Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Werkstattbindung nach Unfall: Rechte und Herausforderungen für Geschädigte
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich nach einem Unfall die günstigste Werkstatt wählen?
- Welche Rechte habe ich bei der Schadensregulierung gegenüber der Versicherung?
- Was bedeutet konkrete Abrechnung bei der Unfallschadensregulierung?
- Wie wirkt sich die Schadensminderungspflicht auf meine Werkstattwahl aus?
- Wann kann die Versicherung die Zahlung von Reparaturkosten verweigern?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall behandelt die Schadensersatzansprüche eines Unfallopfers aufgrund eines Verkehrsunfalls, für den die Beklagte allein haftet.
- Ein Gutachten ermittelte die Reparaturkosten des Fahrzeugs, aber die Beklagte verwies den Kläger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit.
- Der Kläger ließ die Reparatur dennoch zu einem höheren Preis durchführen und verlangt die Erstattung der Differenz.
- Die Beklagte argumentierte, dass bestimmte Kosten nicht notwendig waren und das Werk schuldhaft überhöhte Beträge berechnet hat.
- Das Gericht entschied zugunsten des Klägers, dass dieser nicht auf die günstigere Reparaturwerkstatt verwiesen werden kann.
- Die Schadensminderungspflicht des Klägers umfasst nicht die Pflicht, billigere, gleichwertige Werkstätten zu nutzen.
- Die Beklagte muss die ausstehenden Kosten der teureren Werkstatt übernehmen.
- Mit der Entscheidung stärkt das Gericht die Position von Unfallgeschädigten bei der Wahl der Reparaturwerkstatt.
- Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar und eine Revision wird nicht zugelassen.
- Dieses Urteil bietet Orientierung zur Bedeutung der Schadensminderungspflicht im Kontext der Werkstattwahl nach Unfällen.
Werkstattbindung nach Unfall: Rechte und Herausforderungen für Geschädigte
Im Kontext der Kfz-Reparatur stellt die Wahl der Werkstatt oft ein zentrales Thema dar, insbesondere wenn es um die Schadenregulierung nach einem Unfall geht. Geschädigte haben ein Recht auf eine qualitativ hochwertige Reparatur, die den Standards der Fachwerkstätten entspricht.
In vielen Fällen empfehlen Versicherungen günstigere Referenzwerkstätten, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenübernahme und der Servicequalität führen kann. Der Anspruch auf Schadensersatz wird dadurch nicht immer eindeutig geregelt, weshalb Betroffene ihre Rechtsansprüche genau kennen sollten. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Thematik der Werkstattbindung und die damit verbundenen Herausforderungen beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Gericht weist Verweis auf günstigere Werkstatt bei konkreter Abrechnung zurück

Das Landgericht Saarbrücken hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass ein Geschädigter bei der konkreten Abrechnung von Unfallschäden nicht auf eine günstigere Referenzwerkstatt verwiesen werden kann. Der Fall dreht sich um einen Verkehrsunfall vom 17. Februar 2022, bei dem die alleinige Haftung der beklagten Versicherung unstreitig war.
Streit um Reparaturkosten nach Unfall
Nach dem Unfall holte der Kläger ein Sachverständigengutachten ein, das Reparaturkosten von 3.353,55 Euro auswies. Die Versicherung verwies ihn daraufhin auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit bei einer anderen Werkstatt für 2.325,77 Euro. Der Kläger ließ sein Fahrzeug trotzdem in seiner gewählten Werkstatt für 3.442,38 Euro reparieren. Die Versicherung zahlte 3.129,38 Euro, woraufhin der Kläger die Differenz von 253,50 Euro einklagte.
Erstinstanzliches Urteil und Berufung
Das Amtsgericht St. Wendel wies die Klage zunächst ab. Es argumentierte, dass der Geschädigte auch bei konkreter Abrechnung auf günstigere Reparaturmöglichkeiten verwiesen werden könne, wenn er vor Beauftragung der teureren Werkstatt darauf hingewiesen wurde. Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Landgericht: Keine Verweisung bei konkreter Abrechnung
Das Landgericht Saarbrücken gab der Berufung des Klägers statt. In seinem Urteil stellte es klar: „Bei der konkreten Abrechnung kann der Geschädigte auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB nicht auf eine günstigere Referenzwerkstatt verwiesen werden.“ Das Gericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte die Versicherung zur Zahlung der geforderten 253,50 Euro nebst Zinsen.
