BAG
Az: 2 AZR 927/98
Urteil vom 17.02.2000
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München – Az.: 6 Sa 625/97
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2000 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 31. Juli 1998 – 6 Sa 625/97 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Beklagte ist ein mittelständisches Unternehmen des Elektrohandwerks und war über die Innungsmitgliedschaft an Tarifverträge gebunden. Sie beschäftigte den Kläger (geboren 24. März 1953, verheiratet, den Schwerbehinderten gleichgestellt) seit 1977 als Elektromeister. Der Kläger war zuletzt für die Zertifizierung nach ISO 9000 zuständig. Dabei war er dem Geschäftsführer der Beklagten unmittelbar unterstellt. Seit Frühjahr 1996 beabsichtigte die Beklagte verschiedene Sparmaßnahmen durchzuführen, insbesondere die 40-Stunden-Woche wieder einzuführen, und zu diesem Zweck aus der Innung auszutreten. In einer Meisterbesprechung im Mai 1996 unterstützte der Kläger die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche. Er organisierte dann aber Anfang Juli 1996 für den 10. Juli 1996 eine Zusammenkunft von Meistern und Abteilungsleitern der Beklagten in einer Gaststätte, bei der über die von der Beklagten beabsichtigten Maßnahmen gesprochen und zur Bildung einer Interessenvertretung gegenüber der Beklagten die Gründung eines Betriebsrats beschlossen wurde.
Ein weiteres Treffen wurde für den 15. Juli 1996 festgelegt.
Am 13. Juli 1996 unterrichteten drei der teilnehmenden Meister den Geschäftsführer der Beklagten über das Treffen am 10. Juli 1996 und die dort vom Kläger geäußerte Kritik. Darauf beurlaubte die Beklagte den Kläger am 15. Juli 1996. Zu dem für diesen Tag geplanten zweiten Treffen in der Gaststätte kam es nicht, weil die Beklagte nach dem Ende der üblichen Arbeitszeit eine Dienstbesprechung durchführte.
Auf einen Antrag der Beklagten auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers vom 15. Juli 1996 teilte die Hauptfürsorgestelle am 29. Juli 1996 mündlich mit, daß sie der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zustimme. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Juli 1996 fristlos. Das Schreiben ging dem Kläger am 30. und 31. Juli 1996 zu. Eine Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung hat die Hauptfürsorgestelle während des vorliegenden Revisionsverfahrens mit Bescheid vom 22. Dezember 1999 abgelehnt.
Der Kläger hat sich mit seiner am 19. August 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die fristlose Kündigung gewandt. Er hat behauptet, in der Sitzung vom 10. Juli 1996 habe nicht er, sondern ein anderer anwesender Meister Äußerungen wie „der Chef verschiebt Millionen“ gemacht. Die Äußerungen seien rein intern zwischen den beteiligten Arbeitnehmern gefallen und hätten keine Außenwirkung gehabt. Zur Gründung eines Betriebsrats hätten auch gewisse Wahlkampfmaßnahmen und Wahlkampfäußerungen fallen müssen, um entsprechende Stimmung zur Errichtung eines Betriebsrats in der Firma zu erzeugen. In der Dienstbesprechung vom 15. Juli 1996 habe der Geschäftsführer der Beklagten geäußert, er habe Angst, dass der Betriebsrat von den Gewerkschaften so geschult werde, daß dann eine Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung nicht mehr möglich sei; die Mitarbeiter würden dann nur noch gegen die Firma arbeiten. Mit der Kündigung habe die Beklagte offenkundig verhindern wollen, daß er, der Kläger, zum Betriebsratsmitglied gewählt würde, was er aller Voraussicht nach geworden wäre. Er habe keine herausragende Position in der Firma innegehabt, sondern sei einer von mindestens acht gleichrangigen Kollegen ohne unternehmerische Entscheidungsbefugnis gewesen. Ein besonderes Vertrauensverhältnis habe zwischen den Parteien nicht bestanden.
