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Beinbruch eines Hundes beim Ballspiel – Haftung Ballwerfer

OLG Frankfurt – Az.: 6 U 166/18 – Beschluss vom 25.03.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.09.2018 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf € 17.118,43 festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es ist nicht zu erwarten, dass die mündliche Verhandlung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts führen kann.

1) Der Senat hat die Klägerin bereits mit Beschluss vom 27.02.2019 darauf hingewiesen, warum er beabsichtigt, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Er hat ausgeführt:

Das Landgericht hat zu Recht die auf Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen. Die Schädigung des Hundes kann dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zugeordnet werden.

1.) Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, fehlt es bereits an einer adäquat-kausalen Herbeiführung des Knochenbruchs durch das Werfen des Balles.

Es gehört zum natürlichen Verhalten von – noch dazu jungen – Hunden, dass diese ihrem Spieltrieb nachgeben und hierbei auch springen. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die körperliche Konstitution eines Hundes so ist, dass er derartige tiertypischen Handlungen ohne Verletzungen durchführen kann: Der Hund kann springen, ohne sich zu verletzen. Vor diesem Hintergrund ist es auch gänzlich unwahrscheinlich, dass ein Hund bei einem derartigen Verhalten Verletzungen erleidet, jedenfalls dem allgemeinen Lebensrisiko und damit der Risikosphäre der Klägerin als Halterin des Hundes zuzuordnen.

Dies stellt entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine „Verkennung sämtlicher prozessualen Vorschriften über die Beweisaufnahme“ dar. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Landgericht die fehlende Adäquanz der Handlung des Beklagten für die Rechtsgutsverletzung der Klägerin angenommen hat, ohne einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Zum einen fehlte es entgegen den Ausführungen der Klägerin in der Berufungsschrift an einem entsprechenden Beweisangebot der Klägerin. Weder aus den Schriftsätzen, noch aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt sich ein solches Beweisangebot. Das Landgericht war aber auch nicht gezwungen, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Über eine entsprechende Beweisanordnung gem. § 144 ZPO hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BGH NJW-RR 2006, 1677 Rnr. 13). Eine entsprechende Reduzierung des Ermessens kann angezeigt sein, wenn der Richter bei der Beurteilung entscheidungserheblicher Vorgänge die Grenzen seines Wissens und seiner Erkenntnismöglichkeiten erreicht hat (BGH NJW 1962, 1770 (1771) ; Stein/Jonas/Althammer Rnr. 8). Diese Voraussetzung lag hier aber nicht vor. Die Beurteilung von tiertypischem Verhalten gehört jedenfalls in den Grundzügen bei verbreiten Tierarten zu den allgemein bekannten Tatsachen. Von sachverständiger Hilfe abzusehen, überschreitet daher die Grenzen des Ermessens nicht.

Die beantragte Vernehmung der Fachärzte aus der Tierklinik zur Art und Weise des Ballspiels des Hundes ist schon ein untaugliches Beweismittel. Diese waren nicht unmittelbare Zeugen des Vorfalls und können aus eigener Anschauung nichts berichten. Sie sollen auch nur bezeugen können, dass – den klägerischen Vortrag unterstellt – die Verletzung von dieser Art des Ballspiels herrühren können. Der klägerische Vortrag ist aber insoweit gerade streitig.

Aus rechtlicher Sicht ist kann auch eine Parallele zu den Fällen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung gezogen werden: Weder besteht ein allgemeines Verbot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein generelles Verbot, sie zur Selbstgefährdung zu veranlassen. Beschränkt sich die Rolle des für die Selbstschädigung des Geschädigten zur Mitverantwortung herangezogenen Schädigers auf die Förderung des Entschlusses zu einem selbstgefährdenden Tun und die aktive Teilnahme an dem gefahrenträchtigen Unternehmen, so fehlt es an dem für die Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. BGH NJW 1986, 1865 ). Zwar mögen diese Kriterien auf das Verhalten von Tieren nicht unmittelbar übertragbar sein, da es insoweit einer bewussten Herbeiführung der Selbstgefährdung fehlt. Indes hat die Klägerin als Halterin die Entscheidung getroffen, die Hund zunächst mit dem Beklagten spielen zu lassen und damit die Entscheidung über die Selbstgefährdung getroffen.

2.) Ob sich an dieser Beurteilung etwas ändern würde, wenn die Klägerin den Beklagten – nachdem sie ihn zunächst mit dem Hund spielen ließ – zu einem späteren Zeitpunkt konkret angewiesen hätte, das Spiel zu unterlassen, da dies die Gesundheit des Hundes gefährde, kann dahinstehen. Das Landgericht ist nämlich insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin – die hierfür als für sie günstige Tatsache die Beweislast trägt – dies nicht beweisen konnte.

a) Das Landgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, die Klägerin habe für ihre Behauptung, sie haben dem Beklagten das weitere Spielen mit dem Hund untersagt, keine Beweis angetreten. Sie hat hierzu als Beweis nur ihre informatorische Anhörung angeboten, die aber kein zulässiges Beweismittel ist.

Beinbruch eines Hundes beim Ballspiel - Haftung Ballwerfer
(Symbolfoto: Von nataliajakubcova/Shutterstock.com)

Zwar ergibt sich aus dem Recht der Partei, sich in der Verhandlung persönlich zu äußern (§ 137 IV ZPO) und dem Fragerecht des Gerichts (§ 139 I ZPO) die Möglichkeit der informatorischen Anhörung einer Partei, die vom Gesetz in § 141 I 1 ZPO als Erkenntnisquelle „zur Aufklärung des Sachverhalts“ anerkannt wird. Die Parteianhörung dient zunächst der Klärung und Ergänzung des Sachvortrags. Beweismittel ist die informatorische Anhörung jedoch nicht. Einigkeit besteht aber darüber, dass Erklärungen und Verhalten der Partei bei der Anhörung als Teil des gesamten Inhalts der Verhandlungen frei zu würdigen sind (§ 286 ZPO). Dabei darf das Gericht einer informatorischen Parteierklärung Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen geben. Ob sich das Gericht allein aufgrund einer informatorischen Anhörung der beweispflichtigen Partei davon überzeugen kann, dass deren streitige Behauptung zutrifft, ist umstritten.