Begründung des Gerichts
Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass bei einer konkreten Abrechnung, bei der die Reparatur tatsächlich durchgeführt und eine Rechnung vorgelegt wurde, andere Maßstäbe gelten als bei einer fiktiven Abrechnung. Die Grundsätze zum Verweis auf eine Referenzwerkstatt, die für die fiktive Abrechnung entwickelt wurden, seien hier nicht anwendbar.
Das Gericht betonte, dass das Werkstattrisiko zu Lasten der Versicherung gehe, auch wenn der Kläger die Rechnung noch nicht bezahlt habe. Entscheidend sei, dass der Kläger den Reparaturauftrag auf Basis des eingeholten Gutachtens erteilt hatte.
Konsequenzen des Urteils
Die Versicherung muss nun den strittigen Betrag von 253,50 Euro plus Zinsen an den Kläger zahlen. Zusätzlich trägt sie die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken stärkt die Position von Unfallgeschädigten bei der konkreten Abrechnung von Reparaturkosten. Es stellt klar, dass bei tatsächlich durchgeführten Reparaturen keine Verweisung auf günstigere Werkstätten möglich ist, selbst wenn der Geschädigte vorab darauf hingewiesen wurde. Dies unterstreicht den Grundsatz, dass das Werkstattrisiko zu Lasten des Schädigers bzw. dessen Versicherung geht und schafft Rechtssicherheit für Geschädigte bei der Wahl ihrer Reparaturwerkstatt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil stärkt Ihre Rechte als Unfallgeschädigter erheblich. Wenn Sie Ihr Fahrzeug nach einem Unfall reparieren lassen, haben Sie freie Wahl bei der Werkstatt – auch wenn diese teurer ist als andere Angebote. Die Versicherung des Unfallverursachers muss die vollen Reparaturkosten übernehmen, solange Sie die Werkstatt sorgfältig ausgewählt haben. Sie müssen sich nicht auf eine günstigere „Referenzwerkstatt“ verweisen lassen. Auch wenn einzelne Positionen auf der Rechnung möglicherweise überhöht erscheinen, trägt die Versicherung dieses „Werkstattrisiko“. Wichtig ist, dass Sie einen Sachverständigen einschalten und die Reparatur auf Basis dessen Gutachtens durchführen lassen. Fordern Sie dann die Zahlung direkt an die Werkstatt. So stellen Sie sicher, dass Sie am Ende nicht auf Kosten sitzen bleiben und Ihr Fahrzeug fachgerecht repariert wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich nach einem Unfall die günstigste Werkstatt wählen?
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall sind Sie als Geschädigter nicht verpflichtet, die günstigste Werkstatt für die Reparatur Ihres Fahrzeugs zu wählen. Grundsätzlich haben Sie das Recht auf freie Werkstattwahl, solange die gewählte Werkstatt eine fachgerechte und qualitativ hochwertige Reparatur durchführen kann.
Freie Werkstattwahl bei unverschuldetem Unfall
Wenn Sie nicht selbst schuld am Unfall sind, können Sie Ihr Fahrzeug in der Regel in einer Werkstatt Ihrer Wahl reparieren lassen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung muss dann die Kosten für die Reparatur übernehmen, auch wenn es möglicherweise günstigere Alternativen gibt. Dies gilt insbesondere, wenn Sie eine Markenwerkstatt wählen und Ihr Fahrzeug noch relativ neu ist (in der Regel bis zu drei Jahre alt).
Einschränkungen der freien Werkstattwahl
Bei älteren Fahrzeugen (über drei Jahre) kann die Versicherung Sie unter Umständen auf eine günstigere, freie Werkstatt verweisen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Versicherung nachweisen kann, dass die günstigere Werkstatt eine gleichwertige Reparatur durchführen kann. Haben Sie Ihr Fahrzeug bisher immer in einer Markenwerkstatt warten und reparieren lassen, kann dies ein Argument für die Wahl einer solchen Werkstatt sein.
Qualität und Garantie
Bei der Wahl der Werkstatt sollten Sie neben den Kosten auch die Qualität der Reparatur und mögliche Garantieansprüche berücksichtigen. Eine Markenwerkstatt kann oft spezifische Herstellergarantien bieten und verfügt über spezialisiertes Fachwissen für Ihr Fahrzeugmodell. Dies kann besonders bei neueren oder technisch komplexen Fahrzeugen von Vorteil sein.
