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Behandlungsfehler bei der Geburt – Hypoxie


Oberlandesgericht München

Az: 1 O 4249/13

Urteil vom 08.05.2014


Anmerkung des Bearbeiters

Im Arzthaftungsrecht gelten bei einem Behandlungsfehler unter Umständen Beweiserleichterungen. Der Geschädigte muss unter Umständen vor Gericht nicht beweisen, dass der Behandlungsfehler eines Arztes ursächlich für eine bestimmte Schädigung des Patienten war. Insbesondere greift eine Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn die ärztlichen Standards in ganz besonders gravierendem Maße verletzt wurden. Jedenfalls muss der Patient aber – sowohl bei einem einfachen Behandlungsfehler, als auch bei einem groben Behandlungsfehler – das Vorliegen des Behandlungsfehlers beweisen.


Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.05.2013, Az. 1M O 3100/08, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil und das in Ziffer I genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber den noch am Rechtsstreit beteiligten Beklagten 2 – 5 Ansprüche in Zusammenhang mit der ärztlichen und pflegerischen Behandlung bei seiner Geburt geltend.

Die Mutter des Klägers wurde im Jahr 2002 im Alter von 36 Jahre erstmals schwanger, als voraussichtlicher Geburtstermin wurde der 9.1.2003 in den Mutterpass eingetragen.

Die Eltern des Klägers suchten am 7.1.2003 die behandelnde Gynäkologin (ehemals Beklagte zu 1) auf, die u.a. eine CT-Untersuchung durchführte.

Am 9.1.2003 begaben sich die Eltern des Klägers gegen 10:00 Uhr in die Klinik der Beklagten zu 4 und wurden von der Beklagten zu 2, die als Beleghebamme in der Klinik der Beklagten zu 4 tätig war, aufgenommen und betreut. Ein in der Zeit von ca. 10:08 Uhr bis 10:57 Uhr abgeleitetes CTG zeigte überwiegend eine eingeengte undulatorische Bandbreite bei fehlender Wehentätigkeit. Die Mutter des Klägers wurde daraufhin wieder nach Hause geschickt.

Um 18:00 Uhr kam die Mutter des Klägers erneut auf die gynäkologische Belegabteilung der Beklagten zu 4. Die vaginale Untersuchung ergab: „Portio verbraucht, MM weich, 3-4 cm geöffnet, Kopf in BE, Abgang von dickem grünen FW“.

Das ab 18:00 Uhr abgeleitete CTG wies von Anfang an tiefe Dezelerationen (Verlangsamung des kindlichen Pulses) auf. Die Herztonfrequenz ging bis auf 60 Schläge pro Minute herunter. Akzelerationen wies das CTG nicht auf. Als gegen 18:52 Uhr eine tiefe, lang anhaltende Bradykardie („Langsamherzigkeit“) abgeleitet wurde, verständigte die Beklagte zu 2 telefonisch den Beklagten zu 3, der die Indikation zur Sectio stellte. 28 Minuten später wurde der Kläger um 19:20 Uhr geboren.

Der Kläger war altersgerecht gewachsen, aber schlaff. Die Apgar-Bewertung lautete 7/9/10, der Nabelschnur-pH-Wert betrug 7,27; der Kläger wog 3.030 g und war 52 cm groß. Es wurden drei Nabelschnur-Umschlingungen sowie ein echter Nabelschnurknoten diagnostiziert, der bereits am Zuziehen war. Der Kläger musste mehrfach tief abgesaugt werden. Nach dem Absaugen fiel ein leichtes Röcheln auf. In der Säuglingskurve findet sich weiterhin der Eintrag, dass der Kläger auch nach dem Baden noch sehr unruhig gewesen ist und leicht geröchelt hat.

Um 00:30 Uhr (10.01.2003) wurde vom Pflegepersonal vermerkt, dass der Säugling schreit und röchelt, woraufhin er umgehend und nochmals um 02:00 Uhr abgesaugt wurde. Aus den Eintragungen der Krankenakte um 05:30 Uhr geht hervor, dass der Kläger noch geröchelt hat, dasselbe gilt für 09:00 Uhr morgens.

Die Beklagte zu 2 saugte um 12:30 Uhr den Kläger nochmals ab und versuchte den Kinderarzt, den Beklagten zu 5 zu erreichen.

Der Beklagte zu 5 erschien um 14.00 in Klinik, untersuchte den Kläger und ordnete die sofortige Verlegung des Klägers in eine Kinderklinik an.

Der verständigte Kindernotarzt traf um 14:30 Uhr auf der Station der Beklagten zu 4 ein und führte die Verlegung auf die Intensivstation der Kinderabteilung des Krankenhauses M.-H. durch. Der Kläger wurde dort um 16:15 Uhr aufgenommen. Als Verlegungsgrund wurde angegeben: transitorische Tachypnoe, und Amnioninfektionssyndrom. Im städtischen Krankenhaus M.-H. wurde sofort mit einer Antibiotika-Therapie über insgesamt 3 Tage begonnen.

