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Kündigungsschutzklage – Falsche Beklagtenbezeichung

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 2 AZR 136/03

Urteil vom 12.02.2004


Das Bundesarbeitsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom XX für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Juni 2002 – 7 Sa 167/02 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine ordentliche, auf verhaltensbedingte Gründe gestützte Kündigung der Beklagten.

Die Klägerin trat im Jahre 1995 in die Dienste der Beklagten, die ein Unternehmen der Systemgastronomie betreibt. Als sog. Rotationsmitarbeiterin erzielte die Klägerin zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 2.100,00 DM.

Die Beklagte firmiert als H KG. Persönlich haftender Gesellschafter ist Herr F. Der Sitz des Unternehmens ist in K. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. August 2001 fristgerecht zum 30. September 2001. Mit der am 23. August 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ua. die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht. In der Klageschrift ist als Beklagte die – als Schwestergesellschaft der Beklagten existierende – „F GmbH, vertr. d. d. GF: , , K“ angegeben. Der Klage beigefügt waren eine Vollmacht der Klägerin „in Sachen … gegen H KG“, eine Ablichtung der die Firma der Beklagten und als ihren „Geschäftsführer: F“ ausweisenden Kündigung und eine Ablichtung eines Teils des Arbeitsvertrages. Mit einem am 16. Oktober 2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz bat die Klägerin um Berichtigung des Beklagtenrubrums. Durch ein Büroversehen sei die Beklagte in der Klageschrift als GmbH statt als KG bezeichnet worden.

Die Klägerin ist der Auffassung, es habe von Anfang an kein Zweifel darüber bestehen können, dass die Klage gegen die Beklagte gerichtet sei. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17. August 2001 nicht beendet wird, und

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Kassiererin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei nach §§ 4, 7 KSchG nicht als sozial ungerechtfertigt anzusehen. Die Klage sei gegen die Beklagte verspätet erhoben worden. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung ergebe sich aus trotz mehrfacher Abmahnungen fortgesetzten Verhaltensmängeln.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung gelte nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Die Klage sei zunächst gegen die GmbH erhoben worden. Die in der Klageschrift erfolgte Bezeichnung der GmbH als Beklagter sei nicht mehrdeutig, zumal die GmbH eine tatsächlich existierende juristische Person sei. Eine Auslegung im Sinne der Klägerin komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe mit ihrem Schriftsatz vom 15. Oktober 2001 keine bloße Berichtigung des Passivrubrums angezeigt, sondern einen gewillkürten Parteiwechsel erklärt.

B. Dem folgt der Senat nicht. Die Kündigung ist nicht nach § 7 KSchG rechtswirksam. Ob sie sozial ungerechtfertigt ist, wie die Klägerin geltend macht, kann noch nicht beurteilt werden.

I. Die Kündigungsschutzklage ist innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhoben worden.

1. Sie richtete sich von Anfang an gegen die Beklagte, die F KG. Das ergibt, wie die Revision zu Recht geltend macht, die Auslegung der Klageschrift.

a) Die Parteien eines Prozesses werden vom Kläger in der Klageschrift bezeichnet. Ist die Bezeichnung nicht eindeutig, so ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist entgegen der Auffassung der Revision grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (so schon BGH 24. Januar 1952 – III ZR 196/50 – BGHZ 4, 328; 28. März 1995 – X ARZ 255/95 – LM ZPO § 36 Ziff. 6 Nr. 39). Die Auslegung der in der Klageschrift enthaltenen prozessualen Willenserklärungen ist uneingeschränkt auch im Revisionsverfahren möglich (BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 55/01 – EzA KSchG nF § 4 Nr. 63). Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Entscheidend ist die Wahrung der rechtlichen Identität. Bleibt die Partei nicht dieselbe, so liegt keine Parteiberichtigung vor, sondern es wird im Wege der Parteiänderung eine andere Partei in den Prozess eingeführt. Dagegen ist die ungenaue oder falsche Parteibezeichnung unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden (zB BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 55/01 – EzA KSchG nF § 4 Nr. 63; 15. März 2001 – 2 AZR 141/00 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG nF § 4 Nr. 61; 13. Juli 1989 – 2 AZR 571/88 – RzK I 8h Nr. 6; Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. vor § 50 Rn. 7 jeweils mwN).

