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Behandlungsvertrag – Heil- und Kostenplan – Behandlungsumfang 

OLG Brandenburg

Az: 12 U 31/06

Urteil vom 14.09.2006


In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6. Januar 2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Potsdam, Az.: 8 O 126/05, teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 5.452,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger 10 % und der Beklagte 90 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 8 % und der Beklagte zu 92 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte Berufung des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet.
1.
Den Klägern steht ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Honorars lediglich in Höhe von 5.452,64 EUR aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag zu. Zwischen den Parteien ist – jedenfalls konkludent – ein Behandlungsvertrag über die in der Rechnung vom 29.12.2002 berechneten zahnärztlichen Leistungen zustande gekommen. Der Einwand des Beklagten, vertraglich vereinbart seien lediglich die in dem Heil- und Kostenplan vom 20.04.2002 angegebenen Leistungen gewesen, dringt bereits aus dem Grunde nicht durch, weil der Heil- und Kostenplan zu einem Zeitpunkt erstellt worden ist, als bereits vier Behandlungstermine (am 15., 16., 17. und 18.04.2002) stattgefunden hatten, die von dem Heil- und Kostenplan ersichtlich nicht umfasst gewesen sind. Dies war auch für den Beklagten erkennbar, da beispielsweise am 18.04.2002 durch die Kläger der Zahn Nr. 14 entfernt wurde, worüber sich der Heil- und Kostenplan nicht verhält. Der Beklagte konnte daher nicht davon ausgehen, dass mit dem Heil- und Kostenplan und dem dort genannten voraussichtlichen Zahlungsbetrag von 6.900,00 EUR sämtliche Leistungen der Kläger abgegolten sein sollten.

a)

Hinsichtlich der Material- und Laborkosten steht den Klägern der volle geltend gemachte Betrag in Höhe von 5.730,18 EUR zu. Der Anspruch der Kläger ist insoweit nicht auf den in dem Heil- und Kostenplan vom 20.04.2002 angegebenen Betrag von 5.000,00 EUR begrenzt. Eine Verbindlichkeit des Heil- und Kostenplanes ist bereits deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem dort genannten Betrag von 5.000,00 EUR erkennbar um eine Schätzung gehandelt hat. In der Regel, wenn – wie hier – der behandelnde Zahnarzt nicht über ein eigenes Labor verfügt, können die voraussichtlichen Material- und Laborkosten nicht genau angegeben werden, vielmehr erst nach Herstellung des Zahnersatzes ermittelt werden. Mehraufwendungen für Material- und Laborkosten gehen daher grundsätzlich nicht zulasten des Zahnarztes. Da für den Patienten ersichtlich ist, dass es sich lediglich um eine Schätzung handelt, kann er sich auch darauf einrichten, dass insoweit höhere Kosten anfallen können (vgl. LG Hannover NJW-RR 1999, 198). Die Kläger haben hierzu nachvollziehbar vorgetragen, dass die Erhöhung der Material- und Laborkosten darauf beruhte, dass eine weitere laborgefertigte provisorische Brücke erforderlich wurde, die von dem Beklagten ausdrücklich während der Behandlung gewünscht worden sei. Dem ist der Beklagte letztlich nicht substanziiert entgegengetreten. Soweit er behauptet, er habe erst mit der Rechnung erfahren, dass die Eingliederung einer provisorischen Brücke notwendig geworden sei, kann dies bereits deshalb nicht zutreffen, weil die Eingliederung der provisorischen Brücke in dem Heil- und Kostenplan unter der GOZ-Nr. 512 und 514 ausdrücklich aufgeführt ist.

b)

Für die zahnprothetischen Leistungen können die Kläger hingegen nur einen Betrag von 1.922,05 EUR verlangen. Der in dem Heil- und Kostenplan angesetzte Betrag von 1.956,38 EUR, der anhand eines 2,3-fachen Gebührensatzes ermittelt worden ist, ist grundsätzlich verbindlich. Denn der Zahnarzt ist vor Beginn der geplanten Behandlung und bei Aufstellung des Heil- und Kostenplanes regelmäßig in der Lage, die von ihm zu erbringenden Leistungen zu überblicken. Er ist dem Patienten gegenüber verpflichtet, das zahnärztliche Honorar, das für seine Leistungen anfallen wird, so genau wie möglich im Vorhinein aufzuschlüsseln. Der Patient wird dadurch in die Lage versetzt, seine Entscheidung zu treffen, ob er die Behandlung von diesem Zahnarzt in der vorgesehenen Art und Weise durchführen lassen will. Er kann darauf vertrauen, in welcher Höhe Kosten insoweit anfallen werden (vgl. LG Hannover a.a.O.; OLG Köln VersR 1998, 1284, 1285). Eine Erhöhung des in diesen Heil- und Kostenplan veranschlagten Honorars ist daher nur gerechtfertigt, wenn – wie unter Ziffer 3. des Heil- und Kostenplanes aufgeführt – nicht vorhersehbare Umstände zu einer Erhöhung des Steigerungssatzes führen. Weitere Voraussetzung ist darüber hinaus, dass der Patient vor der Behandlung auf den möglichen Eintritt einer solchen Schwierigkeit hingewiesen wird, es sei denn, dass dies nicht vorhersehbar war (vgl. OLG Köln VersR 1997, 1362). Soweit die Kläger im Streitfall verschiedentlich einen höheren als den 2,3-fachen Gebührensatz berechnet haben, ist dies nur zulässig, wenn Besonderheiten in der in § 5 Abs. 2 S. 1 GOZ genannten Bemessungskriterien – Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistungen sowie die Umstände bei der Ausführung – dies rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle aufgetreten sind. Dem Bereich bis zur Erreichung des Schwellenwertes sind die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle und damit auch solche zugeordnet, die überdurchschnittlich aufwendig oder schwierig, aber eben noch nicht durch ungewöhnliche Besonderheiten gekennzeichnet sind, die bei der Mehrzahl vergleichbarer Behandlungsfälle so nicht auftreten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20.10.2004, 6 A 215/02, m.w.N.). Dabei muss der Zahnarzt gem. § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ eine schriftliche Begründung für die Überschreitung des Schwellensatzes vorlegen. An diese Begründung sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen, sie muss jedoch geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen können.

Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Kläger für die Überschreitung des Schwellensatzes jedoch nicht, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Aus der Begründung ist nicht ersichtlich, dass bei dem Beklagten ungewöhnliche Besonderheiten aufgetreten sind, die nicht auch bei einer Mehrzahl vergleichbarer Behandlungsfälle auftreten. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Begründung der Kläger lediglich in Schlagworten wie z. B. „schwierige Retention“, „starke Verspannung“ oder „Pfeilerdivergenz“ erschöpft. Ebenso rechtfertigen ein starker Speichelfluss oder eine eingeschränkte Mundöffnung eine Gebührenerhöhung grundsätzlich nicht, da derartige Fälle bei einer Vielzahl von Behandlungen auftreten dürften und nicht ersichtlich ist, dass diese Besonderheiten nicht bereits vor Beginn der Behandlung erkennbar waren. Da die in dem Heil- und Kostenplan veranschlagten Positionen 404 – Beseitigung von Vorkontakten – sowie 517 – individueller Löffel – in der Rechnung vom 29.12.2002 nicht enthalten sind, können die Kläger somit Honorar nur auf der Basis eines 2,3-fachen Gebührensatzes verlangen, woraus sich ein begründetes Honorar in Höhe von 1.922,05 EUR ergibt.

c)

Hinsichtlich der Kosten für die chirurgisch-konservierenden Leistungen ist für die Überschreitung des Schwellenwertes des 2,3-fachen Gebührensatzes auch hier Voraussetzung, dass eine entsprechende besondere Schwierigkeit der Leistung i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 4 GOZ vorliegt und die Kläger den Beklagten auf eine Erhöhung des Schwellenwertes ausdrücklich hingewiesen haben. Eine solche Hinweispflicht haben die Kläger ausdrücklich in Ziffer 4 des Heil- und Kostenplanes übernommen. Auch diesbezüglich folgt aus dem Vortrag der Kläger nicht, weshalb die zur Begründung der Überschreitung des Schwellenwertes angegebenen Schwierigkeiten derartige ungewöhnliche Umstände darstellen, die nicht auch bei einer Vielzahl von anderen Behandlungen auftreten, und darüber hinaus nicht voraussehbar waren. Dies gilt insbesondere, als zur Begründung etwa das Vorhandensein von hartem Zahnstein oder eine Überempfindlichkeit der Zähne angegeben wird, die im Übrigen bereits Gegenstand der Behandlung vom 18.09.2002 war (und dort mit dem 2,3-fachen Gebührensatz abgerechnet worden ist), so dass den Klägern jedenfalls diese Besonderheit bei der Behandlung vom 17.11.2002 bereits bekannt war. Insgesamt ist daher von dem geltend gemachten Betrag für die chirurgisch-konservativen Leistungen in Höhe von 1.301,56 EUR bei Ansetzung des Schwellenwertes des 2,3-fachen Gebührensatzes ein Betrag von 44,87 EUR abzusetzen, so dass sich ein Honorar der Kläger in Höhe von 1.256,69 EUR errechnet.

Insgesamt ergibt sich daraus eine Begründung der Honorarforderung der Kläger in Höhe von 8.908,92 EUR. Mit der Zahlung dieser Forderung befand sich der Beklagte, wie das Landgericht rechtskräftig festgestellt hat, seit dem 16.03.2003 in Verzug. Die von dem Beklagten am 10.04.2003 geleistete Zahlung von 3.498,81 EUR ist somit gem. § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Verzugszinsen in Höhe von 42,53 EUR sowie in Höhe des Restbetrages von 3.456,28 EUR auf die Honorarforderung zu verrechnen, so dass noch ein offener Restbetrag in Höhe von 5.452,64 EUR verbleibt. Soweit der Beklagte erstinstanzlich noch vorgetragen hat, einen weiteren Betrag von 3.415,47 EUR am 28.02.2003 gezahlt zu haben, wendet sich die Berufung nicht gegen die nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts, das diese Zahlung nicht als bewiesen angesehen hat.

2.

Ein weiterer Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Die Verletzung der sich aus Ziffer 4 des Heil- und Kostenplanes ergebenden Hinweispflicht hat sich im Streitfall nicht ausgewirkt, da es bereits an der Darlegung einer entsprechenden besonderen Schwierigkeit der Leistung fehlt. Hinsichtlich der Überschreitung der materiellen Laborkosten liegt eine Verletzung der Hinweispflicht nicht vor, da es sich für den Beklagten erkennbar um eine Schätzung handelte. Der Beklagte hat im Übrigen nicht angegeben, dass er für den Fall, rechtzeitig auf die Überschreitung des Schwellenwertes hingewiesen worden zu sein, die Behandlung nicht hätte durchführen lassen.

3.

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war mangels Vorliegen von Gründen gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.890,08 EUR festgesetzt. Die darüber hinaus zuerkannten Verzugszinsen von 44,82 EUR bleiben als Nebenforderung wertmäßig außer Betracht (§§ 4 ZPO, 43 Abs. 1 GKG).

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