In der der Nacht vom 10. auf den 11.01.03 beobachte das Pflegepersonal, dass der Kläger berührungsempfindlich war, sich steif machte, schmatzte, fast die ganze Nacht wach war und öfter kurz aufschrie.

In ärztlichen Dokumentation wurde vermerkt, dass das „Kind neurologisch sehr auffällig: Zittrig, Verdacht auf Krampfanfälle wiederholt mit Blickdeviation nach oben, Überstreckungen, Opisthotonus; wirkt wie Entzugskind“

Am Nachmittag des 11.01.2003 wurden Neugeborenenkrämpfe und neuromotorische Ausnahmezustände festgestellt. Krampfanfälle traten in der Nacht zum 12.01.2003 auf. Daraufhin folgte eine insgesamt 9-tägige Phenobabital-Therapie, nach der zwar keine Krampfanfälle mehr vorlagen, jedoch ein pathologisches EEG.

Am 31.01.2003 wurde der Kläger aus dem Städtischen Krankenhaus M.-H. entlassen.

Am 08.07.2004 wurde ein MRT vom Schädel des Klägers in der Radiologie der Klinikums G. angefertigt und wie folgt befundet:

„Bei Rudi liegt ein kombiniertes Schädigungsmuster vor. Einerseits sind die Perizentralregion beidseits, der laterale Thalamus und das Putamen beidseits geschädigt, was einem typischen Schädigungsmuster bei einer schweren Hypoxie bei einem reif geborenen Kind entspricht. Andererseits liegen auch die typischen Schädigungen einer periventrikulären Leukomalazie vor. Hierbei muss also von einer hypoxischen Schädigung, bei einem Kind am Übergang von der Frühgeburtlichkeit zur termingerechten Geburt, ausgegangen werden. Mit letzter Sicherheit lässt sich der Schädigungszeitpunkt nicht eingrenzen. Es ist jedoch am ehesten ein Schädigungszeitpunkt zwischen etwa der 33. und etwa der 37. Woche anzunehmen.“

Bei dem Kläger ist eine schwere geistig-körperliche Behinderung verblieben, die dazu führt, dass der Kläger dauerhaft auf die Hilfe und Pflege angewiesen ist.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er sei von den Beklagten behandlungsfehlerhaft vor, während und nach seiner Geburt versorgt worden.

Der Beklagten zu 3 hätte nach seinem Eintreffen sofort in Kenntnis des bereits 1 Stunde-pathologischen-CTG’s eine Notsectio innerhalb kürzester Zeit durchführen müssen. Die in den Richtlinien vorgegebene E-E-Zeit sei mit 28 Minuten weit überschritten worden. Darüber hinaus habe er nach der Geburt nicht für eine engmaschige fachärztliche Betreuung gesorgt, insbesondere habe der Beklagte zu 3 nicht auf frühere fachärztliche Behandlung durch einen Kinderarzt gedrängt. Er hätte bereits vor der Durchführung der Sectio die Kinderärztin benachrichtigen müssen, da das pathologische CTG vor Durchführung der Sectio ein Kind mit Atemproblemen habe erwarten lassen.

Der Beklagten zu 5 sei zum einen nicht rechtzeitig vor Ort gewesen und zum anderen habe er das Kind nach Benachrichtigung der Kinderklinik allein gelassen. Er hätte das röchelnde Kind nicht allein lassen dürfen um ggf. auch einzugreifen, falls sich die Situation bis zum Eintreffen der Notärzte verschlechtere.

Die Beklagte zu 4 habe die Versäumnisse des Pflegepersonals zu vertreten, zusammen mit dem insofern auch weisungsberechtigten Beklagten zu 3. Darüber hinaus seien der Beklagten zu 3 erhebliche organisatorische Versäumnisse anzulasten, da sie nicht dafür gesorgt habe, dass per Weisung oder Vereinbarung eine sachgerechte Nachsorge eines Kindes erfolge.

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger wegen fehlerhafter Geburtshilfe und postpartaler Nachsorge in der Zeit vom 09.01. – 10.01.2003 ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkte über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den in Folge der behandlungsfehlerhaften Geburtshilfe und postpartaler Nachsorge im Januar 2003 entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht aufgrund sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergangen sind bzw. noch übergehen werden.

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Die Beklagten haben übereinstimmen beantragt:

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben übereinstimmend vorgetragen:

Sie bzw. ihre Mitarbeiter hätten sämtlich lege artis vor, bei und nach der Geburt des Klägers gehandelt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des gynäkologischen Sachverständigen Prof. Dr. M. und des neonatologischen Sachverständigen Prof. Dr. B.

