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Behandlungs- und Diagnosefehler im Krankenhaus dadurch Hirnschädigung

Landgericht München I

Az.: 9 O 14564/98

Verkündet am 26.06.2002


In dem Rechtsstreit erlässt das Landgericht München I, 9. Zivilkammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2002 folgendes Endurteil:

I. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,— EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 04.09.1998 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte Behandlung in der Zeit vom 11.05.1995 bis 17.08.1995 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte zu 1) 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1) 1/3, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) trägt die Klägerin. Im übrigen tragen sie die Parteien selbst.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 240.000,— EUR, für die Beklagten zu 2) und zu 3) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von je EUR 7.000, — .

Tatbestand

Die am XX geborene Klägerin verlangt mit der Klage Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von materiellem Schadensersatz im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung.

Der Beklagte zu 1) ist Träger die Beklagten zu 2) und 3) waren im Jahr 1995 als Assistenzarzt (Beklagter zu 2) bzw. Krankenschwester (Beklagte zu 3) im vorbezeichneten Krankenhaus angestellt.

Am 11.05.1995 wurde die Klägerin von ihren Eltern zur stationären Aufnahme in die psychiatrische Abteilung gebracht. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme befand sich die Klägerin kurz vor der Abiturprüfung, eine unglückliche Liebesbeziehung zu ihrem ersten Freund lag hinter ihr. Der Einweisung war ein lang anhaltender und in den letzten zwei Monaten schließlich progredienter Zustand von Angst, Selbstunsicherheit und schwindender psychischer Belastbarkeit vorausgegangen. Bereits seit mehreren Jahren bestand bei der Klägerin eine Störung des Essverhaltens, die in letzter Zeit von zwanghaftem Joggen und Fitnessübungen zur Gewichtsabnahme begleitet wurde. Wegen dieser Problematik befand sich die Klägerin deshalb im Frühjahr 1995 in mehrfacher ambulanter psychiatrischer Behandlung.

Am 11.05.1995 war die Klägerin submutistisch und nicht in der Lage, verwertbare Angaben zu machen.

Die vorläufige Diagnose aufgrund der internistischen und neurologischen Befunde nach Durchführung verschiedener diagnostischer Maßnahmen lautete auf ein paranoid-halluzinatorisches, affektgestörtes Syndrom bei Verdacht auf Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose. Am 17.05.1995 wurde die Klägerin unter der Verdachtsdiagnose einer Herpessimplex-Enzephalitis zur Überwachung und weiteren Behandlung auf die neurologische Intensivstation verlegt.

Am 17.06.1995 kam es gegen 21.30 Uhr bei der Klägerin zu einem Atem- und Kreislaufstillstand. Die von den Beklagten zu 2) und 3) als zu diesem Zeitpunkt diensthabenden Assistenzarzt und Krankenschwester durchgeführten Wiederbelebungsmaßnahmen führten zwar zur Reanimation der Klägerin. Da es aber bei dem Vorfall zu einer dauerhaften Hirnschädigung gekommen ist, befindet sich die Klägerin seit dem 17.06.1995 in einem apallischen Durchgangssyndrom. Dem Vorfall am 17.06.1995 war eine medikamentöse Therapie vorangegangen, die seit dem 10.06.1995 unter anderem in der Verabreichung des Medikamentes „TavorM, seit dem 14.06.1995 zusätzlich des Medikamentes „Leponex“, bestand.

