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Behandlungsfehler – Feststellung im selbstständigen Beweisverfahren

Oberlandesgericht Köln

Az: 5 W 31/10

Beschluss vom 28.10.2010


Die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin vom 20.8.2010 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 28.7.2010 (3 OH 7/10) wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 28.7.2010 (3 OH 7/10) aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin vom 18.6.2010 zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen

G r ü n d e :

I.

Die nach § 567 Abs.1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache unbegründet. Auf die im Rahmen des Hinweises der Vorsitzenden der Kammer vom 2.7.2010 erteilten Hinweise nimmt der Senat Bezug. Diese Hinweise sind in jeder Hinsicht zutreffend. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 29.4.2009 – 5 W 3/09 – ; Beschluss vom 28.4.2010 – 5 U 20/10 – ), die ihrerseits in Einklang steht mit der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 153, 302), dass sich das selbständige Beweisverfahren gemäß § 485 Abs.2 ZPO im Fall der Verletzung einer Person darauf beschränkt, den Zustand dieser Person, die Ursache des Personenschadens und den Aufwand für dessen Beseitigung festzustellen, und dass ein Antrag auf Feststellung der Ursache des Personenschadens nicht die Frage umfasst, ob sich die ursächliche Handlung oder Unterlassung als schuldhafte Fehlbehandlung oder auch nur als objektive Pflichtverletzung darstellt. Genau darauf zielt aber der Antrag vom 18.6.2010 ab, wenn die Klärung der Frage begehrt wird, ob die Behandlung der Antragstellerin durch den Antragsgegner „lege artis“ erfolgt sei. „Lege artis“ bedeutet nichts anderes als „im Einklang mit fachärztlichem (bzw. fach-zahnärztlichem) Standard stehend“. Weicht die Behandlung von dem objektiv zu fordernden Standard ab, ist sie als fehlerhaft anzusehen. Auf Fragen individuellen Verschuldens des (Zahn-)Arztes kommt es hingegen regelmäßig nicht an, da der (Zahn-)Arzt fachärztlichen Standard gewährleisten muss. Die Frage nach einer „lege artis“ erfolgten Behandlung geht also grundsätzlich über das im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahren Zulässige hinaus. Daran ändert die Tatsache nichts, dass gelegentlich Gerichte eine derart weit gefasste Frage zulassen, sei es aus Nachlässigkeit, sei es, weil im speziellen Fall etwa durch weitere konkretisierende Fragen die dem Sachverständigen gestellte und auf das Zulässige begrenzte Aufgabe hinreichend klar ist, sei es, weil nach Lage des Falles tatsächlich eine umfassende Bereinigung des Streits zu erwarten ist. Das Beweisverfahren ist weder dafür vorgesehen noch (regelmäßig) geeignet, den Arzthaftungsprozess vorwegzunehmen und entbehrlich zu machen.

Der Hinweis der Antragstellerin, die seitens der Kammer vorgenommene Umformulierung berücksichtige keine vom Patienten ausdrücklich gewünschten Neulandmethoden, weil sie keinen „lege-artis-Standard“ darstellten, erschließt sich dem Senat nicht und liefert jedenfalls keinen Ansatzpunkt für eine abweichende Betrachtung. Zum einen beharrt gerade die Antragstellerin auf der Formulierung „lege artis“, so dass nach ihrem Verständnis sich kein Unterschied ergäbe. Zum anderen kann eine Neulandmethode sehr wohl „lege artis“ sein, sich also nicht als behandlungsfehlerhaft darstellen, was indes keine im Beweisverfahren zu klärende Frage ist.

Unzutreffend ist schließlich der Einwand, die nunmehr zu treffenden Feststellungen würden zu einer unzureichenden Sachaufklärung führen. Die Feststellung des status quo und der Vergleich zu dem früheren Zustand sind in jeder Hinsicht geeignet, die Grundlage für die – im Streitverfahren zu klärende – Beurteilung der Behandlungsfehlerhaftigkeit zu schaffen und der Antragstellerin zugleich die Möglichkeit zu eröffnen, sich weiter behandeln zu lassen, ohne dadurch den Verlust von Beweismitteln zu befürchten.

II.

Die nach § 567 Abs.3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anschlussbeschwerde ist demgegenüber begründet und führt zur Aufhebung des das Beweisverfahren anordnenden Beschlusses. Es ist dem Gericht grundsätzlich verwehrt, die Beweisfragen eines Antragstellers inhaltlich so zu verändern und umzuformulieren, dass sie sich im Rahmen des Zulässigen bewegen. Das Gericht ist an die Formulierung der Beweisfragen durch den Antragsteller vielmehr gebunden (grundlegend BGH, Beschluss vom 4.11.1999, VII ZB 19/99, NJW 2000, 960 f.; Senat, Beschluss vom 29.4.2009, 5 W 3/09) und kann einem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nur entweder stattgeben oder ihn zurückweisen, wenn er unzulässig ist. Der Antragsteller bestimmt in eigener Verantwortung durch seinen Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel (BGH, aaO). Ob gegen die Vorgehensweise der Kammer (nämlich Umformulieren eines Antrages nach entsprechendem vorherigem Hinweis auf die Zulässigkeitsbedenken), dann keine Bedenken zu erheben wären, wenn die Kammer aufgrund der (ausdrücklich oder konkludent erfolgten) Reaktion des Antragstellers davon hätte ausgehen können, dieser wolle die umformulierte Fassung zumindest als „Hilfsantrag“, bedarf keiner Entscheidung. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin jedenfalls hinreichend deutlich gemacht, dass sie auf ihrer Fassung des Antrages bestehe und die vorgeschlagene Fassung für nicht zweckdienlich erachte. Weder ihr noch dem Antragsgegner kann ein Verfahren aufgezwungen werden, dass sie nicht wünschen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Streitwert: 6.000.- Euro.

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