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Beleidigungen im Gästebuch – Erstattung von Anwaltskosten

 LANDGERICHT DÜSSELDORF

Az.: 2a O 312/01

Verkündet am 14.8.2002


In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2002 für Recht erkannt:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 12.9.2001, Az. 2 a 0 109/00, wird in Höhe eines Betrages von € 248,62 (DM 486,25) für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Klägerin wurde mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.9.2001 (Anlage K1, BI.7 GA) auf Grund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 25.10.2000 – 2 a 0 109/00 – und des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.2.2001 – 20 U 109/00 – die Kostenerstattung in Höhe von DM 855,12 zugunsten der Beklagten auferlegt. In jenem Rechtsstreit stritten die Parteien über die Erstattungsfähigkeit einer anwaltlichen Kostennote des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Herrn Rechtsanwalt, aus einer markenrechtlichen Abmahnung wegen angeblicher Markenrechtsverletzung der eingetragenen Marke „Explorer,,. Die Klägerin unterlag in vollem Umfang.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin betrieb in der Vergangenheit zahlreiche markenrechtliche Abmahnverfahren, die für Aufsehen in der Computerszene sorgten und die in den einschlägigen Foren im Internet heftig diskutiert wurden. In zahlreichen Beiträgen wurde dieser heftig beschimpft und ihm der Tod gewünscht bzw. zu dessen Tötung aufgerufen.

Die Beklagte, die Inhaberin der Domain „cxxxxx.de,, ist und unter dieser Adresse eine eigene Homepage betreibt, führt dort auch ein „Gästebuch,,, in dem sich Besucher der Homepage eintragen können. Hierzu ist ihre Homepage mit einem Anbieter von Gästebüchern verlinkt. Die Beklagte hat diesbezüglich auf der Homepage folgenden Vermerk geschaltet:

„Falls ich auf meinen Seiten irgendwelche Rechte – ob Markenrechte oder Wer-weiss-was oder „geistiges Eigentum,, oder Copyrights verletzen sollte, so geschieht dies ohne mein Wissen und ohne Absicht.! Es reicht eine kurze E-Mail und ich entferne Was-auch-immer von meinen Seiten!

Dies gilt ebenso für Einträge in mein Gästebuch, falls dort personenbezogene Beleidigungen geäußert werden sollten oder sonstige unerlaubte Links oder Bemerkungen hineingetippt werden!„

In dem Gästebuch fanden sich auch Beiträge zu dem Abmahnverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Unter der laufenden Nr. 160 des Gästebuches schrieb eine sich als „Freidepp von Graventröttel,, aus „Grafenreuth,, bezeichnende Person am 27.10.2000 :

„also ich würde diesem Herr gerne mal eine andere version des explorers zukemmen lassen, den explodierer sozusagen, ich hasse den mann, kohle verdienen auf anderer leute kosten, er ist und bleibt ein A…..achwas ein ARSCHLOCH halt, und das ist freie meinungsäusserung,,.

Unter der laufenden Nr. 168 des Gästebuches schrieb ein aus Forstern am 14.12.2000 folgenden Text:

„Hallo zusammen,

durch reinen Zufall bin ich auf Deine Site gekommen und habe mir nach dem Lesen Deiner Information bzgl. Abmahnverein/Anwalt überlegt, ob ich darauf reagieren soll…. Ich habe für diese Art Zeitgenossen (das Wort Genosse ist eigentlich falsch, denn darunter stellt man sich eher einen Menschenfreund vor) eine eigene Methode entwickelt, die solche Parasiten sehr schnell zum Schweigen bringt. Leider darf ich in der Öffentlichkeit nicht darauf eingehen, ich könnte sonst aus gewissen Gründen verklagt werden.

Mich würde der Name dieses „Anwalts“ interessieren, denn wenn er aus dem Süddeutschen ist, könnte man ihn ja durchaus aufsuchen.ff,,.

Zum Zeitpunkt dieser Einträge hatte die Beklagte ca. 170 Einträge auf dem Gästebuch, im Januar 2002 waren es 225 Einträge.