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 30. Juli 1996, zugestellt am 30. Juli 1996 und 31. Juli 1996, nicht aufgelöst wurde.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat die Beklagte behauptet, sie habe mit der Kündigung nicht die Betriebsratswahl behindern oder beeinflussen wollen. Ihr Geschäftsführer habe vielmehr erklärt, nichts gegen einen Betriebsrat zu haben. Mehreren Zeugen gegenüber habe der Kläger über den Geschäftsführer der Beklagten ua. geäußert, er sei unfähig, er sei nicht in der Lage, die Qualitätsmanagementunterlagen zu bearbeiten, er arbeite daraufhin, die Firma kaputt zu machen, er verschiebe Millionen und er werde bei der Firma Audi AG Ingolstadt, der wichtigsten Auftraggeberin der Beklagten, nicht ernst genommen, sondern nur belächelt. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis so nachhaltig gestört worden, daß eine weitere Zusammenarbeit unmöglich geworden sei. Der Kläger habe eine herausragende Stellung im Betrieb gehabt, da er direkt der Geschäftsleitung nachgeordnet und unmittelbarer Vorgesetzter sämtlicher anderer Mitarbeiter gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. Juli 1996 nicht aufgelöst wurde. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung von zwei Zeugen zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiter Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten und Gegenrügen des Klägers sind begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist sowohl hinsichtlich der Feststellung des zu beurteilenden Sachverhalts als auch dessen Würdigung gemäß § 626 BGB nicht frei von Rechtsfehlern.
I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß sich der Kläger in Gesprächen mit Meisterkollegen über den Geschäftsführer der Beklagten unangemessen, abwertend bis ehrenrührig geäußert habe. Daher verstoße die Kündigung nicht gegen § 20 BetrVG. Als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet seien vor allem die von den Zeugen bestätigten Äußerungen „da werden Millionen verschoben“, „wenn der Chef so weiter macht, macht er die Firma irgendwann einmal kaputt“ und sinngemäß – bezogen auf Ausgleichszahlungen für die Arbeitszeiterhöhung – „du wirst doch nicht glauben, daß wir dann ein positives Jahr haben, da werden die Zahlen schon hingedreht oder manipuliert“. Die Kündigung verstoße aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger sei wohl davon ausgegangen, daß seine Äußerungen vertraulich behandelt würden. Auch sei zu berücksichtigen, daß er mit diesen Äußerungen die Kollegen von der Notwendigkeit, einen Betriebsrat zu wählen, überzeugen wollte. Dies und das Bemühen, die Firma vor nachteiligen Änderungen zu schützen, ließen das Verhalten des Klägers in einem milderen Licht erscheinen. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung scheitere an der fehlenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Der Beklagten könne aufgrund der 19jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seines erfolgreichen Arbeitens zugemutet werden, dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Vorrang einzuräumen und dessen Verhalten „nur“ mit einer Abmahnung zu ahnden.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Beleidigungen durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber bedeuten, als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet; der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen; entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand einer üblen Nachrede ausfüllen (vgl. zB BAG 26. Mai 1977 – 2 AZR 632/76 – BAGE 29, 195, 200; 6. Februar 1997 – 2 AZR 38/96 – RzK I 6a Nr. 146 zu II 1 c der Gründe mwN; 21. Januar 1999 – 2 AZR 665/98 – AP BGB § 626 Nr. 151 = EzA BGB § 626 nF Nr. 178 zu II 2 der Gründe). Dies beruht darauf, daß das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen schützt (BVerfG 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 ua. – BVerfGE 93, 266; BVerfG 10. November 1998 – 1 BvR 1531/96 – BVerfGE 99, 185), und daß dieses Grundrecht im übrigen nicht schrankenlos gewährt, sondern insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt ist und in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden muß (BVerfG 10. Oktober 1995 aaO).
Berechtigt sind Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Diese kann etwa in Betriebsversammlungen auch überspitzt und polemisch ausfallen. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzen führen können, muß der Arbeitgeber dagegen nicht hinnehmen (zB BAG 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP BGB § 626 Nr. 96 = EzA BGB § 626 nF Nr. 108 zu II 2 d der Gründe).
