Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Az: 3 Sa 224/09
Urteil vom 21.10.2009
In dem Rechtsstreit hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2009 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.03.2009 – 2 Ca 84 d/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen mit dem Vorwurf unangemessenen, teils beleidigenden Umgangs gegenüber Kolleginnen.
Die Klägerin ist 31 Jahre alt, verheiratet und seit dem 15. April 2001 bei dem Beklagten als Bäckereifachverkäuferin tätig gewesen.
Der Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Die Klägerin erhielt zuletzt 1.900,00 Euro brutto monatlich.
Die Klägerin arbeitete in der Filiale in H.-U. . Leiterin dieser Filiale ist Frau L…. Am 01.09.2008 begann dort Frau A… ihre Ausbildung. Außerdem waren in dieser Filiale u.a. auch die Verkäuferinnen M… und L… tätig, Frau L… seit langem, Frau M… erstmalig am 11.11.2008.
Am 03. November 2008 suchten der Beklagte, die Verkaufsleiterin Frau K… und der Betriebsberater Herr L… die Filiale auf. Dabei wurde u. a. die Auszubildende Frau A… gefragt, wie es ihr in der Filiale gefalle. Diese berichtete daraufhin, dass sie mit allen außer der Klägerin zurechtkäme. Letztere hatte sie unstreitig – in welchem Tonfall auch immer – mehrfach vor Kunden kritisiert.
Daraufhin wurde die Klägerin noch am 03. November 2008 aufgefordert, Frau A… vernünftig zu behandeln und Kritik nicht vor Kunden zu äußern.
In der Folgewoche berichtete die Filialleiterin Frau L… Frau K… und Herrn L…, dass sich das Verhalten der Klägerin gegenüber Frau A… nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert habe. Nunmehr wurde die Klägerin für den 11. November 2008 zu einem Gespräch in die Zentrale gebeten. Das Gespräch, an dem die beiden Parteien und Frau K… teilnahmen, fand in der Zeit zwischen 10.00 und 11.00 Uhr statt. Die Klägerin wurde u.a. angewiesen, gegenüber Frau A… einen angemessenen Ton zu wahren, insbesondere Beschimpfungen und Bedrohungen zu unterlassen. Ihr wurde gesagt, dass dies nunmehr ihre letzte Chance sei. Sie solle mit der Auszubildenden A… ein Gespräch führen, um die Spannungen abzubauen, und auch mit der neuen Verkäuferin, Frau M…, freundlich und vernünftig umgehen.
Die Klägerin fuhr sodann in die Filiale H…-U… zurück. Danach kam es zu Äußerungen ihrerseits, die streitig sind und die vorliegende Kündigung ausgelöst haben.
Mit Schreiben vom 13. November 2008 (Anlage K 2; Bl. 8 d. A.), der Klägerin am gleichen Tage übergeben, hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt.
Am 20. November 2008 suchte die gekündigte Klägerin die Filiale in H…-U… auf. Sie traf dort die Auszubildende A… und sprach mit ihr. Der Inhalt der gegenüber Frau A… getätigten Äußerungen ist zwischen den Parteien streitig. Dasselbe gilt für eine Äußerung, die die Klägerin gegenüber einer anwesenden Reinigungskraft über Frau A… gemacht haben soll. Aus diesem Anlass sprach der Beklagte mit Datum vom 28.November 2008 eine erneute außerordentliche Kündigung aus. Diese Kündigung ist der Klägerin am 01. Dezember 2008 zugegangen.
Gegen beide Kündigungen hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben. Ihres Erachtens hat sie keine Vertragspflichten verletzt, sich allenfalls etwas burschikos verhalten.
Das Arbeitsgericht hat zu den Vorwürfen des Beklagten, die Klägerin habe Kolleginnen beleidigt und bedroht, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen A… und M…. Es hat sodann die Klage abgewiesen, weil es die im Zusammenhang mit dem Ausspruch der ersten außerordentlichen Kündigung vom 13.11.2008 erhobenen Vorwürfe als erwiesen angesehen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 19.03.2009 verwiesen.
Gegen dieses der Klägerin am 20.05.2009 zugestellte Urteil hat sie am 17.06.2009 Berufung eingelegt, die am 20.07.2009 begründet wurde.
