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Behandlung (stationäre) in Krankenhaus: Übernahme der Behandlungskosten

Landessozialgericht NRW

Az.: L 5 KR 1/04

Urteil vom 03.02.2005

Vorinstanz: Sozialgericht Köln, Az.: S 9 KR 168/01


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.10.2003 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind die Kosten einer stationären Behandlung.

Die bei der Beklagten versicherte Frau T (im Folgenden: Versicherte) wurde vom 06.07. bis 15.07.1999 in der HNO-Klinik der Klägerin wegen eines Hörsturzes links mit Tinnitus behandelt, wobei eine antiphlogistisch-rheologische Infusionstherapie durchgeführt wurde. Die Versicherte hatte drei Tage nach dem Besuch eines Rockkonzertes Ohrgeräusche im linken Ohr und eine Hörminderung festgestellt. Sie suchte am 02.07.1999 die niedergelassene HNO-Ärztin Dr. 0 auf. Bei einem Tonaudiogramm fand sich ein Abfall der Hörschwellenkurve rechts bis 40 dB, links bis 60 dB. Dr. 0 leitete eine medikamentöse Behandlung ein. Die Versicherte suchte dann am 05.07.1999 die Poliklinik der HNO-Klinik der Klägerin auf, wobei sie angab, ihr sei in den letzten zwei bis drei Monaten erstmalig eine Hörminderung linksseitig aufgefallen bei bekannter väterlicher Schwerhörigkeit. Diagnostiziert wurde bei der Untersuchung am 05.07.1999 der Verdacht auf eine hereditäre Innenohrschwerhörigkeit beidseits und der Verdacht auf einen Hörsturz mit Tinnitus links bei akustischem Trauma. Der Versicherten wurde eine stationäre rheologisch-antiphlogistische Infusionstherapie empfohlen, was sie zunächst nicht wünschte. Sie begab sich am gleichen Tag nochmals zu Dr. 0, die sie zur stationären Infusionstherapie einwies. Die Versicherte suchte am folgenden Tag den HNO-Arzt Dr. A auf, der ebenfalls eine Verordnung für Krankenhausbehandlung in der HNO-Klinik der Klägerin ausstellte. Nach dem Entlassungsbericht der HNO-Klinik vom 06.08.1999 wurden die Infusionen insgesamt gut vertragen; das Audiogramm war am Entlassungstag im Vergleich zum Aufnahmebefund unverändert.

Die Klinik beantragte am 13.07.1999 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die stationäre Behandlung. Mit Rechnung vom 27.07.1999 forderte sie für die Behandlung 6.224,58 DM (3.182,58 Euro).

Auf der Grundlage einer Stellungnahme von Dr. M vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 08.09.1999, die meinte, die durchgeführte Infusionsbehandlung sei auch ambulant möglich gewesen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.09.1999 die Kostenübernahme für die Behandlung ab. Nachdem die Klinik darauf hingewiesen hatte, angesichts der Infusionszeit von jeweils 16 Stunden sei eine ambulante Durchführung nicht möglich gewesen, holte die Beklagte eine weitere gutachterliche Stellungnahme des MDK (HNO-Arzt Dr. V) ein. Dieser meinte, im Falle der Versicherten habe nichts für ein akutes Innenohrgeschehen gesprochen. Die symmetrische Ausprägung der

Schwerhörigkeit nach den audiologischen Befunden spreche für ein degeneratives Leiden, insoweit sei die Prognose für eine Theologische Behandlung schon von vornherein ungünstig gewesen. Im Übrigen fehlten selbst bei einem akuten Hörsturz Belege für die Wirksamkeit einer Infusionstherapie. Darüber hinaus sei eine Infusionstherapie mit den angegebenen Medikamenten auch ambulant möglich, wenn der Patient adäquat überwacht werde. Die Beklagte lehnte daraufhin erneut die Kostenübernahme ab.