Das Landgericht wies mit Endurteil vom 14.5.2013 die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der Kläger habe die von ihm behaupteten ärztlichen Behandlungsfehler der Beklagten bei und nach seiner Geburt am 09.01.2003 auf Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten nicht beweisen können. Der gute Zustand des Kindes nach der Geburt und bei der Ankunft in H. würde zudem nach den Ausführungen des neonatologischen Sachverständigen daraufhin hindeuten, dass es sowohl in den letzten Stunden vor der Geburt wie auch in der Zeit zwischen Geburt und Ankunft in Harlaching keine Ereignisse gegeben habe, die geeignet gewesen wären, die als Narben zu begreifenden Veränderungen im Gehirn zu verursachen, die sich bei der MRT-Untersuchung am 08.07.2004 gezeigt hätten und die das Krankheitsbild des Kindes erklären würden. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die zerebrale Schädigung des Kindes mit Sicherheit nicht ihren Ursprung in Ereignissen der ersten 24 Lebensstunden des Kindes habe und dass keine Versäumnisse in der Überwachung und Behandlung des Kindes in dieser Zeit zu erkennen seien.

Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 28.10.2013, eingegangen bei Gericht am 30.10.2013, gegen das ihm am 7.10.2013 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 7.1.2014.

Der Kläger trägt vor:

Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sämtlichen Beklagten sei ein grober Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der geburtsärztlichen Betreuung des Klägers vorzuwerfen.

Das Landgericht sei auf Grundlage der Gutachten des Geburtshelfers Professor Dr. M. und des Neonatologen Professor Dr. B. zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Schädigung des Klägers während oder nach der Geburt ausgeschlossen sei.

Der Sachverständige Professor Dr. B. fokussiere sich auf eine periventrikuläre Leukomalazie und berücksichtige nicht hinreichend, dass in der MRT Befundung des Instituts für Radiologie der L.-M.-Universität vom 8.7.2004 nur „des Weiteren“ eine periventrikuläre Leukomalazie erwähnt sei und die beschriebenen ausgedehnten Läsionen sich in einem Bereich befänden, dessen Schädigung typisch für die Schädigung aufgrund von Asphyxie eines Reifgeborenen sei. Es sei auch nach dieser Befundung nicht ausgeschlossen sondern eher wahrscheinlich, dass eine hypoxische Schädigung um die Geburt herum stattgefunden habe.

Auch wenn man eine Erweiterung im Rahmen periventrikulären Leukomalazie unterstelle, sei offensichtlich, dass eine zusätzliche Hirnschädigung aufgrund einer um die Geburt herum stattgefundenen Hypoxie des reifgeborenen Kindes (entsprechend den Läsionen im Marklager) erfolgt sei und die tatsächlich und konkret vorhandenen Schäden doch überwiegend auf die um die Geburt herum sich ausgebildete Markla-gerschädigung zurückzuführen seien.

Die Nachbefundung des MRT’s durch einen dem Prozessbevollmächtigten und den Eltern des Klägers bekannten Neuroradiologen weise zudem aus, dass tatsächlich eine periventrikuläre Leukomalazie gar nicht vorgelegen habe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das Landgericht selbst ausgeführt habe, dass Veränderungen in dem zentralen Marklager beider Großhirnhemisphären dem typischen Muster einer Schädigung des reifgeborenen Gehirns entspräche, welches häufig infolge eines hypoxischen Ereignisses im Rahmen einer fetalen Asphyxie vorkommen könne und zwar als Reifgeborenes unter der Geburt. Gerade diese Veränderungen schlössen aber eine Schädigung in der 34. – 37. SSW aus.

Auch der angeblich gute pH-Wert und der Apgar-Wert sprächen nicht gegen eine Schädigung um die Geburt. Es sei keineswegs so, dass die Apgar-Werte sowie der pH-Wert sicher eine um die Geburt und kurz danach entstandene schädigungswirksame Sauerstoffmangelsituation ausschlössen. Der klinische Verlauf spreche dagegen.

Da sowohl der geburtshilfliche als auch der neonatologische Gutachter und ihnen folgend das Landgericht sich zu Unrecht darauf fokussiert hätten, dass eine Schädigung während der Geburt und kurz danach ausgeschlossen sei, seien auch die Vorwürfe hinsichtlich der Behandlung (CTG-Bewertung, unzureichende zeitliche Sequenz bis zur Kaiserschnittentbindung etc.) in diesem Lichte begutachtet worden und völlig beeindruckt von der fixierten Annahme einer Vorschädigung unzureichend bis falsch bewertet worden.

Der Beklagte zu 3 hätte sofort die Indikation zur Notsectio stellen müssen. Im Übrigen hätte hier der Entschluss wesentlich früher fallen müssen. Die Hebamme hätte den Arzt wesentlich früher unterrichten müssen, auch mit Blick auf die vorangegangenen CTG’s. Gerade das ab 18:00 Uhr nach stationärer Aufnahme geschrieben CTG’s sei von Anfang an pathologisch gewesen, so dass die Beklagte zu 2 hier grob behandlungsfehlerhaft nicht rechtszeitig für Facharztpräsenz gesorgt habe.