Mit Schreiben vom 3.3.2001 (Anlage K 2, Bl. 12 GA) forderte Herr Rechtsanwalt die Beklagte auf, die gegen ihn gerichteten Beiträge binnen 3 Tagen zu löschen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte unmittelbar nach.

Mit Schreiben vom 16.10.2001 verlangte die Beklagte von der Klägerin die Bezahlung der gegen sie festgesetzten Kosten. Daraufhin stellte Herr Rechtsanwalt der Beklagten mit Schreiben vom 24.10.2001 (Anlage K 2, Bl.10f. GA) für die Löschungsaufforderung vom 3.3.2001 Kosten in Höhe von DM 1.007,81 in Rechnung, wobei er einen Streitwert von DM 30.000,– und eine 7,5/10 Geschäftsgebühr gemäss § 11,118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zugrundelegte. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage K 2, Bl. 11 GA Bezug genommen. In diesem Schreiben erklärte er die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche im Umfang der titulierten Kosten des Verfahrens vor dem LG/OLG Düsseldorf an die Klägerin und erklärte die Aufrechnung mit den im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.9.2001 festgesetzten Verfahrenskosten. Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 25.10.2001 (Anlage K 5, BI.20 GA) mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden und forderte die Begleichung der festgesetzten Kosten unter der Ankündigung ansonsten Zwangsvollsteckungsmaßnahmen einzuleiten. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung mit dem Abmahnkostenerstattungsanspruch teilweise für unzulässig zu erklären.

Die Klägerin ist der Ansicht: Ihr stehe aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu. Die beanstandeten Äußerungen enthielten Mordaufrufe bzw. die Aufforderung zu einer Straftat und seien beleidigend. Der Beitrag Nr. 168 sei in einer Wortwahl gefasst, welche der NS-Propaganda-Minister Dr. Goebbels für Juden verwendet habe. Die Äußerungen seien nicht von Art. 5 GG gedeckt.

Da die Beklagte die Gästebucheinträge über Monate nicht beseitigt habe, sei von einer Duldung der Beiträge auszugehen. Die Beklagte müsse sich den Inhalt des Gästebuchs als eigenen zurechnen lassen. Sie sei verpflichtet gewesen, ihr Gästebuch regelmäßig auf offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu überprüfen und diese zu löschen. Der Warnhinweis sei ohne rechtliche Wirkung. Dies entspreche auch der Haftung der Presse für Publikationen von Dritten.

Sie behauptet: Sie habe DM 900,- an ihren Prozessbevollmächtigten bezahlt, welcher die Aufrechnungsforderung an sie abgetreten habe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf insgesamt für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hatte sie sich auch auf Schmerzensgeldansprüche aus abgetretenem Recht ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von DM 855,12 berufen, welche sie aber nach ausdrücklicher Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 10.7.2002 nicht mehr geltend macht.

Unter Rücknahme der Klage im übrigen beantragt die Klägerin nunmehr, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Düsseldorf vom 12.9.2001, Az. 2a 0 109/00, in Höhe eines Betrages von DM 486,25 für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht: Ein aufrechenbarer Erstattungsanspruch bestehe nicht. Durch die Abmahnung sei kein Kostenerstattungsanspruch entstanden. Sie habe weder einen Rechtsverstoß gegen den klägerischen Prozessbevollmächtigten geduldet, noch habe sie sich mit der Löschung in Verzug befunden. Die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs ziehe noch keinen Kostenerstattungsanspruch nach sich.