Vorgehen bei Streitigkeiten
Sollte die gegnerische Versicherung die Kosten für Ihre gewählte Werkstatt nicht vollständig übernehmen wollen, können Sie auf Ihr Recht zur freien Werkstattwahl bestehen. In einem solchen Fall ist es ratsam, die Gründe für Ihre Werkstattwahl (z.B. bisherige Wartungshistorie, spezielle Ausstattung des Fahrzeugs) schriftlich darzulegen.
Beachten Sie, dass diese Regelungen für unverschuldete Unfälle gelten. Bei selbstverschuldeten Unfällen oder wenn Ihre eigene Kaskoversicherung in Anspruch genommen wird, können andere Bedingungen gelten, die in Ihrem Versicherungsvertrag festgelegt sind.
Welche Rechte habe ich bei der Schadensregulierung gegenüber der Versicherung?
Als Geschädigter bei einem Verkehrsunfall haben Sie gegenüber der gegnerischen Versicherung umfangreiche Rechte bei der Schadensregulierung:
Recht auf vollständige Schadensregulierung
Sie haben Anspruch auf vollständigen Ersatz aller unfallbedingten Schäden. Dies umfasst nicht nur die Reparaturkosten für Ihr Fahrzeug, sondern auch Folgekosten wie Mietwagenkosten, Nutzungsausfall oder Wertminderung.
Freie Wahl des Sachverständigen
Wenn Sie einen Sachverständigen zur Schadensermittlung benötigen, können Sie diesen frei wählen. Die Versicherung darf Ihnen keinen bestimmten Gutachter vorschreiben.
Werkstattwahl
Sie haben das Recht, Ihr Fahrzeug in der Werkstatt Ihrer Wahl reparieren zu lassen. Die Versicherung kann Sie nicht auf eine günstigere Partnerwerkstatt verweisen, wenn Sie eine Reparatur durchführen lassen.
Fiktive Abrechnung
Alternativ zur Reparatur können Sie den Schaden auch fiktiv abrechnen lassen. In diesem Fall erhalten Sie den im Gutachten ermittelten Reparaturbetrag ausgezahlt, ohne die Reparatur tatsächlich durchführen zu müssen.
Fristen für die Schadensregulierung
Die Versicherung muss innerhalb bestimmter Fristen auf Ihre Schadensanzeige reagieren. Bei unstreitiger Haftung und beziffertem Schaden muss sie innerhalb von drei Monaten ein Schadensersatzangebot vorlegen.
Recht auf Vorschusszahlung
Bei längerer Reparaturdauer haben Sie Anspruch auf eine angemessene Vorschusszahlung für bereits entstandene Kosten wie Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall.
Schutz vor unbegründeten Kürzungen
Die Versicherung darf Ihre Ansprüche nicht willkürlich kürzen. Jede Kürzung muss sachlich begründet sein. Bei Unstimmigkeiten können Sie Einspruch einlegen und Ihre Ansprüche geltend machen.
Wenn Sie diese Rechte kennen und selbstbewusst vertreten, können Sie eine faire und vollständige Schadensregulierung erreichen. Bei komplexen Fällen oder Unstimmigkeiten mit der Versicherung kann es sinnvoll sein, fachkundige Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Was bedeutet konkrete Abrechnung bei der Unfallschadensregulierung?
Bei der konkreten Abrechnung nach einem Verkehrsunfall lässt der Geschädigte sein Fahrzeug in einer Werkstatt reparieren und rechnet die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten mit der gegnerischen Versicherung ab. Dies geschieht in der Regel durch Vorlage der Reparaturrechnung.
Voraussetzungen für die konkrete Abrechnung
Wenn Sie sich für eine konkrete Abrechnung entscheiden, müssen Sie folgende Punkte beachten:
- Die Reparatur muss vollständig und fachgerecht durchgeführt werden.
- Sie müssen die Reparaturrechnung vorlegen können.
- Die Reparaturkosten müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Fahrzeugwert stehen.
Vorteile der konkreten Abrechnung
Bei der konkreten Abrechnung genießen Sie als Geschädigter einige Vorteile:
- Sie können die Werkstatt frei wählen. Die Versicherung darf Sie nicht auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen.
- Die Mehrwertsteuer wird Ihnen erstattet, da sie tatsächlich angefallen ist.
- Auch wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, können Sie unter bestimmten Umständen eine vollständige Erstattung verlangen.