Bei richtiger CTG-Bewertung hätte der Beklagte zu 3 alles daran setzen müssen um möglichst rasch das Kind durch Kaiserschnitt zu gebären. Durch das nicht behandlungsgerechte Vorgehen der Beklagten zu 2 und durch die verzögerte Sectio bezüglich des Beklagten zu 3 sei es insgesamt zu einer zeitlichen Verzögerung gekommen, die zumindest für den konkreten Hirnschaden mitursächlich geworden sei.

Wenn man das Verhalten der Beklagten zu 2 in der Gesamtschau betrachte, könne dieses Verhalten der Hebamme nur als grob behandlungsfehlerhaft festgestellt werden.

Aber auch der Beklagte zu 3 habe grob behandlungsfehlerhaft die Geburt des Klägers aufgrund offenbarer Verkennung der Notlage verzögert. Die Behandlungsverzögerung von mindestens 8 Minuten habe zumindest mitursächlich zum tragischen Verlauf bei-getragen.

Der Beklagte zu 5 hätte das Kind nicht nach erster Kontrolle und Benachrichtigung der Kinderklinik verlassen dürfen. Es sei grob behandlungsfehlerhaft, einen Patienten, der offensichtlich mit erheblichen klinischen Auffälligkeiten zu kämpfen habe, alleine zu lassen und keine weiteren Befunde zu erheben. Es dürfe einem Kinderarzt schlechterdings nicht unterlaufen, einen Patienten in einer solchen Situation allein zu lassen und darauf zu hoffen, dass bald der Kindernotarzt komme.

Die Beklagte zu 4 habe dieses organisatorische Chaos zu vertreten.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger wegen fehlerhafter Geburtshilfe und postpartaler Nachsorge in der Zeit vom 09.01. – 10.01.2003 ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkte über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den in Folge der behandlungsfehlerhaften Geburtshilfe und postpartaler Nachsorge im Januar 2003 entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht aufgrund sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergangen sind bzw. noch übergehen werden.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2 trägt vor:

Sie habe lege artis gehandelt. Es sei weder um 10:00 Uhr notwendig gewesen, die Mutter des Klägers dazubehalten, noch sie um 15:30 Uhr einzubestellen, noch den Arzt früher zu benachrichtigen. Es sei auch keine Zeit verloren gegangen, wie sich aus den Ergebnissen der unmittelbar nach der Geburt durchgeführten Untersuchungen ergebe.

Der Beklagte zu 3 trägt vor:

Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Obgleich nach der vorgeburtlichen CTG keine frühere Sektio notwendig gewesen sei, habe er entschlossen und zielführend gehandelt. Der Zustand des Kindes sei nach der Entbindung unauffällig gewesen. Merkmale für eine geburtsassoziierte hypoxische Hirnschädigung hätten nicht vorgelegen. Seine Zuständigkeit und Behandlung habe mit Abschluss der U1 geendet.

Die Beklagte zu 4 trägt vor:

Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei und auf vollständiger und richtiger Tatsachengrundlage die Klage abgewiesen. Der Einholung eines neuroradiologischen Sachverständigengutachtens habe es mangels Entscheidungserheblichkeit bei eindeutig sorgfaltspflichtgerechtem Vorgehen der Beklagten nicht bedurft. Es sei weder ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen der Pflegekräfte noch ein Organisationsversäumnis nur ansatzweise erkennbar, geschweige denn nachgewiesen.

Der Beklagte zu 5 trägt vor:

Der Kläger zeige weder einen Behandlungsfehler geschweige denn einen groben Behandlungsfehler schlüssig auf. Dass er um 14.00 Uhr in der Klinik erschienen sei, habe am Zeitpunkt der Benachrichtigung gelegen. Er habe die schnelle Verlegung des Klägers in eine Kinderklinik veranlasst. Der Zustand des Klägers habe sich zwischen seinem Eintreffen und der Verlegung bzw. Eintreffen des Kindernotarztes nicht verschlechtert.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger konnte den Nachweis, dass einer der Beklagten bei seiner Geburt behandlungsfehlerhaft vorgegangen ist, nicht führen, selbst einen einfachen Behandlungsfehler unterstellt, vermochte der Kläger eine Kausalität zwischen den jeweils behaupteten Behandlungsfehlern und seiner tragischen Hirnschädigung nicht zu belegen. Da bereits ein Behandlungsfehler nicht festgestellt werden kann, stellte sich die Frage einer Beweislasterleichterung nach den Grundsätzen des groben Behandlungsfehlers nicht. Die Einholung eines Obergutachtens oder weiterer Gutachten ist nicht geboten

I. Der gynäkologische und der neonatologische Sachverständigen haben mit überzeugender und nachvollziehbarer Begründung einen Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 (Hebamme), des Beklagten zu 3 (Belegarzt), des Pflegepersonals der Beklagten zu 4 und des hinzugezogenen Kinderarztes (Beklagter zu 5) verneint.