Die beanstandeten Gästebucheintragungen seien als Meinungsäußerungen zu bewerten und daher rechtmäßig. Hinter dem Recht auf freie Meinungsäußerung habe das Persönlichkeitsrecht zurückzutreten, wenn Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Gegenstand der Auseinandersetzung seien. Der Gästebucheintrag Nr. 160 sei offenkundig nicht ernst gemeint und habe einen eindeutig satirischen Einschlag, was sich auch aus der Bezeichnung des Autors ergebe. Der Autor bringe seine persönliche Auffassung zum Ausdruck, die erkennen lasse, dass er auf Herrn außerordentlich wütend sei. Sicherlich gehe es zu weit, wenn der Autor diesen dann anschließend in Großbuchstaben als „ARSCHLOCH,, bezeichne. Der Begriff „Parasit,, werde nicht nur in der Biologie, sondern auch von Fr. Schiller in seiner Komödie „Der Parasit,, für einen listigen, vor keiner Intrige zurückschreckenden Staatsdiener verwendet, der keine Gelegenheit auslasse, kleine und große Schwächen seiner Mitmenschen zum eigenen Vorteil auszunutzen. Die Kennzeichnung des Abmahnverhaltens des klägerischen Prozessbevollmächtigten als „parasitär,, liege noch im Rahmen des Erlaubten.

Die Beklagte behauptet, sie identifiziere sich nicht mit der Meinung der Gästebuch-Autoren. Sie habe erst mit Erhalt des Schreibens vom 3.3.2001 von diesen Einträgen Kenntnis genommen.

Sie ist der Ansicht, die Abtretung sei nicht wirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsanspruch des Landgerichts Düsseldorf- 2 a 0 109/00 – vom 12.9.2001 ist in Höhe eines Teilbetrages von € 248,62 (= DM 486,25) unzulässig.

Dem titulierten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten steht in dieser Höhe die Einwendung der Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB entgegen, nachdem die Klägerin im anwaltlichen Schreiben vom 24.10.2001 mit dem an sie abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten bezüglich der beanstandeten Gästebucheintragungen bzw. zumindest in der Klageschrift die Aufrechnung erklärt hat.

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l.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten, die aufgrund der Abmahnung vom 3.3.2001 in Bezug auf die beleidigenden Gästebucheintragungen Nr. 160 und 168 entstanden sind, unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 683 BGB zu.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Abtretung des Erstattungsanspruchs von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt, an die Klägerin gemäß § 398 BGB wirksam. Zwar setzt die wirksame Abtretung einen entsprechenden Vertrag zwischen den Parteien voraus. Ein solcher ist jedoch grundsätzlich formfrei und kann auch stillschweigend erfolgen (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 398 RN 7). In dem Schreiben vom 24.10.2001 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Herr, ausdrücklich die Abtretung seiner Kostenerstattungsansprüche an die Klägerin erklärt. Zwar fehlt es in diesem Schreiben an einer entsprechenden Annahmeerklärung der Klägerin. Diese liegt aber spätestens in der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin im Rahmen der erhobenen Vollstreckungsgegenklage. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ohne deren Vollmacht Klage erhoben hat, hat die Beklagte nicht gerügt, § 88 Abs. 1 ZPO.

2.

Der Gegenanspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 683 BGB ist auch wirksam entstanden. Die Beklagte ist von Herrn Rechtsanwalt zu Recht abgemahnt worden. Dieser konnte gemäß §§ 823,1004 BGB, 5 Abs. 1 TDG a.F. von der Beklagten Unterlassung der Duldung bzw. Verbreitung sowie Löschung der ehrverletzenden Äußerungen in den Einträgen Nr. 160,168 verlangen. Es lag daher im Interesse der Beklagten, dass Herr Rechtsanwalt ihr durch das Aufforderungsschreiben vom 3.3.2001 Gelegenheit gab, die gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche durch Löschung der Einträge abzuwenden.

a)

