ArbG Nürnberg
Az: 8 Ca 5071/08
Urteil vom 28.01.2009
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten durch die Kündigung vom 16.07.2008 mit Zugang am 19.07.2008 weder außerordentlich und fristlos, noch ordentlich und fristgerecht beendet worden ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu ¼, die Beklagte zu 3 / 4
3. Der Streitwert wird auf 7.200,00 Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin, Mutter dreier Kinder, wurde bei der Firma … als Mitarbeiterin in der Funktion Küchenleitung eingestellt. Mit Wirkung zum 01.12.2002 erfolgte ein Betriebsübergang gem. § 613 a BGB auf die Beklagte. Das zuletzt bezogene durchschnittliche Bruttomonatsentgelt der Klägerin betrug 2.400,00 Euro.
Die Kinder der Klägerin wurden am 13.04.2002, 05.01.2005 und 18.02.2008 geboren. Die Klägerin beanspruchte nach jeder Geburt Elternzeit. Bezüglich der ersten Elternzeit erfolgte kein schriftlicher Antrag, ebenso im Hinblick auf die letzte Geburt. Nur im Hinblick auf die Geburt des zweiten Kindes erfolgte auf Wunsch der Beklagten mit einer Verspätung von fünf Monaten ein schriftlicher Antrag.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Mit Schreiben vom 16.07.2008, der Klägerin am 19.07.2008, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich und fristlos. Eine Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes liegt nicht vor.
Die Klägerin trägt vor, dass sie im Herbst 2007 die Beklagte über die Geburt des dritten Kindes informiert und mitgeteilt habe, dass sie die dreijährige Elternzeit in Anspruch nehmen werde.
Selbst wenn ihr kein Sonderkündigungsschutz zustehen würde, hätte eine wirksame Kündigung einer vorherigen entsprechenden Abmahnung bedurft.
Mit ihrer am 07.08.2008 eingereichten Klage hat sie daher zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten durch die Kündigung vom 16.07.2008 mit Zugang am 19.07.2008 weder außerordentlich und fristlos, noch ordentlich und fristgerecht beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin nach Ablauf der Schutzfrist ab 15.04.2008 ihre Arbeit bei ihr hätte wieder aufnehmen müssen. Dies habe sie nicht getan. Sie habe geschwiegen. Daher sei ihr wegen unentschuldigten Fehlens gekündigt worden.
Ein Sonderkündigungsschutz stehe ihr mangels schriftlicher Geltendmachung nicht zu, §§ 16, 18 BEEG. Daran ändere sich auch nichts, wenn sie in der Vorstellung gelebt habe, sie habe Elternzeit.
Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die Klageschrift vom 07.08.2008, die Klageerwiderung vom 18.08.2008, die Replik vom 25.08.2008, die Duplik vom 01.09.2008, auf die weiteren Schriftsätze vom 09.10.2008 und 20.10.2008, sowie auf die Protokolle über die Güteverhandlung vom 22.10.2008 und die mündliche Verhandlung vom 28.01.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder außerordentlich und fristlos, noch ordentlich und fristgerecht aufgelöst, §§ 626 BGB; 1 Abs. 2 KSchG.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, da die Parteien über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses streiten, § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG.
2. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich zuständig, da der satzungsmäßige Sitz der Beklagten in Ansbach und damit im Arbeitsgerichtsbezirk Nürnberg liegt, § 17 ZPO.
II.
Die Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat fristgerecht mit ihrer Klage vom 07.08.2008 die Unwirksamkeit der am 19.07.2008 zugegangenen Kündigung geltend gemacht, §§ 4; 13 Abs. 1 KSchG.
2. Die außerordentliche und fristlose Kündigung ist mangels eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.
Es kann vorliegend zunächst dahingestellt bleiben, ob der Klägerin nach Ablauf der Schutzfrist des § 9 MuSchG am 18.06.2008 ab diesem Zeitpunkt der Sonderkündigungsschutz nach § 18 BEEG auch ohne vorherige schriftliche Antragstellung zu Gute kommt.
Selbst unterstellt der Klägerin stünde der Sonderkündigungsschutz nach § 18 BEEG nicht zu, würde die Nichterbringung der Arbeitsleistung nach Ablauf der achtwöchigen Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG im konkreten Fall nicht geeignet sein, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Eine beharrliche Arbeitsverweigerung ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (vgl. BAG, Urt. v. 21.11.1996, Az: 2 AZR 357/95). Allerdings setzt sie in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Der Kündigungszweck ist zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden soll. Entscheidend ist, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig belastend auswirkt (vgl. BAG, a. a. O.).
An dieser negativen Prognose fehlt es vorliegend.
Soweit die Beklagte hierzu ausführt, dass die Klägerin trotz Arbeitsverpflichtung nicht erschienen sei, sondern geschwiegen habe, ist dies zwar in tatsächlicher Hinsicht zutreffend. In rechtlicher Hinsicht rechtfertigt dies aber nicht die negative Prognose, dass die Klägerin auch zukünftig weiterhin ihre Arbeitsleitung unberechtigt nicht erbringen werde und damit die Annahme einer beharrlichen Arbeitsverweigerung in Betracht kommt.
Die Klägerin ist davon ausgegangen, dass durch sie rechtswirksam Elternzeit beantragt worden sei. Dies hat die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt. Diese Auffassung mag zwar im Hinblick auf das Leistungsverweigerungsrecht eine rechtliche Fehleinschätzung gewesen sein. Aber zumindest folgt hieraus ohne weitere Anhaltspunkte, z. B. durch eine Weigerung auf eine entsprechende Arbeitsaufforderung oder eine Abmahnung, nicht die erforderliche negative Prognose für eine beharrliche Arbeitsverweigerung.
Die Beklagte hat nach Ablauf der achtwöchigen Schutzfrist des § 6 MuSchG und dem anschließenden Fehlen der Klägerin nichts unternommen, um diese auf ihren Pflichtenverstoß aufmerksam zu machen. Es erfolgt für einen Zeitraum von über drei Monaten nicht einmal eine entsprechende Arbeitsaufforderung. Sie schwieg vielmehr ebenso, wie die Klägerin selbst. Es war daher im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung völlig offen, wie die Klägerin sich weiterhin in Kenntnis ihres Rechtsirrtums verhalten hätte. Möglich wäre z. B. die nunmehr formwirksame Beantragung der Elternzeit und eine Überbrückung der sieben Wochen Vorlaufzeit gewesen (vgl. hierzu allgemein Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 1. Auflage, Rn. 6 ff. zu § 16 BEEG).
3. Die Kündigung ist mangels vorheriger Abmahnung auch nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht rechtswirksam aufzulösen, § 1 Abs. 2 KSchG. Auf die Ausführungen unter Ziffer 2. wird insoweit verwiesen. Eine Umdeutung scheitert daher vorliegend aus, § 140 BGB.
III.
Aufgrund der erfolgten Teilrücknahme der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO war die Kostenentscheidung gemäß § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG vorzunehmen. Das Gericht gewichtet hierbei die Kostentragungspflicht der Klägerin im Hinblick auf das Obsiegen mit der Kündigungsschutzklage mit einem Viertel.
IV.
Der Streitwert war mit drei Bruttomonatsentgelten für die Kündigungsschutzklage festzusetzen, § 3 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 4 GKG.
V.
Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da die insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, § 64 Abs. 3 ArbGG.