Die Feststellung eines Behandlungsfehlers hat unabhängig von der Frage zu erfolgen, ob der Nachweis der Kausalität zwischen dem behaupteten Fehler und der gesundheitlichen Beeinträchtigung gelingen kann. Ebenso beansprucht der Grundsatz Geltung, dass von einer schwerwiegenden Schädigung nicht auf einen Behandlungsfehler zurückgeschlossen werden darf. Sofern ein Sachverständiger diese Grundsätze nicht beachtet, liegt ein Mangel der Begutachtung vor. Der Senat vermag aber den schriftlichen und mündlichen Ausführungen beider Sachverständiger keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass diese Grundsätze nicht beachtet wurden, so dass der Kernvorwurf der Berufung, die Vorwürfe des Klägers seien beeindruckt von der fixierten Annahme einer Vorschädigung unzureichend bis falsch bewertet worden, nicht durchgreift.

1. Der Kläger vermochte keinen Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 zu beweisen.

a) Der Beklagten zu 2 kann nicht vorgeworfen werden, die Mutter des Klägers am 9.1.2000 nach Vorstellung in der Klinik gegen 11:00 Uhr wieder nachhause entlassen zu haben.

Die Beklagte zu 2 hat in der Zeit zwischen 10:08 Uhr und 10:57 Uhr ein CTG abgeleitet und das CTG als unauffällig befundet, sowie eine Kontrolle in zwei Tagen oder bei Wehen oder Blasensprung angeraten. Der gynäkologische Sachverständige Professor Dr. M. kam nach Vorlage des CTG´s zu dem Ergebnis, dass der Befund nicht zu beanstanden ist und erklärte, dass sich aus diesen Aufzeichnungen keine Hinweise auf eine Gefährdung des Kindes durch Sauerstoffmangel ergeben haben. Er hat ausgeführt, dass im CTG eine Herzfrequenz von 140 Schlägen pro Minute erkennbar ist, wobei die Bandbreite in Intervallen von 10 Minuten meist über 6 Schlägen gelegen hat, sowie vereinzelt Akzelerationen aufgetreten sind, jedoch an keiner Stelle Dezeleration kindlicher Herztöne zu finden sind.

Zusammenfassend kommt der Sachverständige Professor Dr. M. zu dem Ergebnis, dass die Entlassung der Klägerin aus dem Krankenhaus am Vormittag des 9.1.2003 gegen keinerlei fachärztlichen bzw. Fachstandards von Hebammen verstoßen hat.

Zu den Ausführungen des Klägers in der Berufung ist anzumerken, dass der Senat nicht die geringsten Zweifel hat, dass Professor Dr. M. für Auswertung von CTG´s fachlich bestens geeignet ist. In der Berufungsbegründung wird die Auswertung in Zweifel gezogen ohne jedoch aufzuzeigen, an welcher Stelle und welche handwerklichen Fehler den Sachverständigen bei der Auswertung unterlaufen sein sollen und inwieweit ein anderer Sachverständiger über überlegenes Fachwissen oder eine weitergehende Kompetenz bei der Auswertung dieser Aufzeichnung verfügen soll. Alleine die Behauptung der Sachverständige habe das CTG falsch ausgewertet, reicht nicht aus, um die Voraussetzung für die Einholung eines weiteren Gutachtens zu erfüllen.

b) Sofern die Darstellung des Vaters des Klägers zutreffen sollte, dass er der Beklagten zu 2 in dem unstrittigen Telefonat gegen 15:30 Uhr berichtet habe, dass bei seiner Frau Wehen aufgetreten seien, bezeichnete es der Sachverständige als Fehler, die Mutter des Klägers nicht sofort in die Klinik eingestellt zu haben. Sofern hingegen der Darstellung der Beklagten zu 2 folgen sei, dass sie ein warmes Bad lediglich für den Fall, dass nur ein Ziehen vorliegt, empfohlen habe, konnte der Sachverständige einen Behandlungsfehler nicht feststellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Einträge in den vorgelegten Krankenunterlagen gegen die Darstellung des Klägers sprechen. Zum einen ergibt sich aus den Unterlagen der Beklagten zu 2, dass sie am Vormittag bei Eintritt von Wehen eine Kontrolle angeraten hat und zum anderen ist ein derartiger eher abwegiger Rat in den Unterlagen auch nicht dokumentiert. Es kann jedoch, wie unten auszuführen ist, dahingestellt bleiben, ob die Sachdarstellung der Beklagten oder des Klägers zutreffend ist, da ein Zurechnungszusammenhang zwischen einer dann verspäteten Aufnahme in die Klinik und den schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers nicht besteht.

c) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. M. erfolgte Benachrichtigung des Beklagten zu 3 durch die Beklagte zu 2 rechtzeitig bzw. nicht verspätet.