Die Klägerin hat am 18.04.2001 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben, das mit Beschluss vom 05.06.2001 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Köln verwiesen hat. In der Sache hat sie vorgetragen, entgegen der Ansicht der Beklagten sei eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen. Die Versicherte habe bei der Vorstellung in der Poliklinik berichtet, dass sie seit vier Tagen unter gewaltigem Ohrenrauschen und Hörminderung leide. Die angebotene stationäre Infusionstherapie habe sie zunächst abgelehnt, dann aber doch gewünscht. Die Infusionstherapie sei wegen ihrer Dauer von 16 Stunden und auch wegen der Dosierung und der Art der Medikamente nur stationär möglich. Bei ambulanten Infusionstherapien würden weniger wirksame Medikamente in niedrigerer Dosierung verwandt, so dass solche ambulanten Infusionstherapien nicht mit der durchgeführten vergleichbar seien. Außerdem habe wegen der differentialdiagnostischen Abklärung anderer Erkrankungen erheblicher Zeitdruck bestanden, so dass die erforderlichen Untersuchungen nur stationär hätten durchgeführt werden können.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-Gutachtens von Prof. Dr. 01. In seinem Gutachten vom 19.11.2001 hat er dargelegt, dass nach den vorliegenden Studien die Kritik des MDK als berechtigt anzusehen sei, dass eine Therapie des Hörsturzes, insbesondere eine stationäre Behandlung, nicht erforderlich sei. Man könne den Patienten allenfalls eine (minimale) ambulante Behandlung anbieten, die vor allem auf die psychische Belastung der Patienten abziele, die sich durch das plötzliche und oft ohne erkennbare Ursache eingetretene Ereignis einer plötzlichen Hörverschlechterung stark verunsichert fühlten. Eine stationäre Behandlung des Hörsturzes sei aber nach allen derzeitigen Kenntnissen medizinisch nicht indiziert. Dies gelte auch im Falle der Versicherten, bei der darüber hinaus ein hereditäres Hörleiden Ursache der Hörverluste und ein eventuelles Lärmtrauma durch ein Rockkonzert nur der äußere Anlass für die akute Hörverschlechterung gewesen sei. Die stationäre Behandlung sei auch nicht wegen der diagnostischen Maßnahmen erforderlich gewesen, diese könnten zumindest weitgehend, oft sogar insgesamt ambulant durchgeführt werden. Auch wegen des Tinnitus sei keine stationäre Behandlung erforderlich gewesen. Prof. Dr. 01 hat zugleich eingeräumt, es sei im Prinzip richtig, dass eine Infusionstherapie nach dem angewandten Schema wegen der dabei zur Anwendung kommenden Medikamente einer genauen Beobachtung des Patienten bedürfe.

Die Klägerin ist dem Gutachten durch eine Stellungnahme des (damaligen) Ärztlichen Direktors der HNO-Klinik (Prof. Dr. T) vom 08.01.2002 entgegengetreten. Prof. Dr. T behauptete, die Wirksamkeit der Infusionsbehandlung bei Hörminderung sei bewiesen. Die durchgeführten Dauerinfusionen, die täglich über eine Dauer von 16 Stunden geführt würden, ließen sich nicht ambulant durchführen, da kein niedergelassener Arzt über einen solchen Zeitraum seine Praxis betreibe. Es habe eine dringende Indikation für eine stationäre Behandlung bestanden. Die Beklagte hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. V vom 19.02.2002 vorgelegt, der die Aussage von Prof. Dr. T zum Nachweis der Wirksamkeit der Infusionsbehandlung bestritten hat.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.02.2002 hat Prof. Dr. Q1 seine Beurteilung verteidigt und auch den von Prof. Dr. T für die Erforderlichkeit der stationären Behandlung genannten Gründen widersprochen. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass ein hereditäres Hörleiden vorliege, mehr gegen als für eine Behandlung der Schwerhörigkeit spreche, da sich eine genetisch bedingte Schwerhörigkeit nicht medikamentös beeinflussen lasse.