Kündigungsrechtlich ausschlaggebend ist nicht die strafrechtliche Beurteilung (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt etwa 1. Juli 1999 – 2 AZR 676/98 – EzA BbiG § 15 Nr. 13 zu II 1 a der Gründe mwN). Eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrechtlich um so schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie ausgeführt wurde.
2. Hiervon ausgehend ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht die von ihm als bewiesen angesehenen Äußerungen des Klägers als an sich geeignet angesehen hat, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu begründen.
a) Allerdings ist die von ihm festgestellte Aussage „wenn der Chef so weiter macht, macht er die Firma irgendwann einmal kaputt“ für sich genommen eine zwar zugespitzte, aber noch zulässige Kritik an der Unternehmenspolitik der Beklagten. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Bewertung, die weder einen formal beleidigenden noch bloß schmähenden Charakter hat.
b) Anders zu bewerten sind dagegen die Äußerungen des Klägers „da werden Millionen verschoben“ und „da werden Zahlen schon hingedreht oder manipuliert“. Falls der Kläger sich so geäußert hat, hängt die Bewertung davon ab, was er damit für seine Gesprächspartner erkennbar ausdrücken wollte. Ehrenrührig und von der Meinungsäußerungsfreiheit nicht gedeckt wären die Äußerungen insbesondere dann, wenn dem Geschäftsführer der Beklagten damit kriminelle Machenschaften (Unterschlagungen, Bilanzfälschung) unterstellt werden sollten, denn dafür gab es offenbar keine konkreten Anhaltspunkte. Zwingend ist eine solche Auslegung der Äußerungen allerdings nicht. Wenn man bedenkt, daß die Beklagte auch einen Betrieb in Rumänien unterhielt, in den Kapital transferiert werden konnte, und daß einem Unternehmen bei der Bilanzerstellung durchaus legale „Spielräume“ verbleiben, könnten die angeblichen Äußerungen des Klägers auch lediglich den Vorwurf beinhalten, der Geschäftsführer der Beklagten werde sich gegenüber seinen Arbeitnehmern wohl nicht fair verhalten. Auch letzteres wäre zwar im Fall des Fehlens entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte kündigungsrechtlich relevant, aber von anderem Gewicht. Welcher Eindruck bei den Gesprächspartnern des Klägers erweckt werden sollte, bedarf gegebenenfalls weiterer Sachverhaltsaufklärung. Allerdings spricht für die erste Auslegungsversion, daß die angeblichen Äußerungen des Klägers, legt man die Aussagen der Zeugen M. und S. zugrunde, tatsächlich erhebliche Unruhe bei den Meistern hervorriefen, weshalb sich drei von ihnen besorgt an den Geschäftsführer der Beklagten wandten.
Daß der Kläger die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen aus einem spontanen Erregungszustand heraus gemacht hätte, behauptet er selbst nicht. Vielmehr ordnet er seine Äußerungen vom 10. Juli 1996 als „Wahlkampfmaßnahmen und Wahlkampfäußerungen“ ein. Dies spricht eher für ein überlegtes, planmäßiges Vorgehen. Unter diesen Umständen handelt es sich auch nicht um ein kündigungsrechtlich unerhebliches außerdienstliches Verhalten. Wer vor Teilen der Belegschaft mit Ehrverletzungen die Autorität des Arbeitgebers untergräbt, verstößt damit gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (vgl. Senatsurteil 6. Februar 1997 aaO zu II 1 c der Gründe). Der dienstliche Bezug wird außerdem dadurch unübersehbar, daß es dem Kläger der Würdigung des Landesarbeitsgerichts nach mit diesen Äußerungen darum ging, seine Kollegen zur Gründung eines Betriebsrats zu veranlassen.
Schließlich bedurfte es entgegen der vom Kläger erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung nicht einer Anhörung durch die Beklagte vor Kündigungsausspruch. Abgesehen vom Fall der Verdachtskündigung ist eine solche Anhörung kündigungsrechtlich nicht erforderlich. Maßgeblich ist nicht der subjektive Kenntnisstand des kündigenden Arbeitgebers, sondern die objektive Sachlage zum Kündigungszeitpunkt (Senatsurteile 23. März 1972 – 2 AZR 226/71 – AP BGB § 626 Nr. 63 = EzA BGB § 626 nF Nr. 11 und 18. September 1997 – 2 AZR 36/97 – AP BGB § 626 Nr. 138 = EzA BGB § 626 nF Nr. 169 zu II 2 a der Gründe).