Diese Bewertung gründet sich auf die sorgfältige Interpretation der ab 18:00 Uhr abgeleiteten CTG´s. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum bis 18:50 Uhr (und auch darüber hinaus) keine Indikation für eine Notsektio bestanden hat und die verantwortlichen Geburtshelfer von einer ausreichenden Sauerstoffversorgung des Klägers ausgehen konnten. Der Sachverständige legt dar, dass den CTG Aufzeichnungen zwischen 18:00 Uhr und 18:50 Uhr zu entnehmen ist, dass eine Basalfrequenz zwischen 150 und 160 Schlägen pro Minute bestanden hat, variable kurzfristige Dezelerationen der kindlichen Herzschläge bis auf 90 Schläge pro Minute aufgetreten sind und zwischen den Dezelerationen ausreichende Oszillationsfrequenzen und Amplitude vorhanden waren. Aus der, so der Sachverständige weiter, gebotenen ex ante Sicht bedeuteten die aufgetretenen Dezelerationen aufgrund ihrer Ausbildung und ihres zeitlichen Verlaufes mit hoher Sicherheit keine akute Gefährdung der Sauerstoffversorgung des Kindes. Dabei ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die kindlichen Herztöne nach den Dezelerationen jeweils wieder zu den Normwerten zurückgekehrt sind. Weiter erklärte der Sachverständige, dass auch der Austritt von grünen Fruchtwasser für sich alleine genommen keinen Hinweis auf eine Mangelversorgung von Sauerstoff geliefert hat, da bei 12 % aller Geburten grünes Fruchtwasser beobachtet wird und daher kein verwertbarer Zusammenhang zwischen grünen Fruchtwasser und behandlungsbedürftigen Sauerstoffmangel hergestellt werden kann.

Aus den nachvollziehbar begründeten Darlegungen des Sachverständigen ergibt sich, dass der Zustand des Klägers und seiner Mutter für die Beklagte zu 2 keine Veranlassung gegeben hat, den Beklagten zu 3 unverzüglich bzw. vor 18:50 Uhr zu verständigen.

Ein Behandlungsfehler der Beklagte zu 2 kann daher nicht festgestellt werden. Die abweichende Beurteilung des Klägers beruht darauf, dass er im Gegensatz zu den ausführlichen Darlegungen des Sachverständigen Professor Dr. M. das CTG als pathologisch bewertet. Die abweichende Auffassung des Klägers ist nicht durch Parteigutachten, wissenschaftliche Abhandlungen, Leitlinien oder sonstige nachvollziehbare und überprüfbare Vorhalte belegt und begründet, so dass kein Anlass besteht, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

2. Einen Verstoß des Beklagten zu 3 gegen geburtsfachärztliche Standards konnte der Kläger nicht belegen.

a) Dem Beklagten zu 3 kann nicht vorgeworfen werden, die sogenannte EE-Zeit von 20 Minuten zwischen Indikationsstellung einer Notsektio und der Geburt des Kindes nicht eingehalten zu haben.

Die Überschreitung dieser Zeit kann nur dann einen Vorwurf begründen, wenn objektiv die Indikation zu einer Notsektion vorgelegen hat. Wie oben ausgeführt, hat der Sachverständige bis zur Verständigung des Beklagten zu 3 durch die Beklagte zu 2 eine Indikation für eine Notsektion nicht bestätigen können. Der Sachverständige fährt fort, dass zwischen 18:50 Uhr und 19:00 Uhr lediglich einzelne Dezelerationen bis auf 70 Schläge pro Minute, die über 3-4 Minuten angehalten haben, aufgetreten sind, sich aber anschließend die kindliche Herzfrequenz bis zum Ende der Aufzeichnungen wieder bei 160 Schlägen pro Minute gelegen hat und verweist weiter darauf, dass die Herztöne des Kindes unmittelbar vor dem Schnitt nochmals akustisch geprüft worden sind und bei 130 Schlägen pro Minute im Normbereich gelegen haben. Aus diesen Befunden und Feststellungen ergibt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Indikation für eine Notsektion.

Zusammenfassend betont der Sachverständige, dass unter Berücksichtigung aller geburtshilflichen Befunde, insbesondere der CTG Aufzeichnungen, die zu keinem Zeitpunkt mit einer akuten Sauerstoffmangelversorgung vereinbar sind, eine Indikation zu einer Notsektion bestanden hat.

b) Dem Beklagten zu 3 kann nicht als Behandlungsfehler zur Last gelegt werden, dass er zur Geburt nicht vorsorglich einen Kinderarzt beigezogen hat. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat dargelegt, dass die von ihm ausgewerteten Befunde und auch das Absaugen von grünem Fruchtwasser keinen Hinweis auf einen Sauerstoffmangelversorgung geliefert haben und bei dieser Sachlage die vorsorgliche Hinzuziehung eines Kinderarztes nicht geboten und erforderlich war. Die Ausführungen des Sachverständigen sind folgerichtig und beruhen auf der von ihm oben dargelegten Auswertung der geburtshilflichen Befunde.