Dies kann jedoch dahinstehen, da sich aufgrund der vom Landgericht durchgeführten persönlichen Anhörungen der Parteien keine Überzeugung bilden lässt, die Klägerin habe dem Beklagten diese Art des Spielens und das Weiterspielen untersagt. Die Klägerin hat insoweit in ihrer persönlichen Anhörung zwar ausgesagt, sie habe – als der Beklagte es mit dem Ballspielen übertrieben habe – dem Beklagten gesagt, es würde nun reichen. Sie habe wiederholt darauf hingewiesen, dass sie eine Fortsetzung des Ballspiels nicht mochte. Der Beklagte hat dies in seiner persönlichen Anhörung jedoch in Abrede gestellt, ohne dass für den Senat Anzeichen dafür erkennbar wären, ob die Klägerin oder der Beklagte die Unwahrheit gesagt hat. Bei derart widersprüchlichen informatorischen Anhörungen kann eine Überzeugungsbildung insoweit nicht gelingen.

b) Eine erneute Anhörung der Parteien durch den Senat ist insoweit nicht erforderlich. Wenn das Berufungsgericht den objektiven Beweis- und Erklärungswert von Zeugenaussagen anders als das Erstgericht würdigt, ist die Wiederholung der Beweisaufnahme nicht erforderlich (BGH NJW 1998, 384 ). Dies gilt erst recht, wenn das Berufungsgericht die Aussagen der Parteien erstmals überhaupt würdigt und es sich nur um eine persönliche Anhörung und nicht eine Zeugenvernehmung handelt.

c) Eine Parteivernehmung hat die Klägerin nicht beantragt. Für eine Parteivernehmung von Amts wegen § 448 ZPO lagen mangels Anbeweises die Voraussetzungen nicht vor. Soweit vertreten wird (Zöller/Greger, ZPO, § 141 Rnr. 1 a), der nötige Anbeweis könnte sich aus der informatorischen Anhörung einer Partei ergeben, wenn sie dort eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit ergibt, liegt ein derartiger Fall aus den oben dargestellten Gründen nicht vor, da es an dieser Wahrscheinlichkeit hier fehlt.

2) Das Vorbringen im Schriftsatz der Klägerin vom 22.03.2019 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass das Risiko, sich beim Ballspielen zu verletzen, nicht der Risikosphäre der Klägerin zuzuordnen sei. Der Senat hält weiterhin an seiner Ansicht fest, dass die – für menschliches Verhalten entwickelten – Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung hier erst recht auch für Tiere dergestalt gelten müssen, dass der zur Aufsicht berufene Tierhalter sich das Verhalten des Tieres insoweit zurechnen lassen muss. Es erscheint auch schlechterdings nicht vertretbar, in einer vergleichbaren Situation einen spielenden Hund haftungsrechtlich besser zu behandeln als einen spielenden Menschen.

Soweit die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts und des Senats auch weiterhin mit dem Argument angreift, der Verzicht auf eine Parteivernehmung der Klägerin sei rechtsfehlerhaft, ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Klägerin diese nicht beantragt hat und die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO nicht vorliegen. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass der nach § 448 ZPO nötige „Anbeweis“ auch durch die Bekundungen einer Partei nach § 141 ZPO zu begründen sein kann. Jedoch ist auch hier erforderlich, dass die Anhörung der Partei – auch im Verhältnis zur Anhörung der Gegenpartei – eben eine gewisse Wahrscheinlichkeit ergibt, dass also die Aussage der einen Partei glaubhafter ist als die der anderen Partei. Ansonsten würden die strengen Anforderungen an die Parteivernehmung umgangen. An einer solchen gewissen Wahrscheinlichkeit fehlt es hier. Es ist nicht erkennbar, dass für Richtigkeit der Version der Klägerin oder des Beklagten mehr oder weniger spricht.

Im Übrigen ist im Rahmen von § 448 ZPO zu berücksichtigen, dass für die Ausübung des Ermessens insbesondere von Bedeutung ist, ob von einer Parteivernehmung die Ausräumung von Restzweifeln überhaupt zu erwarten wäre. Dies beurteilt sich nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit, die bereits für die zu beweisende Behauptung spricht, einerseits und dem voraussichtlichen Überzeugungswert der Parteiaussage andererseits. Es ist nach Ansicht des Senats nicht zu erwarten, dass die Parteien sich in einer förmlichen Parteivernehmung anders äußern würden als in der vom Landgericht vorgenommenen Parteianhörung.

Soweit die Klägerin auf die Fundstelle bei Zöller/Greger, ZPO, § 141, Rnr. 1 verweist, wonach es einer förmlichen Beweisaufnahme bedarf, wenn die von der beweisbelasteten Partei in einer Anhörung nach § 141 ZPO aufgestellten Behauptungen vom Gegner bestritten werden, ist auch dort festgehalten, dass im Falle einer Parteivernehmung von Amts wegen eben auch deren Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Keinesfalls kann eine „unentschiedene“ Anhörung nach § 141 ZPO das Gericht zwingen, von Amts wegen nach § 448 ZPO eine Parteivernehmung beider Parteien durchzuführen.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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