3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, gleichwohl sei der Kündigungsausspruch unverhältnismäßig, hält so den Angriffen der Revision nicht stand.
Allerdings kann die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. zB 1. Juli 1999 – 2 AZR 676/98 – EzA BBiG § 15 Nr. 13 zu II 1 der Gründe mwN). Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht alle in Betracht kommenden Tatsachen widerspruchsfrei berücksichtigt.
a) Das Landesarbeitsgericht sieht es als entlastend an, daß der Kläger „wohl davon ausgegangen ist, daß seine Äußerungen vertraulich behandelt werden“. Richtig ist zwar, daß ehrverletzende Äußerungen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter Umständen eine Kündigung nicht rechtfertigen (Senatsurteil 30. November 1972 – 2 AZR 79/72 – AP BGB § 626 Nr. 66 = EzA BGB § 626 nF Nr. 23 zu 1 der Gründe). Der Senat hat sogar umgekehrt mit Urteil vom 21. Oktober 1965 (- 2 AZR 2/65 – AP KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5) die Offenbarung derartiger vertraulicher Aussagen als möglichen Kündigungsgrund angesehen. Die Nichtberücksichtigung vertraulicher Äußerungen wird letztlich durch die Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) geboten, das die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre als Ausdruck der Persönlichkeit besonders schützt, solange der Betroffene die Vertraulichkeit nicht selbst aufhebt (BVerfG 26. April 1994 – 1 BvR 1968/88 – BVerfGE 90, 255; BVerfG 24. Juni 1996 – 2 BvR 2137/95 – NJW 1997, 185 zu II 2 b aa der Gründe).
Ein Arbeitnehmer ist nicht gehalten, von seinem Arbeitgeber nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich entsprechend zu äußern. Hebt allein der Gesprächspartner gegen den Willen des sich negativ über seinen Arbeitgeber äußernden Arbeitnehmers die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers (Senatsurteil vom 30. November 1972 aaO zu 1 b der Gründe).
Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umstände verbieten jedoch die Annahme, es habe sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt. Zwar können Treffen unter Kollegen nach Dienstschluß in einer Gaststätte je nach Lage des Falles als vertraulich anzusehen sein (vgl. Senatsurteil 21. Oktober 1965 aaO). Dies trifft jedoch nicht für jedes Treffen nach Dienstschluß zu (vgl. etwa Senatsurteil 6. Februar 1997 aaO zu II 1 c der Gründe, für eine Geburtstagsfeier im Beisein des überwiegenden Teils der Belegschaft). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, daß seine Kollegen die Äußerungen für sich behalten würden (Senatsurteil 30. November 1972 aaO zu 1 der Gründe; LAG Köln 16. Januar 1998 – 11 Sa 146/97 – LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64; KR-Fischermeier 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 415).
Hinsichtlich der Sitzung vom 10. Juli 1996 konnte der Kläger nicht von der Vertraulichkeit der dort gemachten Äußerungen ausgehen. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht außer acht gelassen, daß es sich nicht um ein privates Treffen nach Dienstschluß handelte. Die Zusammenkunft diente vielmehr der Einleitung einer Betriebsratswahl, hatte also deutlich dienstlichen Bezug. Der Kläger selbst ordnet seine Aussagen in dem Gespräch als „Wahlkampfäußerungen“ ein. Ein Wahlkampf ist aber regelmäßig nicht vertraulich; Erklärungen zu Wahlkampfzwecken sollen eine möglichst breite Wirkung erzielen. Auch waren die vom Landesarbeitsgericht als bewiesen erachteten Äußerungen durchaus von Brisanz für das Unternehmen und seine Beschäftigten. Da es um die Existenz des Unternehmens ging, mußten sie die anwesenden Kollegen alarmieren, zumal der Kläger gemäß den Aussagen der Zeugen M. und S. als Mitarbeiter mit besonderen internen Kenntnissen angesehen wurde. Er hat im übrigen selbst vorgetragen, die Gespräche mit den Kollegen vor dem Treffen am 10. Juli 1996 seien offen und nicht etwa konspirativ oder mit dem Vorbehalt geführt worden, den Gesprächsinhalt vor der Geschäftsführung oder anderen Arbeitnehmern geheim zu halten; es sei nichts „geheim“ vereinbart worden. Unter diesen Umständen konnte er bei verständiger Würdigung nicht annehmen, daß die Teilnehmer des Treffens und seine Gesprächspartner bei den vorausgegangenen Telefonaten seine Äußerungen nicht weitergeben würden.