Die Klägerin wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bestreitet nach wie vor die Vorwürfe und hält die Zeuginnen nicht für glaubwürdig. Sie habe keine ihrer Kolleginnen bedroht oder beleidigt. Auch sei sie nicht abgemahnt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.03.2009, zugestellt am 20.5.2009 (Aktenzeichen 2 Ca 84 d/09) abzuändern und:
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die von dem Beklagten erklärte, fristlose Kündigung vom 13.11.2008 nicht aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die von dem Beklagten hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung vom 13.11.2008 nicht aufgelöst worden ist,
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die von dem Beklagten erklärte fristlose Kündigung vom 28.11.2008 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Bereits die außerordentliche Kündigung vom 13.11.2008 sei gerechtfertigt. Ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei der von der Klägerin verwendete Ton unangemessen gewesen. Am 10. November 2008 gegen 12.00 Uhr habe die Klägerin die Auszubildende A… bedroht. Sie habe in Anwesenheit der Filialleiterin L… in beleidigender Art zu Frau A… gesagt: „Wenn du mich noch einmal beim Chef anscheißt, gehe ich dir an den Hals!“ (Beweis: L…). Nachdem die Klägerin am 11. November 2008 nach dem Personalgespräch in die Filiale zurückgekehrt sei, habe sie außerdem Frau M… den „Stinkefinger“ gezeigt und gesagt: „Wer mich beim Chef anscheißt, … den mache ich platt!“ (Beweis: M…, L…, L…). Am 20. November 2008 sei die schon gekündigte Klägerin erneut in die Filiale gegangen und habe u.a. zu Frau A… gesagt: „Wegen dir kleine Schlampe, du Bitch, bin ich gekündigt worden. Du bist so ein Kollegenschwein. Du bist die größte Schlampe auf der Welt! Ich hoffe, du wirst die Probezeit nicht überstehen!“ Im Hinausgehen habe die Klägerin zum anwesenden Reinigungsunternehmer Sch… gesagt: „Wegen der Schlampe da hinten, bin ich gekündigt worden.“
Das Gericht hat Beweis erhoben über das Verhalten und die Äußerungen der Klägerin am 10.11.2008 und am 11.11.2009 durch Vernehmung der Zeuginnen L…, L… und M…. Hinsichtlich der Beweisthemen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Oktober 2009 Bezug genommen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Mit ausführlicher überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und insbesondere darauf abgestellt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Äußerungen der Klägerin gegenüber Frau M… eine untragbare Bedrohung darstellten, die angesichts der mit der Klägerin geführten Vorgespräche und des einschlägigen Wiederholungsverhaltens ein unverzügliches Handeln des Beklagten erforderten. Dem folgt das Berufungsgericht im Ergebnis und in großen Teilen der Begründung. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag sowie das Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme eingehend, wird Folgendes ausgeführt:
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Hinsichtlich des Vorliegens eines Kündigungsgrundes ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.
a) Grobe Beleidigungen von Kolleginnen sind an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Was darunter einzuordnen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Von Bedeutung ist u. a. der betriebliche bzw. branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 Rdz. 77 m. w. N.).
b) Auch tätliche Auseinandersetzungen im Betrieb rechtfertigen grundsätzlich die außerordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber hat alle Arbeitnehmer seines Betriebs vor tätlichen Angriffen zu schützen.
c) Aufgrund der einem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern ist er gehalten, zur Wahrung des Betriebsfriedens geeignete Maßnahmen durchzuführen, um das geordnete Zusammenleben der Betriebsgemeinschaft zu gewährleisten. So kann auch eine nachhaltige Störung des geordneten Zusammenlebens der Betriebsgemeinschaft eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Produktionsablauf oder das geordnete Zusammenleben ansonsten beeinträchtigt werden (Schaub, § 130 Rdz. 35 m. w. N.).
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die fristlose Kündigung des Beklagten vom 13.11.2008 gerechtfertigt. Das Verhalten der Klägerin gegenüber ihren Kolleginnen war nicht länger tragbar und rechtfertigte angesichts der vorausgegangenen Gespräche, die mit ihr geführt wurden, auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin die außerordentliche Kündigung.
a) Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich teilweise wiederholten, teilweise ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin sich gegenüber der Auszubildenden A… am 10.11.2008 und gegenüber der Arbeitskollegin Frau M… am 11.11.2008 nicht nur in einer burschikosen Art geäußert hat, sondern beide in einer untragbaren Art eingeschüchtert, teilweise sogar bedroht und damit ein gedeihliches Zusammenarbeiten nachhaltig gestört hat.
aa) So hat die Zeugin L… bezüglich des Verhaltens der Klägerin am 10.11.2008 ausgesagt, dass sie der Auszubildenden A… „an den Hals gegangen ist“ und dieser dabei vorgeworfen hat, sie sei schuld, dass sie wieder zum Chef müsse. Die Zeugin hat demonstriert, wie die Klägerin sich dabei körperlich verhalten hat. Danach hat sie sich bei dieser Äußerung unmittelbar vor Frau A… gestellt und ihre Hand mindestens ganz nah im Halsbereich der Frau A… bewegt, wenn sie sie nicht gar am Hals berührt hat.
