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Benzinklausel und Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: IV ZR 120/05

Urteil vom 13.12.2006

Vorinstanzen:

LG Konstanz, Az.: 4 O 364/04, Entscheidung vom 25.01.2005

OLG Karlsruhe in Freiburg, Az.: 19 U 33/05, Entscheidung vom 28.04.2005


Leitsätze:

Der Ausschluss einer Deckung von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflichtversicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind (sog. Benzinklausel), setzt voraus, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist. Für die Auslegung der Ausschlussklausel kommt es nicht auf § 10 AKB an.


In dem Rechtsstreit hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2006 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. April 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er privathaftpflichtversichert ist, Freistellung von einem Schaden, den er verursacht hat.

Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung privater Risiken (BBR Privat) zugrunde. In Letzteren ist unter III. 1 bestimmt:

„Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“

Der Kläger ist Maurermeister. Sein Arbeitgeber hatte ihm einen Mercedes Transporter 4,5 t zur Verfügung gestellt für den Weg von und zur Arbeitsstelle, wobei der Kläger Arbeitskollegen abzuholen oder mitzunehmen hatte. Der Kläger nutzte das Fahrzeug nicht privat; dessen Kosten trug allein der Arbeitgeber. Am 19. Januar 2004 stellte der Kläger gegen 6.10 Uhr einen Heizlüfter in das Fahrzeug, um die vereisten Front- und Seitenscheiben aufzutauen. Danach wollte er sich auf den Weg zur Arbeit machen. In dieser Weise hatte der Kläger schon öfter die Scheiben vom Frost befreit. An diesem Tag kehrte der Kläger, während der Heizlüfter lief, in seine Wohnung zurück. Als er gegen 6.20 Uhr wieder nach dem Fahrzeug sah, stellte er fest, dass sich der Heizlüfter ausgeschaltet hatte und Brandschäden im Fahrzeug entstanden waren. Der Arbeitgeber stellte ihm deshalb den Betrag von 6.704,04 € in Rechnung.

Die vom Kläger zur Regulierung aufgeforderte Beklagte beruft sich auf verschiedene Haftungsausschlüsse, u.a. auf Nr. III. 1 BBR Privat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klausel Nr. III. 1 BBR Privat schließe von der Deckung durch die Beklagte als Privathaftpflichtversicherer nur solche Fälle aus, bei denen sich das spezifische Risiko des Kraftfahrzeuggebrauchs verwirkliche oder die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgehe. Hier habe der Kläger zwar durch das Enteisen der Scheiben seinen Fahrtantritt vorbereitet. An diese Verrichtung habe sich der Fahrtantritt aber nicht unmittelbar angeschlossen. Vielmehr sei der Kläger für 10 Minuten in seine Wohnung zurückgekehrt. Außerdem habe sich mit dem Schaden ein Risiko realisiert, das dem Gebrauch des Heizlüfters

und nicht des Fahrzeugs anhafte. Da ein Haftungsausschluss auch aus anderen Gesichtspunkten hier nicht in Betracht komme, müsse die Beklagte für den Schaden einstehen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1.

a) Die so genannte Benzinklausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist nicht anders auszulegen als Versicherungsbedingungen im Allgemeinen, nämlich so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Bestimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85).

Als Ausschlussklausel ist Nr. III. 1 BBR Privat grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 17. September 2003 – IV ZR 19/03 – VersR 2003, 1389 unter 2 b m.w.N.).

b) Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat nimmt vom Versicherungsschutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraftfahrzeugs wegen Schäden aus, „die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden“. Es muss sich also eine Gefahr verwirklicht haben, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 – IV ZR 243/92 – VersR 1994, 83 unter 3 a). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmers vielmehr, dass der Anwendungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sie ein Gebrauchsrisiko gerade des Kraftfahrzeugs verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat.