b) Ergibt sich in einem Kündigungsschutzprozess etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, so liegt eine nach § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitige Klage auch dann vor, wenn bei Zugrundelegung des bloßen Wortlauts der Klageschrift eine andere Person als Partei in Betracht zu ziehen wäre (BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 55/01 – EzA KSchG nF § 4 Nr. 63). Auch im Hinblick darauf, dass die durch das Grundgesetz gewährleisteten Verfassungsgarantien es verbieten, den Zugang zu den Gerichten in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren, darf die Klageerhebung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs für irrtümliche Bezeichnungen der Parteien oder des angefochtenen Urteils in Berufungsschriften (vgl. BVerfG 9. August 1991 – 1 BvR 630/91 – NJW 1991, 3140; BGH 19. Februar 2002 – VI ZR 394/00 – NJW 2002, 1430). Dies gilt auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist.

c) Gemessen an diesen Grundsätzen richtete sich die Klage von Anfang an gegen die Beklagte. Die Parteien streiten nicht darüber, dass von Anfang an stets nur die Beklagte Arbeitgeberin der Klägerin war. Allein die Beklagte hatte die Kündigung ausgesprochen. In der Klageschrift wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Dass die Unwirksamkeit dieser Kündigung gegenüber einer anderen Partei als der Arbeitgeberin geltend gemacht werden sollte, lag außerordentlich fern. Zusätzlich ergibt sich aus der der Klage beigefügten Vollmacht, dass die Klage sich gegen die KG, also die Arbeitgeberin richten sollte. Etwaige letzte Zweifel an diesem an sich eindeutigen Befund wurden durch das der Klage beigefügte Kündigungsschreiben ausgeräumt, das die Beklagte als Kündigende auswies. Es bestand jeder Anlass zu der Annahme, dass nur die Beklagte und nicht die in keiner Verbindung zum Arbeitsverhältnis stehende GmbH es war, mit der die Klägerin in einen Rechtsstreit eintreten wollte.

2. Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO wurde bereits durch die Einreichung der Klageschrift am 23. August 2001 die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt, da die Zustellung demnächst erfolgt ist.

Zwar erfolgte die Zustellung an die GmbH. Deren Geschäftsführer war jedoch personenidentisch mit dem persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten.

Es war damit sichergestellt, dass der Beklagten bzw. dem auch für sie vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH mit Zustellung der Klage an die GmbH die Tatsache der Klageerhebung bekannt wurde. Damit war dem Sinn der Klagefrist des § 4 KSchG Genüge getan. Durch die Frist soll erreicht werden, dass der Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung weiß, ob ein Kündigungsschutzverfahren auf ihn zukommt (v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 4 Rn. 2 mwN). Dieser Zweck ist auch dann erreicht, wenn der persönlich haftende Gesellschafter einer KG von der Klageerhebung in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer Schwestergesellschaft Kenntnis erlangt. Dem entspricht es, dass nach §§ 187, 171 ZPO die Zustellung an eine Person, die in doppelter Eigenschaft tätig wird, auch dann als wirksam angesehen wird, wenn in dem zuzustellenden Schriftstück nicht die für den Rechtsakt maßgebende, sondern die weitere Eigenschaft angesprochen wird (BGH 10. März 1960 – II ZR 56/59 – BGHZ 32, 114). Im gleichen Sinne hat der Bundesgerichtshof die Frage erörtert, ob die Zustellung eines Mahnbescheids an eine GmbH die Verjährung von Forderungen gegen eine KG nach § 209 BGB aF unterbricht, wenn der Geschäftsführer der GmbH zugleich Komplementär der KG ist (BGH 7. Mai 1991 – XII ZR 146/90 – NJW-RR 1991, 1033). Auch im Falle des § 209 BGB aF rechtfertigt sich die Unterbrechungswirkung – wie im Falle des § 4 KSchG die Verhinderung der in § 7 KSchG angeordneten Folge – daraus, dass dem Schuldner der Rechtsverfolgungswille des Gläubigers deutlich wird.

II. Ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, kann noch nicht beurteilt werden. Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Standpunkt aus zu Recht – den Vortrag der Parteien zur Frage der von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe nicht gewürdigt und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Deshalb muss der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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