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Gewährung von Bekleidungshilfe

VERWALTUNGSGERICHT TRIER

Az.: 6 K 1461/00.TR

Urteil vom 20.09.2001


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Hilfe zum Lebensunterhalt (Bekleidungsbeihilfe)

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2001, für Recht  erkannt

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin hat die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrag abzuwenden, wenn diese nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

T a t b e s t a n d

Die Klage ist auf die Gewährung einer Bekleidungsbeihilfe gerichtet.

Die Klägerin, die seit November 1999 von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, beantragte mit Schreiben vom 28. November 1999 – eingegangen am 01. Dezember 1999 – die Gewährung einer Bekleidungsbeihilfe für einen Wintermantel, ein paar Winterschuhe, ein Paar Hausschuhe, einen Schal, einen Morgenmantel, diverse Unterwäsche, Strümpfe, eine Winterhose und einen Pullover.

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 05. Januar 2000 unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung darauf hin, dass es keinen regelmäßigen Anspruch auf ladenneue Oberbekleidung gebe, und forderte sie auf, mindestens zwei Kleiderkammern der freien Wohlfahrtsverbände aufzusuchen um zu prüfen, ob ihr Bedarf durch deren Inanspruchnahme gedeckt werden könne. Die Beihilfe für Schuhwerk werde gemeinsam mit der Beihilfe für den durch die Kleiderkammern nicht zu deckenden Bedarf gewährt. Dem Bescheid war ein Berechtigungsschein beigefügt, aufgrund dessen unter anderem ein Pullover, ein Rock bzw. eine Hose, ein Mantel bzw. eine Jacke, ein Morgenmantel sowie ein Schal an die Klägerin hätten ausgegeben werden dürfen.

Die Klägerin erhob Widerspruch gegen diesen „Bescheid“, wobei sie ihrerseits auf obergerichtliche Rechtsprechung verwies, nach der es unzulässig sei, einen Hilfebedürftigen auf die Inanspruchnahme von Kleiderkammern zu verweisen. Zudem habe sie nicht einmal Bargeld für den Kauf von Winterschuhen und Unterwäsche erhalten.

Durch Widerspruchsbescheid vom 04. September 2000 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. In der Begründung heißt es im wesentlichen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung von Kleidergeld für Oberbekleidung. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei es einem Hilfesuchenden zuzumuten, gebrauchte Oberbekleidung zu tragen, so dass er auf Kleiderkammern verwiesen werden könne. Erst wenn dort die benötigten Kleidungsstücke nicht vorhanden seien, könne der Hilfeempfänger eine einmalige Beihilfe in Form einer Geldzuwendung erhalten. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin den Antrag auf Bekleidungsbeihilfe bereits im ersten Monat des Hilfeempfangs gestellt habe und üblicherweise der Bekleidungsbedarf in diesem Stadium noch gedeckt sei. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 30. September 2000 zugestellt.

Mit der am 30. Oktober 2000 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie dürfe nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg nicht auf die Inanspruchnahme von Kleiderkammern verwiesen werden dürfen. Die davon abweichende Rechtsprechung sei angesichts des heutigen sozialen Empfindens überholt. Das Tragen gebrauchter Kleider verletze ihr Ehrgefühl, zumal es in krassem Missverhältnis zu ihrer bisherigen Lebensweise stehe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2000 zu verpflichten, ihr gemäß ihrem Antrag vom 28. November 1999 eine einmalige Beihilfe für die Anschaffung eines warmen Wintermantels, eines Schals, eines Morgenmantels, einer Winterhose und eines Pullovers als Geldleistung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.

Die Kammer hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 15. Januar 2001 abgelehnt. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Beschwerde ist durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 2001 (12 E 10198/01.OVG) abgelehnt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen.

En t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, ihr eine Geldleistung zur Anschaffung der benötigten Oberbekleidung zu bewilligen, ohne dass sie zuvor versucht hat, ihren Bedarf bei den Kleiderkammern der freien Wohlfahrtsverbände zu decken (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Zur Begründung nimmt die Kammer auf die Gründe ihres Beschlusses vom 15. Januar 2000, mit dem sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, sowie die Gründe des hierzu ergangenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 2001 (vgl. o.) Bezug, in dem es heißt:

„Die Bewilligung der Bekleidungsbeihilfe in Form einer Sachleistung, nämlich der Berechtigung, von einer Kleiderkammer gebrauchte und gereinigte Oberbekleidung zu erhalten, ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 4 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz – BSGH – entscheidet die Beklagte nach ihrem Ermessen., in welcher Form die Hilfeleistung erbracht wird. Dieses Ermessen wird in aller Regel sachgerecht durch das Angebot ausgeübt, fehlende Oberbekleidung aus dem Bestand der Kleiderkammer – soweit dort vorhanden – auszuwählen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gebietet die Achtung ihrer Menschenwürde nicht grundsätzlich die Gewährung von Geldmitteln zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs an Oberbekleidung. Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 15. April 1986, FEVS 36, 327 [328]) entschieden, dass der notwendige Lebensunterhalt im Regelfall nicht gebrauchte, sondern (laden-)neue Kleidung umfasst. Zur Begründung hat es ausgeführt, es entspreche mittlerweile auch in ärmeren Bevölkerungsschichten den herrschenden Lebensgewohnheiten, regelmäßig nur ladenneue Bekleidung zu tragen (ähnlich: Fichtner, BSHG, 1999, § 12 Rdnr. 34; einschränkend: Mergler/ Zink, BSHG, 4. Aufl. 1999, § 12 Rdnr. 25 c). Demgegenüber hat der Senat in seinem Beschluss vom 2. Februar 1987 – 12 B 4/87 – entschieden, dass der Verweis eines Hilfeempfängers auf‘ gebrauchte Kleidung nicht mit der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG niedergelegten Aufgabe der Sozialhilfe kollidiert, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Es stehe – so der Senat weiter – nicht im krassen, das Ehrgefühl des Betroffenen verletzenden Missverhältnis zu der üblichen Lebensweise. Das Besteinen von Gebrauchtkleiderläden (Second-Hand-Shops) und von Tauschzentralen zeige, dass das Tragen gebrauchter Bekleidung allgemein weder als eine unzumutbare Belastung des Selbstwertgefühls des Einzelnen gewertet werde, noch die Gefahr bestehe, dass sich der Hilfeempfänger mit gebrauchter Kleidung äußerlich negativ von der übrigen Bevölkerung abhebe. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen fest (so auch OVG Saarlouis, Beschluss vom 27. Juli 1990, FEVS 41, 71 [74 f.]; ähnlich VGH Mannheim, Urteil vom 16. März 1994, FEVS 45, 258 [259]; OVG Münster, Beschluss vom 20. August 1990, FamRZ 1991, 247; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 12 Rdnr. 26 f.). Auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. März 1991, FEVS 41, 397, 399) kann eine Bestätigung dieser Auffassung entnommen werden; im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Hilfeempfänger auf eine gebrauchte Matratze verwiesen werden kann, hat es aus der erwähnten Aufgabenstellung der Sozialhilfe nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG gefolgert, dass bei der Hilfegewährung auf die jeweils herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen Rücksicht zu nehmen ist und die Hilfe es ihrem Empfänger ermöglichen soll, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Nur – so heißt es in dieser Entscheidung weiter – im Rahmen dessen, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens gehört, muss die Sozialhilfe dem Hilfeempfänger Lebensgewohnheiten und Lebensumstände der übrigen Bevölkerung und eine Gleichstellung mit ihr ermöglichen.“

Da die Klage nach alledem keinen Erfolg -hat, hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art gemäß §188 VwGO nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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