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Beihilfe während der Elternzeit – Anspruchskonkurrenz bei Dienstherrenverschiedenheit

OVG NRW, Az.: 1 B 1752/18, Beschluss vom 12.09.2019

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Beihilfe während der Elternzeit - Anspruchskonkurrenz bei Dienstherrenverschiedenheit
Symbolfoto: Von kaprik /Shutterstock.com

Mit den fristgerecht vorgelegten Beschwerdegründen und den dort enthaltenen, (noch) ausreichenden Darlegungen im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO stellt der Antragsgegner im Umfang seines Unterliegens die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (im Kern) durchgreifend in Frage, mit der das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt hat,

dass die Antragstellerin vom gegenwärtigen Zeitpunkt an bis einschließlich 24. Februar 2019 dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen für Beamtinnen und Beamte mit Besoldung hat und im Zeitraum vom 25. Februar 2019 bis einschließlich 27. April 2019 entweder weiterhin dem Grunde nach den vorgenannten Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge hat oder beihilfeberechtigt ist.

Für den geltend gemachten vorläufigen Rechtschutz nach § 123 VwGO fehlt es jedenfalls an einem Anordnungsanspruch.

Zweifelhaft ist schon, kann aber letztlich offen bleiben, ob die Antragstellerin den mit der Beschwerde ebenfalls angegriffenen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Das Verwaltungsgericht hat diesen – unter Anlegung der bei einer Vorwegnahme der Hauptsache geltenden Maßstäbe – bejaht, weil der Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nämlich nicht zu beseitigende Nachteile drohen würden. Dies hat das Gericht zum einen auf die rechtliche Unsicherheit, welche Beihilfestelle bzw. welcher Beihilfeträger hier in Anspruch zu nehmen sei und ggf. in Vorleistung treten müsste, zum anderen auf eine schwierige finanzielle Situation der Antragstellerin und ihres Ehemannes gestützt. Die Antragstellerin könne deswegen ggf. bestimmte ärztliche Behandlungen trotz deren Beihilfefähigkeit nicht in Anspruch nehmen. Der Antragsgegner hatte sich aber in seiner Beschwerdebegründung jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum zur Gewährung von Beihilfeleistungen an die Antragstellerin unter Vorbehalt bereit erklärt, falls die Antragstellerin ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurücknimmt. Darauf hat die Antragstellerin nicht reagiert. Davon abgesehen könnte es ihr in Anbetracht der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der jeweiligen Leistungsträger zumutbar gewesen sein, auf ihren Ehemann einzuwirken, dass dieser gegenüber seinem Dienstherrn (ebenfalls) einen Rechtschutzantrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen stellt. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, ein solcher Antrag hätte aller Voraussicht keinen (zeitnahen) Erfolg versprochen, erscheint eher spekulativ.

Unabhängig hiervon lässt sich die vom Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung jedenfalls nicht auf einen Anordnungsanspruch stützen.

Es lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Antragstellerin für die Dauer ihrer Elternzeit dem Grunde nach einen Anspruch auf

– auch rückwirkende – Gewährung von Beihilfen nach der Beihilfenverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen – BVO NRW – (gehabt) hat. Zunächst hat weder das Verwaltungsgericht Feststellungen in die Richtung getroffen noch ist sonst glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin während ihrer Elternzeit Dienstbezüge (§ 1 Abs. 1 BVO NRW) für in Teilzeitbeschäftigung geleisteten Dienst im Umfang von mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 lit. b BVO NRW) erhält oder erhalten hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Beihilfe bzw. entsprechende Leistungen aber wahrscheinlich auch nicht aus § 74Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 3 LBG NRW gilt für die Dauer der Elternzeit § 64 Abs. 5 LBG NRW entsprechend. Gemäß § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW besteht während der Zeit des Urlaubs nach Absatz 1 (das bezieht sich auf einen Urlaub wegen der Betreuung/Pflege von Kindern oder nahen Angehörigen) ein Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen für Beamtinnen und Beamte mit Besoldung. Dies erweitert nicht die Regelungen über die Beihilfeberechtigung. Der Normgeber hat stattdessen eine eigenständige Regelung der Krankenfürsorge des Dienstherrn geschaffen, die (nur) in Bezug auf die Anspruchsinhalte an die beihilferechtlichen Bestimmungen entsprechend anknüpft.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2019

– 1 B 916/18 –, juris, Rn. 11.

Darüber hinaus enthält § 64 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW eine wesentliche Begrenzung dieses Anspruchs in der Gestalt einer Subsidiaritätsklausel. Danach gilt das in Satz 1 Bestimmte nicht, wenn die Beamtin oder der Beamte (infolge der Gewährung von Urlaub bzw. Elternzeit) berücksichtigungsfähige Angehörige oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger einer oder eines Beihilfeberechtigten wird oder Anspruch auf Familienversicherung nach § 10 SGB V hat. Das ist bei der Antragstellerin wahrscheinlich der Fall.

Der Ehemann der Antragstellerin ist Bundesbeamter und als solcher nach Maßgabe der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) beihilfeberechtigt. Ehegatten von Bundesbeamten zählen prinzipiell zu den im Beihilferecht des Bundes berücksichtigungsfähigen Personen/Angehörigen (§ 4 BBhV). Zwar würde gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV eine eigene Beihilfeberechtigung der Antragstellerin aus einem Dienstverhältnis ihre Berücksichtigungsfähigkeit als Ehegattin nach § 4 BBhV ausschließen. Es ist aber gerade sehr zweifelhaft, ob § 74Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW der Antragstellerin eine „Beihilfeberechtigung“ im Sinne des § 5 Abs. 1 BBhV einräumt. Wie schon ausgeführt, hat sich der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber für eine besondere Rechtskonstruktion entschieden, nach der – im Unterschied zum Bundesbeihilferecht (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 BBhV) – nicht die Beihilfeberechtigung selbst auf beurlaubte bzw. in Elternzeit befindliche Beamtinnen und Beamte erstreckt wird. Stattdessen werden diese Personen nur im Rahmen eines Anspruchs auf Krankenfürsorge der Sache nach wie Beihilfeberechtigte behandelt. Dies ist, wie schon das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss (BA, Seite 5) näher ausgeführt hat, auch bewusst und nicht nur versehentlich so geregelt worden. Korrespondiert der Anspruch auf Krankenfürsorge aus § 74Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW insofern aber nicht mit der nach ihrem Wortlaut („Beihilfeberechtigung“) enger gefassten Konkurrenzregelung des § 5 Abs. 1 (hier: Nr. 2) BBhV, so hat dies wahrscheinlich zur Folge, dass Beihilfeansprüche des Ehemanns für krankheitsbedingte Aufwendungen der Antragstellerin während ihrer Elternzeit nicht durch diese Konkurrenzregelung ausgeschlossen werden. Damit dürfte hier am Ende doch die in § 64 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW enthaltene landesrechtliche Konkurrenz- und Subsidiaritätsregelung durchgreifen mit der Folge, dass die Antragstellerin während ihrer Elternzeit nicht nur keinen Beihilfeanspruch gegen den Antragsgegner hat, sondern ihr während dieser Zeit auch ein Anspruch auf Krankenfürsorge nach dem Satz 1 der o. g. Vorschrift unter dem Gesichtspunkt der Nachrangigkeit nicht zusteht.

 

Vgl. zum Ganzen auch bereits OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2019 – 1 B 916/18 –, juris, Rn. 11 bis 17.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2,47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

 

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