Rechtliche Grundlagen und Konsequenzen
Die konkrete Abrechnung basiert auf dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dieser besagt, dass der Geschädigte Anspruch auf Wiederherstellung des Zustands hat, der ohne den Unfall bestehen würde.
Wenn Sie konkret abrechnen, beachten Sie bitte:
- Die Versicherung muss grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung erstatten, auch wenn diese möglicherweise überhöht ist (sogenanntes „Werkstattrisiko“).
- Sie dürfen sich durch die Reparatur nicht bereichern. Das bedeutet, dass Sie keine Reparaturen durchführen lassen dürfen, die nicht unfallbedingt sind.
- Bei Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert müssen Sie das Fahrzeug in der Regel mindestens sechs Monate weiternutzen, um den vollen Ersatz zu erhalten.
Durch die konkrete Abrechnung stellen Sie sicher, dass Ihr Fahrzeug fachgerecht repariert wird und Sie alle tatsächlich entstandenen Kosten erstattet bekommen. Dies kann besonders bei neueren oder hochwertigen Fahrzeugen vorteilhaft sein.
Wie wirkt sich die Schadensminderungspflicht auf meine Werkstattwahl aus?
Die Schadensminderungspflicht hat unterschiedliche Auswirkungen auf Ihre Werkstattwahl, je nachdem ob Sie eine konkrete oder fiktive Abrechnung wählen.
Konkrete Abrechnung
Bei einer konkreten Abrechnung, also wenn Sie Ihr Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen, haben Sie grundsätzlich freie Werkstattwahl. Sie können Ihr Auto in einer Markenwerkstatt oder einer freien Werkstatt Ihrer Wahl reparieren lassen. Die gegnerische Versicherung muss die Kosten einer Markenwerkstatt erstatten, wenn:
- Ihr Fahrzeug nicht älter als 3 Jahre ist, oder
- Ihr Fahrzeug älter als 3 Jahre ist, aber Sie es bisher immer in einer Markenwerkstatt haben warten lassen
Selbst wenn die Versicherung Sie auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweist, müssen Sie diesem Verweis nicht folgen. Die Schadensminderungspflicht greift hier nicht, solange die von Ihnen gewählte Werkstatt marktübliche Preise verlangt.
Fiktive Abrechnung
Anders sieht es bei einer fiktiven Abrechnung aus, wenn Sie also nur die Reparaturkosten ersetzt bekommen möchten, ohne das Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Hier müssen Sie sich im Rahmen der Schadensminderungspflicht auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen, es sei denn:
- Ihr Fahrzeug ist nicht älter als 3 Jahre
- Ihr Fahrzeug ist zwar älter als 3 Jahre, wurde aber bisher ausschließlich in Vertragswerkstätten gewartet und repariert
- Die von der Versicherung benannte freie Werkstatt ist für Sie unzumutbar weit entfernt
Grenzen der Schadensminderungspflicht
Die Schadensminderungspflicht hat ihre Grenzen. Sie müssen keine unzumutbaren Anstrengungen unternehmen, um den Schaden zu mindern. Wenn Sie beispielsweise auf Ihr Auto angewiesen sind, müssen Sie nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen, nur weil dies günstiger wäre. Ebenso wenig müssen Sie eine Werkstatt akzeptieren, die deutlich weiter entfernt ist als Ihre bevorzugte Werkstatt.
Beachten Sie, dass die Schadensminderungspflicht Sie nicht zwingt, die absolut günstigste Option zu wählen. Es reicht aus, wenn Sie eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung treffen, die den Schaden in einem angemessenen Rahmen hält.
Wann kann die Versicherung die Zahlung von Reparaturkosten verweigern?
Die Versicherung kann die Zahlung von Reparaturkosten in bestimmten Fällen verweigern oder kürzen:
Überschreitung des Wiederbeschaffungswertes
Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs übersteigen, kann die Versicherung die Zahlung verweigern. In diesem Fall liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Die Versicherung zahlt dann nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes des beschädigten Fahrzeugs.
Eine Ausnahme besteht, wenn Sie das Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen: Übersteigen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30%, muss die Versicherung die Reparatur bezahlen, sofern Sie diese fachgerecht durchführen lassen.
Verdacht auf überhöhte Rechnungen
Wenn die Versicherung den Verdacht hat, dass die Reparaturkosten überhöht sind, kann sie die Zahlung verweigern oder kürzen. In diesem Fall wird sie oft einen eigenen Gutachter beauftragen, um die angemessenen Kosten zu ermitteln.