b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war es auch nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, daß er die Kollegen von der Notwendigkeit der Wahl eines Betriebsrats überzeugen und diese vor nachteiligen Änderungen durch die von der Beklagten geplanten Sparmaßnahmen schützen wollte. Altruistische Motive sind nicht geeignet, sein Verhalten in einem wesentlich günstigeren Licht erscheinen zu lassen (so für ein Vermögensdelikt Senatsbeschluß 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 47 zu B II 4 der Gründe). Auch bei der Teilnahme an einer Betriebsratswahl kann die Überschreitung der Grenzen der Meinungsfreiheit durch ehrverletzende Äußerungen ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein (BAG 15. Dezember 1977 – 3 AZR 184/76 – AP BGB § 626 Nr. 69 = EzA BGB § 626 nF Nr. 61 zu II 2, 3 der Gründe). Der Arbeitgeber muß nicht deshalb Beleidigungen und üble Nachreden hinnehmen, weil ein Arbeitnehmer seine Kollegen damit zur Betriebsratsgründung bewegen will.
Abgesehen davon erscheint das Verhalten des Klägers keineswegs als rein uneigennützig. Der Kläger geht selbst davon aus, daß er „aller Voraussicht nach“ zum Mitglied des Betriebsrats gewählt worden wäre und daß die Beklagte dies verhindern wollte. Die Aussagen der Zeugen erwecken den Eindruck, daß der Kläger als – bisherige – Vertrauensperson der Geschäftsführung sich nach dem Auftreten von Differenzen über die Unternehmenspolitik eine andere Machtbasis schaffen wollte. Jedenfalls bekundeten die Zeugen, es sei ihnen merkwürdig vorgekommen, daß gerade der Kläger die Betriebsratsgründung initiieren wollte. So erklärte der Zeuge S., er habe Bedenken gehabt, da „irgend etwas nicht paßte“. Die Ziele des Klägers waren zwar sicher legitim und rechtlich unbedenklich. Als rein altruistisch läßt sich das Bestreben, selbst die Position eines Betriebsratsmitglieds zu erlangen, aber nicht charakterisieren.
4. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen keine abschließende Entscheidung des Senats zu, so daß nach § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Zurückverweisung erfolgen mußte. Diese Feststellungen sind nämlich – wie schon erwähnt (vgl. oben II 2 b) – nicht vollständig und kamen zudem, wie der Kläger mit Recht rügt, nicht verfahrensfehlerfrei zustande.
Der Kläger hat die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts mit der Begründung angegriffen, es habe die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegten, zum großen Teil wortgleichen schriftlichen Aussagen der Zeugen M. und S. vom 25. bzw. 26. Juli 1996 nicht hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit (gemeint ist ersichtlich die Glaubhaftigkeit) der Aussagen berücksichtigt. Diese Verfahrensrüge ist nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO zulässig, da die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben, hinreichend konkret bezeichnet wurden. Zwar hat der Kläger die verletzte Rechtsnorm nicht konkret angegeben. Dies ist jedoch unschädlich. Zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm im Sinne von § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO genügt, daß die Richtung des Revisionsangriffs erkennbar ist (BAG 29. Juni 1954 – 2 AZR 13/53 – BAGE 1, 36, 38; 16. Januar 1997 – 2 AZR 35/96 – AP BGB § 779 Nr. 14 = EzA BGB § 154 Nr. 2 zu II 1 der Gründe). Hier ist unverkennbar, daß der Kläger eine Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO rügen will.