Die Beklagte ist als Diensteanbieterin gemäß § 5 Abs.1 TDG a.F. nach den allgemeinen Gesetzen, mithin auch nach dem BGB, für die Eintragungen in dem über ihre Homepage zur Verfügung gestellten Gästebuch verantwortlich. Das Teledienstegesetz findet vorliegend Anwendung. Die Beklagte ist Diensteanbieterin iSv § 5 TDG a.F. denn sie hält nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 TDG als natürliche Person Teledienste zur Nutzung bereit, indem sie über ihre Homepage für Dritte die Möglichkeit bietet, sich in ihr Gästebuch mit jedweden Beiträgen einzutragen. Unter Teledienste sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Angebote im Bereich der Individualkommunikation bzw. gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Angebote zur Kommunikation, soweit nicht die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht, zu verstehen. Ersteren unterfallen unter anderem Meinungsforen (Beucher, Leyendecker, von Rosenberg, Mediengesetze, 1999, § 2 TDG, RN 4), wozu auch das vorliegende Gästebuch gehört, letzteren auch Homepages, da es sich dabei um Anzeigen handelt (Beucher, Leyendecker, von Rosenberg, aaO., RN 6).

b)

Die Beklagte hat die beanstandeten Gästebucheintragungen als eigene Inhalte iSv § 5 Abs.1 TDG a.F. zur Nutzung bereit gehalten. Unstreitig hat zwar nicht die Beklagte, sondern haben unbekannte Dritte die beanstandeten Äußerungen in das Gästebuch eingestellt, so dass es sich grundsätzlich um fremde Inhalte handelt. Dennoch greift vorliegend das Haftungsprivileg des § 5 Abs. 2 TDG a.F. nicht. Nach dieser Vorschrift ist der Diensteanbieter für fremde Inhalte nur dann verantwortlich, wenn er von diesen Inhalten positive Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern. Zwar hat die Beklagte behauptet, sie habe erst mit dem Schreiben vom 3.3.2001 Kenntnis von den Einträgen erhalten. Soweit die Klägerin dies bestreitet und diverse Internetauszüge vorlegt, aus denen sich die regelmäßige Aktualisierung der Homepage der Beklagten ergibt, kann aus diesen Unterlagen noch nicht zwingend auf eine positive Kenntnis der Beklagten von den Gästebucheintragungen geschlossen werden. Eine Haftung der Beklagten käme danach nicht in Betracht. Vorliegend geht das Gericht jedoch davon aus, dass sich die Beklagte die fremden Inhalte durch deren Duldung zu eigen gemacht hat, so dass es bei der Haftung nach § 5 Abs.1 TDG a.F. verbleibt.

Wie sich aus den von der Klägerin als Anlage K 8 vorgelegten Auszügen aus der Homepage der Beklagten ergibt, hat diese regelmäßig über das Abmahnverhalten des Herrn im allgemeinen und über den zwischen den Parteien schwebenden Rechtsstreit berichtet. Insoweit trägt sie selbst vor, dass das Abmahnverhalten für Aufsehen in der Computerszene sorgte und heftig, teils in rüdem Umgangston, diskutiert wurde. Dies klingt auch in dem Gästebucheintrag Nr. 66 vom 16.4.2000 „Ich hasse XXXX!!!„ an. Vor diesem Hintergrund musste sie aber als Betreiberin des virtuellen Gästebuches damit rechnen, dass dort auch Einträge von – teils anonymen – Verfassern erscheinen, die ehrverletzenden Inhalt haben. Aus diesem Grunde war sie verpflichtet, die Einträge, deren Einstellen sie nicht verhindern konnte, zumindest regelmäßig zu kontrollieren und rechtsverletzende Äußerungen zu löschen (LG Trier, 4 0 106/00, Urteil vom 16.5.2001). Dies stellt keine unzumutbare Belastung der Beklagten dar. Denn das Bereitstellen eines Gästebuches erschöpft sich nicht darin, dass Internetnutzer sich dort eintragen können, sondern hat den Zweck, dass die Einträge auch vom Betreiber des Gästebuches gelesen werden.