Sodann ist auf Antrag der Klägerin ein weiteres HNO-Gutachten von Prof. Dr. A1 (Universität U) eingeholt worden.

Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.02.2003 die Auffassung vertreten, eine Indikation für eine stationäre Behandlung habe wegen der akuten Verschlechterung des Hörvermögens bei mehr als sechs Monate vorbestehender beidseitiger vermutlich hereditärer Innenohrschwerhörigkeit bestanden. Die Wirksamkeit der Infusionsbehandlung sei zwar nicht

durch eine Studie nachgewiesen, jedoch liege das Ergebnis einer Expertenkommission, nämlich eine nationale Leitlinie zum Hörsturz vor, die die von der Klägerin angewandte Therapie explizit vorsehe. Eine Infusionsbehandlung könne zwar prinzipiell ambulant durchgeführt werden, Voraussetzung hierfür sei, dass eine nachhaltige Versorgung durch mehrfache tägliche ärztliche Kontrolle der Vitalfunktion sowie eine parenterale intravenöse Flüssigkeitsgabe sichergestellt sei. Dies sei in der Bundesrepublik in der Regel nur im stationären Umfeld gewährleistet.

Dazu hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme von Dr. V vom 17.03.2003 vorgelegt, in der dieser seine Auffassung wiederholt hat, dass es für die Behandlung eines idiopathischen Hörsturzes keine Therapie gebe, die ein besseres Evidenzniveau biete als die Evidenzstufe IV. Abgesehen von der Sinnhaftigkeit einer Pharmakotherapie des idiopathischen Hörsturzes sei es aber letztlich von entscheidender Bedeutung, ob eine Therapie inklusive einer Infusionstherapie auch in ambulanter Form möglich sei. Insoweit hat er darauf verwiesen, dass im ambulanten Bereich Dauertropfinfusionen bei dem idiopathischen Hörsturz in erheblichem Umfang abgerechnet würden. Dazu hat die Klägerin eine Stellungnahme der Bezirksgruppe Köln des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte vom 31.03.2003 übersandt, in der ausgeführt wird, aus Sicht der niedergelassenen Ärzte sei es schlechterdings unmöglich, die von Prof. Dr. A1 geforderten Kriterien für eine Infusionsbehandlung nach dem angewandten Schema unter den geltenden ambulanten Bedingungen einzuhalten. Das SG hat ergänzend eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein zur Abrechnungshäufigkeit der EBM-Ziffer 273 (Dauertropfinfusion) eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Gutachten und Unterlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die durchgeführte Behandlung sei auch ambulant möglich gewesen, wie die mitgeteilte Zahl der abgerechneten Infusionsbehandlungen zeige.

Mit der fristgerecht eingelegten Berufung bezweifelt die Klägerin, dass eine ambulante Behandlung möglich gewesen sei und verweist insoweit auf die hierzu eingereichten Unterlagen, die das SG nicht gewürdigt hat. Im Übrigen habe das Gericht übersehen, dass im ambulanten Bereich weniger wirksame Mittel mit deutlich geringeren Nebenwirkungen eingesetzt würden. Im Falle der Versicherten sei nach dem angewandten Infusionsschema in den ersten drei Tagen zweimal über acht Stunden infundiert worden, dazwischen hätten jeweils vierstündige Pausen gelegen. Aus exante Sicht habe bei einer stationären Infusionstherapie eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit bestanden. Dies zeigt die Einweisung durch zwei Fachärzte, die sicher die Möglichkeit einer ambulanten Infusionsbehandlung gekannt hätten. Im Übrigen sei es für durchgeführte Behandlung ausreichend, dass die Entscheidung der behandelnden Ärzte in medizinisch-wissenschaftlicher Hinsicht vertretbar gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung hätten vorgelegen, da bei der Versicherten eine ausgeprägte, kommunikativ beeinträchtigende Hörminderung vorgelegen habe und die ambulante Behandlung nicht erfolgreich gewesen sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.10.2003 zu ändern und die Beklagte zur Zahlung von 3.182,58 Euro zuzüglich 2 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank bis zum 30.04.2000 sowie zuzüglich 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint zudem, die Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung hätten nicht vorgelegen.