Diese Rüge ist auch begründet. Es fehlt an einer ausreichenden Beweiswürdigung. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe sind im Urteil anzugeben (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Tatsachengericht muß sich dazu im Urteil zwar nicht mit jeder Behauptung und Zeugenaussage ausführlich auseinandersetzen. Erforderlich ist jedoch, daß sich aus den Gründen ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung im Sinne von § 286 ZPO überhaupt stattgefunden hat (vgl. schon Senatsurteil 6. März 1958 – 2 AZR 457/55 – BAGE 5, 221, 224). Nichtssagende Floskeln ohne Bezug zu dem gewürdigten Sachverhalt genügen dazu nicht (Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 286 Rn. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl. § 286 Rn. 20).
Bei der vom Landesarbeitsgericht gebrauchten Formulierung „nach Vernehmung der Zeugen steht für die Berufungskammer fest …“ handelt es sich um eine nichtssagende Floskel in diesem Sinn. Sie macht auch nicht ansatzweise deutlich, welche Erwägungen das Landesarbeitsgericht dieser Würdigung zugrunde gelegt hat. Deshalb ist eine Überprüfung nicht möglich, ob die vom Kläger vermißte Berücksichtigung der schriftlichen Aussagen vom 25. und 26. Juli 1996 auf der Basis der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Erwägungen entbehrlich war oder ob diese vom Landesarbeitsgericht übersehen wurden. Die Würdigung des Klägers, wegen dieser weitgehend übereinstimmenden Schreiben bestünden gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Aussagen der Zeugen, ist sicherlich nicht zwingend, aber nahe liegend. Derartige Festlegungen von Zeugen können im Einzelfall ein Anhaltspunkt für eine Absprache sein. Das Landesarbeitsgericht hat die Zeugen auch dazu befragt, den Zeugen M. sogar ergänzend. Es hätte dementsprechend einer Begründung der Beweiswürdigung bedurft, die erkennbar macht, aus welchen Gründen nach Auffassung des Tatsachengerichts die Aussagen glaubhaft sind. Davon hat das Landesarbeitsgericht möglicherweise deshalb abgesehen, weil es nach seiner Rechtsauffassung ohnehin nicht tragend auf das Beweisthema ankam. Eine derartige nicht überprüfbare Beweiswürdigung kann jedoch nicht Grundlage einer abschließenden Entscheidung durch das Revisionsgericht sein.
5. Zudem fehlt es an einer eine abschließende Entscheidung zulassenden Interessenabwägung durch die Tatsachengerichte. Die Annahme eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung setzt eine Interessenabwägung voraus, die auf alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände erstreckt worden ist und mit der diese vollständig und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen worden sind (Senatsurteil 3. November 1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214, 215; BAG 14. November 1984 – 7 AZR 474/83 – AP BGB § 626 Nr. 83 = EzA BGB § 626 nF Nr. 93 zu II der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB keine ausreichende Interessenabwägung vorgenommen. Lediglich im Zusammenhang mit der Frage der Umdeutung der Kündigung in eine ordentliche hat das Landesarbeitsgericht mit dem Hinweis auf die Beschäftigungsdauer ein Element der Interessenabwägung angesprochen. Es fehlt damit eine umfassende Abwägung der relevanten Umstände. Auch das Arbeitsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – keine Interessenabwägung vorgenommen. Diese ist auch keineswegs unproblematisch und eindeutig, da sich jeweils gewichtige Interessen des Klägers (insbesondere dessen lange Beschäftigung) und der Beklagten (Ehrverletzung des Geschäftsführers, Störung des Betriebsfriedens durch die Beunruhigung von Teilen der Belegschaft) gegenüberstehen.