In welchen Abständen eine Kontrolle der Einträge zu erfolgen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend hatte die Beklagte zum Zeitpunkt der beanstandeten Einträge, d.h. Ende 2000 unstreitig ca. 170 Einträge, Anfang 2002 ca. 250 Einträge. Daraus ergibt sich, dass es sich um eine beschränkte und damit leicht überschaubare Anzahl neu eingehender Beiträge handelt. Ob diese wöchentlich oder zumindest einmal im Monat zu kontrollieren sind, kann vorliegend dahinstehen. Denn unstreitig standen die Beiträge Nr. 160 und 168 ca. 4 bzw. 3 Monate im Gästebuch. Innerhalb dieser Zeit hätte aber auf jeden Fall eine Kontrolle seitens der Beklagten erfolgen müssen.

Da sie eine regelmäßige Kontrolle der Einträge unterlassen hat, hat sie sich deren Inhalte zu eigen gemacht. Denn sie hat insoweit in Kauf genommen, dass ehrverletzende Äußerungen im Gästebuch erscheinen und von einer unbegrenzten Anzahl anderer Internetnutzer gelesen werden. Hinzu kommt, dass der Besucher des Gästebuches aus dem Umstand, dass ein ehrverletzender Eintrag über längere Zeit eingestellt bleibt, den Eindruck gewinnt, dass der Betreiber des Gästebuches mit dessen Inhalt einverstanden ist. Der Vermerk der Beklagten auf ihrer Homepage, dass sie sich von beleidigenden Äußerungen distanziere, kann diesen Eindruck nicht verhindern (LG Trier, 4 0 106/00, Urteil vom 16.5.2001).

c)

Die Äußerungen in den Einträgen Nr. 160,168 enthalten zwar entgegen der Ansicht der Klägerin keine Aufrufe zu einer Straftat bzw. Mordaufrufe, sie haben aber einen beleidigenden Inhalt und stellen daher unerlaubte Handlungen iSv § 823 Abs. 1, Abs.2 BGB iVm §§ 185 StGB dar. Im einzelnen gilt folgendes:

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält der Satz über die Zusendung des „explodierers,, in dem Eintrag Nr. 160 keine Aufforderung zu Begehung einer Straftat bzw. einen Mordaufruf. Er ist im Konjunktiv gehalten und äußert daher lediglich eine Wunschvorstellung des Autors. Dass er diese Wunschvorstellung in die Tat umzusetzen gedenkt, ist dem Beitrag ebenso wenig zu entnehmen wie eine Aufforderung an Dritte, dieses zu tun. Aus der Gegenüberstellung der Begriffe „andere Version des explorers,, – „explodierer,, ergibt sich vielmehr, dass der Autor durch das Wortspiel die Leser zum Lachen bewegen möchte. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinerseits schon einem Sprengstoffanschlag ausgesetzt war und dies verständlicherweise wenig erheiternd empfindet, rechtfertigt keine andere Bewertung.

Die Bezeichnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als „Arschloch,, verletzt diesen jedoch in seinem Persönlichkeitsrecht. Die Äußerung „er ist und bleibt ein A…. achwas ein ARSCHLOCH halt.,, stellt ein Werturteil dar. Der Begriff „Arschloch,, ist bekanntermaßen ein Schimpfwort, in dem ohne Zweifel eine ehrverletzende Kundgabe der Missachtung iSd § 185 StGB liegt. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist auch rechtswidrig. Grundsätzlich genießen Werturteile als Meinungsäußerung zwar den Schutz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Bei der hiernach erforderlichen Abwägung zwischen zwei hochrangigen Rechtsgütern ist vorliegend einerseits zu Lasten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sich der Beitrag auf das Abmahnverhalten bezieht, so dass grundsätzlich lediglich eine Ehrverletzung in der Sozialsphäre, d.h. im Bereich seiner beruflichen Beziehung zur Umwelt vorliegt, welche keinen absoluten Schutz genießt. Vielmehr muss in diesem Bereich eher Kritik hingenommen werden als wenn der Intimbereich einer Person betroffen ist (Palandt-Thomas, BGB, 61.Aufl. § 823 RN 185). Grundsätzlich ist bei der erforderlichen Abwägung auch das eigene Verhalten des Verletzten, das dem Eingriff vorausgeht, mit zu berücksichtigen. Davon dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die scharfe Äußerung des Autors durch Einmischung in die Diskussion selbst provoziert hat, kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn die dahingehende – von der Klägerin bestrittene – Behauptung der Beklagten ist gänzlich unsubstantiiert. Es werden keinerlei Tatsachen -wann, wo, in welcher Weise hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich geäußert – vorgetragen, die diesen Schluss rechtfertigen.