Der Senat hat im Berufungsverfahren zunächst eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. Q1 eingeholt, der in seiner Stellungnahme vom 07.04.2004 ausführt, aufgrund der Neufassung der Leitlinie „Hörsturz“ von Januar 2004 sowie der zwischenzeitlichen Diskussion zur Problematik evidenz-basierter Therapieempfehlungen könne er seine im Gutachten vom 19.11.2001 vertretene Auffassung nicht mehr in dem Umfang aufrecht erhalten, dass eine Therapie des Hörsturzes, insbesondere eine stationäre Behandlung, nicht notwendig sei. Es müsse aber für die Infusionsbehandlung eines Hörsturzes nach dem angewandten Schema die dafür erforderliche Indikationsstellung erfolgen und diese Indikation müsse den in der Leitlinie gegebenen Bedingungen entsprechen. Im konkreten Fall der Versicherten sehe er die

Notwendigkeit einer stationären Behandlung nach der Indikationsliste der Leitlinie weiterhin nicht als gegeben an.

Insoweit hat er ergänzend in einer weiteren Stellungnahme vom 10.01.2005 mitgeteilt, seine Beurteilung, dass eine stationäre Behandlung nicht indiziert gewesen sei, gelte auch für die zum Zeitpunkt der Behandlung geltende Fassung der Leitlinie, da die Kriterien früher sogar strenger gefasst gewesen seien. Nach Einholung eines Berichtes von der HNO-Ärztin Dr. 0 (Bericht vom 19.01.2005) über die ambulante Behandlung der Versicherten hat er in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 20.01.2005 ausgeführt, die eingeleitete Therapie mit dem angegebenen Medikament sei im Falle eines Hörsturzes unzureichend, bei einer – vermutlich bei der Versicherten vorliegenden – genetisch bedingten Schwerhörigkeit sinnlos. Von einer Erfolglosigkeit der ambulanten Behandlung könne bei der niedrigen Dosierung des Medikamentes und bei oraler Applikation nicht gesprochen werden. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Hörsturzes hätte die HNO-Ärztin eine ambulante Infusionsbehandlung versuchen sollen. Auf die vorgenannten Stellungnahmen von Prof. Dr. 01 sowie den Befundbericht von Dr. 0 wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den geforderten Betrag für die stationäre Behandlung der Versicherten vom 06.07. bis 15.07.1999 zu bezahlen.

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I. Die auf Zahlung eines Betrages von 3.182,58 Euro gerichtete Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Die Klage ist als Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; SozR 4-5565 § 14 Nr. 3).

II.

1. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses ist § 109 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Leistungsanspruch des Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Bei einem zugelassenen Krankenhaus i.S.d. § 108 SGB V ist die Krankenkasse als Korrelat zu dessen Behandlungspflicht auch bei Fehlen weiterer vertraglicher Vereinbarungen zur Bezahlung der normativ bzw. vertraglich festgelegten Entgelte verpflichtet (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 2). Zur rechtlichen Begründung des Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses bedarf es daher keines Rückgriffs auf den auf Landesebene nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag (Senat, Urteil vom 27.03.2003 – L 5 KR 141/01 -; Urteil vom 06.05.2004 – L 5 KR 197/03-).