3. Der Beklagten zu 4 kann ein Behandlungsfehler weder in Form von organisatorischer Fehlern noch in Form eines zurechenbaren Fehlers des von ihr gestellten Pflegepersonals vorgeworfen werden.

Das Pflegepersonal bzw. die das Kind betreuenden Ärzte kann nicht vorgeworfen werden zu spät d.h. erst am Mittag des 10.1.2003 einen Kinderarzt verständigt zu haben.

a) Der neonatologische Sachverständige Professor Dr. B. konnte nach Auswertung der Behandlungsunterlagen keine Fehler bei der Betreuung und Behandlung des Klägers bis zu seiner Verlegung in das Krankenhaus H. feststellen.

Der Sachverständige führte aus, dass ein Röcheln der Atemgeräusche nach einer Kaiserschnittentbindung, bei der es nicht im gleichen Maße zu der Entfernung von Flüssigkeit aus der Lunge komme wie bei einer vaginalen Geburt, nichts ungewöhnliches ist. Weiter nimmt er Bezug auf die Apgar Beurteilung sowie dem ermittelten pH-Wert der Nabelschnurarterie.

Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat auch ausführlich zu den Blutgaswerten die am 10.1.2003 um 12:59 Uhr und 14:22 Uhr erhoben worden sind, Stellung bezogen. Er erklärte, dass diese beiden Werten nicht plausibel sind, weil der Sauerstoffwert jeweils gut ist und der pCO2-Wert jedenfalls zu hoch angegeben ist und verweist darauf, dass das Gerät vor dem Blutgaswert um 14:22 ein Fragezeichen gesetzt hat. Er ergänzte, dass wenn tatsächlich eine starke metabolische Azidose vorgelegen hätte, diese über mehrere Stunden angedauert hätte und dann der Wert von 14:22 Uhr um 14:53 Uhr nicht auf normal zurückgegangen wäre. Letzterer Wert stimmt nach der Bewertung des Sachverständigen mit dem klinischen Zustand des Kindes überein und entspricht auch dem bei der Aufnahmeuntersuchung in der Kinderklinik festgestellten Wert.

Zu dem Absaugen von grünem Fruchtwasser führte der neonatologische Sachverständige aus, dass es bei 8 % aller Kinder vor der Geburt zum Abgang von Mekonium komme, der zu einer grünlichen Verfärbung des Fruchtwassers führt und harmlos ist. Weiter erklärt er, dass, nur wenn sich große Mengen dieses Mekoniums sich zum Zeitpunkt des ersten Atemzug im Fruchtwasser befinden, es beim ersten Atemzug des Kindes dazu kommen kann, dass das Mekonium in die Lunge eingeatmet wird und die Atemwege verlegt oder verklebt werden und dies zu akuten Atemnot des Kindes unmittelbar nach der Geburt und zwar in der ersten Minute führt. Der Sachverständige schließt jedoch ein Atemproblem des Kindes aufgrund des dritten Apgar Wert von zehn aus.

Den Berufungsangriffen des Klägers ist zu entgegnen, dass es eine reine Spekulation darstellt, dass die Blutwerte nicht aus der Nabelschnurarterie, sondern der Nabelschnurvene entnommen worden sind. Insoweit der Kläger auf den Blutwert um 12:59 Uhr verweist, ist nach den gut begründeten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. dieser Wert nicht plausibel. Die Behauptung des Klägers, dass um 12:59 Uhr eine metabolische Azidose vorgelegen hat, ist daher unzutreffend und würde im Widerspruch zu den weiter erhobenen Blutgaswerten um 14:56 Uhr und den in der Klinik H. erhobenen Werten stehen.

b) Der Sachverständige Professor Dr. B. bewertete die Pflege als völlig ausreichend und verweist darauf, dass in der Pflegedokumentation acht Einträge in einem Zeitraum von 19 Stunden vorhanden sind und dies über die Empfehlungen der maßgeblichen Richtlinien der gynäkologischen Gesellschaft hinausgeht.