Zu Gunsten des Autors ist zu berücksichtigen, dass er mit seiner Äußerung einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit einer die Öffentlichkeit berührende Frage, nämlich das Abmahnverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, leisten wollte. Dies ergibt sich aus dem Kontext der zu beanstandenden Äußerung „kohle verdienen auf anderer leute kosten,,. Beiträge zur Auseinandersetzung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage genießen stärkeren Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung privater Interessen dienen (BVerfG NJW 1992, 2013). Dies rechtfertigt grundsätzlich auch scharfe Kritik. Die Bezeichnung als „Arschloch,, ist jedoch insoweit unverhältnismäßig, als sie mit einer Abwertung des Charakters des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verbunden ist, die zur Erreichung des Zwecks, die Auseinandersetzung mit dem Abmahnverhalten, nicht erforderlich ist. Denn bei dem kritisierten Abmahnverhalten handelt es sich zwar möglicherweise um eine ärgerliche, die Öffentlichkeit jedoch nicht fundamental berührende Streitfrage. Eine derart drastische Ausdrucksweise ist damit nicht mehr sachbezogen und unangemessen. Davon geht auch die Beklagte aus, wenn sie vorträgt, dass diese Äußerung „sicherlich zu weit,, gehe.

bb) Der Beitrag Nr. 168 stellt ebenfalls keinen Mordaufruf dar. Der Autor äußert lediglich, dass er eine Methode entwickelt habe, solche Parasiten sehr schnell zum Schweigen zu bringen. Dass damit zwingend die Tötung des Prozessbevollmächtigten gemeint ist, kann daraus nicht gefolgert werden. Erfordert auch nicht Dritte zur Tötung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf.

Die Bezeichnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als „Parasit,, stellt jedoch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs.2 BGB iVm § 185 StGB dar. Bei dieser Äußerung handelt es sich ebenfalls um ein Werturteil und nicht um eine Tatsachenbehauptung. Dieses bezieht sich durch die Bezugnahme auf die Information der Beklagten bezüglich „Abmahnverein/Anwalt,, erkennbar auf den Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der Begriff Parasit bedeutet „Schmarotzer,, (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl. 1989). Soweit der Begriff im Rahmen der NS-Propaganda auch gegenüber Juden gebraucht wurde oder auch in der Tier- und Pflanzenwelt Anwendung findet, kommt ihm inhaltlich keine andere Bedeutung zu. Auch in der Biologie bezeichnet er ein Lebewesen, das aus dem Zusammenleben mit anderen Lebewesen einseitig Nutzen zieht, das es oft auch schädigt und bei denen es Krankheiten hervorrufen kann. Der Begriff „Parasit,, wird darüber hinaus zwar in der antiken Komödie zur Bezeichnung einer Typenfigur, nämlich eines gefräßigen, komisch-sympathischen Schmarotzers, der sich durch kleine Dienste in reiche Häuser einschmeichelt sowie in der Geologie als Bezeichnung für einen kleinen, am Hang eines Vulkans auftretenden Kraters verwendet (Duden, aaO.). Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich aber, dass der Autor den Begriff nicht in den beiden zuletzt genannten Bedeutungen verwendet hat. Insbesondere wollte er ihn auch nicht als komisch-sympathischen Schmarotzer titulieren, da er ansonsten kaum Überlegungen angestrengt hätte, an diesem eine strafbare Handlung ausführen zu wollen („Methode.., die… sehr schnell zum Schweigen bringt,,, „könnte sonst….verklagt werden,,.) Eine Person, die als Schmarotzer auf Kosten anderer lebt, selbst also nichts leistet oder bereit ist, selbst zu geben, wird als nicht wertvoll oder Schädling angesehen. Die Äußerung ist daher geeignet, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in seinem Ansehen in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.