2. Eine unabhängig vom materiellen Bestand des Zahlungsanspruchs und eventuellen Gegenansprüchen bestehende Pflicht der Beklagten zur Zahlung des von dem Krankenhaus in Rechnung gestellten Betrages ergibt sich nicht bereits aus § 15 Abs. 1 Satz 1 des in Nordrhein-Westfalen ab 01.01.1997 geltenden Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 (im Folgenden: Sicherstellungsvertrag – SVTr -), der zum damaligen Zeitpunkt noch in Kraft war. Das BSG hatte zwar eine vergleichbare Regelung des rheinland-pfälzischen SVTr dahin ausgelegt, dass die Krankenkasse auch bei Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art die Forderung des Krankenhauses innerhalb der Zahlungsfrist zu erfüllen habe (SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; ebenso für eine entsprechende Regelung in einer Pflegesatzvereinbarung SozR 4-2500 § 109 Nr. 1). Es hat aber nunmehr im Urteil vom 22.07.2004 (B 3 KR 20/03 R) klargestellt, dass diese Entscheidung nicht so zu verstehen sein sollte, dass die Rechnungen in jedem Fall innerhalb der Zahlungsfrist zu begleichen seien und die Kassen nicht gehindert sind, auch nach Übersendung einer Rechnung die erhobene Forderung inhaltlich zu überprüfen und sachliche Einwendungen zu erheben.

3. Die Beklagte müsste nur dann die Rechnung vom 27.07.1999 begleichen, wenn die Behandlung der Versicherten in der HNO-Klinik erforderlich gewesen wäre (§ 39 Abs. 1 SGB V). Das ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu verneinen.

a) Unerheblich ist, dass zwei niedergelassene Fachärzte (Dr. Q, Dr. A) die stationäre Behandlung verordnet haben und auch die Klinikärzte die Aufnahme für erforderlich gehalten haben. Bei der stationären Behandlung wird die Leistungspflicht der Krankenkasse weder durch die vertragsärztliche Verordnung noch durch die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes begründet. Mit der Verordnung von Krankenhauspflege trifft der Vertragsarzt keine die Krankenkassen bindende Therapieentscheidung und ebensowenig bindet die Krankenhausaufnahme die Krankenkasse (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5). Ob zumindest prima facie die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes den Beweis für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung erbringt und die Zahlungspflicht der Kasse nur entfällt, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes als unvertretbar erweist (so BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; mit überzeugenden Gründen gegen die Annahme eines Anscheinsbeweises aber Bienert, SGb 2004, 160, 162 f.), kann dahinstehen. Aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. Q1 steht fest, dass die stationäre Behandlung der Versicherten in der HNO-Klinik nicht erforderlich war.

b) Prof. Dr. 01 hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.04.2004 dargelegt, dass keine der in der aktuellen Fassung der von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie erstellten Leitlinie „Hörsturz“ (Stand: Januar 2004) genannten Kriterien für eine stationäre Aufnahme zur Behandlung des Hörsturzes erfüllt waren. Nach dieser Leitlinie kann eine stationäre Behandlung bei Vorliegen einer dieser Gründe in Betracht kommen: – akuter ein- oder beidseitiger kommunikativ stark beeinträchtigender oder vollständiger Hörverlust – Hörsturz mit Progredienz oder unzureichendem Erfolg unter ambulanter Therapie, wenn stationär andere Therapieoptionen möglich sind – akuter Hörverlust bei kontralateraler höhergradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit – Hörsturz mit objektivierbarer vestibulärer Begleitsymptomatik Komorbidität, eingeschränkt auf schwere z.B. internistische Begleiterkrankungen im Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselbereich oder neurologi- sehe Erkrankungen – besonderes berufliches Betroffensein.