c) Dabei ist nicht zu übersehen, dass mit Nr. III. 1 BBR Privat ein Risiko aus dem Bereich der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen wird, das typischerweise dem Risikobereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zuzuordnen ist. Das wird auch der verständige Versicherungsnehmer bedenken; er wird Versicherungsschutz für das mit dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verbundene Risiko in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung erwarten. Insoweit erkennt der Versicherungsnehmer, wie der Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 – IVa ZR 161/87 – VersR 1989, 243 unter 3a; vom 16. Oktober 1991 – IV ZR 257/90 – VersR 1992, 47 unter 1), dass mit der hier in Rede stehenden Klausel grundsätzlich vom Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen werden soll, was als typisches Kraftfahrzeuggebrauchsrisiko in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung versicherbar ist. Damit sollen einerseits Doppelversicherungen, andererseits aber auch Deckungslücken vermieden werden. Darin erschöpft sich indessen die Bedeutung dieser Erwägung.

Sie bedeutet dagegen nicht – und nur insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest -, dass der Versicherungsnehmer wegen dieses auch ihm erkennbaren Zusammenhangs zur Auslegung des in Nr. III. 1 BBR Privat formulierten Merkmals „Schäden, die durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs verursacht werden“, auf Bedingungswerke zurückgreifen müsste, die in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Verwendung finden. Denn diese Bedingungswerke muss der Versicherungsnehmer nicht kennen. Nr. III. 1 BBR Privat verweist weder auf Klauseln in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung noch wird dem Versicherungsnehmer sonst deren Inhalt zur Kenntnis gebracht.

Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist demgemäß aus sich heraus nach ihrem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck auszulegen, wie dies oben näher dargelegt worden ist. Das gilt selbst dann, wenn der Begriff des Fahrzeuggebrauchs in den Bedingungen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wegen des dort zu beachtenden Zusammenhangs weiter auszulegen sein sollte als in Nr. III. 1 BBR Privat.

d) Legt man diese Auslegung der Nr. III. 1 BBR Privat zugrunde, erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als zutreffend.

Zwar diente die Schaden stiftende Verrichtung der Vorbereitung des Einsatzes des Fahrzeugs zu seinem typischen Verwendungszweck und damit dessen Gebrauch durch den Kläger als Fahrzeugführer. Der Kläger hat aber nicht das Fahrzeug gebraucht, sondern lediglich einen nicht zum Fahrzeug gehörenden Heizlüfter in das Fahrzeug gestellt. Es hat sich also nicht das Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs, sondern ein Risiko des Heizlüfters realisiert. Deshalb greift der Deckungsausschluss der Nr. III. 1 BBR Privat hier nicht ein.

2.

Das Berufungsgericht hat auch im Übrigen das Eingreifen von Risikoausschlüssen zutreffend verneint.

a) Nach § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet, gepachtet, geliehen oder durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind, nicht gedeckt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger hier aber weisungsabhängiger Besitzdiener. Er fällt daher nicht unter § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB. Dagegen wendet die Revision ein, der Kläger habe das Fahrzeug zumindest nachts für seinen Arbeitgeber zu verwahren gehabt. Eine derartige Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis würde jedoch für die Anwendung von § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB nicht ausreichen (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1987 – IVa ZR 140/86 – VersR 1987, 1181, 1182).

b) Gemäß § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. b AHB sind ausgeschlossen Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind. In dieser Hinsicht hält die Revision für erheblich, dass der Kläger die Scheibe enteist habe, um zur Arbeit und zum Abholen der Kollegen zu fahren. Die zitierte Ausschlussklausel nimmt indessen solche Schäden nicht vom Versicherungsschutz aus, die der Versicherungsnehmer an fremden Sachen dadurch verursacht, dass er diese benutzt, um sich selbst oder sein Material oder Werkzeug an den Arbeitsplatz zu schaffen (Senatsurteil vom 27. November 1969 – IV ZR 637/68 – VersR 1970, 145 f.). In jener Entscheidung ging es um die Beschädigung eines Paternosters, der als Beförderungsmittel auf dem Weg von einer Arbeitsstelle zur anderen benutzt worden war. Der Kläger hat auch im vorliegenden Fall seine berufliche Tätigkeit als Maurermeister nicht an oder mit dem Fahrzeug verwirklicht.

 

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