Die Äußerung ist auch rechtswidrig, da sie nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Die Meinungsfreiheit muss stets zurücktreten, wenn sich eine herabsetzende Äußerung als Schmähkritik darstellt (BGH NJW 2000, 3421, 3422). Eine solche liegt vor, wenn bei einer Äußerung nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht (BVerfG NJW 1995, 3303, 3304, BGH aaO, S. 3422). Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Autor des Eintrags Nr. 168 reagiert zwar auf die Informationen der Beklagten über das Abmahnverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wie sich aus dem Einleitungssatz ergibt. Der Beitrag setzt sich aber inhaltlich gar nicht mit dem Abmahnverhalten auseinander, sondern erschöpft sich ausschließlich in der Mitteilung der Kenntnis einer Methode, die den Prozessbevollmächtigten zum Schweigen bringt bzw. mit der Frage, wie dieser heißt und wo er wohnt. Es handelt sich demnach nicht um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf, sondern im Vordergrund steht die Herabwürdigung der Person des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.

Da die Einträge demnach das Persönlichkeitsrecht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm § 185 StGB verletzen und die Beklagte sich diese durch Duldung zu eigen gemacht hat, ist das Aufforderungsschreiben vom 3.3.2001 grundsätzlich zu Recht und damit im Interesse der Beklagten erfolgt.

d)

Gemäß § 670 BGB hat die Beklagte die zur Geschäftsführung erforderlichen Kosten

für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu erstatten. Die Ersatzpflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt sich selbst vertritt (Palandt-Heinrichs, aaO., § 249 RN 21). Vorliegend handelte es sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 10.7.2002 auch um die erste Abmahnung, so dass kein Massengeschäft vorlag, das die Einschaltung eines Anwaltes entbehrlich machte. Etwas anderes mag allerdings für weitere Abmahnungen wegen rechtswidriger Gästebucheintragungen gelten.

Entgegen der Angaben im Schreiben vom 24.10.2001 ist jedoch bei der Berechnung der Abmahnkosten nicht ein Streitwert von DM 30.000,-, sondern lediglich ein solcher in Höhe von DM 10.000,- zugrunde zu legen. Dies entspricht dem Interesse des Verletzten, § 3 ZPO. Eine weitere Reduzierung kam hingegen nicht in Betracht. Insoweit war bei der Bemessung zu berücksichtigen, dass es sich um zwei beleidigende Äußerungen und damit um zwei Angriffe handelte und Herr zumindest in der Computerszene nicht gänzlich unbekannt ist. Darüber hinaus sind die Äußerungen durch die Einstellung ins Internet einer unbegrenzten Vielzahl von Internetbesuchern zugänglich gemacht worden. Schließlich fällt streitwerterhöhend ins Gewicht, dass die rechtsverletzenden Beiträge jeweils mehrere Monate im Gästebuch standen.

Als erforderliche Kosten sind eine 7,5/10 Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zuzüglich Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO zu erstatten. Mehrwertsteuer macht die Klägerin hingegen nach entsprechendem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 10.7.2002 nicht mehr geltend. Danach errechnet sich eine Forderung von DM 486,25 (DM 446,25 + DM 40,–). In dieser Höhe ist die Forderung der Beklagten auf Kostenerstattung in Höhe von DM 855,12 gemäß § 387,389 BGB entfallen, so dass eine Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nur noch in Höhe von DM 368,87 zulässig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.

III.

Die Berufung war nicht gemäß § 511 Abs.2 Nr.2 ZPO zuzulassen, da Gründe hierfür

nicht vorliegen, § 511 Abs. 3 Nr.1, 2 ZPO.

IV.

Streitwert:

bis zum 9.7.2002 € 437,23 (DM 855,12),

ab dem 10.7.2002 € 248,62 (DM 486,25).

 

 

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