Obliegenheitsverletzungen
Haben Sie als Versicherungsnehmer Ihre vertraglichen Pflichten (Obliegenheiten) verletzt, kann die Versicherung die Zahlung verweigern. Dies kann der Fall sein, wenn Sie den Schaden nicht rechtzeitig gemeldet haben oder wenn Sie das Fahrzeug ohne Freigabe der Versicherung reparieren lassen.
Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens kann die Versicherung die Leistung verweigern. Dies gilt beispielsweise bei Alkoholfahrten oder illegalen Autorennen.
Verweis auf günstigere Werkstatt
Die Versicherung darf auf eine günstigere Werkstatt verweisen, wenn diese mühelos erreichbar ist und die gleiche Qualität bietet. Dies gilt jedoch nicht, wenn Ihr Fahrzeug weniger als drei Jahre alt ist oder Sie es bisher immer in einer Markenwerkstatt haben warten lassen.
Wenn Sie die Reparatur tatsächlich durchführen lassen, können Sie in der Regel nicht auf eine günstigere Werkstatt verwiesen werden. Die Versicherung muss dann die Kosten der von Ihnen gewählten Werkstatt übernehmen, solange diese angemessen sind.
Fehlende Reparaturfreigabe
Lassen Sie Ihr Fahrzeug ohne vorherige Reparaturfreigabe durch die Versicherung reparieren, riskieren Sie, dass die Versicherung die Zahlung verweigert. Es ist daher ratsam, vor Beginn der Reparatur die Freigabe einzuholen.
Wenn Sie diese Punkte beachten, minimieren Sie das Risiko, dass die Versicherung die Zahlung der Reparaturkosten verweigert. Im Zweifelsfall sollten Sie vor der Reparatur Rücksprache mit der Versicherung halten und alle notwendigen Unterlagen wie Gutachten und Kostenvoranschläge einreichen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Werkstattbindung
Werkstattbindung bezeichnet im Kontext der Kfz-Versicherung die vertragliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers, Reparaturen nach einem Unfall in bestimmten, von der Versicherung vorgeschlagenen Werkstätten durchführen zu lassen. Versicherungen empfehlen oft solche Werkstätten, da sie hier günstigere Konditionen erhalten.
Beispiel: Herr Müller hat eine Kaskoversicherung mit Werkstattbindung. Nach einem Unfall ist er verpflichtet, sein Auto in einer der vorgeschlagenen Partnerwerkstätten zu reparieren, um den vollen Versicherungsschutz zu behalten.
Die Werkstattbindung kann Einfluss auf die Qualität der Reparatur und die Wahlfreiheit des Geschädigten haben, was in der Diskussion um Schadensregulierung relevant ist.
Schadensminderungspflicht
Die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verpflichtet den Geschädigten, alles Zumutbare zu unternehmen, um den Schaden gering zu halten. Dies bedeutet, kostenintensive Maßnahmen zu vermeiden, wenn es günstigere und gleichwertige Alternativen gibt.
Beispiel: Frau Schmidt wird aufgefordert, ein günstigeres Taxiunternehmen zu wählen, um die Reparaturkosten gering zu halten, nachdem ihr Auto beschädigt wurde.
Im Kontext des Falles betont das Gericht, dass diese Pflicht bei konkreter Abrechnung nicht angewendet wird, wenn eine hochwertige Reparatur bereits durchgeführt wurde.
Konkrete Abrechnung
Konkrete Abrechnung bezieht sich auf die tatsächlichen Kosten, die dem Geschädigten durch eine Reparatur entstanden sind. Der Geschädigte legt die Rechnung der tatsächlich durchgeführten Reparatur vor, um die Erstattung dieser Kosten geltend zu machen.
Beispiel: Nach einem Unfall lässt Herr König sein Auto reparieren und präsentiert der Versicherung die Werkstattrechnung, um die entstandenen Kosten vollständig ersetzt zu bekommen.
Im Gegensatz zur fiktiven Abrechnung, bei der die Kosten auf Basis eines Kostenvoranschlags ohne tatsächliche Reparatur erstattet werden, war in diesem Fall die konkrete Abrechnung durch das Gericht als maßgeblich anerkannt.
Mitverschulden
Mitverschulden gemäß § 254 BGB bezieht sich darauf, dass der Geschädigte eine Mitschuld an der Entstehung oder Verschlimmerung seines Schadens trägt, was zur Reduzierung des Schadensersatzanspruchs führen kann.