Offenkundig lag keiner der vier letztgenannten Gründe vor, insbesondere ist für ein berufliches Betroffensein der Versicherten nichts ersichtlich. Entgegen der Behauptung von Oberarzt Prof. Dr. T1 (Schreiben vom 12.01.2005) hat auch bei der Versicherten kein ausgeprägter, kommunikativ stark beeinträchtigender Hörverlust vorgelegen. Prof. Dr. 01 weist insoweit zutreffend darauf hin, dass der Hörverlust für Sprache beidseits unter 20 dB lag und sich aus dem Sprachaudiogramm vom 08.07.1999 für das vom Hörsturz betroffene linke Ohr nur ein Hörverlust von 10 % ergibt. Aus dem Anamnesebogen der Behandlung in der Poliklinik am 05.07.1999 ergibt sich auch nicht, dass die Hörminderung, die auch nur hinsichtlich des linken Ohres geklagt wurde, die Kommunikation beeinträchtigte. Prof. Dr. 01 hat auch zu Recht verneint, dass ein Hörsturz mit Progredienz vorgelegen hat. Ausweislich der Tonaudiogramme von Dr. 0 hat sie am 02.07.1999 und 05.07.1999 die gleichen Befunde erhoben, so dass also der Hörverlust nicht zugenommen hatte. Soweit Prof. Dr. A1 die Notwendigkeit einer stationären Behandlung mit einer progredienten sensorisch beeinträchtigenden Störung begründet, ist diese Beurteilung nicht nachvollziehbar. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass keinesfall der Hörsturz zwischen dem 02.07. und 05.07.1999 progredient war, zum anderen ist die Annahme von Prof. Dr. A1 unzutreffend, dass eine akute Verschlechterung des Hörvermögens des Innenohres bei einer mehr als sechs Monate vorbestehenden Innenohrschwerhörigkeit bestanden habe. Die Versicherte hat selbst gegenüber der Poliklinik der HNO-Klinik nur von einer seit zwei bis drei Monaten registrierten Hörverschlechterung gesprochen, zudem ist in dem Bericht von Dr. 0 von einer schon länger bemerkten Schwerhörigkeit keine Rede. Offenkundig hatte die Versicherte die anamnestisch angegebene Hörminderung nicht beeinträchtigt, denn eine Behandlung hat offenkundig deswegen nicht stattgefunden. Ebensowenig kann die Erforderlichkeit der stationären Behandlung mit einem unzureichenden Erfolg mit der ambulanten Therapie begründet werden. Insoweit hat Prof. Dr. 01 in der weiteren Stellungnahme vom 20.01.2005 darauf hingewiesen, dass die von der behandelnden HNO-Ärztin eingeleitete Therapie im Falle eines Hörsturzes unzureichend gewesen wäre und dass die am 02.07. und 05.07.1999 erhobenen Befunde lediglich belegten, dass es nicht zu einer spontanen Rückbildung der Hörverluste gekommen sei. Zu Recht macht er insoweit geltend, von einer Erfolglosigkeit der ambulanten Behandlung könne bei der niedrigen Dosierung und bei der oralen Applikation nicht gesprochen werden. Auf diesen Aspekt geht Prof. Dr. T1 in seiner Stellungnahme vom 28.01.2005 nicht ein, wenn er dort ausführt, zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme sei davon ausgegangen worden, dass eine akute Hörminderung mit Tinnitus vorliege und eine bereits eingeleitete Therapie ohne Effekt geblieben sei. Wenn die ambulante Therapie schon vom Ansatz her unzureichend war, kann ihre Erfolglosigkeit kein Argument für eine stationäre Behandlung sein.

Die Erforderlichkeit der stationären Aufnahme (und einer zumindest kurzfristigen stationären Behandlung) lässt sich auch nicht unter dem von Prof. Dr. Q1 aufgezeigten Gesichtspunkt begründen, dass unter dem Gesichtspunkt der Patientenführung oder dem Aspekt einer Einweisung durch zwei niedergelassene HNO-Ärzte für die Klinikärzte die stationäre Aufnahme der Versicherten angezeigt gewesen sei, auch um mögliche Haftpflichtansprüche zu vermeiden.