Ein derartiges Verhalten ist eine Bedrohung einer Arbeitskollegin, die durch nichts zu rechtfertigen ist und auch vorliegend durch kein Verhalten der Auszubildenden A… auch nur ansatzweise provoziert war. Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin L… im Zusammenhang mit dieser Aussage. Die Zeugin, die sich zunächst vor allem in Bezug auf die Vorkommnisse vom 11.11.2008 schwer getan hatte, sich bildlich in die rund ein Jahr zurückliegenden Geschehensabläufe zurückzuversetzen und über diese zusammenhängend zu berichten, hat das Geschehen vom 10.11.2008 nahezu sprudelnd „in einem Guss“ geschildert. Die Zeugin hat angegeben, dass und wie sie bei der Gestik der Klägerin noch geschrien hat: „A…!“. Ihre Aussage ist nach der Überzeugung der Kammer in jeder Hinsicht glaubwürdig. Es wurde auch an der Mimik der Zeugin ersichtlich, dass und wie entsetzt sie über das Verhalten der Klägerin gegenüber der Auszubildenden A… in diesem Moment war. Auch im Zusammenhang mit der Beschreibung der Reaktion der Auszubildenden A… – mindestens 5 Minuten Weinen auf der Toilette – hat die Zeugin glaubwürdig die Wirkung des Verhaltens der Klägerin dargelegt. Ihr Entsetzen und ihre eigene Betroffenheit über diese Umgangsart gegenüber der Auszubildenden spiegelten sich bei der Zeugin L… noch während ihrer Aussage im Gesichtsausdruck wieder. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage.
Auch im Hinblick auf den Vorfall vom 11.11.2008 hat die Zeugin L… bestätigt, dass die Klägerin nach dem Gespräch in der Zentrale wutentbrannt in der Filiale in H…-U… erschien und zur Zeugin M… mit der Hand oder Faust gestikulierend gesagt hat: „Wer mich beim Chef anmachen will, den mache ich platt“. Die Zeugin L… hat in diesem Zusammenhang ausgesagt, sie habe sich unwohl und ein wenig bedroht gefühlt; die Zeugin M… sei sprachlos gewesen. Sie hat ferner ausgesagt, dass sie versucht hat, die Klägerin, die sie als aufbrausend beschrieben hat, zu beruhigen, was ihr nicht gelang. Sie hat dargelegt, wie ratlos die Zeugin M… bezüglich ihres weiteren Arbeitsverhaltens für diesen Tag war. Gemeinschaftlich haben die Zeuginnen L…, L… und M… sodann überlegt, wie gewährleistet werden könne, dass Frau L… und Frau L… ihren Feierabend machen konnten und gleichwohl die Zeugin M… allein mit der Klägerin in der Filiale verbleiben und arbeiten könne. Für die Berufungskammer ist aus dieser Aussage bereits deutlich geworden, dass das Verhalten der Klägerin gegenüber Frau M… bei allen drei vernommenen Zeuginnen die Frage aufkommen ließ, ob die Zeugin M… am 11.11.2008 ihre Arbeitsleistung überhaupt noch würde erbringen können und wie man ihr, ohne den Schutz weiterer Kolleginnen, an diesem ersten Arbeitstag Hilfestellung leisten könne. Die Kammer hat auch insoweit keine Anhaltspunkte für eine etwaige Unglaubwürdigkeit der Zeugin L…. Ihre Aussage war widerspruchsfrei, sie war sichtlich betroffen. Es wurde nach wie vor ihre durchlebte Sorge vom 11.11.2008 deutlich, wie die Zeugin M… mit der Klägerin nach diesem Vorfall, noch dazu am Beginn ihres ersten Arbeitstages, würde weiter zusammenarbeiten können.