4. Dem Beklagten zu 5 kann kein Verstoß gegen fachärztlichen Standard vorgeworfen werden. Der Beklagte zu 5 ist nach seiner Verständigung gegen 14:00 Uhr in der Klinik der Beklagten zu 4 erschienen und hat unverzüglich die Verlegung des Klägers in eine Kinderklinik und die Verständigung des Kindernotarztes angeordnet. Insoweit ist ein fehlerhaftes Verhalten nicht erkennbar. Der Vorwurf, dass der Beklagte zu 5 das Eintreffen des verständigten Kindernotarztes nicht mehr abgewartet hat, greift nicht durch. Der Beklagte zu 5 hat das Kind nicht alleine gelassen, sondern in der Betreuung der Klinik der Beklagten zu 4; im übrigen war das Eintreffen des Kindernotarztes wenige Minuten später auch zu erwarten. Vor dem Hintergrund, dass die Befunde, wie der neonatologische Sachverständige ausgeführt hat, keinerlei Hinweis auf eine Sauerstoffmangelversorgung gegeben haben, keine Akutbehandlung erforderlich war und das Eintreffen des Kindernotarztes in wenigen Minuten zu erwarten war, ist der Vorwurf, der Beklagte zu 5 habe das Kind alleine gelassen, nicht gerechtfertigt.

Im übrigen bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte, dass in den wenigen Minuten zwischen der Veranlassung der Verlegung und dem Eintreffen des Kindernotarztes, sich der Zustand des Kindes verschlechtert hat oder eine kinderärztliche Betreuung erforderlich gewesen wäre. Dagegen sprechen sämtliche Befunde, insbesondere die in der aufnehmenden Kinderklinik vorgenommenen Untersuchungen.

II. Der Kläger konnte nicht den Nachweis führen, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem möglichen Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 und der Hirnschädigung besteht. Desweiteren vermochte er auch nicht zu belegen, dass die Hirnschädigung in dem Zeitraum zwischen Aufnahme in die Klinik der Beklagten zu 4 und Verlegung in Kinderklinik eingetreten ist, so dass, selbst wenn ein (einfacher) Behandlungsfehler der Beklagten bewiesen worden wäre, die Klage abzuweisen gewesen wäre.

1. Insoweit der Beklagten zu 2 vorgeworfen werden könnte, dass sie die Mutter des Klägers am 9.1.2003 um 15.30 Uhr behandlungsfehlerhaft nicht sofort in die Klinik einbestellt hat, ist ein Zurechnungszusammenhang nicht gegeben. Eine frühere Aufnahme der Mutter des Klägers in die Klinik hätte nicht zur Folge gehabt, dass eine Indikation zu einer Notsektion bestanden hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich keine andere Situation ergeben hätte, wie bei Aufnahme der Mutter des Klägers um 18:00 Uhr.

2. Sowohl der neonatologische als auch der gynäkologische Sachverständige sind zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund des guten Zustandes des Klägers nach der Geburt es wenig wahrscheinlich bzw. ausgeschlossen ist, dass es unmittelbar vor der Geburt oder während der Geburt zu der festgestellten Schädigung gekommen ist. Der neonatologische Sachverständige Prof. Dr. B. ist weiter der Auffassung, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Gehirnes innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt ausgeschlossen ist und verweist insbesondere auf die Ergebnisse der Blutgasanalysen.

Beide Sachverständigen sehen ihre Auffassung durch die MRT-Befundung vom 8.7.2004 bestätigt. Die Befundung vom 8.7.2004 kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein kombiniertes Schädigungsmuster vorliegt, sich mit letzter Sicherheit der Schädigungszeitpunkt nicht eingrenzen lässt und als Zeitpunkt am ehesten die 33. bis 37. Woche anzunehmen ist.

Der Vorwurf des Klägers, die beiden Sachverständigen hätten den Befundbericht vom 9.7.2004 fehlinterpretiert, trifft nicht zu. Der Befund geht von einem kombinierten Schädigungsmuster aus und auf dieser Prämisse beruht die Aussage über den möglichen Schädigungszeitpunkt.

Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der beiden Sachverständigen, dass während und unmittelbar nach der Geburt es zu keiner Sauerstoffmangelversorgung gekommen ist, nicht auf Grundlage des radiologischen Gutachtens sondern der Auswertung der erhobenen Befunde im Krankenhaus der Beklagten zu 3 erfolgte und sie sich durch den radiologischen Befund vom 8.7.2004 in ihrer Annahme bestätigt sahen.

Die Einschätzung des von dem Kläger namentlich nicht benannten Radiologen betrifft die Auswertung des radiologischen Befundes durch das Institut für klinische Radiologie der L. M. Universität. Die Aussage des Radiologen wird dadurch entwertet, dass sie nicht in Form eines Parteigutachtens eingereicht worden ist und noch nicht einmal der Name des Radiologen benannt worden ist.

Der Einholung eines radiologischen Sachverständigengutachtens bedarf es unabhängig von der Werthaltigkeit der Einschätzung des von dem Kläger zitierten Radiologen nicht, da selbst wenn der Befund anders interpretiert worden werden würde und möglicherweise ein Zusammenhang zwischen der Geburt und der Hirnschädigung hergestellt bzw. nicht ausgeschlossen werden kann, der Anspruch des Klägers daran scheitert, dass ein einfacher Behandlungsfehler geschweige denn ein grober Behandlungsfehler nicht bewiesen werden konnte.

B. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

C. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.


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