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Behandlungskostenerstattung – physiotherapeutischer Behandlungen

Amtsgericht Nürnberg

Az: 17 C 4516/07

Urteil vom 11.12.2007


In dem Rechtsstreit wegen Forderung erläßt das Amtsgericht Nürnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2007 folgendes Endurteil

I. Die Beklagte. wird verurteilt, an die Klägerin 340,00 EUR nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.02.2007 zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 390,00 EUR nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.07.2007 zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,54 EUR nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 07.07.2007 zu bezahlen.

IV. Die Beklag.te trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluß

Der Streitwert beträgt 730,00 EUR.

Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung restlicher Kosten physiotherapeutischer Behandlungen.

Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin der Beklagten im Tarif E für ambulante Heilbehandlungen. Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 1.8.06 bis 2.4.07 in ärztlicher Behandlung, in derem Rahmen ihr Bäder, Massagen und physikalische, Behandlungen verordnet wurden.

Auf die in diesem Zeitraum von .der Praxis für Krankengymnastik Hubmann/Markwart gestellten Rechnungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 4.140,00 EUR zahlte die Beklagte nach Erstattung eines Betrages von 2.225,50 EUR durch die gesetztliche Krankenversicherung der Klägerin 1.184,50 EUR.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe einen Anspruch in Höhe des noch nicht von der Beklagten erstatteten Betrages.

Der Tarif, der den Versicherungsvertrag der Parteien zugrunde liege, enthalte keine Begrenzung der Erstattungspflicht auf übliche Sätze.

Ferner seien die Höchstsätze gemäß der Bundesbeihilfeverordnung für die Bestimmung der üblichen Vergütung i.S.d. § 612 BGB nicht maßgeblich. Die berechneten Preise für die Behandlungen seien ortsüblich und angemessen.

Die Klägerin beantragt daher:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 340,00 EUR nebst 5% Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.02.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 83,54 EUR (Streitwert neutrale vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten), nebst,5 % Punkten Zinsen über ‚dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 390,00 EUR nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Fälligkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Kostenpflichtige Klageabweisung.

Die Beklagte schulde nur die medizinisch notwendigen Aufwendungen i.S.d. § 1 Abs. 1 a MB/KK. Als Maßstab für die Angemessenheit der Vergütung seien, da eine Taxe für den Berufszweig der Heilhilfsberufe fehle, die Höchstsätze der Beihilfe heranzuziehen.

Für die weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch in geltend gemachter Höhe aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu.

1. Der zwischen den Parteien vereinbarte Tarif E „Ergänzungsversicherung für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherungen“ enthält für die ambulante Behandlung folgende Bestimmung:

„100 % der nach Vorleistung eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenkasse) oder eines anderen gesetzlichen Kostenträgers…verbleibenden Aufwendungen für …Heil- und Hilfsmittel“.

Auch in den weiteren Tarifbestimmungen sind hinsichtlich der hier abgerechneten Leistungen keine Einschränkungen vorhanden. Die in Tarifbedingungenübliche Einschränkung, wonach die Erstattungspflicht auf die (in Deutschland) üblichen Preise beschränkt ist und die auch bei zahlreichen zitierten Entscheidungen zugrunde lag (z.B. LG Berlin VersR 2001, Seite 223 LG Köln VersR 2000, Seite 627) fehlt.

Es ist daher zu prüfen, wie die Tarifklausel „100 %… der verbleibenden Aufwendungen“ auszulegen ist. Dabei ist auf einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer abzustellen. Die Klausel kann nach dem Wortlaut nur bedeuten, dass nach Abzug der Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse, der Restbetrag aus dem in Rechnung gestellten Betrag zu erstatten ist, dem dieser Restbetrag stellt für den Versicherungsnehmer die „verbleibenden Aufwendungen“ dar.