bb) Aber auch die Zeugin L… hat ohne jegliche Anhaltspunkte für eine etwaige Unglaubwürdigkeit den vom Beklagten dargelegten Kündigungssachverhalt ebenfalls bestätigt. Sie hat ausgesagt, die Klägerin habe aufgebracht und mit erhobenem Finger zur Zeugin M… gesagt: „Wer mich beim Chef anscheißt, den mach ich platt“. Die Zeuginnen hatten während der Beweisaufnahme keinerlei Kontakt, da sich die Zeugin L… nach ihrer Aussage auf Bitten des Gerichts vorsorglich im Sitzungssaal aufgehalten hat. Die Zeugin L… hat die Aussage der Zeugin L… bestätigt, auch in scheinbar ungereimten Detailfragen. Auch die Zeugin L… hat zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin die neue Arbeitskollegin an ihrem ersten Arbeitstag aus heiterem Himmel eingeschüchtert hat und sich nicht beruhigen ließ. Sie hat auch die Geste, die die Klägerin gegenüber Frau M… mit der Hand/ dem Finger gemacht hat, bestätigt und demonstriert. Dabei hat sie offengelassen, ob es sich um den „Stinkefinger“, der das Lieblingszeichen der Klägerin gewesen sei, oder um den Zeigefinger gehandelt hat. Das ist für die Berufungskammer aber auch nicht entscheidungserheblich.
Für die Berufungskammer bestehen danach keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei dem Verhalten der Klägerin nicht mehr nur um eine burschikose Ausdrucksform gehandelt hat, diese vielmehr die neue Arbeitskollegin M… so eingeschüchtert hat, dass der weitere Verlauf des Arbeitstages fraglich erschien und sich die Zeuginnen L… und L… dafür verantwortlich fühlten, mit der Zeugin M… zu beraten, wie jetzt vorgegangen werden solle und sie zu ermuntern, zu versuchen, wenigstens einige Arbeitsstunden durchzuhalten. Der von der Klägerin an den Tag gelegte Umgang gegenüber ihren Arbeitskolleginnen ist untragbar. Er zerstört den Betriebsfrieden und macht eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich.
cc) Das hat auch letztendlich die Aussage der Zeugin M… bestätigt. Diese hat sich nach ihren Angaben sehr unbehaglich gefühlt und die Situation als äußerst unschön wahrgenommen. Sie hat das Verhalten der Klägerin als aggressiv ihr gegenüber eingeordnet und war perplex, wieso ausgerechnet sie Adressatin derartiger Äußerungen war. Das ist auch noch im Rahmen der Beweisaufnahme deutlich geworden, die knapp ein Jahr nach dem Vorfall in der Berufungsverhandlung durchgeführt wurde. Auch die Zeugin M… hat bestätigt, dass sie ratlos und völlig verunsichert war, wie der weitere Arbeitstag, an dem sie nun mit der ihr gegenüber äußerst aggressiv aufgetretenen Klägerin allein zusammenarbeiten musste, weiterverlaufen würde. Sie hat ebenfalls ausgesagt, dass sie noch bis 15.00 Uhr, wie mit den Zeuginnen L… und L… abgesprochen, „durchgehalten“ hat. Das ist nach ihrer Aussage deshalb geschehen, um einerseits den Kolleginnen L… und L… den Feierabend zu ermöglichen und andererseits der Klägerin nicht zuzumuten, den ganzen Arbeitstag alleine und ohne Unterstützung in der Filiale ableisten zu müssen. Auch die Aussage der Zeugin M… ist in jeder Hinsicht glaubwürdig. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Klägerin sie grundlos eingeschüchtert und in nachhaltige, berechtigte Konflikte bezüglich ihres weiteren Arbeitsverhaltens gebracht hat. Für die Berufungskammer steht fest, dass die Klägerin ungezügelt aggressiv gegenüber ihrer neuen Arbeitskollegin – dem schwächsten Glied in ihrem aktuellen Arbeitsumfeld – war und das Arbeitsklima am 11.11.2008 durch ihr Verhalten vergiftet und zerstört hat.
b) Dieses Verhalten hat der Beklagte zur Recht mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung geahndet. Mit der Klägerin war angesichts ihres unangemessenen Umgangstons bereits am 03.11. 2008 und unmittelbar vor dem Vorfall am Vormittag des 11.11.2008 gesprochen worden. Sie ist am 11.11.2008 explizit aufgefordert worden, Beschimpfungen und Bedrohungen von Kolleginnen zu unterlassen. Dabei ist sie darauf hingewiesen worden, dass dieses nunmehr ihre letzte Chance sei.