Mit der Diagnose „hypoxischer Hirnschaden nach Herzstillstand“ wurde die Klägerin am 17.08.1995 in die neurologische Rehabilitationsklinik verlegt. Aufgrund ihres Zustandes, unter anderem der fehlenden Fähigkeit, gewollte Bewegungen durchzuführen und sich zu artikulieren, ist die Klägerin auf die ständige Pflege Dritter angewiesen, die derzeit rund um die Uhr von ihren Eltern mit Unterstützung eines ambulanten Krankenpflegedienstes wahrgenommen wird.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Behandlung im Zeitraum 11.05. bis 17.08.1995 habe in keiner Weise dem Standard der psychiatrischen und neurologischen Intensivmedizin des Jahres 1995 entsprochen. Es lägen zahlreiche Behandlungs- und Diagnosefehler vor. So seien bereits keine bzw. nur unzureichende differenzialdiagnostische Maßnahmen hinsichtlich ihrer Grunderkrankung durchgeführt worden. Die gesamte Behandlung sei geprägt gewesen von Konzeptlosigkeit, insbesondere im Bereich des Medikamenteneinsatzes. Die medikamentöse Therapie sei fehlerhaft gewesen. Nebenwirkungen von Medikamenten seien nicht erkannt, dementsprechend therapeutische Konsequenzen hieraus nicht gezogen worden. Die Durchführung der Reanimation am 17.06.1995 sowie die intensivmedizinische Behandlung nach der Reanimation habe nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen. Die durchgeführte Beatmung sei fehlerhaft erfolgt. Eine indizierte Hirnödemprophylaxe sei nicht, jedenfalls nicht kunstgerecht, durchgeführt worden. Der Einsatz von Antibiotika habe ebenfalls nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen.

Dem Beklagten zu 2) sei außerdem der Vorwurf zu machen, dass er am 17.06.1995 keinen Facharzt hinzugezogen habe, obwohl sich der Zustand der Klägerin im Laufe des Tages erkennbar verschlechtert habe. Die Beklagte zu 3) habe die Klägerin am 17.06.1995 nur unzureichend überwacht und es ebenfalls unterlassen, erheblich früher einen Arzt hinzuzuziehen, obwohl sich der Kreislaufstillstand ersichtlich angekündigt habe.

Die nunmehr vorliegende cerebrale Hirnschädigung sei Folge der grob fehlerhaften Behandlung.

Die Beklagten seien deshalb für den bestehenden gesundheitlichen Zustand der Klägerin als ständiger Pflegefall mit dauerhaften schwersten Beeinträchtigungen verantwortlich zu machen. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens DM 300.000,— sei jedenfalls angemessen. Darüber hinaus seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin den künftigen materiellen Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin hat deshalb beantragt:

1) Die Beklagten zu 1) bis 3) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein der Hohe nach in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber in Höhe von 300.000,– DM, nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte Behandlung in der Zeit vom 11.05.1995 bis 17.08.1995 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Die Beklagten begründen ihren klageabweisenden Antrag damit, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt fehlerhaft behandelt worden sei. Die indizierten differenzialdiagnostischen und therapeutischen Maßnahmen seien entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden. Die medikamentöse Therapie sei kunstgerecht erfolgt. Die Vitalfunktionen der Klägerin seien ständig kontrolliert, auf Veränderungen adäquat reagiert worden. Auch die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vorfall am 17.06.1995 seien nicht zu bestanden. Die Reanimation der Klägerin sei kunst- und zeitgerecht erfolgt. Auch sei die Überwachung und Behandlung der Klägerin durch die Beklagten zu 2) und 3) in den Stunden vor dem tragischen Zwischenfall nicht fehlerhaft gewesen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) werde im übrigen der Entlastungsbeweis angetreten.

Abgesehen davon sei die Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands der Klägerin nicht Folge irgendwelcher Fehler der Behandlung, sondern des Krankheitsverlaufes an sich.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Es wurde Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlusse vom 17.03.1999 (Blatt 151/153) und 19.12.2000 (Blatt 298/299) durch Einholung schriftlicher medizinischer Gutachten. Insoweit wird auf die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B vom 01.09.2000 (Blatt 183/283) und 10.01.2002 (Blatt 307/324) verwiesen. Die Gutachten wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe :

A.

Die Klage ist zulässig; insbesondere ist auch das gemäß §§ 256 Abs. l ZPO geforderte Interesse an der Feststellung zu bejahen. Voraussetzung ist lediglich, dass künftige Schadensfolgen möglich, die Art und ihr Umfang aber noch ungewiss sind. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

B. I.

Die Klage ist zum Teil auch begründet.

Die Klägerin kann vom Beklagten zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,— EUR beanspruchen (§§ 823, 847 BGB). Darüber hinaus ist der Beklagte zu 1) verpflichtet, den künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist, dass es bei ihr am 17.06.1995 infolge einer fehlerhafte Medikation zu einem Herz-/Kreislaufstillstand und als dessen Folge zu einem hypoxischen Hirnschaden gekommen ist (§§ 823, 831, 611, 278 BGB i. V. m. PVV) .

Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer auf der Grundlage der erfolgten Begutachtung.

1) Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen, Herrn Prof. in seinen Gutachten vom 01.09.2000 und 10.01.2002 wurde die Klägerin insofern fehlerhaft behandelt, als Art und Durchführung der medikamentösen Kombinationsbehandlung mit Leponex und Tavor ohne hinreichende Berücksichtigung der besonderen Gefahren bei einem vorgeschädigten Gehirn, etwa durch vorsichtige Dosisanpassung und Drug-Monitoring, erfolgt sei: Bei Leponex handele es sich um einen hochwirksames, wegen seiner Verschiedenheit von anderen Substanzen dieser Klasse als atypisch bezeichnetes Neuroleptikum, das zur Behandlung von akuten und chronischen Formen schizophrener Psychosen eingesetzt werde. Da es bei Leponex sowohl hinsichtlich des blutbildenden Systems als auch der Kreislaufregulation und anderer Parameter eine ganze Reihe gewichtiger Nebenwirkungen und Komplikationen geben könne, bestünden besonders strenge Anwendungsbedingungen und Kontrollvorschriften. Als Gegenanzeigen würden unter anderem Kreislaufkollaps und/oder ZNS-Depressionen, vergiftungsbedingte Psychosen und Bewusstseintrübungen gelten. Eine Anwendungsbeschränkung gelte unter anderem bei Patienten mit schweren Hirnleistungsstörungen. An Nebenwirkungen seien beim Herz-/Kreislaufsystem unter anderem Katatonie, orthostatische Hypertonie mit oder ohne Bewusstlosigkeit und in seltenen Fallen Kreislaufkollaps genannt, begleitet von Herzstillstand und/oder Kreislaufstillstand, ferner in Einzelfallen Arhythmien, Perikaditis und Myokarditis, zum Teil mit letalem Ausgang. Hinsichtlich von Wechselwirkungen werde darauf hingewiesen, dass in Kombination mit anderen zentral wirksamen Substanzen gegenseitige Wirkungsverstärkungen auftreten konnten.

Das Benzodiazepin Tavor diene unter anderen zur symptomatischen Behandlung akuter und chronischer Angst-, Spannungs- und Erregungszustände. Als Anwendungsbeschränkung werde auf Nebenwirkungen hingewiesen, zu denen unter anderem ein Blutdruckabfall und eine Atemdepression genannt werden. An Wechselwirkungen werde eine gegenseitige Wirkungsverstärkung mit anderen zentral wirksamen Pharamaka genannt.

Berichte aus der wissenschaftlichen Literatur hatten wiederholt auf die Probleme der Gabe von Leponex in Kombination mit Benzodiazepinen und der Gefahr eines Atem- bzw. Herz-/Kreislaufstillstandes hingewiesen. Derartige Komplikationen seien aus der klinischen Erfahrung seit Jahrzehnten bekannt.

Unter anderem eine Mitteilung im Arzneitelegramm (1991) habe auf die fatale Interaktion zwischen Leponex und Diazepan verwiesen. Schon die Behandlung von Leponex in hohen Dosen könne zu Atemstillstand fuhren, wobei das Risiko bei Patienten zunehme, die mit Benzodiazepinen vorber.andelt seien.

Ähnliche Vorsichtshinweise fänden sich auch in weiteren Publikationen. Im Falle der Klägerin sei die klinische Situation zweifellos sehr schwierig gewesen, worin wohl auch die Beweggründe der behandelnden Arzte für eine sehr rasche, den Anwendungsregeln widersprechende Aufdosierung des Leponex bei gleichzeitiger Steigerung des Tavor gelegen hätte. Allerdings seien die empfohlenen Tageshöchstdosen im Zeitraum vor dem Herz-/Atemzwischenfall wiederholt beträchtlich überschritten worden.

Im vorliegenden Fall hatten ganz beträchtliche Risikofaktoren hinsichtlich der Art, Dosierung und Kombination der gewählten Medikation vorgelegen, die zwar grundsätzlich durchaus für das vorliegende Störungsbild indiziert gewesen sei, hier aber doch in einer ungewöhnlichen und besonders gefährdenden Form gegeben worden sei, ohne dass Vorsichtsmaßnahmen wie etwa Drug-Monitoring erfolgt sei.