6. Die streitige Kündigung ist auch nicht schon aus sonstigen Gründen unwirksam, so daß eine Zurückverweisung der Sache entbehrlich wäre.
a) Die Beklagte brauchte kein Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 BetrVG durchzuführen. Der Kläger war weder Mitglied des Wahlvorstands noch Wahlbewerber, denn vor der Kündigung war kein Wahlvorstand nach § 17 BetrVG gewählt oder bestimmt worden (vgl. Senatsurteil 4. März 1976 – 2 AZR 620/74 – BAGE 28, 30; BAG 5. Dezember 1980 – 7 AZR 781/78 – BAGE 34, 291).
b) Auf der Basis seiner Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht auch mit Recht die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 20 BetrVG in Verbindung mit § 134 BGB verneint. Geschützt ist danach lediglich ein rechtmäßiges Verhalten des Arbeitnehmers. Auf die Verletzung arbeitsvertraglicher oder gesetzlicher Pflichten im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl kann der Arbeitgeber gegebenenfalls auch mit einer Kündigung reagieren, ohne gegen das Behinderungsverbot zu verstoßen (Senatsurteil 13. Oktober 1977 – 2 AZR 387/76 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3 zu II 3 a der Gründe). So kann die Störung des Betriebsfriedens und die Beleidigung von Kollegen auch in Verfolgung von Wahlkampfzwecken ohne Verletzung von § 20 Abs. 1 BetrVG Kündigungsgrund sein (Senatsurteil 13. Oktober 1977 aaO zu II 3 b der Gründe; BAG 15. Dezember 1977 – 3 AZR 184/76 – AP BGB § 626 Nr. 69 = EzA BGB § 626 nF Nr. 61). Für die Verletzung der Ehre des Arbeitgebers gilt nichts anders.
Ist die Sachdarstellung der Beklagten richtig, gewährt § 20 BetrVG dem Kläger keinen weitergehenden Schutz als § 626 BGB. Ist sie unzutreffend, ist die Kündigung bereits nach § 626 BGB unwirksam, ohne daß die Prüfung erforderlich wäre, ob die Beklagte gerade mit dem Ziel der Behinderung oder der Beeinflussung der Betriebsratswahl handelte.
Entsprechende Erwägungen gelten für § 612a BGB. Eine Verletzung der Ehre des Arbeitgebers wäre keine Rechtsausübung in zulässiger Weise im Sinne dieser Vorschrift.
c) Die Beklagte hat ferner die formellen Anforderungen der §§ 15, 21 SchwbG gewahrt. Sie hat die Kündigung nach der innerhalb der Frist von § 21 Abs. 3 SchwbG mündlich mitgeteilten Zustimmung der Hauptfürsorgestelle am 29. Juli 1996 bereits am Folgetag und damit unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung im Sinne von § 21 Abs. 5 SchwbG erklärt. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Arbeitgeber die Kündigung schon dann erklären, wenn ihm die zustimmende Entscheidung der Hauptfürsorgestelle mündlich oder fernmündlich mitgeteilt wurde. Die Zustellung des Bescheides der Hauptfürsorgestelle ist nicht erforderlich (Senatsurteile 9. Februar 1994 – 2 AZR 720/93 – BAGE 75, 358 und 12. August 1999 – 2 AZR 748/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine Einhaltung dieser Anforderungen zieht der Kläger auch nicht in Zweifel.
7. Das Landesarbeitsgericht wird somit nach einer vervollständigten Beweiswürdigung und gegebenenfalls ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen das Verhalten des Klägers nach Maßgabe des § 626 Abs. 1 BGB neu zu würdigen haben. Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung ist auch wiederum zu prüfen, ob eine Abmahnung (vgl. dazu Senatsurteil 4. Juli 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95, Senatsbeschluß 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 47 und Senatsurteil 1. Juli 1999 – 2 AZR 676/98 – EzA BBiG § 15 Nr. 13), eine Änderungskündigung oder eine ordentliche Beendigungskündigung als Reaktion der Beklagten angemessen und ausreichend gewesen wäre. Sollte letzteres der Fall sein, wäre die außerordentliche Kündigung nicht etwa deshalb im konkreten Fall die ultima ratio, weil eine entsprechende Umdeutung in eine ordentliche Kündigung an der von der Hauptfürsorgestelle abgelehnten Zustimmung scheitert, vielmehr würde dann das Arbeitsverhältnis ebenso fortbestehen, wie in dem Fall, daß sich der Arbeitgeber mit einer Änderungskündigung oder einer Abmahnung hätte begnügen müssen.