c) Soweit der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung bestritten hat, dass der Klägerin gesagt worden ist, dass dies nunmehr ihre letzte Chance sei, ist dieses Vorbringen unbeachtlich und verspätet. Ausweislich Seite 3 des Tatbestandes war bis dato dieser Inhalt des Gespräches unstreitig. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag liegt nicht vor. Auch in der Berufungsbegründung wurde das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten nicht bestritten. Soweit der Klägervertreter auf seine Ausführungen auf Seite 2 seines erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 16.02.2009, letzter Absatz, verweist und hieraus einen Vortrag seinerseits ableiten will, die Äußerung „dieses sei ihre letzte Chance“ sei nicht gefallen, enthält der Schriftsatz derartiges Vorbringen auch nicht ansatzweise. Der Satz: „Die Klägerin habe das etwa 30 minütige Gespräch als nettes, angenehmes Kritikgespräch empfunden“, enthält kein bestreitendes substantiiertes bestreiten der Äußerung des Beklagten :dieses nunmehr ihre letzte Chance“.
d) Diese Äußerung des Beklagten stellt zweifelsfrei eine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne dar. Sie konnte von der Klägerin nur als Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen verstanden werden. Sie ist auch als Abmahnung von der Klägerin verstanden worden. Das hat die Klägerin nach Aussage der Zeugin M… selbst am 11.11.2008 zu ihr gesagt.
e) Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin noch am gleichen Tage postwendend im unmittelbaren Anschluss an dieses Abmahnungsgespräch ihr beanstandetes Verhalten wiederholt und ihre neue Arbeitskollegin in einer nicht entschuldbaren Art und Weise aggressiv so eingeschüchtert hat, dass sie nicht bis zum Ende des Arbeitstages weiterarbeiten konnte, war der Ausspruch der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung vom 13.11.2008 gerechtfertigt. Dem Beklagten war es unzumutbar, das Vertragsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Klägerin konnte sich schon nach dem Abmahnungsgespräch nicht zusammenreißen, obgleich ihr Arbeitgeber ihr deutlich gemacht hatte, dass ihr Verhalten beanstandet wird und künftig nicht mehr geduldet werde. Gleichwohl hat sie sich dieses nicht zu Herzen genommen. Im Gegenteil: Sie hat dieses beanstandete Verhalten sofort noch einmal wiederholt und dadurch den ersten Arbeitstag ihrer neuen Kollegin unerträglich gemacht. Die Klägerin hat sich mit ihrem ungebührlichen Umgangston und Umgangsstil gegenüber der Auszubildenden A… und der neuen Mitarbeiterin M… auch stets an die schwächsten Glieder im Umfeld ihrer Kolleginnen gewandt. Das ist besonders verwerflich, weil diese Mitarbeiterinnen am wehrlosesten waren. Derartiges Verhalten galt es vom Beklagten zu unterbinden, um den Betriebsfrieden und ein gedeihliches Miteinander zu gewährleisten.
Dem Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Es ist für die Kammer angesichts des nachhaltigen Verhaltens der Klägerin auch nicht ansatzweise ersichtlich, vor welchem tatsächlichen Hintergrund davon auszugehen wäre, dass die Klägerin trotz ihres Verhaltens am 11.11.2008 während einer laufenden 2 1/2-monatigen Kündigungsfrist in der Lage sein würde, sich zurückzuhalten und sich gegenüber ihren Kolleginnen angemessen zu benehmen. Das gilt umso mehr, als die Klägerin am 11.11.2008 noch drei Stunden mit der von ihr unberechtigt angegriffenen Arbeitskollegin M… zusammengearbeitet hat, ohne die Wirkung ihres Verhaltens abzumildern. Nichts hätte nähergelegen, als sich im Laufe dieser Zeit bei der Arbeitskollegin zu entschuldigen, um so zu versuchen, die Schärfe aus der Wirkung ihrer aggressiven Äußerung zu nehmen.
Angesichts dieser fehlenden Einsichtsfähigkeit sowie der zeitnahen Wiederholungen des mehrfach beanstandeten Umgangsstils war der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin vorliegend gerechtfertigt.
3. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag unbegründet. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.11.2008 hat das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos beendet. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.