Dieser Aspekt spielte für die Aufnahme offenkundig keine Rolle, denn ausweislich des Anamnesebogens der Poliklinik ist der Versicherten bereits bei der Erstvorstellung am 05.07.1999 die stationäre Aufnahme zur Durchführung einer Infusionsbehandlung angeboten worden. Sie hat dies abgelehnt und sich anschließend wieder zu Dr. 0 begeben (anders ist deren Angabe im Befundbericht, die Patientin sei aus der Uniklinik „geflüchtet“, nicht zu verstehen). Erst danach hat Dr. 0 die stationäre Behandlung verordnet, wobei die Versicherte offensichtlich sich am nächsten Tag eine „Zweitmeinung“ eingeholt hat. Bezeichnenderweise ist in dem dem Kostenübernahmeantrag vom 09.07.1999 beigefügten Vordruck „Ärztliche Aufnahme“ angegeben, die Notwendigkeit der stationären Behandlung sei im Rahmen der poliklinischen Behandlung festgestellt worden, eine Einweisung eines niedergelassenen Arztes liege nicht vor.

Daraus ergibt sich, dass für die Aufnahme der Versicherten keineswegs die von Prof. Dr. 01 genannten Aspekte maßgebend gewesen sein können. Es spricht mehr dafür, dass die HNO-Klinik bei einem Hörsturz eher routinemäßig stationäre Infusionsbehandlungen durchgeführt hat, zumal sie davon überzeugt war, durch die in ihrer Klinik durchgeführte Studie die Wirksamkeit dieser Behandlung nachgewiesen zu haben (s. etwa die Stellungnahme von Prof.

Dr. T vom 03.07.2000 gegenüber der Verwaltung des Klinikums).

c) Zwar galt zum Zeitpunkt der streitigen Behandlung die Leitlinie „Hörsturz“ noch in der Fassung vom 03.08.1996. Als Gründe für eine stationäre Behandlung werden dort nur genannt: starke psychosomatische Beeinträchtigungen, komplizierte Fälle oder Operationen. Insoweit hat Prof. Dr. 01 in seiner Stellungnahme vom 10.01.2005 nachvollziehbar dargelegt, dass die aktuelle Fassung der Leitlinie die Indikationen für eine stationäre Behandlung nicht mehr so streng fassen und daher seine Beurteilung, dass die jetzt genannten Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung nicht vorgelegen hätten, auch für die damalige Fassung der Leitlinien gelte.

d) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die durchgeführte Infusionstherapie hätte auch ambulant durchgeführt werden können (was die Klägerin mit guten Gründen bezweifelt, denn das Sozialgericht hat nicht nur die Stellungnahme der Bezirksgruppe Köln des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte, sondern vor allem auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. 01, der in seinem Gutachten dezidiert hinsichtlich einer Infusionsbehandlung nach dem hier angewandten Schema die Erforderlichkeit stationärer Behandlung bejaht hat, unberücksichtigt gelassen) und ob für solche Infusionsbehandlungen die Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen war (was Dr. V in seinen Stellungnahmen vehement bestritten hat). Der Senat merkt zu dem letzten Aspekt nur an, dass seit der Neufassung des § 137c SGB V zum 01.01.2000 die Beurteilung der im stationären Bereich eingesetzten Behandlungsmethoden allein dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliegt (BSG SozR 4-2500 § 137c Nr. 1) und daher die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung nicht mit der Begründung verneint werden kann, für die konkret angewandte Behandlungsmethode fehle der Nachweis ihrer Wirksamkeit. Soweit in diesem Zusammenhang Studien der Evidenzstufe l gefordert worden sind, hat Prof. Dr. A1 zu Recht darauf hingewiesen, dass die evidenzbasierte Medizin nicht auf einen Wirksamkeitsbeleg i.S. randomisierter, kontrollierter Studien und Metaanalysen begrenzt ist und bei Fehlen entsprechender Unterlagen (was für zahlreiche medizinische Fragestellungen zutrifft) auf die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz zurückgegriffen werden muss. Insoweit gibt die Leitlinie „Hörsturz“ einen Hinweis auf den „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V), wie auch letztlich Prof. Dr. 01 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.04.2004 eingeräumt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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