Wenn das Vorgehen der behandelnden Arzte auch als fehlerhaft zu bewerten sei, so handele es sich jedoch nicht um ein medizinisches Fehlverhalten, das aus objektiver ärztlicher Sicht schlechterdings nicht mehr verständlich erscheine.

Die cerebrale Schädigung der Klägerin sei allerdings auf diesen Behandlungsfehler zurückzuführen. Eine andere plausible Ursache für den Atmungs- und Kreislaufzwischenfall sei aus gutachterlicher Sicht nicht zu erkennen.

2) Die Kammer hat keine Veranlassung, an den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen, dessen Sachkunde und Unparteilichkeit ihr auch aus anderen Verfahren bekannt ist, zu zweifeln. Sie macht sich daher die Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang zu eigen. Auch die beklagte Partei hat zuletzt gegen die Bewertung des Sachverständigen keine Einwände mehr erhoben.

3) Die die Klägerin vor dem Zwischenfall am 17.06.1995 behandelnden Arzte haben also insofern schuldhaft gehandelt, als die von ihnen angewandte medikamentöse Therapie mittels der Gabe von Tavor (ab dem 10.06.1995) und Leponex (zusätzlich ab dem 04.06.1995) in den verabreichten Dosen unter Berücksichtigung des klinischen Zustandes der Klägerin nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen hat.

Die fehlerhafte medikamentöse Therapie führte dann zu dem Atem-/Kreislaufstillstand am 17.06.1995. Dies wiederum hatte die hypoxische Hirnschädigung zur Folge, die ursächlich für den nunmehr bestehenden gesundheitlichen Zustand der Klägerin als Dauerpflegefall mit schwersten Beeinträchtigungen in körperlicher und geistiger Hinsicht sowie der Notwendigkeit einer ständigen Betreuung ist.

Für diese Folgen hat der Beklagte zu 1) als Anstellungskörperschaft der behandelnden Ärzte einzustehen.

4) a) Für die fehlerbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Klägerin eine billige Entschädigung in Geld zuzusprechen. Die Kammer bemisst diese mit EUR 200.000,—. Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bemessung ist, dass der Anspruch auf Schmerzensgeld ein Ausgleichsanspruch eigener Art ist, dem eine doppelte Funktion zukommt, nämlich eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion: Einerseits soll der Geschädigte einen Ausgleich für die immateriellen Nachteile, d. h. für die körperliche und seelische Lebensbeeinträchtigung, erhalten. Darüber hinaus soll dem Geschädigten eine Genugtuung für das durch den Schädiger zugefügte Unrecht gewährt werden. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind dabei alle Umstände maßgeblich, die dem Fall sein besonderes Gepräge geben. Das sind neben dem Verletzungsbild der derzeitige körperliche Zustand des Geschädigten und gegebenenfalls das Vorliegen eines Dauerschadens. Darüber hinaus ist auch das Maß der vorliegenden Pflichtwidrigkeit für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe von Bedeutung.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 200.000,— für angemessen.

Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin als Folge der fehlerhaften ärztlichen Behandlung. So ist die Klägerin nicht in der Lage, gewollte Bewegungen zu vollziehen, d.h. sie kann, wenn sie im Bett liegt oder im Rollstuhl sitzt, ihre Lage nicht selbst verändern, auch wenn diese schmerzhaft ist. Sie ist nicht in der Lage, sich zu artikulieren, der Zustand ihrer Gelenke verschlechtert sich ständig, manche Muskeln üben einen ständigen Zug aus, andere Muskelpartien haben sich fast völlig zurückgebildet. Arme, Hände, Finger, Füße, Zehen sowie die Wirbelsäule sind verbogen, erstarrt und verdreht. Ein normales und entspanntes Liegen oder Sitzen ist der Klägerin nicht möglich. Sowohl das Schlucken als auch die Darmentleerung sind stark beeinträchtigt und im Falle der Darmentleerung nur mit Hilfe Dritter möglich.

Eine Besserung des Zustandes ist nicht zu erwarten. Weiter muss ins Gewicht fallen, dass die Klägerin zeitweise an erheblichen Schmerzen leidet und ihr Zustand offensichtlich durchaus bewusst ist.

