Urteil vom 02.12.2020, 4 C 231/20; Wenker, jurisPR-VerbrR 7/2021). Für die Kammer erschließt sich jedenfalls nicht, weshalb dem Schutz der Mitarbeiter des Ingenieurbüros nicht durch das Benutzen von Handschuhen oder Masken ausreichend Rechnung getragen werden kann. Diese haben sich im vorliegenden Fall, da das Fahrzeug nur äußere Beschädigungen aufwies, nur kurzfristig – z.B. zum Bewegen des Fahrzeugs oder Ablesen des Tachostandes – im Fahrzeuginneren aufgehalten. Der Eigenschutz kann hier unproblematisch durch die Verwendung von Masken und Einmalhandschuhen gewährleistet werden, welche dem Kunden ebenso wenig wie sonstige persönliche Arbeits- oder Sicherheitskleidung gesondert in Rechnung gestellt werden können.

b)

Dieser objektiv nicht erforderliche und angemessene Teil der Sachverständigenkosten ist vorliegend auch nicht aufgrund der eingeschränkten subjektiven Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten oder aufgrund der Indizwirkung einer bezahlten Rechnung erstattungsfähig.

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich allerdings eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat. Im Fall einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18 –, juris; Urteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 15 und vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 17, jeweils mwN).

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aa)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18 –, juris; Urteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 17; vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, VersR 2018, 240 Rn. 18 f.; vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 19; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16).

Eine Indizwirkung der vom Geschädigten bezahlten Rechnung scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil der Kläger auf Freistellung klagt und damit deutlich macht, dass er die Rechnung des Sachverständigen gerade nicht bezahlt hat.

bb)

Des Weiteren kommt es vorliegend auch nicht auf die subjektiv beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an, weil bereits keine Preisvereinbarung vorgetragen wurde. Fehlt es an einer Preisvereinbarung, ist grundsätzlich an die übliche Vergütung anzuknüpfen, denn der verständige Geschädigte, der keine Honorarvereinbarung trifft und den Schadensersatzanspruch bei Erteilung des Gutachtensauftrages abtritt, wird im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht (BGH, Urteil vom 28. Februar 2017 – VI ZR 76/16 –, juris). In Bezug auf Desinfektionskosten hat sich insoweit noch kein allgemein übliches Vorgehen der Sachverständigen etabliert. Da objektiv nur der Aufwand für die Desinfektion vor der Rückgabe an den Geschädigten abgerechnet werden kann, kann die übliche und angemessene Vergütung auch nur in diesem abrechenbaren Teil bestehen. Da sich der Geschädigte, wenn er keine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen hat und auch die Rechnung nicht bezahlt (und damit nicht geprüft hat) zu keinem Zeitpunkt Gedanken über die Plausibilität und Angemessenheit der vom Sachverständigen berechneten Preise gemacht hat, ist er im Hinblick auf etwa überhöhte Preise insoweit auch nicht besonders schutzwürdig. Es verbleibt bei der Erstattungsfähigkeit der objektiv erforderlichen Kosten, die sich vorliegend auf 7,50 Euro für einen Desinfektionsvorgang vor der Rückgabe des Fahrzeugs an den Geschädigten beschränken.

Es verbleibt daher bei der Erstattungsfähigkeit lediglich der hälftigen angesetzten Pauschale und damit bei den zugesprochenen 8,93 Euro brutto.

cc)

Die von den Parteien angestellten Erwägungen zum Werkstattrisiko sind nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da sich die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach den dargelegten spezielleren Grundsätzen des Bundesgerichtshofs richtet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

IV.

Die Kammer lässt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zu. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Sachverständigen geltend gemachte Desinfektionskosten vom Schädiger zu ersetzen sind, wird in der Rechtsprechung bislang nicht einheitlich entschieden.

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