Die Klausel ist daher ebenso wie in dem vom LG Berlin entschiedenen Fall (VersR 2002, Seite 304) zu verstehen, wo die Klausel „100 % des Rechnungsbetrages“ lautete. Hier wie dort fehlt es an einem Hinweis, dass die 100%-ige Erstattung der Aufwendungen (bzw. des Rechnungsbetrages) einer nochmaligen Überprüfung anhand der Ortsüblichkeit unterliegt.

Dies ist auch nicht überflüssig, weil es sich von selbst verstünde: Gerade das fettgedruckte „100 %“ suggeriert dem Versicherungsnehmer vollständige Übernahme seiner Kosten und damit die Sicherheit, dass seine Behandlungskosten nach Abzug der Erstattung der gesetzlichen Kasse durch die Ergänzungsversicherung gedeckt ist.

Der spätere Hinweis der Beklagten an die Klägerin, dass Behandlungskosten nur in Höhe der ortsüblichen Heilmittelpreise übernommen werden könnten, kann die vertragliche Regelung nicht außer Kraft setzen.

Der Beklagten wäre es ohne Probleme möglich, entsprechende Einschränkungen in ihre Verträge aufzunehmen; wenn sie dies nicht tut oder jedenfalls bei dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis nicht getan hat, geht dies zu ihren Lasten.

2. Auch daraus, dass Versicherungsfall i.S.d. § 1 MB/KK 94 nur die medizinisch notwendige Heilbehandlung ist, was bedeutet, dass nicht nur die Behandlung, sondern auch die Vergütung notwendig sein muß, ergibt sich nichts anderes. Da 100 %-ige Erstattung vereinbart ist, bildet lediglich § 138 BGB eine Schranke der Erstattungspflicht der Beklagten.

Jedenfalls ist in Anlehnung an die Auslegung der Notwendigkeit einer Heilbehandlung in Sinne ihrer Vertretbarkeit ein Entgelt als notwenig anzusehen, wenn die Frage der Erstattungspflicht nicht ohne weiteres zu verneinen, weil schwer zu entscheiden ist (vgl. hierzu Prölss/Martin VVG 27. Auflage, § 1 MB-KK 94 Rndr. 50).

Die Preise, die von der behandelnden Physiotherapeutin berechnet wurden, überschreiten aber die von der Beklagten herangezogenen Beihilfehöchstsätze nur unerheblich. Die berechneten Mehrpreise von 2,90 EUR für die manuelle Therapie, 60 Cent für Fango und 1,10 EUR für Massagen sind gering. Bei der manuellen Lymphdrainage ist zu berücksichtigen, dass die Behandlung 60 Minuten betrug, wie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergibt, während die von der Beklagten erstatteten Beträge sich an einer Behandlungsdauer von 45 Minuten orientieren. Bei Berücksichtigung der Länge der Behandlung ergibt sich nur noch eine Erstattungsdifferenz von 2,20 EUR (37,50 EUR = 45 Minuten abzüglich erstatteter Betrag = 35,30 EUR). Dass Aufwendungen, die nur wenig höher liegen, als die aus einem aus Praktikabilitätsgründen herangezogenen Zahlenwerk entnommenen, nicht notwendig i. S. d. § 1 MB-KK sind oder auch nicht ortsüblich i.S.d. § 612 BGB, ist zu verneinen.
Eines Sachverständigengutachtens bedarf es insoweit, abgesehen von den oben unter 1. erfolgten Ausführungen, auch deshalb nicht, weil die Sätze der Beihilfeverordnung nur ein Vergleichsmaßstab sein können und keine starre und in jedem Fall anzuwendende Taxe. Soweit Preise maßvoll höher sind, halten sie sich in jedem Fall auch im Rahmen dessen, was nach § 612 Abs. 2 BGB als übliche Vergütung anzusehen ist.

3. Die Forderung ist wie beantragt, gem. §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.

Die Beklagte schuldet außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten in geltend gemachter Höhe als Verzugs schaden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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