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Beleidigung – Kündigung (außerordentliche) – „leck mich am Arsch“

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 6 Sa 143/07

Urteil vom 25.05.2007


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 07. Februar 2007 – 10 Ca 2187/06 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2006.

Der am 19. Juni 1974 geborene Kläger, der ledig ist und keine Unterhaltspflichten hat, wurde seit 02. Januar 2005 von der Beklagten als Produktionshelfer mit einem Stundenlohn von 7,50 EUR und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,75 Stunden beschäftigt.

Die Beklagte, die sich mit Wurstherstellung befasst, hat ca. 600 Arbeitnehmer.

Der mit dem Kläger am 02. Dezember 2004 geschlossene Arbeitsvertrag enthält in § 3 folgende Regelung:

„…
Sofern aus betrieblichen Gründen Überstunden notwendig sind, kann der Arbeitgeber Mehrarbeitsstunden von bis zu vier Schichten im Monat anordnen.
…“

Am 25. Oktober 2006 wurde der Kläger vom Geschäftsführer zur Leistung von Überstunden im Beisein weiterer Arbeitskollegen aufgefordert. Hierbei kam es zu einer verbalen Reaktion des Klägers. Diese nahm die Beklagte zum Anlass den Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 – Zugang 28. Oktober 2006 – fristlos zu kündigen.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 01. November 2006 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2006 nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen als Produktionshelfer weiter zu beschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagten haben erstinstanzlich,

Klageabweisung
beantragt und erwidert, die fristlose Kündigung sei begründet, da der Kläger am 25. Oktober 2006 zu den Mitgeschäftsführer S. gesagt habe: „Ich mache keine Überstunden, leck mich am Arsch“.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen T. und K..

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Akteninhalt (Bl. 26 – 33 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 07. Februar 2007
– 10 Ca 2187/06 – die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 27. Oktober 2006 sowie auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünde fest, dass der Kläger den Mitgeschäftsführer der Beklagten mit den Worten: „Chef, Arsch lecken, ich hab keine Zeit“, grob beleidigt habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt daran zu zweifeln, dass der Kläger den Mitgeschäftsführer gesehen habe, der hinter der Zeugin T. gestanden habe. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Die Interessenabwägung ginge zu Lasten des Klägers aus. Es bestände auch kein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils (Bl. 37 – 42 d. A) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 19. Februar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Februar 2007 eingelegte und am 19. April 2007 begründete Berufung.

Der Kläger bringt zweitinstanzlich weiter vor, die erstinstanzliche Entscheidung habe unberücksichtigt gelassen, dass im Betrieb ein rauer Umgangston herrsche. Als eine zeitweise Überlastung vorgelegen habe und der Kläger zum schnelleren Arbeiten aufgefordert worden sei, habe der Beklagte entgegnet, dass er ihm – den Kläger – einen „Arschtritt verpasst“. Er – der Kläger – habe sich im Affekt geäußert, ohne seinen Gegenüber direkt anzusprechen. Keinesfalls habe er geäußert: „Du bist ein Arschloch“. Es sei eine allgemeine Äußerung im Rahmen eines Selbstgesprächs gewesen. Für die fristlose Kündigung sei zudem eine Abmahnung erforderlich.

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 19. April 2007 (Bl. 57 – 58 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat zweitinstanzlich beantragt,

der Klage vom 01. November 2006 unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 07. Februar 2007 stattzugeben.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert, die Behauptungen des Klägers zum Umgangston und entsprechenden Äußerungen der Beklagten seien falsch. Die zum Gegenstand der Kündigung gemachte Beleidigung des Klägers sei nicht nur im Vier-Augen-Gespräch, sondern vor Mitarbeitern erfolgt. Eine Abmahnung sei unzumutbar. Im übrigen habe der Kläger am 17. November 2005 und 20. Juni 2006 Abmahnungen erhalten.

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2007 (Bl. 63 – 65 d. A.) und sämtliche vorgelegten Unterlagen sowie die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 25. Mai 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft.

Die Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 27. Oktober 2006 – Zugang 28. Oktober 2006 – beendet worden ist.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 69 Abs. 2 ArbGG auf den diesbezüglich begründeten Teil des angefochtene Urteils des Arbeitsgerichts Mainz Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht unter Übernahme der Entscheidungsgründe hier von einer weiteren Darstellung ab.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer sind folgende Ergänzungen veranlasst:

1.

Soweit die Berufung beanstandet, erstinstanzlich sei unberücksichtigt geblieben, dass im Betrieb ein rauer Umgangston herrsche und weiter, als eine zeitweise Überlastung vorgelegen habe und der Kläger zum schnelleren Arbeiten aufgefordert worden sei, der Beklagte entgegnet habe, dass er ihm – dem Kläger einen „Arschtritt verpasst“, vermag dies zu keiner anderen vom Arbeitsgericht abweichenden Bewertung des wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung zu führen. Unabhängig davon, dass diese Behauptungen der Berufung von der Beklagtenseite als falsch bezeichnet wurden, fehlt es zivilprozessual an ausreichenden nachvollziehbaren Einzelheiten und Daten zu den vom Kläger behaupteten Tatsachen. Es sind keine Gründe erkennbar, aus denen sich zur Arbeitsatmosphäre im Betrieb der Beklagten Feststellungen treffen ließen, die die Behauptungen des Klägers belegen. Dies gilt unabhängig davon, dass dieser Vortrag nicht mit rechtzeitigen ordnungsgemäßen Beweisantritt versehen war.

Auch die weiteren Angriffe der Berufung, wonach sich der Kläger im Affekt und im Wege eines Selbstgespräches geäußert habe, sind durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme widerlegt. Novenrechtlich beachtliche neue Tatsachen, die hier zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme führen müssten, sind hierzu nicht vorgetragen.

2.

Soweit die Auffassung vertreten wird, dass im vorliegenden Fall eine Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nötig gewesen sei, folgt dem die Kammer für den vorliegenden Fall nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. u. a. BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 -) können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, die nach Form und Inhalt einer erheblichen Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Zutreffend ist allenfalls, dass nach dem „ulitima-ratio-Prinzip“ eine außerordentliche Kündigung nur zulässig ist, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen milderen Mittel, die geeignet sind, das in der bisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen, erschöpft sind (vgl. BAG, Urteil vom 09. Juli 1998 – 2 AZR 201/98 = EzA Nr. 1 zu § 626 BGB, Krankheit). Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Differenzierung zwischen Leistungs- und Vertrauensbereich den Erfordernissen einer vorherigen Abmahnung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher bemisst ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2001 – 2 AZR 30/00 = EzA Nr. 7 zu § 626 BGB Unkündbarkeit), so berechtigt ein Fehlverhalten im personalen Vertrauensbereich eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht erwarten lässt (vgl. BAG, Urteil vom 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 = AP Nr. 150 zu § 626 BGB). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall.

Nach den Feststellungen im arbeitgerichtlichen Urteil hat der Kläger den Mitgeschäftsführer der Beklagten im Beisein der Zeugin schwer beleidigt. Diese Beleidigung erhält insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet hatte, aus betrieblichen Gründen Überstunden zu leisten, besonderes Gewicht. Insofern liegt rechtlich auch eine angekündigte Arbeitsverweigerung vor; dieser Aspekt spricht zusätzlich gegen die Notwendigkeit einer Abmahnung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend gesehen.

3.

Weitere Angriffe der Berufung auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts zu einem nicht gegebenen Zwischenzeugnisanspruch und zur Weiterbeschäftigung fehlen.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 52 Abs. 2 ArbGG keine Notwendigkeit.

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