Auf der anderen Seite kann sicher nicht übersehen werden, dass die Klägerin im Frühjahr 1995 psychische Probleme hatte. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es sich bei der Klägerin zu diesem Zeitpunkt um eine 19-jährige junge Frau handelte, die kurz vor dem Abitur stand und am ersten Liebeskummer sowie Essstörungen litt. Angst, mangelndes Selbstwertgefühl und fehlende psychische Belastbarkeit mögen bei der Klägerin sicherlich ein extremes Ausmaß angenommen haben, so dass letztendliche die stationäre Aufnahme notwendig wurde. Diese „Vorerkrankung“ mit gegebenenfalls daraus resultierenden Folgen – unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem damaligen Zustand der Klägerin nur um eine vorübergehende Erscheinung gehandelt hat und sie bei adäquater Behandlung und einem gewissen Zeitablauf möglicherweise wieder vollkommen gesund wäre – ist aber überhaupt nicht zu vergleichen oder in Relation zu setzen mit dem Leiden und der völligen Hilflosigkeit, dem die Klägerin nunmehr für den Rest ihres Lebens, das, wenn man das Leben der Klägerin als erwachsene Frau in Erwägung zieht, gerade erst begonnen hatte, ausgesetzt ist. Die Klägerin wird für ihr restliches Leben auf die Hilfe Dritter angewiesen sein, die Gestaltung ihres Lebens, sei es durch das Erlernen bzw. Ausüben eines Berufes, die Gründung einer eigenen Familie, sportliche Aktivitäten, das Eingehen und die Pflege von Freundschaften/Partnerschaften, wird ihr auf immer verwehrt sein.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass den behandelnden Ärzten sicher nicht der Vorwurf gemacht werden kann, leichtfertig gehandelt zu haben und ihr Vorgehen auch lediglich als einfacher Behandlungsfehler zu bewerten ist, erachtet die Kammer deshalb bei Würdigung der Gesamtumstande ein Schmerzensgeld in Hohe von EUR 200.000, — für angemessen, aber auch ausreichend.

b) Darüber hinaus ist der Beklagte zu 1) verpflichtet, der Klägerin allen künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr als Folge der cerebralen Schädigung aufgrund des Atem-/Kreislaufstillstandes am 17.06.1995, ausgelöst durch die fehlerhafte medikamentöse Therapie, entstanden ist.

Der Beklagte zu 1) haftet insoweit aufgrund der festgestellten Pflichtverletzung durch die behandelnden Ärzte sowohl aus dem ärztlichen Dienstvertrag als auch nach den §§ 823, 821 BGB.

II.

Ansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 3) bestehen jedoch nicht. Die Klage war deshalb im übrigen abzuweisen.

Gegen die Beklagten zu 2) und 3) hat die Klägerin lediglich Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Vorfall am 17.06.1995 erhoben: So habe sich bereits im Laufe des 17.06.1995 abgezeichnet, dass es zu einem Atem-/Kreislaufstillstand kommen werde. Die Beklagten zu 2) und zu 3) hätten dies mangels adäquater Überwachung nicht rechtzeitig erkannt mit der Folge, dass zu spät und dann auch nicht kunstgerecht auf den Atem-/Kreislaufstillstand am 17.06.1995 um 21.30 Uhr reagiert worden sei.

1) Der Sachverständige, Herr Prof. konnte allerdings im Zusammenhang mit der Reanimation am 17.06.1995, des Erkennens des reanimierungsbedürftigen Zustandes und der intensivmedizinischen Behandlung nach der Reanimation ein fehlerhaftes Vorgehen nicht erkennen. So lägen hinsichtlich der behaupteten fehlerhaften Reanimation keine tatsächlichen Informationen vor. Auch mangelhafte differenzialdiagnostische Erwägungen könnten nicht klar festgestellt werden.

2) Auch insoweit hat die Kammer keine Veranlassung, die Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Die Kammer macht sich diese daher auch insoweit in vollem Umfang zu eigen.

3) Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) von einer Verletzung der gebotenen Sorgfaltspflichten als Voraussetzung für eine Haftung nicht ausgegangen werden kann. Mithin war die Klage insoweit abzuweisen.

Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen folgt aus den §§ 291, 288 a.F. BGB.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus den §§ 91, 92 ZPO, zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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