Beispiel: Herr Weber fährt mit abgefahrenen Reifen auf nasser Fahrbahn und rutscht in ein parkendes Auto. Sein Schadensersatz kann gemindert werden, da er mit den ungeeigneten Reifen den Schaden mitverschuldet hat.
Im vorliegenden Fall argumentierte die Versicherung, dass der Kläger die günstigere Werkstattmöglichkeit hätte nutzen müssen, um das Mitverschulden zu vermeiden.
Referenzwerkstatt
Eine Referenzwerkstatt ist eine von der Versicherung empfohlene Werkstatt, die meist günstigere Reparaturpreise anbietet. Versicherungen machen Vorschläge dieser Art, um Kosten zu senken.
Beispiel: Nach einem Crash schlägt Herrn Mayer seine Versicherung eine Referenzwerkstatt vor, die die Reparatur zu einem geringeren Preis ausführen würde.
Das Urteil stellte klar, dass bei konkreter Abrechnung eine Verweisung auf eine solche Werkstatt nicht erforderlich ist, wenn die Reparatur in einer frei gewählten, möglicherweise teureren Werkstatt den Normen entspricht.
Werkstattrisiko
Werkstattrisiko bedeutet, dass die Versicherung als Schädiger für mögliche Verlustgefahren aufkommt, die durch die Wahl einer teureren oder nicht vorgeschlagenen Werkstatt entstehen können. Der Versicherte trägt nicht das Risiko, dass die Versicherung weniger erstattet, als die gewählte Werkstatt verlangt.
Beispiel: Herr Lehmann entscheidet sich für eine hochwertige, aber teure Werkstatt, um sein Auto zu reparieren. Die Versicherung muss trotz der höheren Kosten zahlen, da sie das Werkstattrisiko trägt.
Dieses Risiko geht in konkreten Fällen zu Lasten des Schädigers und schafft Klarheit für Versicherte, dass sie für qualitätsgerechte Reparaturen nicht aus eigener Tasche zahlen müssen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 254 BGB (Mitverschulden): Diese Vorschrift regelt die Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Nach § 254 Abs. 2 BGB ist der Geschädigte verpflichtet, zumutbare und günstigere Möglichkeiten zur Schadensbehebung zu nutzen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann zur Minderung des Schadensersatzanspruchs führen. Im vorliegenden Fall argumentierte die Beklagte, dass der Kläger die Reparatur in einer günstigeren Werkstatt hätte durchführen lassen müssen, wodurch die Höhe des geforderten Schadensersatzes in Frage gestellt wurde.
- § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): § 823 BGB stellt die Grundlage für die allgemeinen Schadensersatzansprüche dar, die aus unerlaubten Handlungen resultieren. Wer einem anderen vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden zufügt, muss diesen ersetzen. In diesem Fall wird die Beklagte für den Verkehrsunfall haftbar gemacht, was den Grundstein für die Klage des Klägers legt, die Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
- § 249 BGB (Ersatzpflicht): Diese Vorschrift sieht vor, dass der Geschädigte so zu stellen ist, als wäre der schädigende Vorfall nicht eingetreten. Der Ersatz umfasst die notwendigen Kosten, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich sind. Der Kläger verlangt die Differenz zwischen dem, was die Beklagte übernommen hat, und den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten, um seine vertraglichen Ansprüche aus dem Werkvertrag durchzusetzen.
- § 540 ZPO (Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts): Diese Vorschrift erlaubt es, hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil zu verweisen. Im vorliegenden Fall verweist das Berufungsgericht auf die bereits festgestellten Tatsachen des Amtsgerichts, was den Prozess effizienter macht und die Notwendigkeit einer erneuten umfassenden Beweisaufnahme reduziert.
- Artikel 3 Abs. 1 EGBGB (Verweis auf nationale Rechtsprechung): Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Anwendung des übergeordneten europäischen Rechts und regelt die Anerkennung und Anwendung nationaler Gesetze in den Mitgliedstaaten. Im Kontext dieses Falls ist relevant, da der nationalen Rechtsprechung nicht nur die Leitsätze des Bundesgerichtshofs (BGH) zu beachten sind, sondern auch die in der EU bestehenden Regelungen zu Haftpflichtfragen, um sicherzustellen, dass die geschädigten Personen ihre Ansprüche adäquat durchsetzen können.
Das vorliegende Urteil
LG Saarbrücken – Az.: 13 S 38/23 – Urteil vom 14.03.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz